Die Bibliothek

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Sam

Beitragvon Sam » 17.09.2012, 18:00

Die Bibliothek



Zwei Tage bevor mein Vater starb, hatte er mich noch angerufen.
„Es ist schon wieder eins weg“, sagte er aufgeregt, „und weißt du welches?“
„Nein.“
„Der Somerset. Wie ich es vorausgesehen habe.“
„Tatsächlich, der Somerset“, sagte ich in einem Tonfall, der, wie ich hoffte, meinen Vater glauben ließ, ich würde mich daran erinnern, dass er vor einiger Zeit gesagt hatte, der Somerset würde der nächste sein, der verschwindet.
„Du musst unbedingt kommen. Wir müssen reden.“
„Ich komme am Montag“, erwiderte ich.
„Montag? Das ist ja erst nächste Woche. Da kann es schon zu spät sein. Es fehlt ja nur noch eins.“
„Vater“, sagte ich laut, „wenn du nicht willst, dass dich bald alle, mich eingeschlossen, für einen Irren halten, dann hör auf damit. Es ist noch lange nicht zu spät. Du bist zwar alt, aber kerngesund.“
„Was soll das denn heißen?“, fragte er, hörbar empört.
„Das soll heißen, dass zwar deine Bücher eins nach dem anderen verschwinden, dies aber kein Hinweis darauf ist, dass du auch bald verschwindest. Es sei denn du hast dir ein Ticket nach sonstwo gekauft und planst es auch zu benutzen.“
„Du bist ein Ekel, weißt du das? Und jetzt komm, verdammt! Mir läuft die Zeit davon.“

Also fuhr ich zu ihm.
„Ich hab schon alles aufgeschrieben, was du erledigen musst“, sagte er, als wir uns an den Küchentisch gesetzt hatten. Auf dem Weg hatte ich an einer Tankstelle zwei Dosen Bier gekauft, die ich jetzt öffnete. Ich überflog den Zettel. Es waren scheinbar detaillierte Anweisungen, wie seine Beerdigung zu verlaufen habe.
Als ich wieder aufsah, meinte er: „Ich hoffe, ich kann mich auf dich verlassen.“
„Natürlich kannst du dich auf mich verlassen. Und wenn es mal soweit ist, dann wird alles so gemacht, wie du es hier aufgeschrieben hast.“ Ich versuchte ruhig und gelassen zu bleiben.
Vater beugte sich über den Tisch, so dass seine knorpelige Nase fast meine Brillengläser berührte.
„Es ist bald soweit. Vielleicht morgen schon“, flüsterte er eindringlich.
„Vater“, versuchte ich es erneut, „wir waren letzte Woche beim Arzt. Er hat dich von Kopf bis Fuß untersucht. Dir fehlt nichts. Du könntest, wenn du wolltest sogar noch Kinder zeugen, hat er gesagt.“
Mein Vater machte eine abfällige Geste. „Ach dieser blöde Arzt. Hielt sich für besonders witzig. Hat doch keine Ahnung. Was weiß der denn schon von meinen Büchern. Außerdem, wie soll dieser Doktor etwas verstehen, was noch nicht mal mein eigen Fleisch und Blut versteht?“
„Was verstehen?“, fragte ich, „dass deine Bücher dich umbringen wollen?“
„Pah“, rief der Alte, „du bist ein widerlicher Ignorant. Es sind nicht die Bücher, die mich umbringen werden. Im Gegenteil. Die Bücher haben mich bisher am Leben erhalten. Es ist ihr Verschwinden, was mich töten wird.“

Dass meinem Vater nach und nach die Bücher seiner umfangreichen Bibliothek abhanden kamen war wirklich ein Rätsel. Angefangen hatte es kurz nach dem Tod meiner Mutter. Zunächst dachte ich, er hätte sie verlegt. Bestürzt zeigte er mir die Lücken in seinen Bücherregalen. Aber obwohl wir das ganze Haus auf den Kopf stellten, waren sie nicht aufzufinden. Mein Vater verdächtigte die Putzfrau und entließ sie. Von da an machte ich jeden Montag bei ihm sauber. Dennoch verschwanden immer wieder Bücher. Manchmal nur eins, manchmal mehrere. Die Intervalle waren unterschiedlich. Aber wenigstens einmal im Monat bekam ich einen Anruf von meinem Vater, indem er den weiteren Verlust eines Buches beklagte. Ich konnte es mir nicht anders erklären, als dass mein Vater, obwohl er geistig noch voll auf der Höhe erschien, an einer gewissen Form von Demenz litt und die Bücher entweder wegwarf oder außer Haus brachte, ohne sich dessen bewusst zu sein.
Einmal nahm ich mir sogar eine Woche Urlaub und beobachtete die ganze Zeit sein Haus, um zu sehen ob es nicht doch er war, der die Bücher verschwinden ließ. Aber er ging höchstens in den Supermarkt um die Ecke oder zum Bäcker. Selbst den Müll untersuchte ich, fand aber nichts. Schlussendlich sagte ich mir, dass mein Vater irgendwo im Haus ein geheimes Versteck haben musste, wo er die Bücher deponierte und ich sie spätestens nach seinem Tod finden würde.

Was meinen Vater so beunruhigte war allerdings nicht nur dass, sondern welche Bücher aus seinen Regalen verschwanden. Die erste Zeit kam es ihm sehr willkürlich vor, aber irgendwann meinte er ein System erkannt zu haben.
Eines Tages legte er mir eine Liste vor, in die er alle Titel eingetragen hatte, die ihm bis zu diesem Tag abhanden gekommen waren.
„Und?“, fragte er gespannt, als ich mir seine Aufstellung angesehen hatte, „fällt dir was auf?“
„Vater“, erwiderte ich leicht gereizt, „du weißt, ich kann mit Büchern nicht viel anfangen. Die meisten der Sachen, die da stehen kenne ich gar nicht.“
Er verdrehte die Augen und nahm das Papier wieder an sich.
„Dann kannst du es ja gar nicht verstehen.“
„Erklär’s mir halt.“
„Warum, wenn du mich gar nicht ernst nimmst.“
„Ach Vater, natürlich...komm sag schon.“
Er setzte sich neben mich und legte den Zettel vor uns auf den Tisch.
„Also hier, Buch Nummer eins – Wahlverwandtschaften von Goethe. Das war das letzte Buch, welches ich mir gekauft habe. Vorigen Sommer, als wir nach Travemünde fuhren. Erinnerst du dich?“
Tatsächlich konnte ich mich daran erinnern, dass mein Vater von mir verlangte auf dem Weg von München an die Ostsee von der Autobahn abzufahren um irgendwo einen Buchladen zu finden, weil er noch etwas zum Lesen für seinen Kuraufenthalt kaufen wollte.
„Danach“, fuhr er fort, „ Die Lücke die der Teufel lässt – und – Die Stadt der Blinden. Die beiden letzten Bücher, die deine Mutter mir geschenkt hat. zu meinem achtundsiebzigsten. Dann verschwanden vier auf einmal. Und zwar alte Bücher, aus meiner Schulzeit, wunderbare Bücher, die ich durch all die Jahre hindurchgerettet habe. Zunächst dachte ich ja, es hätte was damit zu tun, wann ich die Bücher gekauft oder bekommen hatte. Nun aber, die alten Bücher, die ich schon so lange besaß. Bis mir einfiel, dass ich alle vier vor einigen Jahren habe von einem Buchbinder neu einbinden lassen. Danach sahen sie wieder aus wie neu. Sie kamen mir auch ganz neu vor, und da habe ich sie gerade noch mal durchgelesen, zum hundersten Mal denke ich.“
„Du meinst also“, sagte ich, ein wenig erleichtert so schnell hinter das sogenannte System gekommen zu sein, „die Bücher verschwinden in der Reihenfolge, in der du sie gelesen hast?“
„Ja, das dachte ich zunächst. Aber es waren nicht alle Bücher verschwunden, die ich gelesen habe. Hier, der Grass steht noch da, der Schwanitz, der Walser, die Sontag. Das Datum der Lektüre ist nur ein Kriterium, merkte ich. Es musste noch weitere geben.“
„Und, hast du die auch entdeckt?“
„Ja!“, sagte er triumphierend, und ich fand seine Begeisterung richtig drollig.
„Schau dir die Liste weiter an. Wir kommen langsam in die neunziger Jahre. Da gibt es Bücher, die ich neu gekauft habe und auch solche, die ich schon lange hatte und wieder gelesen habe. Manche allerdings nur stellenweise.“
„Halt, „unterbrach ich ihn, „woher weißt du, wann du welches Buch gelesen hast? Das ist mittlerweile zehn Jahre und länger her.“
Das faltige Gesicht meines Vaters verzog sich zu einem hämischen Grinsen.
„Das mein lieber Sohn, war genau der Punkt. Ich habe mir dieselbe Frage gestellt. Diese Bücher, da auf der Liste. Worin unterscheiden sie sich von den anderen, die da noch ganz unversehrt im Regal stehen. Nächte lang saß ich über der Liste und habe nachgedacht. Bis es mir dann auffiel. Es verschwinden nur die Bücher, an deren erste Lektüre ich mich erinnern kann. Oder daran, wie ich sie wiederentdeckte. Deswegen sind die Bücher, die ich in den letzten Jahren gekauft habe, beinnahe alle verschwunden. Je weiter es in die Vergangenheit geht, desto größer werden die Lücken.“

Das war zuviel für mich. Eine rein zeitliche Abfolge wäre noch nachvollziehbar gewesen. Nachprüfbar, was hieß, ich hätte die Möglichkeit gehabt, meinem Vater seinen Irrsinn irgendwie durch Logik auszutreiben. So aber verschwanden jene Bücher nach einem Schema, das einzig und allein er nachvollziehen konnte. Und solange ich nicht wusste, wo die Bücher abgeblieben waren, blieb mir nur übrig, so zu tun, als würde ich ihm glauben.

„Der nächste, der verschwindet, ist der Somerset.“ sagte er noch.


Dann war es eigenartigerweise monatelang ruhig, und das rätselhafte Bücherverschwinden hörte auf. Ich hatte es schon fast vergessen, bis zu jenem Anruf.
„Der Somerset. Wie ich es vorausgesagt habe.“

Nur einmal hatten wir in der Zwischenzeit noch darüber gesprochen. Mein Vater hatte eine schwere Erkältung und ich verlangte von ihm, im Bett zu bleiben. Missmutig trank er den Kamillentee, den ich ihm kochte. Wenn er Hunger hatte, machte ich ihm eine klare Brühe, die er, leise vor sich hinmaulend, löffelte. Irgendwann sagte er:
„Übrigens, wegen der Bücher. Ich weiß jetzt, was ihr Verschwinden zu bedeuten hat.“
„Jaja, ich weiß, sie verschwinden weil du dich an sie erinnern kannst.“
„Ja, deswegen verschwinden sie. Aber was ich bisher nicht wusste ist, warum sie verschwinden. Warum in dieser Reihenfolge und warum überhaupt.“
„Und, hast du das herausgefunden?“
„Natürlich. Ich beschäftige mich eben mit Dingen, die über die tägliche Lebensbewältigung hinausgehen. Was dir übrigens auch nicht schaden könnte.“
Ich überhörte diese Spitze und wischte ihm mit einem Handtuch den Mund ab, was ihn noch mehr verärgerte.
„Es ist ein Hinweis. Die Bücher verschwinden, weil sie mir damit sagen möchten, dass meine Zeit gekommen ist.“
„Deine Zeit gekommen?“
„Meine Zeit zu sterben. Ja.“
„Und das sagen dir deine Bücher, indem sie eins nach dem anderen verschwinden?“
Obwohl ich merkte, wie ernst es meinem Vater war, konnte ich weder meinen Ärger noch den aufkommenden Sarkasmus unterdrücken.
„Ich habe nicht erwartet, dass du mir glaubst, mein Junge. Du sollst einfach nur vorbereitet sein. Erst wird der Somerset verschwinden. Danach geht’s dann schnell.“

Angesichts des Wahnsinns sucht der Mensch, der sich für normal hält, Schutz im Schatten von Institutionen, denen er vertraut. In diesem Fall einem Arzt.
In der folgenden Woche ließ ich meinen Vater gründlich untersuchen. Mit einem mehr als ermutigenden Ergebnis. Von Demenz keine Spur. Und überhaupt warteten da noch eine ganze Reihe von angenehmen Lebensjahren auf ihn, so die Meinung des jungen aber durchaus kompetenten Mediziners.
„Du wirst schon sehen“, war alles, was mein Vater dazu sagte.



„Eins fehlt noch“, sagte Vater und schlürfte an seinem Bier.
„Und welches ist es deiner Meinung nach?“
„Ich weiß es nicht“
„Wie, du weißt es nicht?“
„An den Somerset kann ich mich genau erinnern. Den hab ich gelesen, damals, als ich in Kriegsgefangenschaft war. Ich war ja einer der wenigen, die englisch konnten. Und einer der Offiziere meinte über gute Literatur wäre das mit der Entnazifizierung am besten zu bewerkstelligen.“
„Ja und, davor? Das war ja nicht das erste Buch, das du gelesen hast.“
„Nein, nein, da gab es viele. Aber die habe ich alle nicht mehr. Da waren die vier, die ich neu binden ließ, aber die sind ja schon weg.“
„Dann könnte es ja durchaus sein“, sagte ich gut gelaunt, weil ich meinte, ihn nun endlich zu haben, „ dass es mit dir doch nicht zu Ende geht. Schlicht und einfach, weil dir die Bücher ausgehen, an die du dich erinnern kannst.“
„Wenn es so einfach wäre...“

Dann fand in Nachbar meinen Vater tot vor der Haustür liegen. Als Ursache wurde eine Hirnblutung festgestellt. Keine zwei Sekunden hätte es gedauert, sagte man mir, als wäre das ein Trost.
Die Tage bis der Leichnam zur Beerdigung freigegeben wurde, verbrachte ich meist alleine. Trauer, Selbstvorwürfe und eine vollständige Verwirrtheit über den plötzlichen Tod meines Vaters, samt der Tatsache seines Vorauswissens über sein baldiges Ableben erzeugten in mir ein Gefühlschaos, welches ich bald nur noch mit einer gehörigen Menge Alkohol bewältigen konnte. Schließlich aber kam ich zu dem Schluss, dass es eben Dinge gibt, die man nicht erklären kann, die unseren Verstand übersteigen, die man einfach so hinnehmen muss. Nichts anderes blieb mir zu tun, als meinen Vater zu beerdigen, um ihn zu trauern und mein Leben so weiter zu führen, wie zuvor.
Mir fiel wieder der Zettel ein, den mein Vater mir gegeben hatte und auf dem die Wünsche seine Beerdigung betreffend aufgeschrieben waren. Nach langem Suchen fand ich ihn in meinem Nachttisch. Ich erschrak als ich las, er wolle nur im engsten Familienkreis beerdigt werden. Keinen Pfarrer, so seine Anweisungen. Ich solle lediglich am Grab etwas vorlesen. Aus der Bibel.

Eine Bibel hatte ich natürlich nicht. Aber mein Vater mit Sicherheit. Da ich sowieso seine Sachen noch alle sortieren und für die Haushaltsauflösung fertig machen musste, beschloss ich unter seinen verbliebenen Büchern nach einer Bibel zu suchen. Als ich in die Bibliothek kam, der größte Raum des Hauses, gemütlich eingerichtet mit Kamin und Ohrensessel, fiel mir sofort auf, dass die Bücherregale so voll waren, wie ich sie seit je her in Erinnerungen hatte. Ich begann nachzusehen. Da standen die Wahlverwandtschaften, weiter oben die Stadt der Blinden, auf der gegenüberliegenden Seite der Kluge. Auch den Somerset fand ich, sowie alle anderen Bücher, deren Verschwinden mein Vater beklagt hatte.
Schließlich entdeckte ich eine Bibel, die ich verwirrt aufschlug. Auf der ersten Seite stand eine Widmung. Es waren die Worte meiner Großmutter an ihren einzigen Sohn:
„Das erste Buch, das man geschenkt bekommt, sollte das beste sein, das je geschrieben wurde. Mögest du es lesen und es niemals vergessen.“

Ich stellte die Bibel zurück an ihren Platz, setzte mich in den Sessel und betrachtete die Unzahl an Büchern. Dann stand ich auf, holte irgendeines aus dem Regal und begann zu lesen.


Ein paar Fehlerchen beseitigt nach Hinweisen von scarlett und zefira
Zuletzt geändert von Sam am 18.09.2012, 06:17, insgesamt 1-mal geändert.

Renée Lomris

Beitragvon Renée Lomris » 20.09.2012, 20:42

Lieber Sam

zweiter Anlauf, und zu Beginn der einzige Vorwurf, den ich diesem und gelegentlich anderen deiner Texte glaube machen zu können.

Eben habe ich übrigens deine Geschichte nochmals laut meinem Lebensgefährten vorgelesen und durfte feststellen: dieser Text hat eine sprachliche Perfektion die sich durchsetzt, und daran ändern die kleinen Vertipper nun wirklich nichts. Aber jetzt: der Vorwurf. Mir scheint, dass du dich auf sicherem Terrain ausbreitest, auf einer fiktionalen Ebene, die zwar etwas von dem "Pfund Fleisch" vorgibt auszuschneiden, es aber nicht tut. Es mangelt mMn ein inhaltliches Risiko, das weiter geht als ein Borges-"Gemälde".

Es ist, als habest du dir ein Thema gesucht, das bekanntes Land bedeutet. Du brauchst nicht viel, ein paar Striche und die Skizze ist vollkommen. Solche Texte kriegst du leicht hin. Sie sind makellos, werden bewundert, sind deine Zaubertricks. Es mag ein wenig anmaßend von mir sein, aber ich liebe andere deiner Themen, andere deiner Texte mehr. Das also meine Kritik, die im Grunde nur sagt: jetzt spiel nicht noch mal eine Variante jener Etüde, mach dich an das schwierige Stück von gestern...



Dass die Bücher die Chiffre für den Vater sind, finde ich eine interessante Idee. Auch dass der Sohn nicht liest, zwei Dosen Bier mitbringt und in der Küche sitzt. ist ein schöner Zug. Das Verschwinden der Bücher zu verbinden mit dem Verschwinden des Vaters ist, wenn man genauer hinschaut (glaube ich jedenfalls) ein reiner Wunschtraum. Ich glaube irgendwie nicht an den nicht lesenden Sohn. Der dann - und das gehört zur obigen Kritik - NATÜRLICH anfängt zu lesen ...

So, hoffentlich liest du in diesem Kommentar die Bewunderung für deine Schreibkompetenz und hast vergessen, was du heute morgen gelesen hast.

herzlich
Renée

Sam

Beitragvon Sam » 21.09.2012, 14:20

Hallo Diana,

vielen Dank für deinen Kommentar!

Vielleicht zunächst zu der Bibel. Sie ist für mich ein Verbindungsstück. Da es in der Geschichte ja um Kommunikation und Verstehen geht und Bücher und Lesen als Metapher gebraucht werden, schien mir die Bibel als ein Buch, das generationenübergreifend seine Wirksamkeit hat, irgendwie passend. Dass der Vater die Bibel seiner Mutter vergessen hat, ist genauso bildhaft, wie die Weigerung des Sohnes, die Interpretation seines Vaters, warum die Bücher verschwinden, anzuerkennen.

Dass der Vater meinte, ein Buch fehle noch, ist genauso unerklärt, wie das Verschwinden der Bücher überhaupt und war mir insofern wichtig, weil fehlende Antworten und Erklärungen einen wichtigen Aspekt dieser Geschichte bilden.

Wer mag, kann natürlich gerne versuchen, die erwähnten Schriftsteller oder Bücher in die Geschichte einzubinden. Ganz bewusst gesetzt wurde von mir eigentlich nur ein Name. Monika hat das in ihrem Kommentar schon richtigerweise angedeutet.



Hallo Renée,

vielen Dank, dass du es nochmals versucht hast.

Ich habe deinen "Vorwurf" mit großem Interesse gelesen und darüber nachgedacht. Zu den vielen positiven Aspekten, was meine Schreiberei angeht kann ich nichts sagen, da ich nicht in der Lage bin mich nur annähernd selbst einzuschätzen (frag mal Nicole nach diesem Thema).

Was ich aber spannend finde, ist die Frage nach dem Risiko, welches man beim Schreiben eingeht. Ein Risiko besteht glaube ich nur dann, wenn man auf eine gewisse Reaktion hin schreibt. Ich hoffe inständig, dass ich das nicht tue, sondern jede Geschichte und auch jedes Gedicht so schreibe, wie ich meine, es gehöre auch so geschrieben. Bei mir ist zunächst immer das Thema oder eine Idee da, danach beginnt die Suche nach einer Form. Ich stelle mir dann weniger die Frage, ob ich das kann (diese Frage kann ich sowieso nicht beantworten), sondern ob Thema/Idee in der gedachten Form so zu erzählen sind, dass Ausdruck und Inhalt die bestmögliche Verbindung eingehen. Natürlich geht das oftmals in die Hose, aber manchnmal hat man auch das Gefühl es funktioniert. Am Ende entscheidet natürlich immer der Leser (und die entscheiden ja wiederum sehr unterschiedlich). Jedenfalls glaube ich, noch nie einen Text geschrieben zu haben, bei dem mir zuerst die Form gegenwärtig war, und dann folgte der Rest (ein Grund, warum mir keine weiteren Olaf-Texte gelingen).

Zurück zum Text. Natürlich fängt der Sohn an zu lesen. Das war vorhersehbar, oder? Aber mir erscheint die Geschichte sinnlos, wenn sie nicht wenigsten am Ende ein wenig den Kreislauf des Nichtverstehens durchbrechen würde. Womöglich ist es eine Konzesionsentscheidung, weil die Auflösung des Rätsels verweigert wurde. Ich habe schon überlegt, die Leser hier zu fragen, wie sie das Ende gestalten würden. Aber egal welche Idee käme, es wäre dann nicht mehr mein Text, auch wenn er am Ende vielleicht wesentlich besser (aus Lesersicht) dastünde.


Nochmals herzlichen Dank für eure intensive Beschäftigung mit dem Text!

Gruß

Sam

Renée Lomris

Beitragvon Renée Lomris » 21.09.2012, 14:30

Das mit dem Risiko ist wahrscheinlich ein Missverständnis. Ich predige das seit gut zehn Jahren, seit es mir selbst klar geworden ist. Nicht das Risiko andern gegenüber, sich dem Risiko aussetzen, was andere wohl denken mögen .... das meine ich nicht. Das Risiko besteht darin, sich selbst gegenüber zu stehen und eventuell den Standpunkt einzunehmen, von dem aus die Geschichte eine Schraubenwindung tiefer geht.

Flach angedrehte Schrauben fallen raus, halten den Inhalt nicht zusammen. Tief einschrauben, tief verzahnen, (Turn of the Screw, Henry James ... überhaupt für deine Bibliothek HENRY JAMES) das ist es, was die Prosa braucht.

LG
Renée

Sam

Beitragvon Sam » 21.09.2012, 14:40

Ja Renée, ich glaube zu verstehen, was du meinst. Vielleicht gibt man sich in manchen Fällen (womöglich auch in dem dieser Geschichte) mit den ersten Gedanken zufrieden, und dringt nicht noch tiefer in die Geschichte ein. Bei wirklich talentierten Schreibern geschieht dies womöglich mehr oder weniger automatisch beim Schreiben. Ich dagegen müsste meine Denkarbeit vor dem Schreiben dann noch um einiges intensivieren, was aus Faulheit oder Umständen halber nicht immer passiert.

Deine Kritik stachelt mich an und dafür danke ich dir sehr!

Du hast Henry James in einem früheren Kommentar schon einmal erwähnt. Ich habe ihn bisher nicht gelesen. Das sollte ich wohl unbedingt mal nachholen.

Gruß

Sam

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 22.09.2012, 09:48

Hallo Sam,

Dass es am Ende nicht aufgelöst wird, mag ihn vielleicht verärgern - und dazu bringen die Figuren psychologisch ausdeuten zu wollen - aber das NIchtaufgelöste ist eben auch Teil des gezeigten Problems. Wenn es eine Lösung gibt, dann nicht das Verstehen. Am Ende stehen keine Antworten - sondern dass endlich die richtigen Fragen gestellt werden (der Sohn beginnt zu lesen).
Das finde ich interessant, da ich anders gelesen habe und der Ansatz dann bei mir wohl nicht greift. Da ich weder mit der Magie des Bücherverschwindens, noch mit der Verknüpfung mit der Todesvorhersehung etwas anfangen kann und mich der Text auch nicht in eine magische Phantasiewelt entführt, in der ich so etwas dann einfach als gegeben hinnehmen kann, (und mir der Text seinem Grund nach auch nicht darauf ausgerichtet scheint), suche ich mir eine andere Lösung. Und ich finde sie im Auftauchen der Bücher angelegt. Die Lösung hieße für mich, dass der alte Herr dem Sohn sehr überzeugend etwas vorgespielt hat. Alles Theater. Dass der Sohn am Ende allerdings diese Möglichkeit nicht in Betracht zieht und darüber zumindest für einen Moment wütend wird, finde ich erstaunlich und wenig glaubhaft. Zumal er diesen Gedanken ja selbst schon hatte: Schlussendlich sagte ich mir, dass mein Vater irgendwo im Haus ein geheimes Versteck haben musste, wo er die Bücher deponierte und ich sie spätestens nach seinem Tod finden würde.
Das "warum", die psychologische Seite, ist für mich hier aber auch die wesentlich spannendere Frage, als wenn ich mir über das "magische" Gedanken machen müsste. Insofern passt das für mich. Ich sehe allerdings auch nicht, dass der Sohn nun anfängt Fragen zu stellen, oder im Lesen Antworten zu suchen.
Dass du den Vater tatsächlich, wie aus der Entwicklung der Geschichte heraus vorhersehbar, sterben lässt und zwar so, dass ein Eigenverschulden ausgeschlossen ist, ist für mich der eigentliche Dreh. Zufall oder eine self-fulfilling prophecy, wieder eine Frage der Interpretation der Wirklichkeit, des Standpunktes.
Auch für mich werden die Figuren nicht "lebendig", das liegt zum Teil sicher auch an den Erklärungen und den vielen "sagte, meinte, fragte, erwiderte ..." vor allem am Anfang. Dadurch frage ich mich auch wieder, wem hier eigentlich erzählt wird und warum. :pfeifen:
Eine weitere Frage, die sich mir aufdrängt, ist die, ob ich es glaubhaft finde, dass der Sohn, wie er sich selbst darstellt, plötzlich zum Schriftsteller/Erzähler wird. Er wird ja gleich zu Anfang selbst als "Vorspieler" in doppeltem Sinn eingeführt wird, sowohl gegenüber dem Vater, als auch als Erzähler innerhalb seiner Geschichte.
sagte ich in einem Tonfall, der, wie ich hoffte, meinen Vater glauben ließ, ich würde mich daran erinnern, dass er vor einiger Zeit gesagt hatte, der Somerset würde der nächste sein, der verschwindet.
Offensichtlich, da ich es ja lesen kann, erinnert er sich an alles, sogar detailliert an die einzelnen Gespräche mit seinem Vater und an die fehlenden Bücher.
„Der nächste, der verschwindet, ist der Somerset.“ sagte er noch.
Also misstraue ich auch seinem Erzählen. Vielleicht ein starkes verbindendes Element zwischen Vater und Sohn.
Da mir das alles aber wackelig erscheint, und mich die Figuren nicht mitnehmen, nicht berühren, muss ich den Text verkopfter, .-) lesen und ich denke da gibt es tatsächlich vieles zu entdecken, innere Bezüge, denen man nachspüren kann. Doch ich denke auch, dass der Text noch zu unentschlossen ist, vieles vom Rätselaspekt übermalt wird. Ein wenig entsteht für mich der Eindruck, als seien dir deine Gedanken und die Figuren, der Konflikt nicht reizvoll genug erschienen, als hättest du befürchtet, sie könnten die Geschichte nicht tragen und bräuchten für den Leser noch einen vergnüglichen, ein wenig gänsehäutig mit unterschwelligen Ängsten spielenden Anstrich.

Liebe Grüße
Flora
Das ist das Schöne an der Sprache, dass ein Wort schöner und wahrer sein kann als das, was es beschreibt. (Meir Shalev)

Sam

Beitragvon Sam » 23.09.2012, 17:03

Flora,

ab dieser Stelle...

Flora hat geschrieben:
Da ich weder mit der Harry-Potter-Magie des Bücherverschwindens,


habe ich aufgehört deinen Kommentar zu lesen.

Die Harry-Potter Bezugnahme hatte mich schon an Nifls Kommentar zu Zefis Wohnungsgeschichte geärgert. Als wären diese Geschichten die ersten und einzigen mit magischen (bzw. unerklärlichen) Inhalten, die je geschrieben wurden.


Sam

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 23.09.2012, 17:46

Hallo Sam,

danke für den Hinweis. Ich ahnte nicht, dass dich das ärgern würde. Hättest du weitergelesen, hättest du gesehen, dass ich deine Geschichte weder als magisch, noch als unerklärlich verstanden habe, und mich daher auch nicht näher mit einem literarisch magischen Bezugsrahmen auseinandergesetzt habe. Ich lese wenig in diese Richtung, nicht mal Harry Potter. .-) Das kam mir schlicht als erstes in den Sinn.
Ich habe es jetzt rausgenommen, du kannst also weiterlesen, falls es dich interessieren sollte. Wenn nicht, eben nicht.

Flora
Das ist das Schöne an der Sprache, dass ein Wort schöner und wahrer sein kann als das, was es beschreibt. (Meir Shalev)

Renée Lomris

Beitragvon Renée Lomris » 23.09.2012, 17:54

Off Topic
Diesen Kommentar empfinde ich als sehr wichtig und notwendig, denn ich denke ZUERST - ganz allgemein und überhaupt an Borges, oder Cyrano de Bergerac oder an Allan Poe ... dann vielleicht an Lovecraft und Philipp K. Dick --- bevor mir Harry Potter überhaupt nur in den Sinn käme, zumindest sowohl Sam als auch Zefira betreffend. Auch ich glaube eine gewisse Entfernung zu haben --- wenn ich auch der Trivialliteratur näher sein mag.

Genauwenig möchte ich mit Rosamund Pilcher verglichen werden. Ich verstehe manchmal nicht ob solche Vergleiche der mangelnden Kenntnis der Weltliteratur entspringen - also aus Unwissenheit entstehen oder ob es sich um objektive, bewusste Beleidigungen handelt. Flora, das ist hier bei dir sicher nicht der Fall. Aber ich bin schon mehr als einmal betroffen da gesessen, wenn die literarischen Referenzen allzu simpel waren.

ich weiß nicht, ob das schon O:T: ist. ich nehme mal an, ja. Will jetzt auch keine Megadiskussion anzetteln, nur darauf hinweisen, dass literarische Vergleiche so stimmig sein sollten, wie das sakrosankte Vokabular des lyrIch.

mit Verlaub
Renée

Nifl
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Beitragvon Nifl » 23.09.2012, 18:18

Off Topic
Soso Vorstadthobbyschreiber/Innen sollen nur mit Größen der Weltliteratur verglichen werden dürfen. Welch eine lächerliche Borniertheit aus dem Lager der Amateure.


Gruß
Nifl
"Das bin ich. Ich bin Polygonum Polymorphum" (Wolfgang Oehme)

Renée Lomris

Beitragvon Renée Lomris » 23.09.2012, 19:48

Hallo Sam,

ich werde mich nicht weiter zu diesem Thema äußern. Ich hoffe du bist nicht sauer wegen der OT Töne.

Diskussion, Debatte bis hin zur Polemik liebe ich eben, Mir wird dadurch auch kein Gesprächspartner unangenehm und ich empfinde keinerlei Antipathie.

Eines noch: was ich schreibe, mag Vorstadtcharakter haben, meine literarischen Kenntnisse nicht. Das ist so in jedem Sport. Der Tennisliebhaber erkennt den Stil eines Spielers, obwohl er womöglich nie einen Ball ausgetauscht hat.

lG
Renée

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 23.09.2012, 19:53

Hallo Renée,

Diesen Kommentar empfinde ich als sehr wichtig und notwendig, denn ich denke ZUERST - ganz allgemein und überhaupt an Borges, oder Cyrano de Bergerac oder an Allan Poe ... dann vielleicht an Lovecraft und Philipp K. Dick --- bevor mir Harry Potter überhaupt nur in den Sinn käme, zumindest sowohl Sam als auch Zefira betreffend. Auch ich glaube eine gewisse Entfernung zu haben --- wenn ich auch der Trivialliteratur näher sein mag.

Genauwenig möchte ich mit Rosamund Pilcher verglichen werden. Ich verstehe manchmal nicht ob solche Vergleiche der mangelnden Kenntnis der Weltliteratur entspringen - also aus Unwissenheit entstehen oder ob es sich um objektive, bewusste Beleidigungen handelt. Flora, das ist hier bei dir sicher nicht der Fall. Aber ich bin schon mehr als einmal betroffen da gesessen, wenn die literarischen Referenzen allzu simpel waren.

Ich habe weder Sam mit Frau Rowling verglichen, noch seinen Text mit Harry Potter. Es bezog sich lediglich auf den Aspekt des Bücherverschwindens.

Wir lesen sehr unterschiedlich, das ist ja nichts neues. Und ich denke ZUERST und auch länger .-) immer an den konkreten Text, der vor mir liegt und nicht an andere Texte und Autoren.
Ich finde literarische Vergleiche und Verweise, sofern sie sich auf das gesamte Schreiben des Autors beziehen sollen, oder auf den Text als Ganzes und nicht nur auf Einzelaspekte in ihm, meist schwierig, wenig hilfreich für den vorliegenden Text und teilweise auch befremdlich. Große Namen werten einen Text für mich auch nicht auf.
Wenn man allerdings auf diese Verweise wert legt, halte ich es für falsch, auch bei sich selbst, bestimmte Autoren von vorneherein auszuschließen und dem Leser, bei dem diese Assoziation durch den Text hervorgerufen wurde, zu unterstellen, er wolle den Autor damit beleidigen, er hätte also irgendwelche textfremden Beweggründe für seine Kritik.
Wenn man einen Text schreibt, der einen Leser an Rosamunde Pilcher erinnert, würde ich mich zuerst fragen, ob er damit nicht recht haben könnte, woher dieser Eindruck rührt und nicht ihm unterstellen, er habe nur nicht genug literarische Kentnisse, um mein Werk entsprechend zu würdigen.

Literarische Vergleiche sind sicher ein interessantes Thema, aber es wäre mir recht, wenn sich nicht an meinem Kommentar wieder etwas aufbauschen müsste, was in ihm überhaupt nicht angelegt war.

Liebe Grüße
Flora
Das ist das Schöne an der Sprache, dass ein Wort schöner und wahrer sein kann als das, was es beschreibt. (Meir Shalev)

Nicole

Beitragvon Nicole » 24.09.2012, 13:03

Nifl hat geschrieben:
Off Topic
Soso Vorstadthobbyschreiber/Innen sollen nur mit Größen der Weltliteratur verglichen werden dürfen. Welch eine lächerliche Borniertheit aus dem Lager der Amateure.


Gruß
Nifl


Ich nun auch OT:
Harry Potter ist sicherlich nicht hochliterarisch geschrieben, die Sprache ist so lala, keine Frage.
ABER: die Idee und die GEschichte finde ich, sorry, ich bin Trivialtante, schlichtweg genial.
Sollte ich irgendwann mal wieder etwas schreiben, was derartig geniale Ideen hat (Bahngleis 13 3/4 z.B.) hänge ich mir einen Orden an die Brust.
Sollte ich jemals einBuch schreiben und dieses annährend so gut verkaufen, wie Harry Potter, kaufe ich mir diesen Orden schlichtweg selber.

Nichts für ungut,

Nicole

Nifl
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Beitragvon Nifl » 24.09.2012, 18:20

Ja, sehe ich auch so (da sind echt geniale Ideen drin, habe aber nur Band 1 gelesen). Kann aber auch verstehen, wenn man den Vergleich doof findet, weil man in eine ganz andere Richtung wollte. Nur sollte man sich dann eben fragen, wo der Leser meines Textes eine Parallelität sieht und nicht einfach die Unterlippe vorschieben.

LG
Nifl
"Das bin ich. Ich bin Polygonum Polymorphum" (Wolfgang Oehme)

Sam

Beitragvon Sam » 25.09.2012, 19:40

Hallo Flora,

vielen Dank!

Nun, vielleicht war meine Unterlippe, um es mit Nifls Worten zu sagen, vorgeschoben, womöglich ein Stück zu weit. Aber bestimmt nicht, weil ich hier einen Vergleich angestellt sah. Und auch nicht, wobei ich befürchte, dass man es mir nicht glaubt, weil ich meinen Text nicht genügend gewürdigt gesehen habe.

Meine Reaktion hat nichts mit Vergleichen zu tun. Wer meine Historie im Salon kennt weiß um meine Vorliebe für Vergleiche und meiner Einstellung, kein Text kann alleine für sich gelesen werden, sondern steht automatisch durch seine Veröffentlichung (auch wenn nur im begrenzten Rahmen eines Forums) im Kontext alles bisher Geschriebenen. Er muss zwangsläufig Vergleichen standhalten, denn alle im Forum sind Leser und haben von Jugend an Literatur gelesen. Eine unvoreingenommene Annäherung an einen Text gibt es meiner Meinung nach nicht.

Was mich gestört hat war also kein Vergleich, sondern die Bezugnahme. Womöglich bin ich mittlerweile forenunkompatibel, aber ich meine, mir die Gesprächspartner über Literatur aussuchen zu können. Auch die, über meine eigenes Geschreibsel. Das hat nichts mit Lob oder Kritik zu tun, sondern mit dem Wunsch, auf einer gewissen Basis zu argumentieren. Was aber ist diese Basis? Sie hat nichts mit Gefallen oder Nichtgefallen zu tun, sondern mit der Art der Annäherung. Ich habe schon viel negative Kritik für meine Texte bekommen, die ich mir sehr zu Herzen genommen habe - auch von dir. Es gibt aber auch Kritik, die an mir abperlt - auch einiges von dir - was daran liegt, dass der Zugang zum Text unter den völlig falschen Voraussetzungen stattgefunden hat. Das kann man schwerlich diskutieren, weil sie sich in Vorlieben und in über Jahren festgefügten Meinungen gründen. Das geht mir hunderprozentig genauso, weswegen ich auch kein Problem damit habe, wenn eine Kritik meinerseits abgelehnt wird.

Die Erwähnung von Harry Potter habe ich nicht als Vergleich verstanden. Nur, wenn einem Leser beim Verschwinden von Büchern nunmal zuerst Harry Potter einfällt, dann sage ich mir, das ist keiner, mit dem ich mich über den Text unterhalten möchte, weil seine Verknüpfungsmechanismen derart unterschiedlich von den meinen sind, dass eine Diskussion einfach nicht lohnt.

Ich bin gerade unterwegs, aber ich werde auf deinenKommentar noch eingehen. Das kann aber noch ein paar Tage dauern.


Hallo Renée,

ich sagte es eben zu Flora. Es geht nicht um Vergleiche, es geht um Bezugnahmen. Wem bei einem Text, in dem es um Sadomasochismus geht, nur "Shades of Grey" einfällt, der ist für mich als Gesprächspartner uninteressant. Jeder Leser hat das Recht Vergleiche und Bezugnahmen herzustellen, wie er möchte. Aber ich als Autor habe auch das Recht zu entscheiden, ob ich darauf eingehe oder nicht.


Gruß

Sam


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