Angriff von der Unterschicht

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Klara
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Beitragvon Klara » 10.07.2008, 15:26

Angriff von der Unterschicht [überarbeitet]

Kurz vor Mitternacht, S-Bahnhof Warschauer Straße. Die Punker hängen mit ihren Hunden direkt am Durchgang zur Treppe, die zum Bahnsteig runterführt, sieben oder acht Jugendliche, neben ihnen liegen leere Bierdosen, stehen halbvolle Flaschen. Ich kann nicht durch, ein schwarzer Hund mit einem bunten Halstuch liegt quer auf dem Weg. Ich schlucke ein mulmiges Gefühl weg, ich muss da mit meinem Fahrrad vorbei, um nach Hause zu kommen, und mehrere Überlegungen gleichzeitig verketten sich ratternd mit meinem Zögern: Lassen sie mich durch? Ich darf keine Angst zeigen. Wenn ich sie ignoriere, passiert vielleicht nichts. Ich trau mich nicht, sie anzusprechen, damit sie Platz machen. Sie sehen ja, dass ich durch will…

Ich schiebe mein Rad langsam auf den Hund zu, bleibe wieder stehen, warte. Eine grünblonde Punkerin beginnt träge, ihren Hund wegzuziehen, immerhin. Ihre Gleichgültigkeit wirkt provozierend, aber ich schöpfe Hoffnung, schiebe weiter, mein Vorderrad berührt leicht den schwarzen Hund, der sich jetzt erhoben hat, aber immer noch im Weg steht. Plötzlich springt sie auf und tritt mich. „Votze! Du hast meinen Hund angegriffen, du Votze!“ Zuerst weiß ich nicht, was sie meint, das muss ein Missverständnis sein. „Schlampe, kannst du nicht fragen, wenn du durch willst! Ich war sogar so freundlich, meinen Hund wegzunehmen!“

Trotz meiner Angst muss ich versuchen, nicht loszulachen: Offenbar erwartet sie, dass ich auf Knien rutsche vor Dankbarkeit! Der Hund lag mitten im Weg, und sie war so gütig, ihn wegzunehmen! Königin des Drecks, ich huldige dir nicht, du Miststück. Fick dich ins Knie. „Ich habe ihm nichts getan“, entgegne ich sachlich (als ginge es hier um Argumente), „und das weißt du auch ganz genau.“ „Votze! Ich schmeiß dich gleich mit dem Fahrrad da runter“, droht sie.
Die Treppe ist ziemlich steil. Ihre Augen sind blassblauharte Punkte. Ich weiß nicht, ob sie unter Drogen steht. Habe den merkwürdigen Impuls, es auf einen Kampf ankommen zu lassen, das überrascht mich. Ich mag ihre Aggression nicht so ergeben schlucken, aber ich trau mich nichts, und vielleicht ist es auch die Vernunft.
Ich stehe am Treppenrand, den Lenker in beiden Händen. Wenn sie mich jetzt schubst, werde ich mir sehr wehtun. Bin ich feige? Ja, ich bin feige. Ich weiche einen Schritt zurück, achte instinktiv darauf, sie nicht aus den Augen zu lassen, ihr die ganze Zeit ins Gesicht zu schauen. Die S-Bahn fährt ein. Die würde ich gern noch erwischen, verdammt, ich bin müde, es ist spät, und dieses Mädchen geht mir auf die Nerven. Sie schimpft weiter auf mich ein, doch ich traue mich endlich, mein Rad hochzuheben, um es die Treppe hinunter zu tragen, hoffend, dass sie mich nicht zu Fall bringt.
Als ich mich abwende, tritt sie mich ein zweites Mal, fluchend. "Votze! Schlampe! Verpiss dich!" Ich spüre den Tritt am Oberschenkel, bemühe mich, nicht zu stolpern mit dem Rad. Als ich unten auf dem Bahnsteig bin, haste ich an all den zugeschütteten Menschen vorbei, ein paar Penner, Touristen, zwei Skins. Aber die S-Bahn hält gar nicht an. Ich muss auf die nächste warten. Ich zittere. Vor Wut wahrscheinlich.

Aber hätte ich eine Chance gehabt? Oder hätte sie ein Messer gezückt? Außerdem lagen da ihre Freunde und mindestens drei Hunde bereit, ihr zu Hilfe zu kommen. Es wäre dumm von mir gewesen, instinktiv zu reagieren. Mir kommen plötzlich die Tränen, und dann kommt zum Glück die nächste S-Bahn, ich sende stumm ein atheistisches Dankgebet auf die S-Bahnen dieser Stadt, steige ein, klappe den Fahrradständer auf. Einen irren Moment lang überlege ich, ob sie Recht im Recht war: Ich hätte vielleicht tatsächlich fragen sollen, ob ich durchkomme? Dann werde ich wieder wütend, weil ich so gottverdammt naiv bin, und so spät begreife, dass die Leute am Rande keine besseren Menschen sind, sie haben einfach nur weniger Macht. Sie sollen sich verpissen, für wen soll ich tolerant sein, Dreck.Sehne mich nach der anderen Welt, in der mich niemand treten kann, in der ich nicht so schutzlos bin. Gedemütigt. Mit ist schlecht. Wie verletzlich man plötzlich ist, mitten in der Nacht, an einem Ort der Stadt, den man liebt.
Der Straßenzeitungsverkäufer mit den schwarzen Zähnen, der stinkend durch den Zug schlurft, kann nichts dafür, aber diesmal bekommt er von mir keinen Cent, ich schaue ihn nicht mal an, schüttle nur genervt den Kopf. Mit der neuen Angst, dass der mir etwas antut, mir ins Gesicht spuckt, mir den Arm verdreht, mir den Zehner aus der Tasche reißt oder das Rad klaut, was weiß ich, spüre ich den neuen Abwehr-Impuls. Lasst mich in Ruhe, Dreckleute. Kümmert euch um euch selbst. Scheiße, ich sollte die Sache nicht so verdammt persönlich nehmen. Ich bin ungerecht. Ich bin ungerecht. Ich bin ungerecht. Ich hätte gern zurückgetreten.



Votze in Sicht [erster Entwurf]

Langweilig, hier abzuhängen und zu schnorren. Die andern fragen ja nicht mal mehr. Wir sind so abgefuckt, dass uns keiner was gibt. „Gib doch mal die Pulle rüber, Miko.“ Ich trinke, aber dieses Billigzeug schmeckt nur, wenn man ganz viel davon säuft. Ich trinke noch mehr. Bis man den Geschmack nicht mehr merkt, muss man trinken. Scheiße, jetzt muss ich pinkeln, das ist das Einzige, worum ich die Typen beneide: Ums Pinkelnkönnen. Frauenpinkeln ist uncool.

Wie spät isses eigentlich? Ich kann die Bahnhofsuhr gar nicht sehen. Monty liegt da und schnarcht, der Süße, zum Glück hab ich den gefunden. Mann, wenn meine Mutter wüsste, dass ich jetzt’n Hund hab. Weiß sie aber nicht, die blöde Kuh. Hätte mir ja einen schenken können. Aber die ist ja nur mit ihrem eigenen Mist beschäftigt. Ein Hund in der Stadt, Kind, das geht doch nicht. Wieso denn nicht, Mama, ich gehe immer mit ihm raus, versprochen. Weißt du, wie viele Versprechen, du schon gebrochen hast, Sanna? Ungefähr hundert. Die spinnt doch. Ich halte meine Versprechen, und ich lass mich von niemandem anpinkeln, Scheiße. Ich kümmer mich um meinen Hund.

Mir ist so verdammt langweilig. Ich verrenke meinen Hals, um die Uhr zu sehen. Aua. Noch ein Schluck. Wenn wir Kohle hätten, könnten wir uns was besorgen, oder wenigstens was Leckeres zu Essen, ej, Miko schläft schon fast, dabei ist es nicht mal zwölf. Das macht doch keinen Spaß hier.

Ach schau an, da kommt ne Tante und will hier durch. Ich hab keine Lust, ihr Platz zu machen. Aber ich will auch nicht, dass sie Monty weh tut. Sie ist mit dem Fahrrad, die blöde Kuh, sieht aus wie meine Mutter. So blöde rote Schuhe hat sie an, Blenderin. Und genauso blöde rote Haare, bestimmt so ne Möchte-Gern-Ökozicke. Oder so ne Werbetante, die hier die Spree platt machen wollen, diese Scheißkapitalisten wollen das ganze Ufer zubauen. Es gibt irgendson Volksentscheid, Kumpels von uns machen da mit, aber das ist mir zu anstrengend.

Jetzt kommt sie näher und wundert sich, dass sie nicht durchkommt, haha! Meine Mutter hat auch immer so lässig getan, und dadrunter die dicke Matsche Angst. Die dicke Matsche. Ich muss lachen. Ich ziehe an der Leine, damit Monty Platz macht, aber beeilen tu ich mich nicht. Eine S-Bahn hör ich. Sie wird nervös, das ist gut, sie will die S-Bahn kriegen, ach Gottchen. Wohin muss sie denn so eilig, nach Hause in ihr Bettchen? Da wartet doch eh keiner auf die, die ist so hässlich. So alt. Sie weiß nicht, was sie machen soll, das ist noch besser. Monty ist jetzt aufgestanden, aber er steht noch gut im Weg. Und die schiebt ihr Fahrrad gegen meinen Hund, hat die ne Macke? Ich springe auf und trete ihr in den Arsch. Das ist das Einzige, was bei solchen Leuten hilft. Außerdem bringt es Bock. Sie tritt ja nicht zurück, die treten ja nie zurück, diese Billigschlampen. Die würden ja nicht mal zurücktreten, wenn ich keinen Hund dabei hätte, feige Sau. Komisch, dass Monty gar nicht knurrt, er steht da einfach und träumt, der Köter. Und ich reiß mir den Arsch auf für den.

Die Ökozicke bleibt stehen. Mann, ist die alt. Ich schau ihr ins Gesicht, und da sehe ich Angst, und das macht mir Spaß. Aber sie hört nicht auf zu glotzen, das nervt mich. Ej, die nervt!
„Schlampe, du hast meinen Hund getreten, entschuldige dich“, brülle ich. „Ich habe deinen Hund nicht getreten“, sagt sie, es klingt ganz ruhig, und sie spricht so verdammt ordentlich und so verdammt freundlich, dass ich kotzen könnte. Am liebsten würde ich mein Messer rausholen und ihr richtig Angst machen, so richtig richtig. Aber hier sind so viele Leute. Die guckt so... Am besten sagt sie mir gleich noch, dass ich doch lieber nach Hause gehen soll! „Votze! Ich hab ihn sogar weggenommen, und du hast ihm wehgetan!“, schreie ich. „Ich habe nichts dergleichen getan, und das weißt du auch ganz genau“, meint sie. Sie will ihr Fahrrad die Treppe runter tragen, aber sie traut sich nicht. Zurück kann sie nicht, da sind meine Leute, die Penner. Und vor ihr ist der Abgrund. „Ich schmeiß dich gleich da runter, Votze!“ Ich ärgere mich, dass mir kein schlimmeres Wort einfällt, Mann, es gibt doch genug Scheißworte für Scheißvotzen, warum fällt mir nix ein. Sie nimmt trotzdem ihr Rad hoch. Ich hab keine Lust mehr. Aber ich gebe ihr noch einen Tritt mit auf den Weg, damit sie sich erinnert. Sie sagt nichts. Mir hat keiner was zu sagen. Scheiße, jetzt ist mir wieder langweilig. Passiert hier noch was oder wie oder was? Ich nehme die Flasche und mache sie alle. Scheißvotze. Kann mich mal.


Angriff von der Unterschicht

Kurz vor Mitternacht, S-Bahnhof Warschauer Straße. Die Punker hängen mit ihren Hunden direkt am Durchgang zur Treppe, die zum Bahnsteig runterführt, sieben oder acht mehr oder weniger Betrunkene. Es ist kein Platz. Ein schwarzer Hund mit einem bunten Halstuch liegt quer auf dem Weg. Ich schlucke ein mulmiges Gefühl weg, ich muss da mit meinem Fahrrad vorbei, um nach Hause zu kommen, und mehrere Überlegungen gleichzeitig verschränken sich ratternd mit meinem Zögern: Lassen sie mich durch? Bloß keine Angst zeigen. Ignorieren, ich trau mich nicht, sie anzusprechen, sie zu bitten, weil sie dann aggressiv werden, darauf warten sie ja nur …
Ich schiebe mein Rad langsam auf den Hund zu. Eine grünblonde Punkerin beginnt träge, ihren Hund wegzuziehen, immerhin. Ich schiebe weiter, mein Vorderrad berührt leicht den schwarzen Hund, der sich jetzt erhoben hat, aber immer noch quer steht. Bis dahin alles easy, aber plötzlich springt sie auf und tritt mich gegens Schienbein. „Votze! Du hast meinen Hund angegriffen, Votze!“ Zuerst weiß ich nicht, was sie meint, das muss ein Missverständnis sein. „Schlampe, ich hab ihn doch gerade weggenommen, kannst du nicht fragen, wenn du durch willst, Votze! Ich war sogar so freundlich, meinen Hund wegzunehmen!“
Ich habe Angst, aber ich muss mich gleichzeitig bemühen, nicht loszulachen: Der Hund lag mitten im Weg, und sie war so gütig, ihn wegzunehmen! Ich sollte wohl auf Knien rutschen vor Dankbarkeit. Königin des Drecks, ich huldige dir nicht, du Miststück. „Ich habe ihm nichts getan“, entgegne ich sachlich (und schwächlich - als ginge es hier um Argumente), „und das weißt du ganz genau.“ „Votze! Ich schmeiß dich gleich mit dem Fahrrad da runter“, droht sie.
Die Treppe ist ziemlich steil. Ihre Augen sind blassblauharte Punkte. Ich weiß nicht, ob sie unter Drogen steht. Habe den merkwürdigen Impuls, es auf einen Kampf ankommen zu lassen, das überrascht mich. Ich mag all diesen Mist nicht so ergeben schlucken, aber ich habe zu viel Angst, und vielleicht ist es auch die Vernunft.
Ich stehe am Treppenrand, den Lenker in beiden Händen. Wenn sie mich jetzt schubst, werde ich mir sehr wehtun, und davor fürchte ich mich. Bin ich feige? Ja, ich bin feige. Ich weiche einen Schritt zurück, achte instinktiv darauf, sie nicht aus den Augen zu lassen, ihr die ganze Zeit ins Gesicht zu schauen. Die S-Bahn fährt ein. Die würde ich gern noch erwischen, verdammt, ich bin müde, es ist spät, und diese Frau geht mir auf die Nerven. Sie schimpft weiter auf mich ein, doch ich traue mich endlich, mein Rad hochzuheben, um es die Treppe hinunter zu tragen, hoffend, dass sie mich nicht zu Fall bringt.
Als ich mich abwende, tritt sie mich ein zweites Mal, fluchend. "Votze! Schlampe! Verpiss dich!" Ich spüre den Tritt am Oberschenkel. Als ich unten bin, haste ich an all den mit Alkohol zugeschütteten Menschen vorbei, ein paar Penner, Touristen, zwei Skins. Aber die S-Bahn, die ich gehört habe, hält nicht an. Ich muss auf die nächste warten. Ich zittere. Vor Wut wahrscheinlich.
Aber hätte ich eine Chance gehabt? Oder hätte sie ihr Messer gezückt? Außerdem lagen da ihre Freunde und mindestens drei Hunde bereit, ihr zu Hilfe zu kommen. Es wäre dumm von mir gewesen, mich drauf einzulassen. Mir kommen plötzlich die Tränen, und dann kommt zum Glück die S-Bahn, ich sende stumm ein atheistisches Stoßgebet auf die S-Bahnen dieser Stadt: Danke, dass es euch gibt, meine Freundinnen! Ich steige ein, klappe den Fahrradständer auf. Einen irren Moment lang überlege ich, ob sie Recht hat: Ich hätte vielleicht tatsächlich fragen sollen, ob ich durchkomme? Ah, dann werde ich wieder wütend, weil das ja wohl das Allerletzte wäre, dass die provozierend im Weg liegt, sich daneben benimmt, anmaßend ist, mich beschimpft, mich tritt, und ich am besten jetzt auch noch die Schuld dafür auf mich nehme! Ich Idiot! Bin doch eigentlich „für die Schwächeren in der Gesellschaft“, und werde nun grob bestraft für meine Naivität, weil ich erst so spät begreife: Die Schwächeren sind keine besseren Menschen, sie haben nur weniger Macht als die Mächtigen. Hätten diese „Schwachen“, die da jetzt mit ihren Bierdosen und ihren Hunden und ihren billigen Vorurteilen im Abseits liegen und willkürlich Leute quälen, mehr Macht, wäre diese Welt nicht besser, sondern vermutlich noch unangenehmer. Im Übrigen war eindeutig ich die Schwächere in dieser Situation - und das war ja auch der Zweck des Ganzen.
Ich merke, wie ich mir gar nicht menschenfreundlich und gar nicht politisch korrekt wünsche, dass diese Asozialen verschwinden, verpissen sollen sie sich; warum sollte ich tolerant sein; ich will, dass sie woanders herum hängen, wo ich sie nicht sehen kann, jedenfalls nicht da, wo ich durch muss. Sie sollen meine Welt nicht verschmutzen!. Sehne mich nach der anderen Welt, ohne Penner und Gewalt von unten. In der anderen Welt gibt es versteckte Gewalt, von oben und von allen Seiten, aber zumindest tritt mich in der anderen Welt niemand in den Arsch, da kann ich mich besser schützen, bin nicht so. Hilflos. Gedemütigt. Ich könnte kotzen. Ich bin sehr wütend. Wie verletzlich man plötzlich ist, mitten in der Nacht, an einem Ort der Stadt, den man liebt.
Der Straßenzeitungsverkäufer mit den schwarzen Zähnen, der stinkend durch den Zug schlurft, kann nichts dafür, aber diesmal bekommt er von mir keinen Cent, ich schaue ihn nicht mal an, schüttle nur genervt den Kopf, spüre verärgert einen weiteren Anflug von Angst, dass auch dieser Verlierer mir jetzt etwas antut, mir ins Gesicht spuckt, mir den Arm verdreht, mir den Zehner aus der Tasche reißt oder das Rad klaut, was weiß ich.
Und hätte nicht übel Lust, das nächste Mal zurückzutreten, mitten in ihren selbstgerechten Hochmut hinein, bewaffnet mit meiner Wut auf einen unangenehmen, ekelhaften, ungerechten Menschen am Rande der Gesellschaft. Scheiße, ich sollte die Sache nicht so verdammt persönlich nehmen. Ich bin ungerecht. Ich bin ungerecht. Ich bin ungerecht.
Zuletzt geändert von Klara am 15.07.2008, 21:02, insgesamt 5-mal geändert.

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 13.07.2008, 13:59

Hallo Klara,

nun die Kommentare gelesen. .-)

dann will ich mal versuche diesen Eindruck zu erklären. .-)
Du schreibst, es sei nicht demagogisch, weil es sich im subjektiven abspielt und sich nicht an das Volk wendet. Es wendet sich aber an den Leser, bleibt ja nicht im Nachtkästchen, sondern wird mitgeteilt. Warum wird es mitgeteilt? Ich glaube dir natürlich, dass es um den Versuch geht eine Realität abzubilden, etwas zu erzählen. Aber glaube ich es auch dem Text? Das ist natürlich maßlos übertrieben. :-) Aber die Texte schüren aus meiner Sicht schon Vorurteile, bedienen Erwartungshaltungen auch wenn kein macht/politisches Kalkül dahinter steht. Ich definiere demagogisch aber auch nicht so radikal wie du, wollte dich da nicht beleidigen, wenn ich das getan habe, tut es mir natürlich leid.

Was ich mit angepasst meinte, ist vielleicht, dass du in anderen Texten nicht davor zurückgeschreckt bist Behauptungen aufzustellen, die sich nicht durch Eigenreflexion bereits wieder zurückgenommen haben, sondern die kritische Auseinandersetzung des Lesers herausgefordert haben. Das fehlt mir hier ein wenig, vielleicht durch die gedankliche Einmischung in die Situation durch die Erklärungen in der Ich-Perspektive. Ich hatte hier das Gefühl, dass sie als Sympathieträgerin fungieren soll, sozusagen den Leser auf ihre Seite ziehen um so etwas zu rechtfertigen. Was wäre für dich denn die Quintessenz aus den Texten?

Die beiden Perspektiven gegenüberzustellen könnte für mich funktionieren, wenn ich beim zweiten Text (Votze in Sicht) auch das Gefühl hätte, das es eben die Punkerin ist, die hier erzählt und nicht die Prot., die sich vorstellt, wie es aus Sicht der Punkerin war.

liebe Grüße smile

Nifl
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Beitragvon Nifl » 13.07.2008, 15:04

Huhu Klara.

… bezüglich der Demagogie sehe ich es ganz genauso wie die Lächlerin . Übrigens hat Gesine Schwan ganz ungeahndet öffentlich Oskar Lafontaine als Demagogen bezeichnet und die will immerhin Präsidentin werden.

Nirgendwo heißt es: Alle Punker sind doof

doch, hier zB.:
Die Schwächeren sind keine besseren Menschen, sie haben nur weniger Macht als die Mächtigen. Hätten diese „Schwachen“, die da jetzt mit ihren Bierdosen und ihren Hunden und ihren billigen Vorurteilen im Abseits liegen und willkürlich Leute quälen, mehr Macht, wäre diese Welt nicht besser, sondern vermutlich noch unangenehmer.


Die neue Fassung ist an dieser Stelle viel besser gelungen, weil sie deiner Intention der selektiven "Wutmomentaufnahme" viel näher ist, ohne abschweifend (und eben nicht im Wutaffekt (!)) stammtischphilosophisch zu sein wie oben.

Die Ich-Person in Text 1 hinterfragt ihre eigene Naivität,

Wie ich schon oben schrieb, sehe ich gerade in der "schwachen" Pseudoreflektion die Gefahr…

LG
Nifl
"Das bin ich. Ich bin Polygonum Polymorphum" (Wolfgang Oehme)

Klara
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Beitragvon Klara » 13.07.2008, 15:32

Hi smile,

Ich definiere demagogisch aber auch nicht so radikal wie du, wollte dich da nicht beleidigen, wenn ich das getan habe, tut es mir natürlich leid.

Nix beleidigt! wir reden ja über Texte, nicht über Autoren ;-) Und Demagogie, wenn sie erfolgreich ist - und sonst wäre es keine: Demagogie ist nur Demagogie, wenn sie erfolgreich ist, deshalb ist ja dieser Begriff hier so fehl am Platz -, ist ein nicht zu unterschätzendes rhetorisches Handwerk, das ich weder beherrsche noch beherrschen möchte, gerne jedoch am Werk erkennen möchte, und deshalb wehre ich mich so gegen diese Begriffsverwaschung.

Ich habe aber den Eindruck, du widersprichst dir mit deiner Kritik: Einerseits empfindest du die einseitige Darstellung als demagogisch - und anderereseits empfindest du die Selbstreflexion der Protagonistin in Text 1 als "angepasst" (interessantes Wort übrigens, vor allem in seiner populistischen Negativdeutung: Anpassung ist eine der grundsätzlichen Voraussetzungen aller Tiere (also auch der Menschen) und Pflanzen zu überleben. Es kommt immer drauf an, woran man sich anpasst, und wie selbstbestimmt und reflektiert dieses Anpassen möglicherweise geschehen könnte ,-)) Im Übrigen kann es dem hier für sich stehenden Text bzw. seiner wie-auch-immer-bewerteten Qualität ja erstmal egal sein, wenn er nicht deine Erwartung des "Nichtangepassten" als Leserin, die du aufgrund anderer Texte derselben Autorin aufgebaut hast, erfüllt.
Ich hatte hier das Gefühl, dass sie als Sympathieträgerin fungieren soll, sozusagen den Leser auf ihre Seite ziehen um so etwas zu rechtfertigen.

Ja, sie soll unangenehmerweise als Sympathieträgerin fungieren: Als eine Person der "Mehrheit", die sich mental verbündet in einer spontanten, situationsgeborenen Ablehnung des miesen Verhaltens einer "Minderheit". Angepasstes Denken, das sich selbst rechtfertigt, wenn du so willst. Aber mir scheint fast, du sitzt da teilweise selbst einer punkigen Sozialromantik der "Außenseiter" auf, der der Text ja gerade auf die Schliche kommen will.

Was wäre für dich denn die Quintessenz aus den Texten?

Das habe ich glaub ich an anderer Stelle zumindest für Text 1 schon versucht zu formulieren. Wenn du erlaubst, zitiere ich mich ausnahmsweise selbst:
Thema des Textes ist der Moment, in dem man wütend und ungerecht verallgemeinert. Was das mit einem macht, wenn man sich gedemütigt fühlt - wie ungerecht man wird. Und wie lächerlich mancherlei Gutmenschentum in bestimmten Situationen sein kann, das auch.


Lieber Gruß
klara


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