Ein Liebesbrief

Bereich für Erzähl- und Sachprosa, also etwa Kurzgeschichten, Erzählungen, Romankapitel, Essays, Kritiken, Artikel, Glossen, Kolumnen, Satiren, Phantastisches oder Fabeln
Niko

Beitragvon Niko » 09.01.2007, 12:39

Geliebte

So vieles habe ich dir zu sagen und habe es nie getan. Sovieles blieb unausgesprochen, unbesprochen, ungetan. Seit sovielen Jahren meistern wir beide gemeinsam das Leben, haben wunderbaren Kindern das Leben geschenkt und sie waren die Erfüllung unseres Daseins geworden. Warum bedarf es immer erst eines ungewöhnlichen Ereignisses, um sich öffnen zu können? Warum nur lebt man sein alltägliches Leben und vergisst, sich die Zeit für die wirklich wichtigen Dinge dieses Lebens zu nehmen?
Jetzt, wo das Ende nahe ist, dein Ende, unser Ende, ist es uns gelungen, über alle Dinge, die uns bewegen, zu reden. Über unsere Sorgen, Gedanken, unsere Verletztheiten, über Dinge, die wir uns nie getraut haben , jemals anzusprechen. Unsere Liebe hat das geschafft, und es tut gut. Wir haben es verstanden, die Krankheit, ja selbst eine solch todbringende Krankheit wie die deine ein Stück weit bei aller Grausamkeit und Bedrückung auch als ein Geschenk zu begreifen. Denn endlich spüren wir, was es heißt, leben zu dürfen. Wir sehen jetzt wieder die Schönheit der Natur, wir schöpfen den Tag aus und in unserem Bewusstsein wächst eine neue Verbundenheit der Herzen. Eine neue Dimension dessen, was man Liebe nennt. Ich habe mich in all den Jahren dir nie so nahe gefühlt wie ich es jetzt tue. Oftmals frage ich mich, warum wir erst so spät diese Intensität erleben können. Aber dann wiederum bin ich voller Dankbarkeit, diese Erfahrung überhaupt machen zu dürfen. Ich werde dich lieben. Bis zu deinem letzen Atemzug und weit darüber hinaus. Du wirst immer in mir sein und ein Teil , nein....der wichtigste Teil in meinem Herzen sein. In meinen Gedanken werde ich immer mit dir zusammen sein. Wir werden gemeinsam durch die Wälder schlendern, dem Gesang der Vögel lauschen. Gemeinsam werden wir bei den Kindern sein und uns daran erfreuen, wie sie sich entwickeln. Mit dir zusammen werde ich aufstehen und mit dir zusammen ins Bett gehen. So wie immer. Nie wirst du wirklich weg sein.
Ich weine über dein und unser Schicksal. Es gelingt mir nicht oft, so stark zu sein, wie du es bist. Mit welcher Kraft du dieses alles erträgst! Du schaffst es zu leben, als gäbe es diese Krankheit nicht. Es scheint mir manchmal, als würdest du sie einfach ignorieren. Dein Lachen, deine Güte und dein Lebenswille sind ungebrochen und alle Verzweiflung scheinst du verbannt zu haben. Nur manchmal, wenn du glaubst ich merke es nicht, lässt du deinen Tränen und deinem Schmerz freien Lauf. Und ich verzweifle, weil ich dir all das nicht nehmen kann. Nicht die Tränen und nicht die Schmerzen. Alles, was ich tuen kann ist, dir beizustehen, deine zärtliche Hand zu halten und dich an mich zu drücken. Aber wirklich tuen kann ich nichts. Niemand kann das. Darum weine ich.
Ich kann nicht mehr viel schreiben. Der Schmerz ist zu groß.
Ich möchte dir danken. Danken für die wundervollen Jahre, die ich an deiner Seite verbringen durfte. Ich danke dir für deine aufopfernde Liebe und für alles, was du mir und den Kindern gutes getan hast.
Ich küsse und umarme dich in inniger Liebe und ewiger Verbundenheit der Herzen.
Ich hätte mir so sehr gewünscht, du hättest diesen Brief noch lesen können....
Zuletzt geändert von Niko am 07.07.2011, 10:56, insgesamt 4-mal geändert.

Paul Ost

Beitragvon Paul Ost » 10.01.2007, 00:23

Lieber NJ,

nur mal so zur Unterstützung: Ich halte es schon für angemessen einen Brief an eine Frau, die man liebt, mit "Geliebte!" zu beginnen. Warum auch nicht? Das klingt auf jeden Fall besser als "Liebe Lebensabschnittsgefährtin" oder "Ey Alte". Je nach Sachlage und Frau sollte es da durchaus Variationsmöglichkeiten geben.

Die Diskussion über persönliche und unpersönliche, über authentische und nicht-authentische sowie über literarische und nicht-literarische Texte halte ich für spannend. Vor allem deshalb, weil ich beide Positionen schon vertreten habe.

Liebe Klara,

was Du so schreibst, lernte man bis vor kurzem in "literaturwissenschaftlichen" Seminaren. Ob es deshalb stimmt? Gerade die Literatur, die fern von ihrem Autor ist, ist oft die trivialste. Ich bin mir sicher, dass Wolfgang Hohlbein extrem wenig aus seinem wirklichen Leben berichtet. Ist das dann Literatur?

Wie wenig autobiographisch ist der Werther? Hat Rousseau mit seinen Konfessionen (einer Autobiographie nach Augustinus) nicht den modernen Roman erst ins Leben gerufen? Ist der Grüne Heinrich gar nicht autobiographisch? Da Du vom Stuhlgang sprichst: Der Stuhlgang und die Onanie Thomas Manns in seinen Tagebüchern sind erdrückend langweilig. Was aber ist mit dem Mephisto-Roman von Klaus Mann? Der war angeblich so nah an der Realität, dass man ihn über Jahrzehnte verboten hat. Keine Literatur?

Spannend finde ich Deine Vorschläge für einen Umformulierung bestimmter Passagen aus NJs Brief. Gerade die sind meiner Meinung nach extrem trivial: "du knisterst mit der Zeitung". Irgendwie sind wir da bei Joyce Carol Oates (und das ist für mich das schlimmste an Trivialität, was überhaupt möglich ist, ohne Groschenheft zu sein). Wobei dies meine sehr subjektive Meinung ist.

Aber wir könnten Rousseau um Rat fragen. Der würde sagen, dass es um die "Wahrheit des Herzens" gehen muss.

Da würde ich ihm Recht geben.

Liebe Nachtgrüße

Paul Ost

Klara
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Beitragvon Klara » 10.01.2007, 08:05

Lieber Paul Ost,

was man in Seminaren lernt, ist mir, ehrlich gesagt, egal ,-) Davon bin ich seit rund 15 Jahren so fern wie vom Mars.

Ich habe den Eindruck, du missverstehst mich. Ich habe nichts vorgegeben - weder, dass das Geschriebene fern sein soll, noch dass es unbiografisch sein soll. Ich habe auch keine Wertung in trivial und nicht trivial vorgenommen - schon gar nicht mit dem Entscheider "autobiografisch".

Mir geht es ums Schreiben und Lesen.

Wie autobiografisch der Werther ist, ist mir als Leser zunächst ebenso egal. Das ist eine andere Ebene, die dann im Tratsch- und Klatschbereich durchaus interessant ist. Nichts gegen diesen Bereich! Das ist hochspannend! Er hat nur mit Literatur wenig zu tun, solange nicht literarisch aufgeschrieben ,-)

Wie literarisch Rousseaus "Emile", zum Beispiel ist, oder wie autobiografisch? Das kann ich nicht entscheiden. Den schieben ja die Pädagogen von den Philosophen zurück zu den Literaturlern, oder? Und keiner mag ihn so recht... Das stimmt jetzt sicherlich nicht, du wirst es besser wissen, erzähls mir.

Nähe an der Realität habe ich NIRGENDWO als ein Kriterium gegen Literatur bezeichnet. Im Gegenteil: Ich meine sogar, dass ein Text, der den Zeitgenossen etwas zu sagen hat, zu präferieren ist.

Du liest also etwas, scheint mir, das ich gar nicht geschrieben habe und wehrst dich dagegen - das finde ich mühsam ,-)

Und du führst den Begriff "trivial" ein, der für meine Begriffe weder für noch gegen Literatur spricht, sondern für (oder gegen) eine bestimmte Art von Literatur.

Die Wahrheit des Herzens ist keine literarische Kategorie ,-) Und das Problem mit ihr ist, dass es wie mit dem Recht ist: Recht (bzw. die Wahrheit des Herzens) haben nie die anderen, nur der Postulierende... Mit solchen Begriffen wäre ich deshalb extrem vorsichtig, insbesondere, wenn es um die Einschätzung von textlicher Qualität geht!

Um es ganz klar zu sagen: Bei einem Text ist mir eine "erlogene" Glaubwürdigkeit tausendmal lieber, als herzenswahre, schlechtgeschriebene Langeweile.

Frische Morgengrüße
Klara

Gast

Beitragvon Gast » 10.01.2007, 09:25

Klara hat geschrieben:Um es ganz klar zu sagen: Bei einem Text ist mir eine "erlogene" Glaubwürdigkeit tausendmal lieber, als herzenswahre, schlechtgeschriebene Langeweile.


Klaras hat das formuliert mit fehlender "Echtheit" bezeichnet habe.

Lieber Niko,

NJKahlen hat geschrieben: lieben gruß: Niko, der einsieht, dass man eigene empfindungswelten nicht immer vermitteln kann.


vielleicht ist es dir ja möglich, den Text ruhen zu lassen, und aus größerem zeitlichen Abstand einmal genau auf seine Mängel zu untersuchen.
Was ich spannend fände, genau da anzusetzten und zu überlegen, warum es nicht geklappt hat dein Empfinden zu vermitteln, denn dazu wurde ja einiges geschreiben, was du herausfiltern kannst.

Natürlich kannst das halten wie du möchtest und auch nur für dich unter Ausschluss der Öffentlichkeit tun.

Liebe Grüße
Gerda

Nifl
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Beitragvon Nifl » 10.01.2007, 09:54

Tach NJ.

es spielt keine rolle, ob ein text authentisch ist oder nicht.

Meine große Schwester Pan hat es bereits vortrefflich formuliert. Dem ist nichts hinzuzufügen. Klara schrieb, es solle nicht erlaubt sein, derartige wirklichkeitsgetreue Texte zur Kritik zu stellen (O'Ton)... das wäre wohl schwierig zu realisieren... in der Prosa ginge das vielleicht noch... aber die Lyrikecken laufen über mit solch Material... da habe ich schon für ganz zarte, "respektable" Kritik auf's Niflnäschen bekommen *g

Ein bisschen OT. Weißt du, was für mich respektlos ist? Wenn mich jemand persönlich kritisiert und die Anrede "Liebe(r) Punkt Punkt Punkt" ausführt...

zitat: "Appell an die niedersten Instinkte." eine unterstellende mutmaßung die ich für, wie ich bereits schrieb "unangemessen" halte.

Zur Verdeutlichung: Ein niederer Instinkt ist für mich nicht nur Sensationsgeilheit (wie es oft konnotiert ist), sondern auch Trauer und Mitleid. Sowas ist vom Rezipienten schlecht steuerbar und wird deshalb seit eh und je missbräuchlich zur Manipulation benutzt. Siehe verschiedene Tagesdruckwerke mit großer Auflage oder Aufmunterungen für weihnachtliche Spendenaktionen.
Aber ich weiß immer noch nicht, was ich da (dir? oder dem Text?) unterstellt habe? Er ist bei mir eben so angekommen.

ebenso:
"Vielleicht hast du ja damals Peter Puppes Briefroman gelesen … da ging es mir ähnlich." das hat für mich einen unschönen beiton. ungeachtet dessen, dass ich diesen "briefroman" nicht kenne.

Du kennt ihn nicht und trotzdem hat das einen unschönen Beiton? Hä?
PP ist ein renommierter Autor, der bereits hochdotierte Litpreise gewonnen hat.

ich kann jetzt viel schreiben über das, was "zwischen den zeilen" steht.

Ich bin nicht der Typ, der in Kommentaren zwischen den Zeilen schreibt... Ich wüsste auch nicht, warum ich das sollte? Hegen wir ein Ressentiment, von dem ich nichts weiß?

.deutlich...- ja! unbedingt. aber auch mit respekt!


Ich verstehe die Argumentation leider nicht (trotzdem Danke für deinen ausführlichen Versuch der Erklärung). Ich sehe eine gewisse Flapsigkeit in meinem Kommentar, richtig, aber keine Respektlosigkeit. Außerdem weiß ich nicht recht, ob du Respektlosigkeit vor dem Autoren (Alter, Erfahrung, Generation meinst -du deutetest so was an- oder Respekt vorm Text, den du ja strikt getrennt vom Autoren wissen möchtest...)
Einigen wir uns auf den Konsens, dass ich deine Texte nicht mehr kommentiere, wenn du mit meiner Art Probleme hast...

LG
Nifl
"Das bin ich. Ich bin Polygonum Polymorphum" (Wolfgang Oehme)

Niko

Beitragvon Niko » 10.01.2007, 10:44

"Einigen wir uns auf den Konsens, dass ich deine Texte nicht mehr kommentiere" wenn du dich so einigst....deine sache.

wir können uns auch darauf einigen, dass ich mal ebenso deutlich kommentiere.....obwohl ich glaube, dass dies insgesamt (also: wenn die art um sich greifen würde) dem forum nicht guttäte.

lieben gruß: Niko

Klara
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Beitragvon Klara » 10.01.2007, 10:51

Hallo,

Klara schrieb, es solle nicht erlaubt sein, derartige wirklichkeitsgetreue Texte zur Kritik zu stellen (O'Ton).

WO HABE ICH DAS GESCHRIEBEN???

Was soll DERARTIGer Text meinen? Nikos Text? Habe ich nie gesagt!

HILFE!!!
Fühle mich generell missverstanden!!!

(Außer von aram, hoffentlich, danke dafür... man kommt sich sonst so einsam vor...)

Geschrieben HABE ich tatsächlich:
Texte, die rein persönlich sind, hätten in einem Literaturforum nichts zu suchen, empfände ich sogar als Belästigung, ähnlich, wie wenn mir im Büro ein Kollege ungebeten etwas von seinen Schwierigkeiten beim Stuhlgang erzählt.


Man beachte den Konjunktiv (denn ich gehe davon aus, dass rein persönliche Texte nicht eingestellt werden oder zumindest nicht als solche wahr genommen werden).

Erlaubt soll sein, jeden Text einzustellen, den der Urheber für kritikwürdig befindet. Wenn ich dann aber als Leser und Laienkritiker den Text schlecht finde bzw. nicht glaubwürdig, bzw. als Belästigung empfinde, weil er bei mir als zu "privat" ankommt, muss ERLAUBT sein, das so zu sagen, oder nicht? Deshalb muss es ja nicht stimmen, was ich sage, aber wenn jemand seine Texte zur Disposition stellt, muss er selber filtern können, was für ihn von der Kritk brauchbar ist und was nicht. (Und je besser man dies filtern kann, desto mehr wird ihm solcherlei "unberufene" Textkritik, wie wir sie hier versuchen, bringen.)

Was hätte man davon, einen rein privaten Text hier rein zu stellen, Nifl? Er würde und wird dennoch - hoffentlich - immer ALS TEXT gelesen, oder?

LG
Klara

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 10.01.2007, 10:58

Hallo,
ich denke, die ganze Aufregung entsteht hier aus verschiedenen Gründen, oder?

Niko fand Nifls Art zu kommentieren unangemessen, vermisst den Respekt gegenüber seinem Text.
Das hat (auch wenn pan anmerkt, dass dies (oft) der Fall sein kann) aber nichts damt zu tun, ob der Text biographisch ist oder nicht, was (gerade) eine parallele (bzw. immer grundsätzliche) Diskussion im Thread "Wir über uns" ist.
Niko fühlt sich nicht angegriffen, weil der Text autobiographisch ist, sondern auf der grundsätzliche Ebene von Verbundenheit von Text und Autor, die wohl jeder noch so sich von seinen Texten distanzieren könnende Autor zumindest ein wenig kennt, da brauchen wir nicht drüber streiten ;-). Ob das nun wieder angemessen ist oder nicht, ist sicher auch eine Frage, aber nicht zu ändern.

Nicht, dass ich hier die heiße Diskussion abwürgen will, ich denke, das muss auch mal sein, aber ich glaube, man sollte nicht alles durcheinander wirbeln. Erscheint mir überflüssig.

Ich für meinen Teil kann nur sagen, dass ich mich hier Klaras Urteil, dem sich schon aram angeschlossen hat, auch zustimme - zudem ist der Text für mich sehr "behauptungslastig", Poesie findet sich nicht. Der Text enthält so viele Beziehungs- und Erkenntnissuperlative, dass ich sofort nach den ersten Zeilen denke: Ne, da will mir einer erklären, was echte Liebe ist, erzählt das aber an solchen Überhöhungen, dass der brief für mich eben grade nicht die Reife beinhaltet, die er ausgibt. Der text zeichnet sich ja aus mit "Jetzt endlich weiß ich, was richtig gewesen wäre". Aber durch die unnatürlichen Überhöhungen entsteht bei mir der gegenteilige Ausdruck.
Dass der Brief dann auch noch das Motiv totbringende Krankheit beinhaltet ist dann noch einmal eine zuviel. Wäre diese Ebene weg, wäre der text schon etwas glaubwürdiger. Den erst reden können, wenn es dafür zu spät ist /nichts mehr nützt, würde dem Thema genauso angemessen sein.
Die Krankheit scheint mir nur für erhöhte Tragikg und Endeffekt hinzugezogen worden sein. Niko, ich hatte das schon mal zu einem anderen Kurzprosastück geschrieben (bisher hast du in jedem Prosatext in diesem Forum solch ein Effektende gehabt, scheint mir), ich mag Effekte, aber bestimmte Konstruktionen machen mir solch ein Ende madig. Da lese ich leiber einen ruhigen unüberraschenden Textausgang, als so ein Ende, bei dem mir die Krankheit nur eingebaut zu sein scheint, um am Ende noch "BOOM" machen zu können.

Ingsesamt habe ich mich auch über das erfrischend klare Statement zu Beginn von Nifl gefreut, ich dachte auch an das Wort "Kitsch", aber bestimmte folgende Statements scheinen mir dann was puncto Flapsigkeit angeht, doch auch ein bisschen Spaß an der Freud. Ist die Frage ob das "sein muss". ich kann schon verstehen, dass dies nicht jedermanns Geschmack ist (besonders nicht der des betreffenden Autors ;-), aber ich empfinde es nicht als grenzwertig oder beleidigend.

Liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
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Beitragvon leonie » 10.01.2007, 11:01

Hallo zusammen,

ich möchte hier nocheimanl kurz auf die die Form eingehen, die Du, Niko, gewählt hast, nämlich den Brief. Für mich macht das das Kommentieren insofern schwierig, als man nicht weiß, wer ihn geschrieben hat und von daher auch schlecht beurteilen kann, ob er nun authentisch ist oder nicht. (Das meinte ich auch in meinem ersten Kommentar). Wenn wir wissen ja nicht, was für einen Mensch das ist, der diesen Brief schreibt, wann er ihn schreibt, etc. Er ist sozusagen "kontextlos". Ein Adeliger aus dem 16. Jahrhundert schreibt anders als ein Arbeiter aus dem 19. als ein Schriftsteller aus dem 20. als ein Büroangestellter aus dem 21. usw.
Ich halte es durchaus für möglich, dass es einen Menschen gibt, der diesen Brief genauso schreiben würde wie Du, Niko, ihn formuliert hast, ohne dass es "unecht" wirkt.
Deshalb finde ich es eigentlich falsch, an ihn zum Beispiel die Kriterien für das Schreiben guter Prosa anzulegen, ohne zu wissen, wen Du, Niko, Dir als Autor vorstellst oder welche Intention Du mit dem Brief verbindest (soll er distanziert wirken, soll er zu Tränen rühren, soll er zum Nachdenken bringen, etc...).

Ich kann für mich nur sagen, dass er mich ins Nachdenken gebracht hat darüber, wie sehr man auchin leidvollen zeiten "Gutes", Intensives, Lebendiges erfahren kann.

Liebe Grüße

leonie

p:s: Im übrigen glaube ich, dass so eine wie manche anmerken "verklärte Sicht" sich angesichts oder kurz nach dem Tod eines geliebten Menschen ziemlich oft einstellt.
Zuletzt geändert von leonie am 10.01.2007, 12:19, insgesamt 1-mal geändert.

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Beitragvon Lisa » 10.01.2007, 11:15

Ergänzung: Was ich schade finde, ist zudem, dass, stoßen zwei unterschiedliche Typen aufeinander, man nicht aus dem Thread lernen kann und auf einen annehmbaren gemeinsamen Nenner kommt. Anstatt in allgemeine Urteile zu verfallen "Dann kommentiere ich deine Texte nie mehr" oder "ich kann ja auch mal so kommentieren", wäre es doch auch möglich für beide Seiten zu schließen: OK, wir beide haben versucht, uns was zu sagen, aber das hat nicht geklappt. ich merk mir für nächste Mal, dass du einen zwar ebenso direkten und ehrlichen Komm, aber weniger flapsigen Ton brauchst, um zu verstehen, wa sich sagen will und du merkst dir, dass ich es nicht persönlich meine, sondern das eben zu meiner Art gehört und siehst mich jetzt nicht als meinen persönlichen feind an.

Ich denke, damit käme man weiter. Warum im Netz immer alles auf entweder/oder hinauslaufen muss, versteh ich nicht.

Vielleicht klappst ja diesmal?

Liebe Grüße,
Lisa
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Niko

Beitragvon Niko » 10.01.2007, 13:32

liebe lisa:

nifl ist ganz sicher nicht mein "persönlicher feind" soetwas ist doch humbug. ich habe nur (ist vielleicht mein problem) so meine schwierigkeiten mit dieser art von kritik, die in meinen augen zwar deutlich macht, was ich gut finde, aber auf eine art, die ich nicht gut finde. nichts anderes habe ich gesagt. und ich werde weder texte von dir, nifl, meiden, noch sie mit dem gleichen maße kommentieren. weils nicht meine art ist. schön wärs einfach, wenn man zur kenntnis nimmt, wie andere ticken. ich werde das umgekehrt auch versuchen.

alles weitere, so es dazu noch etwas zu sagen gäbe, fände ich jetzt auf pn-wege besser.

lieben gruß: Niko

pandora

Beitragvon pandora » 10.01.2007, 14:10

lieber niko,

auch wenn die wogen in diesem thread ziemlich hoch schlagen, denke ich, dass die diskussion, die dein brief losgetreten hat, eine interessante sein kann. die frage, wie persönlich texte sein können/dürfen, die man veröffentlicht, finde ich spannend.

ich hatte und habe die ganze zeit marcell sauvageout "fast ganz die deine" im hinterköpfchen. das ist im prinzip auch ein endlos langer (antwort) brief, in dem eine junge, tuberkulosekranke frau, sich an ihren geliebten, der sich wegen einer anderen von ihr getrennt hat, wendet. gute und schlechte erinnerungen an den mann, zukunftsvisionen und momente tiefer verzweiflung wechseln einander ab. sehr persönlich das ganze. (ich glaube, ein verleger ist eher zufällig in den besitz des manuskripts geraten und hat das buch erst nach dem tod von marcell sauageout herausgebracht.)
das büchlein, es ist wirklichkeitsgetreu bis zum gehtnichtmehr, hat mich sehr berührt. obwohl es durch und durch authentisch ist. ich habe es NICHT als trivial empfunden.

niko, ich kann verstehen, wenn du über den verlauf der diskussion nicht gerade glücklich bist, aber, ich sage es noch einmal, die diskussion ist spannend.
was deinen text anbelangt, so finde ich gerdas vorschlag, ihn ruhen zu lassen und mit zeitabstand noch einmal zu überarbeiten, wirklich gut. (ich konnte in meinem ersten kommentar meine kritik nicht auf den punkt bringen. lisa hat es getan. komponente trennung und komponente tödliche krankheit werden addiert, um eine höhere dramatik zu erreichen. so scheint es zumindest. das würde ich überdenken.)

ich lehne mich jetzt vielleicht zu weit aus dem fenster (ich habe nicht mit den anderen moderatoren gesprochen), aber ich denke, es sollte, wenn du das wünschst, auch möglich sein, den text entweder in die werkstatt zu verschieben oder zu löschen.

lg
pan

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 10.01.2007, 14:39

Lieber Niko,
das mit dem persönlichen Feind war doch überspitzt formuliert, um etwas aufzulockern. Entschuldige, wenn das anders angekommen ist, nicht immer formuliere ich ein Zwinkern treffsicher!
Ich kann mir allerdings vorstellen, dass du jetzt erst mal "keine Lust" hast den Text grundsätzlich zu überarbeiten (wenn du es überhaupt für nötig hältst, Geschmäcker sind eben verschieden). Vielleicht ist Pans Tipp mit der Werkstatt (die keine Degradierung ist) eine gute Idee, um den ruhen zu lassen oder weiterzufeilen. Löschen würde ich den text nicht unbedingt. Hat sich an ihm eine vielleicht anstrengende, aber doch spannende Diskussion entlang gesponnen. Ich finde es immer schon, wenn das nachvollziehbar bleibt (natürlich kannst du in Absprache trotzdem löschen).

Liebe Grüße,
Lisa
Zuletzt geändert von Lisa am 10.01.2007, 16:56, insgesamt 1-mal geändert.
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

Paul Ost

Beitragvon Paul Ost » 10.01.2007, 16:26

Liebe Klara,

ich finde es ein wenig mühsam, herauszufinden, wo genau Du was geschrieben hast. Wahrscheinlich auch deshalb, weil ich zwischen den beiden Threads hin- und hergesprungen bin.

Zunächst einmal: Wenn Rousseau irgendwann irgendetwas gesagt oder geschrieben hat, dann ist das ein extrem wichtiges literarisches Kriterium. Warum? Weil er einer der wichtigsten Autoren des 18. Jahrhunderts ist, in welchem unsere moderne Literatur - wie Du sie vehement und angemessen verteidigst - erfunden wurde.

Was mich an Deinem Statement zu NJs Text wunderte, ist die latente Aggression, die hinter dem Wort "belästigen" steckt.

Auch nach mehrmaligem Lesen von NJs Brief kann ich nicht verstehen, was daran belästigend sein soll. Statt aber nun wieder auf die Wahrheit oder Unwahrheit des Gefühls zu verweisen, würde ich gerne einmal einen (fiktiven) Liebesbrief lesen, der (mich?) nicht belästigt. Das hielte ich für eine spannende Aufgabe.

Mir fällt es immer schwer, so heftige und fulminante Kritik zu üben, weil ich mich selbst frage, ob das was ich schreibe tatsächlich "besser" ist. Du scheinst da ja kein Problem mit zu haben.

Liebe Grüße

Paul

Hoedur

Beitragvon Hoedur » 10.01.2007, 17:01

Hallo Klara,

ich stoße mich auch bei der Aussage, daß Nikos Text "belästigen" soll.
Du kannst einen Text gut oder schlecht finden, keine Frage. "Zu" privat
halte ich auch für fragwürdig, denn wo setzt Du die Grenze, die ist doch
höchst subjektiv. Muss ich mir in Zukunft überlegen, wie privat mein Text
ist, sagen wir zu 32%?
Es sagt keiner etwas gegen "konstruktive" Kritik,
jedoch ist schnell was geschrieben und schnell was mißverstanden.

Ein nachdenklicher Hoedur


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