Morgensplitter II

Bereich für Erzähl- und Sachprosa, also etwa Kurzgeschichten, Erzählungen, Romankapitel, Essays, Kritiken, Artikel, Glossen, Kolumnen, Satiren, Phantastisches oder Fabeln
DonKju

Beitragvon DonKju » 08.11.2008, 14:11

[beitrag vom autor gelöscht]
Zuletzt geändert von DonKju am 11.07.2015, 11:46, insgesamt 11-mal geändert.

Sam

Beitragvon Sam » 12.11.2008, 17:13

Ich empfinde diesen Text als ungeheuer spießig. Einen knäuligen, verbitterten und misslaunigen Menschen höre ich sprechen. Einem, dem jegliches Verständnis für die akkustische Abschottung, nicht nur junger Menschen fehlt. In der Zeit, in der ich jeden Tag U-Bahn und Bus gefahren bin, hatte ich auch Knöpfe im Ohr. Und ja, wenn mir danach war, dann habe ich auch die Bässe hämmern lassen und es war wunderbar.

Die Spießigkeit kommt schon durch diese Formulierung zum Ausdruck:
Der schon morgens diese Knöpfe in den Ohren hat.

Schon morgens...oh wie schlimm! Ist es am Nachmittag vielleicht genehmer? Und vor allem: DIESE Knöpfe! Ja, es sind Knöpfe und sie bringen die Bässe genau dahin, wo sie hin sollen - direkt ins Ohr.

Am meisten stört mich allerdings jenes Wort:
Und mir einen ungewollten Dialog aufzwingt, zerfetzt, bizarr, fragwürdig.

Fragwürdig ist ein hinterhältiges Wort. Weil es nichts sagt, aber vieles, und zwar durchweg negatives, impliziert. Was ist an hämmernden Bässen bitte fragwürdig??? Klar, man demoliert sich das Trommelfell und geht anderen durch den Lärm auf den Keks. Aber ist es deswegen fragwürdig? Das Wort "fragwürdig" hat immer ein Ziel, und das zeigt in Richtung Verbot.

Der erwähnte Nachhall, ich kann ihn mir richtig vorstellen. Der hat weniger mit den Bässen an sich zu tun, oder mit der Musik, die gehört wurde, sondern er ist ein innerer Monolog darüber, was sich die Leute eigentlich denken, dass sie so rücksichtslos sind und andere mit ihrer penetranten Musik traktieren.

Der Text ist eine differenzierungsfreie Zone und daher für mich literarisch völlig wertlos, wenn nicht sogar fragwürdig. ;-)

Gruß

Sam

Max

Beitragvon Max » 12.11.2008, 19:57

Lieber Bilbo,

ich kann Sams Einschätzung folgen, empfinde den Text selbst aber eher an einigen Stellen als ungenau bzw. kann ich mich in seine Aussagen nicht hineindenken. Schon beim ersten Satz ist mir nicht ganz klar, was die Aussage sein soll. Hier aber

Gelegentlich tritt der Alltagslärm in den Hintergrund zurück.


dachte ich, dass die Bässe eher zum Alltagslärm gehören. Sie sind ja nicht als Botschaft an den Protaginisten gedacht. Das 'zurück' impliziert eine Bewegung, die im Text nicht dargestellt ist, nämlich, dass zunächst etwas den Protagonisten gefangen hielt, dann wurde das von Alltagslärm überschwappt, dann tritt dieser in den Hintergund zurück. Ich würde das "zurück" weglassen.

Hier
Dann erreichen mich auch diese Bässe, hämmernd.


finde ich das "diese" schon so wertend, dass ich automatisch die Gegenpsoition einnehme - ähnlich wie Sam. Hier

Und mir einen ungewollten Dialog


ist "Dialog" sicher falsch, "Lamento" würde es treffen, wäre aber vll. auch wertend ;-).

In der nun folgenden Aufzählung

zerfetzt, bizarr, fragwürdig.


hätte ich mir ein treffendes Wort gewünscht, statt dreier, die mir ein wenig wahllos erscheinen - willst Du 'zerfetzt' sagen? Dann passt vielleicht noch 'bizarr' - wobei ich gerne wüsste, welchen Aspekt Du heruasstellen willst - aber das 'fragwürdig' ist fragwürdig.

Über die inhaltlichen aspekte mag ich hier gar nicht streiten, aber sprachlich, so finde ich, ginge es schärfer.

Liebe Grüße
Max

DonKju

Beitragvon DonKju » 13.11.2008, 21:42

Hallo Elsa,
Dank für die positive Rückmeldung, allerdings habe ich den Text heute noch einmal überarbeitet, um einige Unschärfen, wie Max es ausdrückte zu beseitigen ... wäre interessant zu erfahren, was Du davon hälst ...

Hallo Sam,
das kommt jetzt mal ungefiltert : Wie Du den Text interpretierst, darauf habe ich natürlich keinen Einfluss. Ich kann nur sagen, daß Du vollkommen falsch liegst; Mich hat nämlich die beschriebene Situation eher erheitert, dieses Hin & Her zwischen den Alltagsgeräuschen und den Bässen, ansonsten ist es schlicht einfach als eine Beobachtung ohne jede Wertung gedacht gewesen, diese unterstellst einzig und allein Du selbst ... Und die von Dir so positiv bewertete "Abschottung" kann man ja auch kritisch sehen, als einen Rückzug, das Ablehnen von Kommunikation, aber ach, ich gerate selbst ins Interpretieren ...

Hallo Max,
ja über das Wörtchen Dialog wurde ja schon etwas mehr "gestritten", es ist hier gewiß nicht als treffende Beschreibung gedacht und über dichterische Freiheit möchte nun wieder ich nicht streiten ...

Trotzdem Danke für's Lesen und Kommentieren und liebe Grüße von Bilbo

Max

Beitragvon Max » 13.11.2008, 22:33

Hallo Bilbo,

zu Deiner Anmtwort auf Sam: Ich frage mich, wieso ein Wort wie "fragwürdig" (und das ist ja nicht die einzige Passage) nicht wertend sein kann.

Zu mir: Die "Dialogpassage" war ja eher ein kleinerer Teil meiner Kritik.

Liebe Grüße
Max

DonKju

Beitragvon DonKju » 14.11.2008, 14:06

Hallo Leute,

da hatte ich nun gestern meinen Beitrag ein klein wenig überarbeitet und zwischendurch ist mir der Browser abgestürzt; Leider habe ich danach zwar noch geprüft, ob meine Antwort vollständig abgespeichert wurde (= das hatte noch irgendwie geklappt), aber auf die Textänderungen hatte ich nicht mehr geschaut; Heute beim Nachgucken hab' ich's dann bemerkt und die Änderungen erneut eingepflegt; Tut mir leid, da müßt Ihr jetzt erst mal die neue Version lesen ...

Hallo Max,
da Du ja als erster reagiert hast, noch ein extra 'Tut mir leid', aber das eine oder andere erklärt sich für mich aus den Änderungen im Text; Und betreffs "fragwürdig" - Der Duden definiert es so = <Adj.>: a) zu Bedenken, Zweifeln, Misstrauen Anlass gebend ... Also ich lese da nicht unbedingt eine Wertung heraus, und passt das Wort nicht zum Wesen "dieses Dialoges" ? Was die Verwendung von "diese" angeht, so sollen sie unterstreichen, daß es sich um "genau diese" und nicht "irgendwelche X-beliebigen" handelt ...

Mit freundlichem Gruß an Euch alle Bilbo

Max

Beitragvon Max » 14.11.2008, 18:41

Hallo Bilbo,

zu dem "fragwürdig": Wenn der Duden es als

zu Bedenken, Zweifeln, Misstrauen Anlass gebend


definiert, dann impliziert dies doch eine Wertung. Bedenken, Zweifel und Misstrauen sind ja kaum objektiv feststellbar, sondern stellen subjektiv in Frage. Was diese Zweifel im Hinblick auf Musik bedeuten könnten, ist mir allerdings auch nicht ganz klar.

Liebe Grüße
Max

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Beitragvon Elsa » 14.11.2008, 19:01

Hallo Bilbo,

"fragwürdig" hat eindeutig eine negative Besetzung, und nicht: Der Frage würdig, wie es ja eigentlich heißt.

Lieben Gruß
ELsa
Schreiben ist atmen

DonKju

Beitragvon DonKju » 15.11.2008, 12:50

Hallo Elsa, Hallo Max,

ein bißchen habe ich momentan das Gefühl, daß hier etwas nicht richtig verstanden wird, also daher jetzt mal Klartext (hoffentlich) :

Das Wörtchen "fragwürdig" bezieht sich nicht auf die Musik, sondern auf den "Dialog", der zu Bedenken und Zweifeln Anlass gibt in der Frage, ob es sich hier überhaupt um einen solchen handelt - und gut, in diesem Sinne könnte man es sogar "wertend" verstehen ...

Ansonsten wäre es nett, wenn ihr kurz sagt, ob der Text nun besser ankommt oder eher nicht ...

Mit liebem Gruß von Bilbo

Max

Beitragvon Max » 15.11.2008, 13:52

Hi Bilbo,

ich denke, wenn so kaum jemand es richtig versteht, ist das vielleicht doch Anlass, darüber nachzudenken, ob man vielleicht doch etwas ändern sollte. Ansonsten finde ich, dass sich an dem Text noch arbeiten ließe, abgesehen davon, dass er eben in der Aussage nicht ganz so wertend daher kommen sollte/möchte .. vll. in der Richtung:


Nur diese paar Minuten. Unterwegs im Bus. Wenn das Stimmgewirr abschwillt, erreichen mich Bässe, hämmernd. Jemand, ganz in meiner Nähe, hat morgens diese Knöpfe in den Ohren. Aufgezungenes Fragment, seltsam zerfetzt, bizarr. Ich steige aus. Nachhall ...


Grüße
Max

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Beitragvon Elsa » 15.11.2008, 14:21

Das Wörtchen "fragwürdig" bezieht sich nicht auf die Musik, sondern auf den "Dialog", der zu Bedenken und Zweifeln Anlass gibt in der Frage, ob es sich hier überhaupt um einen solchen handelt - und gut, in diesem Sinne könnte man es sogar "wertend" verstehen ...


Lieber Bilbo, eben. Ich halte diesen Satz mit dem Dialog immer noch nicht für geglückt. Der Rest ist nun ok.

Lieben Gruß
Elsa
Schreiben ist atmen

DonKju

Beitragvon DonKju » 16.11.2008, 12:21

Hallo Elsa, Hallo Max,

erneut Danke für Eure Rückmeldungen; Ich werde den Text jetzt erst einmal beiseite legen und ihn dann wohl überarbeiten. Tja, so geht's manchmal, da dachte ich, das ist doch irgendwie eine gute Idee, so mit einem Schuß Absurdität & Ironie, und dann gelingt's, zumindest bisher, nicht die Intention an den Leser zu bringen ...

Danke und liebe Grüße an Euch & alle anderen sendet Bilbo

DonKju

Beitragvon DonKju » 27.11.2008, 16:44

Liebe Saloner,

nun gut - der Text hatte eine kleine Ruhephase - aber mag wirklich niemand etwas zur Neufassung sagen ?

Fragt sich sinnend mit lieben Grüßen an Euch alle Bilbo

Mucki
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Beitragvon Mucki » 27.11.2008, 17:35

Hi Bilbo,

ich war ganz erstaunt, oben eine neue Fassung zu lesen. Wenn du etwas änderst, musst du einen kurzen Hinweis schreiben, weil man es sonst gar nicht merkt.
Also die neue Version:
Nur diese paar Minuten. Unterwegs im Bus. Wenn der Alltagslärm in den Hintergrund tritt, dann erreichen mich vor allem die Bässe, hämmernd. Irgend jemand ganz in meiner Nähe. Der gleichzeitig weit weg ist, mit den Knöpfen in seinen Ohren. Und dennoch unbeabsichtigt in diesen Klangfetzen etwas von sich preisgibt. Ich steige aus. Nachhall ...

vergleiche ich mit der vorherigen:
Nur diese paar Minuten. Unterwegs im Bus. Wenn der Alltagslärm in den Hintergrund tritt, dann erreichen mich diese Bässe, hämmernd. Von irgend jemandem ganz in meiner Nähe. Der schon morgens diese Knöpfe in den Ohren hat. Und mir ungewollt einen Dialog aufzwingt, seltsam zerfetzt und fragwürdig. Ich steige aus. Nachhall ...

Dieser Teil: "Irgend jemand ganz in meiner Nähe" hängt in der Luft. Das "von" fehlt. Hier würde ich wieder die alte Fassung nehmen.
"Der gleichzeitig weit weg ist, mit den Knöpfen in seinen Ohren." finde ich besser als in der alten Fassung.
"Und dennoch unbeabsichtigt in diesen Klangfetzen etwas von sich preisgibt."
Hier wechselt du die Perspektive vom Ich weg. Der "Dialog" ist draußen. Ich würde ihn indirekt wieder reinnehmen. Eine Kombination aus beiden. Mein Vorschlag wäre:

Und mir ungewollt diese Klangfetzen aufzwingt. Ich steige aus. Nachhall ...

Also insgesamt dann so:

Nur diese paar Minuten. Unterwegs im Bus. Wenn der Alltagslärm in den Hintergrund tritt, dann erreichen mich vor allem die Bässe, hämmernd. Von irgend jemandem ganz in meiner Nähe. Der gleichzeitig weit weg ist, mit den Knöpfen in seinen Ohren. Und mir ungewollt diese Klangfetzen aufzwingt. Ich steige aus. Nachhall ...

Das wäre meine Idee und die Wertung ist auch draußen.
Saludos
Mucki

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ferdi
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Beitragvon ferdi » 28.11.2008, 02:04

Hallo Bilbo.

Mir macht dieser Text keine Freude (Dummer Kommentar, ich weiß ;-)) Nichts scheint zusammenzupassen, die Sätze sind einander fremd. Vielleicht soll das ja so sein - dann ist es halt kein Text für mich, sondern einer für andere. Wogegen ja nichts spräche ;-)

Ferdigruß!
Schäumend enthüpfte die Woge den schöngeglätteten Tannen. (Homer/Voß)


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