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leonie
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Beitragvon leonie » 06.10.2007, 18:16

Immer wieder gibt es in der Geschichte der Menschheit bahnbrechende Erfindungen, die selbige ein gutes Stück vorangebracht haben. Denken wir etwa an die Eisenbahn (so das Personal nicht gerade streikt), den Fernseher (das wohl effektivste Instrument einer geordneten Familienplanung) oder auch den Abort mit sogenanntem Tiefspüler (der aufgrund seines geringen Bremsstreifenpotentials vermutlich manches Leben gerettet hat).
Seit einigen Jahren ist eine Entdeckung hinzugekommen, deren Bedeutung vom geneigten Zeitgenossen zuweilen in unangemessener Weise unterschätzt wird – wurde ihr bisher doch nicht einmal ein eingängiger Name gegönnt wie etwa dem Tempotaschentuch oder dem Nutella.
Ja, es wäre wohl gar in Vergessenheit geraten, könnte es sich nicht alljährlich im Herbst aus den verstaubten Abstellkammern des Gedächtnisses wieder ins Wohnzimmer der Erinnerung hocharbeiten.

Nennen wir dieses Gerät einmal den Laubbläser. Sie wissen, was gemeint ist. Jenes Ding, das sich in den Händen sich hin-und herwiegender Männer befindet, vor deren Füßen sich ein kleiner Laubhaufen wie von ferner Hand gesteuert in gemächlichem Tempo vorwärtsrollt.

Welch Segen ist der Menschheit mit diesem Gerät zuteil geworden.

Erfreulicherweise verfügt die Straßenreinigung unserer Stadt über eine beträchtliche Anzahl derselben und kann somit sicher stellen, dass ihre Bürger regelmäßig im herbstlichen Morgengrauen durch pünktliche Inbetriebnahme um sechs Uhr geweckt werden.
So stehe ich in dieser Jahreszeit eine Stunde früher auf, guter Dinge, da mir der nervige Piepston meines Weckers erspart bleibt und mein Morgen vom angenehmen, hochfrequenten Brummgeräusch des Laubbläsers begleitet wird. Ich spare die Stromkosten fürs Radio und fühle mich trotzdem gut unterhalten, während ich die gewonnene Zeit nutze, um das Essen für die nächsten vier Wochen vorzukochen, alle Schränke auszuwischen und anschließend die Vorhänge kurz überzubügeln.

Doch nicht nur den privaten Haushalten bietet der Laubbläser Vorteile, nein, er trägt auch erheblich zur Belebung des Arbeitsmarktes bei.
Keinesfalls sollte man also unterstellen, er sei eine weitere Maschine, die wieder einen Mittvierziger mitleidslos den Stoß in die Abgründe des Hartz-Vier-Daseins versetzen würde. Nein, der Laubbläser bedarf ja gerade eines Menschen, der in der Lage ist, ihn zu bedienen. Zudem bietet er keine nennenswerte Zeitersparnis gegenüber dem herkömmlichen Besen oder Rechen. Gerade aber den männlichen Mitbürgern, die sich bekanntermaßen an allem erfreuen, was über einen möglichst lautstarken Motor verfügt, bietet er ein angemessenes und nützliches Spielgerät mit hohem Spaßfaktor, was die Arbeitsmotivation des Bedienenden erheblich steigert.

Da nicht alle Mitbürger die Vorteile des Laubbläsers zu würdigen wissen, sichert er sowohl bei der Beschwerdestelle der Stadtreinigung als auch bei der örtlichen Polizeidienststelle sowie der Schlichtungsstelle jeweils mindestens einen Arbeitsplatz.

Ich selbst erwäge die Anschaffung eines Laubbläsers aus medizinischen Gründen. Da er im Vergleich zu Besen und Rechen über ein deutlich höheres Gewicht verfügt und man ihn außerdem tragen muss, erspart seine regelmäßige Bedienung das tägliche Hanteltraining und lässt schon nach wenigen Wochen die Armmuskulatur um das Doppelte anschwellen.

Weiterhin übertönt er vorhandene Ohrgeräusche und wirkt so der Nervosität entgegen. Ebenso zuverlässig wirkt er bei konsequenter Anwendung innerhalb weniger Tage gegen ein überempfindliches Gehör.

Und das ist noch nicht alles:
Auch gegen die herbstlichen Depressionen lässt er sich als Therapiegerät einsetzen. Bläst er einem durch sein sonores Motorengeräusch die trüben Gedanken, die einen beim Fegen und Rechen regelmäßig überfallen hatten, mit dem letzten Rest Hirn aus dem Kopf.


Erstfassung:

Immer wieder gibt es in der Geschichte der Menschheit bahnbrechende Erfindungen, die selbige ein gutes Stück vorangebracht haben. Denken wir etwa an die Eisenbahn (so das Personal nicht gerade streikt), den Fernseher (das wohl effektivste Instrument einer geordneten Familienplanung) oder auch den Abort mit sogenanntem Tiefspüler (der aufgrund seines geringen Bremsstreifenpotentials vermutlich manches Leben gerettet hat).
Seit einigen Jahren ist eine Entdeckung hinzugekommen, deren Bedeutung vom geneigten Zeitgenossen zuweilen in unangemessener Weise unterschätzt wird – wurde ihr bisher doch nicht einmal ein eingängiger Name gegönnt wie etwa dem Tempotaschentuch oder dem Nutella.
Ja, es wäre wohl gar in Vergessenheit geraten, könnte es sich nicht alljährlich im Herbst aus den verstaubten Abstellkammern des Gedächtnisses wieder ins Wohnzimmer der Erinnerung hocharbeiten.

Nennen wir dieses Gerät einmal den Laubbläser. Sie wissen, was gemeint ist. Jenes Ding, das sich in den Händen sich hin-und herwiegender Männer befindet, vor deren Füßen sich ein kleiner Laubhaufen wie von ferner Hand gesteuert in gemächlichem Tempo vorwärtsrollt.

Welch Segen ist der Menschheit mit diesem Gerät zuteil geworden.

Erfreulicherweise verfügt die Straßenreinigung unserer Stadt über eine beträchtliche Anzahl derselben und kann somit sicher stellen, dass ihre Bürger regelmäßig im herbstlichen Morgengrauen durch pünktliche Inbetriebnahme um sechs Uhr geweckt werden.
So stehe ich in dieser Jahreszeit eine Stunde früher auf, guter Dinge, da mir der nervige Piepston meines Weckers erspart bleibt und mein Morgen vom angenehmen, hochfrequenten Brummgeräusch des Laubbläsers begleitet wird. Ich spare die Stromkosten fürs Radio und fühle mich trotzdem gut unterhalten, während ich die gewonnene Zeit nutze, um das Essen für die nächsten vier Wochen vorzukochen, alle Schränke auszuwischen und anschließend die Vorhänge kurz überzubügeln.

Doch nicht nur den privaten Haushalten bietet der Laubbläser Vorteile, nein, er trägt auch erheblich zur Belebung des Arbeitsmarktes bei.
Keinesfalls sollte man also unterstellen, er sei eine weitere Maschine, die einen bedauernswerten ausländischen Mitbürger seinen Arbeitsplatz streitig mache. Nein, der Laubbläser bedarf ja gerade eines Menschen, der in der Lage ist, ihn zu bedienen. Zudem bietet er keine nennenswerte Zeitersparnis gegenüber dem herkömmlichen Besen oder Rechen. Gerade aber den männlichen Mitbürgern, die sich bekanntermaßen an allem erfreuen, was über einen möglichst lautstarken Motor verfügt, bietet er ein angemessenes und nützliches Spielgerät mit hohem Spaßfaktor, was die Arbeitsmotivation des Bedienenden erheblich steigert.

Da zudem nicht alle Mitbürger die Vorteile des Laubbläsers zu würdigen wissen, sichert er sowohl bei der Beschwerdestelle der Stadtreinigung als auch bei der örtlichen Polizeidienststelle sowie der Schlichtungsstelle jeweils mindestens einen Arbeitsplatz.

Ich selbst erwäge die Anschaffung eines Laubbläsers aus medizinischen Gründen. Da er im Vergleich zu Besen und Rechen über ein deutlich höheres Gewicht verfügt und man ihn zudem tragen muss, erspart seine regelmäßige Bedienung das tägliche Hanteltraining und lässt schon nach wenigen Wochen die Armmuskulatur um das Doppelte anschwellen.

Zudem übertönt er vorhandene Ohrgeräusche und wirkt so der Nervosität entgegen. Ebenso zuverlässig wirkt er bei konsequenter Anwendung innerhalb weniger Tage gegen ein überempfindliches Gehör.

Und das ist noch nicht alles:
Auch gegen die herbstlichen Depressionen lässt er sich als Therapiegerät einsetzen. Bläst er einem durch sein sonores Motorengeräusch die trüben Gedanken, die einen beim Fegen und Rechen regelmäßig überfallen hatten, mit dem letzten Rest Hirn aus dem Kopf.
Zuletzt geändert von leonie am 07.10.2007, 22:24, insgesamt 4-mal geändert.

Gast

Beitragvon Gast » 07.10.2007, 22:18

Liebe leonie,

ich finde die Stelle (vorher ausländ. Mitbürger) jetzt viel besser und knackiger gelöst. Prima.
Dass mit der Toilettenspülung habe ich auch verstanden, aber ich sehe den Sinn nicht warum es Erwähnung findet.

Hier müsstest du noch einmal schauen, es ist mir beim ersten Mal nicht aufgefallen - Sorry.

leonie hat geschrieben:Ebenso zuverlässig wirkt er hochdosiert innerhalb weniger Tage gegen ein überempfindliches Gehör.


Sagt man bei"therapeutischen Anwendungen" :rolleyes: auch "hochdosiert?
Oder müsste es nicht eher heißen: Je häufiger die "Anwendungen" :blink2: erfolgen, je zuverlässiger wirkt ...

Liebe Grüße
Gerda

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leonie
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Beitragvon leonie » 07.10.2007, 22:23

Liebe Gerda,

ach der Tiefspüler ist eine Spielerei, von der ich mich noch nicht trennen mag, ich denke nochmal drüber nach. Das andere habe ich geändert in "bei konsequenter Anwendung"

Danke Dir nochmal!!!

Liebe Grüße

leonie


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