Namen

Bereich für Erzähl- und Sachprosa, also etwa Kurzgeschichten, Erzählungen, Romankapitel, Essays, Kritiken, Artikel, Glossen, Kolumnen, Satiren, Phantastisches oder Fabeln
Renée Lomris

Beitragvon Renée Lomris » 09.05.2010, 19:18

mmmmmmmmmm
Zuletzt geändert von Renée Lomris am 05.08.2011, 09:50, insgesamt 3-mal geändert.

Renée Lomris

Beitragvon Renée Lomris » 05.06.2010, 05:44

Hallo Sam,

Wie es (mir) manchmal passiert, eine Zeitverschiebung, eine Reaktionshemmung, was das Kommentieren und die Antwort auf Kommentare betrifft. - Und dann kommt es vor, dass sich Gedanken absetzen und klarer werden...

Geschickt gemacht, der Text. Du erzählst genügend, um eine bestimmte Atmosphäre zu erzeugen, lässt aber auch vieles im Unklaren. Nun bin ich weniger die Art Leser, die gerne eine Geschichte für sich weiterspinnt. Mir liegt wenig an Assoziationsfreiräumen. Es ist mehr, dass das Unerwähnte, das Nichterzählte einem Text immer einen gewissen Geschmack gibt. Manchmal den der Unvollständigkeit. In diesem Fall aber einen, der damit zu tun, dass man eben nicht immer allers wissen kann, vieles im Dunkeln bleibt, auch (oder gerade) innerhalb einer Familie.


Das "geschickt gemacht" hat mich etwas getroffen. Eine alte Wunde ... (bitte, das jetzt nicht auf die Goldwaage legen - ne pas prendre à la letttre). Genau mit diesen Grundhaltungen schreiben wir alle, Verletzungen, die ein Weiterschreiben, Ausschreiben notwendig machen. Deine weiteren Ausführungen legen den Finger genau in das fast zwanghaft von mir angeschnittene Thema der Lückenhaftigkeit der Texte - meist meine ich dann die Lyrik, stelle zu meinem Erstaunen fest, dass ich genau die von mir oft kritisierte Haltung einnehme: ich setze "geschickt" Unvollständigkeit ein, wodurch mir die Mühe einer gründlicheren Durcharbeitung erspart bleibt. In diesem Fall passt es. Auch das weist mich in die Schranken, denn im Grunde suche ich nach Themen, die solche Lückenhaftigkeit, solche Textkonzentrate zulassen.

Natürlich habe ich dein Lob wahrgenommen und mich gefreut, dass das Ganze dir kohärent erscheint. Was das Thema der bösen Omen angeht, geht es, wie du schreibst um eine abergläubischen Haltung, die andere Formen hätte annehmen können. Familien scheinen sich um versprochenes Glück und heraufbeschworenes Unglück zu scharen: dass aus dem und dem etwas/nichts würde, das haben alle dann gewusst, wenn ein Grabdeckel drauf gelegt werden kann.

auch eine Sache der Schreibhaltung:
die Aufklärung im Leben der Menschen oftmals viel weniger Spuren hinterlassen hatte, als man gemeinhin annehmen möchte


Die Sache mit der Aufklärung, das ist ein weiterer Streitpunkt für mich. Ich habe mich einer geradezu reaktionären Ablehnung dessen, was ich von Kant verstehen konnte, nie freimachen können. Es raunt und rauscht in den meisten meiner Geschichten. Gleichzeitig hoffe ich, in dem Sinne "aufklärerisch" zu schreiben, als ich den Kontext der Vernebelung beschreibe und den Widerstand gegen das Umräuchertwerden.

Die Sünde der allzu naiv aufklärerischen Haltung ist hier im Salon ja nicht so verbreitet, höchstens im Sinne eines Sichbefreien wollen von den Schwarzmalereien der Nachkriegszeit. Die Aufklärungsapostel jener Jahre mussten in Kauf nehmen, dass ihnen vorgeworfen wurde, da aufklärerisch zu wirken, wo es bereits hell ist, und ihr Licht so zu verbrennen, wo es doch für den Fall des Obskurantismus gebraucht würde.

Jetzt hoffe ich noch einigermaßen beim Thema deines Kommentars geblieben zu sein. Danke für die doppelte Inspiration.

lG
Renée

african queen

Beitragvon african queen » 05.06.2010, 12:09

Hallo Renée,
ein Thema und doch eine neue andere Geschichte, deine Geschichte.
Angeregt durch Sam's Text, doch völlig anders. Das Verweben der Namensgebung
ist dir sehr gut gelungen und wiederum meine Erinnerung an Afrika angeregt.
Vor meinem letzten Aufenthalt gab es ein Unglück in einer der Großfamilie, mit der
ich verbunden bin, Malick, ein junger Vater mit Frau und vier Kindern, starb. Kannte ihn
auch. Eine Woche später wurde ein Kind geboren, in der Familie des jüngeren Bruders,
da ein Junge, erinnerte man mit der Namensgebung " Malick" an dessen frühen Tod.
Die Familie kümmert sich um die Witwe und die Kinder. Der jüngere Bruder ist verpflichtet,
die Frau ( als Zweitfrau) zu " übernehmen " und die Kinder wurden " aufgeteilt".
Das Unglück wird verblassen, der Name bleibt.
Leider kann ich das nicht so gut in Worte fassen, wäre auch eine " Afrikageschichte " .
Deine Geschichte habe ich sehr gerne gelesen.
lg
african queen

Benutzeravatar
Lisa
Beiträge: 13944
Registriert: 29.06.2005
Geschlecht:

Beitragvon Lisa » 05.06.2010, 20:53

Liebe Renee,

spät, ich lese den Text gerade im Zuge der Wahl...gut, dass es sie gibt, denn:

auch ich bin begeistert von diesem zarten Text, der dazu mehr ist als zart, er ist mit Leichtigkeit bemüht - das gelingt selten, eine Annäherung gelingt selten. Hier aber eben schon...

Neben vielen feinen Beobachtungen, habe ich diese hier besonders gern gefunden:

Und ich versuche, ihr zu erklären, ohne ihr weh zu tun (aber ich tat ihr nie weh, scheint mir, ich tat ihr nie weh, weil alle Schmerzen nun mehr in ihrem Körper endeten und von dort nur selten weg gingen. Nichts war wichtiger, als dieses Wundmal am Bein, das nicht heilte und nie heilen würde) ihr zu erklären, dass es mir seltsam vorkommt, dass sie Elisabeth heißt, wie ihre Tochter.


Nicht nur, dass das für sich genommen stark und fein ist, für mich strahlt diese Empfindung/Vermutung/Beobachtung in alle Richtungen des Textes aus, wie ein flüssiger Kern von etwas. Auf mich wirkt so etwas dann immer so erhaben im guten Sinne, eine Seltenheit.

Was den Gesamttext angeht, habe ich noch etwas "Lücken" gespürt - ob das so sein muss oder ob die Annäherung noch im Prozess ist, ich spüre, dass sich sich der Text noch weiterentwicklen möchte, mag ich in diesem Fall nicht beurteilen, sondern einfach nur kurz vorbeikommen.

Wir haben einige Autoren im Forum, die besonders die "Menschensichtbarkeitsmachung" beherrschen - für mich gehörst du da inzwischen ganz fest dazu und ich liebe solche Texte und Themen!

liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

Max

Beitragvon Max » 12.06.2010, 17:25

Liebe Renée,

diesen Text habe ich erst jetzt, also sehr spät gefunden.
Umso besser, dass ich ihn überhaupt noch entdeckt habe, denn ich mag diesen Text und seinen stiillen und unaufdinglichen doch wirksamen Erzählstil.

Ich würde das Ende keinesfalls ändern.

Sehr gern gelesen
Max

Renée Lomris

Beitragvon Renée Lomris » 13.06.2010, 18:19

Hallo African Queen,

was du von "malick" erzählst, entspricht dem Glauben, dass die Toten mit uns verbunden sind, und dass die Lebenden sich der Art, wie diese Bindung gestaltet werden kann, annehmen (müssen), wenn sie das Unheilsversprechen neutralisieren wollen. Worte, gesprochene und geschriebene dienen also dazu, den destruktiven Anteil des Geschicks zu neutralisieren. Namensgebung prädestiniert, und verlangt nur nach einer Gläubigkeit, die dazu verhilft, den Prophezeiungen Erfüllung zu verschaffen ...
Worte (und in diesem Fall Namen) sind Bindeglieder zwischen Realem und Irrealem ...

Danke für deine freundliche Rückmeldung

Liebe Lisa,

ich habe mich sehr gefreut über deinen Kommentar. Wie schön, dass du so differenziert und offen auf die Thematik verschiedenster Autoren eingehen kannst.

Besonders gefreut hat mich die Wahrnehmung des Satzes ums "weh" tun. Ich habe lange an diesem Satz gefeilt.

Was die Menschen - bilder betrifft, hoffe ich, eine etwas breitere Palette zu haben, bin aber sehr glücklich über deine Wertschätzung.

lG
Renée

Lieber Max,
Dass du dir noch die Mühe gemacht hast, den Text zu kommentieren, hat mich sehr gefreut. Danke! - Ist es wirklich ein "stiller' Text?

lG
Renée

Benutzeravatar
Mnemosyne
Beiträge: 1288
Registriert: 01.08.2006
Geschlecht:

Beitragvon Mnemosyne » 15.06.2010, 11:01

Hallo Renee,
glücklicherweise stoße ich jetzt noch einmal auf diesen Text - das erinnert mich daran, dir noch mitzuteilen, dass er auch mir sehr gefallen hat.
Liebe Grüße
Merlin


Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 20 Gäste