Hallo Klara,
einige Punkte aus Sams Kommentaren und deinen Antworten darauf haben mich auch noch einmal genauer hinschauen lassen, warum ich mit dieser Prosafassung nicht "warm" werde. Sie serviert mir "Kaltes". .-)
Diese Übereinstimmung zwischen Text und Erzählebene erinnert mich an die Kommentare unter "Erdbeeren im November". Ich erkenne zumindest aus dem, was ich aus deinen Antworten herauslese, keine Unterschiede zwischen deiner Schreibbewegung, der Machart, Gestaltung des Textes (Prosafassung!), und der des Erzähl-Ichs.
Schwierig ist für mich auch, dass der Text gleich zu Beginn auf Abwehrhaltung geht. Ich in eine Rolle gedrängt werde und möglichen Kritikpunkte, oder "Schwächen" zur Absicht erklärt werden.
- Es ist ein Lamento, also komm nur nicht auf die Idee, das Klagen/Jammern (durch was unterscheiden sich die beiden Worte für dich?) dem Text vorzuwerfen.
- Das Publikum bleibt draußen, hat keine Ahnung von seiner Rolle, also erwarte nicht, dass du es verstehst, oder dass sich der Text um dich bemüht, im Grunde geht es dich nichts an, es ist kein "Erzählen", das Publikum soll eine anonyme Öffentlichkeit bleiben, die existieren muss, um eine andere Haltung einnehmen zu können
- Erzähl-Ich verzichtet bewusst auf "literarischen Anspruch" und all den anderen Scheiß, also erübrigt sich Kritik an Form und Gestaltung, weil das zum Konzept des Textes gehört
- eine Kaltmamsell serviert Kaltes, also erwarte nicht, dass dich der Text berührt
Wenn ich in ein Kino gehe, wissend, dass eine Komödie gezeigt wird, werde ich mich nich tüber Lachreize beschweren.
Eine Komödie funktioniert (zumindest für mich) nicht, wenn man einen Gag an den anderen reiht, es braucht Erholungspausen (Luft) dazwischen, erneuten Spannungsaufbau, Überraschendes.... Ähnlich würde ich das auch hier sehen. Ich glaube bei mir tritt recht schnell eine Übersättigung ein, die zusammen mit der Distanz des Textes (innerlich (Verhältnis Erzähl-Ich - Kaltmamsell) und äußerlich (Kaltmamsell - Leser)), mir dann wenig Lust auf mehr davon macht. In dieser Prosafassung ist das Ich zudem sehr laut und dominant, gleichförmig gesetzt ist, man bekommt etwas zu hören. Das liegt mir persönlich einfach nicht so. Seltsamerweise kam die erste Fassung ohne ein einziges Ich aus. .-) Sie war für mich insgesamt weicher und auch zulassender, offener, wärmer, näher und auch luftiger gestaltet. "Kaltmamsell" war darin für mich nicht Identität, sondern "Beruf", Zuschreibung. In der Prosafassung zeigt es für mich eine Erwartung von Innen, Berufung, es findet keine Brechung mehr statt.
Was ich mit dem "mitsingen" meinte, ist wohl ein Einstimmen können in die Klage, nicht unbedingt, weil man selbst das gleiche erlebt, denkt oder empfindet, also eine Identifikation in dem Sinn stattfindet, sondern weil man mitfühlen kann, und aus dieser Empathie eine Nähe zur Erzählerin und zum Erzählten entsteht, die ein anderes Zuhören möglich macht. Das verwehrt mir der Text in dieser Fassung. Und wenn ich das richtig verstanden habe, soll er das auch. Der Leser soll außen vor bleiben, es ist schließlich ihre Klage, die ihr ganz allein gehört. Sie hat ein Recht darauf und zwar nicht nur für die Gegenwart, sondern auch für ihre Zukunft. Sie sagt, wie es sein wird, darauf hat nichts und niemand Einfluss, sie schreibt sich fest.
Aber was bleibt mir dann noch (zu sagen)? Also wie soll der Text mich einfangen, berühren, etwas in mir bewegen, auslösen? Ich weiß, da taucht wieder die Frage auf, muss er das überhaupt?
.gif)
Und ich denke: ja, wenn er mir denn etwas sagen soll (soll er?), ich mich darauf einlassen soll, ich Lust auf mehr bekommen soll, muss er das zulassen und schaffen. Aber das scheint ja bei Nicole und Mucki z.B. auch so zu funktionieren, also liegt es sicher wie auch bei Sam zu einem Großteil an meiner Erwartungshaltung einem Text gegenüber. Vielleicht kannst du ja trotzdem damit etwas anfangen, vielleicht bestätigen dir meine Eindrücke sogar, dass der Text sich für dich in die richtige Richtung entwickelt hat.
Liebe Grüße
Flora