Bösartig
Verfasst: 03.11.2010, 22:22
DDD
Nifl hat -(...) durch seine erkennbare (und weit über das maß jeglicher nettiquette hinausschießende) empörung
worum es tatsächlich geht: nämlich primär einen tonfall im umgang miteinander, der mir bei einem Nifl (...) noch nie gefallen hat. schon im "weniger heftigen modus". ich vermisse da prinzipiell etwas, das ich als respektvolle umgangsformen bezeichne.... wenn ein tonfall wie der eines Nifl hier im forum (und da meine ich nicht erst diesen vorfall hier, mir stößt seine umgangsart und sein tonfall des kommentierens schon länger auf (...)
Die Botschaft im Subtext: Alle außer keinsilbig gehen dem bösen Nifl auf den Leim. Gut, dass da mal einekeiner ging dann noch her und meinte "Nifl, so, wie du hier schreibst, geht es schlicht und einfach nicht und verletzt jegliche regel guten benehmens und vor allem user y", denn es war ja soooo nachvollziehbar, dass der arme sich völlig rechtens einfach aufregen musste - immerhin ging es ja um kindesmissbrauch, da ist aufregung und rage durchaus verständlich (ACHTUNG: ironie!). jeder musste sich - unbewusst und unreflektiert - erstmal auch auf die seite derer stellen, die sich natürlich von kindesmissbrauch ausdrücklich distanzieren (und war somit automatisch gefühlsmäßig auf "seiner seite"). will ja keiner in den verdacht kommen....
redet. Die Tatsache: In Wahrheit hat "Tacheles" damit nun gar nichts zu tun, sondern wer hier am meisten zu manipulieren versucht, ist keinsilbig: Erst baut sie eine Art "ich werde hier nicht genug gewürdigt"-These auf, dann würdigt sie andere herab. Ich würd mal sagen, dass das mit dem so heftig eingeforderten "guten Benehmen" nicht in Einklang zu bringen ist.Tacheles
so etwas nennt man im fachjargon "strohmann-argumentation", was nifl da macht: selbst ein thema einführen, das polarisiert und stimmung macht, um dann auf dieser basis der (anscheinend nachvollziehbaren rage und somit quasi teilberechtigten) wut verbal um sich zu schlagen und verbal-injurien zuzufügen. und durch die brisanz des themas des strohmann-arguments kommt es zu einer "automatischen" - aber fühlbaren - solidarisierung, die verzerrt, wo der agressor oder aufreger eigentlich sitzt.
, wo gar kein Vergehen begangen wurde, petzepetzeginginladenwolltfürngrossenpetzehabenPETZEPETZEGABESNICHT, also erfindest du eine. Und petzt. Und hetzt. Und versuchst den Anschein zu erwecken, dich zu wehren, wo du selbst angreifst. Auch dies ein altes Schema. Man könnte sagen: Opferstilisierung, um zuschlagen zu können.dass er eben von einer moderation nicht abgemahnt wird
Also meine Ohren sind ganz gut, und ich habe den Eindruck, dass das Gegröle aus der anderen Ecke kommt, nicht von den Jugendlichen, sondern von den alten "Damen", die sich so laut über die Jugendlichen ereifern.wenn die jugendlichen im park gröhlen und den anderen parkbesuchern den aufenthalt dort vergällen, holt man vermutlich auch den parkwächter. wenn der nur die schultern zuckt und meint "müssen sie wohl aushalten", wird man in diesen park, so schön es dort auch landschaftlich sein mag, nicht mehr gehen....
je nach antwort hier, weiß ich, wie ich mich zu entscheiden habe.
Ich denke auch, dass es wichtig ist den Text heranzuziehen und zu fragen, ob er das schafft und ob die Formulierung in ihm sozusagen "aufgehoben" ist, ob sie etwas leistet und wenn ja, was. Allerdings kam/komme ich zu einem ganz anderen Ergebnis.Man könnte vielleicht so beginnen, dass man fragt, wieso die Charakterisierung von Agathes Tochter als ein "Kind mit erotischer Austrahlung" eigentlich da steht und was sie für den Text bedeutet. Ich denke nicht, dass es sich um ein bloßes "Energie-Reinlegen" handelt, welches durch ein brisant konnotiertes Wort erfolgt, einen Unterhaltungsaspekt, ein Lustpointieren, um etwa schnell Figuren zu beleben, sondern dass man durchaus textimmanente Gründe angeben kann.
Wenn das, wie ich in meinem Posting schrieb klar aus dem Text hervorgehen würde, dass hier der Erzähler selbst Teil der "Geschichte" ist, hätte ich, wie vermutlich viele andere (zumindest habe ich das bei Henkki und Zefis Kommentaren so wahrgenommen) damit kein oder zumindest weniger Probleme, das tut es aber aus meiner Sicht, Leseweise heraus nicht.Da wäre zum einen die Frage, die Flora angerissen hat: Wer spricht da eigentlich dem Kind jene erotische Ausstrahlung zu? Sicherlich inszeniert sich die Erzählstimme als allwissende, distanzierte, trocken-ironische, fast schon sardonische Instanz - aber meiner Meinung nach spielen immer wieder auch "Perspektivmomente" von Agathe selbst mit hinein. So auch an besagter Stelle.
Woraus schließt du ihre Unzufriedenheit? Unterliegt und schafft deine Interpretation da nicht genau den Druck mit, den du hier erwähnst:Ich denke, die Wahrnehmung als "erotisch" passt vor allem zu der verhärmten, "sexuell inaktiven" Frau, die dies gleichzeitig als Lebensweise angenommen zu haben scheint, "bis zum Tode", die sie allerdings nicht zufrieden sein ließ
Für mich wird ihr Unglücklichsein nicht aus dem Text heraus deutlich, ich erfahre davon nichts. Im Bezug auf den Erzähler, ist auch diese Stelle irritierend: mit den mageren Brüsten einer sexuell inaktiven Frau Dieser Zusammenhang, der auch hier ganz beiläufig erwähnt wird, als sei das ein sachlicher Zusammenhang, lässt mich in Bezug auf den Erzähler ebenfalls misstrauisch sein. Ich kenne zumindest keine "hageren" Frauen, die so schlank sind, dass sie schon unter Anorexieverdacht geraten, die große, oder volle Brüste hätten, Sex hin oder her. Auch so etwas (magere Brüste, dünne Frau - Anorexieverdacht mit der automatischen Zuschreibung/Interpretation - Unglücklich und kein Sex) trägt für mich dazu bei, dass Menschen unter "Wertungen" und in Schubladen geraten. Das könnte für mich durchaus ein spannendes Thema des Textes sein, wiederum, wenn der Erzähler selbst als Teil der Geschichte ausgebaut wäre.Lisa hat geschrieben:Für mich ist dadurch eine Figur erschaffen, an der sich erzählen lässt, welche Machstrukturen und welchem Druck eine Frau in Bezug auf die Sexualität ausgeliefert ist
Da wären wir dann wieder dabei, dass die Tochter tatsächlich im Alter von 6 Jahren bewusst erotisch wirken möchte, so agiert und das ausnutzt? Verstehe ich das richtig? Da kann ich nicht mitgehen.Die Erzählstimme ist natürlich (auf komplexe Art) mit einem Anspruch auf "Objektivität" ausgestattet, so dass mehr "dahinter stecken muss". Ich denke, es ist leicht vorstellbar dass ein Kind in einer entsprechenden Situation ( "kalte", "seltsame", zurückgezogene und unglückliche/gleichzeitig wahrscheinlich ihr Leben als "richtig" denkende Mutter und auf der anderen Seite kein Vater bzw. einer, der wie ein Loch ist und alle väterliche Energie zurücknimmt) mit Kompensationen reagiert, um woanders (wobei man dieses woanders fataler weise eben als unfreies und damit gleichabhängiges und damit ebenso wie Agathe missbrauchbares Verhalten bezeichnen muss) so etwas wie "Aufmerksamkeit" etc. zu erhalten (das ist psychologisch natürlich zu vereinfacht angerissen).Renée hat geschrieben:Ich verändere den Satz wie folgt:
Agathes Tochter, ein Kind mit erotischer Ausstrahlung, versuchte bei der Familie ihrer Schulfreundin Adèle ihre Mutter zu vergessen. Sie ahnte, dass ihre Mutter, eine hagere Fünfzigerin, die sie mit 44 Jahren in die Welt gesetzt hatte, ihr immer gleichzeitig Hindernis und Steigbügel zur Welt sein würde.
Wo liest du im Text einen Verweis auf ein "religiösschuldzusprechendes Vorhalten"? Ich sehe weder "Gutmenschen", noch haben sie sich ihren Namen selbst gegeben, ich kann das nicht für den Text nutzen, dass Renée diese Namen gewählt hat, wenn da nicht ein Verweis im Text erfolgt, dass sie ihrem Namen "gerecht" werden. Noch kann ich etwas mit dem Verweis auf den Doktortitel und den Themenbereich anfangen. Für mich ist das alles erst einmal völlig "wertfrei", ich müsste aus meiner Sicht ganz tief in eine Vorurteilskiste greife und die Haltung des Erzählers einnehme, um diese Erwähnungen in dieser Weise für den Text zu nutzen.Stimmig in diesem Zusammenhang auch, dass die Tochter ja geradezu eingerahmt ist von zwei "Guten" (siehe Namensbedeutungen) - einmal der Mutter Agathe, die gut ist, im Sinne eines fast religiösschuldzusprechenden Vorhalten "Gutmenschentums" - (siehe Doktor, Themenbereich, etc.; sie ist davon überzeugt, richtig zu leben in ihrer letztlich nicht-selbst-gewählten Askese die sie nur als selbst-gewählte zu ertragen vermag)
Auch hier kann ich dir nicht folgen, dafür erfahre ich von Adèle viel zu wenig, "Familie" steht für mich gerade heutzutage auch nicht automatisch für "intakt" Vater-Mutter-Kind, auch Agathe und ihre Tochter sind für mich eine Familie und es gibt ja auch laut Text noch einen weiteren Familienkreis, die Großmutter, die sich auf ihre Weise sorgt, die ältere Schwester... und wo steht, dass die Tochter für Agathe schmerzvoll ist?und dann der Schulfreundin Adèle, also der Edlen, die als Fluchtpunkt fungiert (eine Familie hat etc.), aber, so meine Lesart jedenfalls, doch nur als eine "Andere" fühbar ist, was bedeutet, dass sie für die namenlose Tochter nur eine Fantasie und wahrscheinlich ebenso schmerzvoll ist wie die Tochter für Agathe.
Diese "Ahnung" passt für mich nicht zu einem Kind dieses Alters, vielleicht eher schon zu einem pubertierenden, und ich verstehe auch nicht, wie Hindernis und Steigbügel gemeint sind, was das Kind hier ahnen soll?denn sie ahnte, dass die hagere Schönheit, die ihre Tochter mit 44 Jahren in die Welt gesetzt hatte, ihr immer gleichzeitig Hindernis und Steigbügel zur Welt sein würde.
Siehe oben, kann ich bezüglich der Tochter nicht mitgehen und bezüglich Agathe auch nicht, da ich von ihr selbst gar nichts erfahre, sich alles nur über eine Wertung von "außen" zeigt, der ich misstraue. Ich kann sie auch völlig anders ansehen.Agathe hat sicher an etwas gelitten und deshalb ihr Programm aufgefahren. Was wiederum dazu führt, dass auch ihre Tochter ein bestimmtes ("Gegen"-)programm auffährt.
Dazu wollte ich schon nach Renées Beitrag schreiben, kam aber nicht dazu. Wieder so ein Punkt, der etwas suggeriert und mit etwas arbeitet, was ich so nicht stehen lassen möchte. Ich halte es für sehr bedenklich eine Krebserkrankung mit "Schuld" oder "Ursachenforschung" im psychologischen Bereich zu verknüpfen. Denn genau diese Frage treibt viele Krebskranke um und wird im Blick auf die Erkrankten auch in der Gesellschaft immer mal wieder gerne benutzt. Natürlich hat Agathe das nicht "verdient", das hat niemand, und ihr Tumor, oder seine Lokalisation kann für mich nichts weiter aussagen, als dass sie eben einen Hirntumor hat. Und ein bürgerliches Dasein schützt auch nicht vor Krebs, weder dem körperlichen, noch einem seelischen. Ich lese aber im Text auch überhaupt nicht, dass Agathe nun ein besonders unbürgerliches Dasein führen würde, was auch immer das überhaupt heißt. Ein weiterer Aspekt der mir hier auffällt, dass ich, wenn ich versuche Renées Gedanken zum Thema Auslöser von erotischer Ausstrahlung zu folgen, ich gar nicht sagen könnte, ob Agathe nicht durch ihre "Seltsamkeit", ihr "Außenseitertum" und ihre genannte Schönheit, eben gerade diese Ausstrahlung selbst besitzt? Wobei ich auch das "Außenseitertum" nicht im Text finden konnte. Es wird doch sogar auf Kollegen, Bekannte und Freunde verwiesen, die sich wohl, wie auch die Mutter, Sorgen um sie gemacht haben? Also kann ich es höchstens so lesen, dass das Außenseitertum, eine Isolation erst durch den Tumor und seine Folgen entstanden ist, was dann aber auch wieder Unstimmig scheint, auch bezüglich des Vaters und alle mit ihrem Verhalten verknüpften Interpretationen in Luft auflöst.Nicht zuletzt bindet der Todesgrund, der Tumor, für mich das ganze Thema an die Körperlichkeit zurück. So wie die Tochter aus Agathe kommt und sich gegenteilig zur Mutter entwickelt, mutiert auch in Agathe körpereigenes Gewebe, wächst zu etwas eigenständigem, Fremden, "Feindlichen" heran, was sie letztlich sogar tötet. (dass dies im Kopf geschieht, ist sicher kein Zufall, da Agathe ihren Schwierigkeiten genau dort lösen möchte, sich versucht dort zu behaupten).Renée hat geschrieben:Es gibt bösartige und gutartige Tumore, Geschwulste ... diese schwülstige, aufgeblähte, böse Geschichte befällt aus dem Blauen heraus eine Peron, die das "nicht verdient". Ungutes wartet an jeder Straßenecke auf alle, aber auch besonders auf diejenigen, die nicht über die Abschirmungen bürgerlichen Daseins verfügen. Das Außenseitertum dieser Frau hat in der Geschichte diese bösen Folgen.
Auch hier??? Wo liest du einen Missbrauch der Mediziner? Ich nehme an die Praktikanten sind Ärzte in Ausbildung? Und wieder, was ist das für eine Sicht des Erzählers, der diese Mediziner und angehenden Mediziner auf diese Weise schildert? Was bewirkt das im Leser? Ist das so gewollt? Wenn ich mir das Wort Radikalrealismus dazunehme, soll das Wirklichkeit darstellen? (Ehrliche Fragen)(bezeichnend auch dafür die Beschreibung der "Mediziner", den "Göttern", eine Horde junger, gut gekämmter Männer, die Agathes Körper noch nach dem Tode missbrauchen kann, ja man könnte sogar sagen, missbrauchen muss, aufgrund der Strukturen, die der Text als konsequent erachtet.
Für mich waren sie genau das nicht, und ohne dass zumindest mit der Erzählstimme anders gearbeitet wird, finde ich ganz persönlich es noch immer kritisch.Und in diesem Sinne finde ich Renees Überlegungen zu dem Zusammenhang von erotischer Austrahlung und Mangel sehr interessant und schlüssig und die Formulierung im Text genau richtig. Und auch der Titel ist ziemlich ... gelungen...wer oder was ist da eigentlich bösartig?