Die Magd

Bereich für Erzähl- und Sachprosa, also etwa Kurzgeschichten, Erzählungen, Romankapitel, Essays, Kritiken, Artikel, Glossen, Kolumnen, Satiren, Phantastisches oder Fabeln
Rosebud

Beitragvon Rosebud » 17.02.2010, 16:38

Gelöscht.
Zuletzt geändert von Rosebud am 01.02.2014, 13:59, insgesamt 4-mal geändert.

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 19.02.2010, 12:02

Liebe Rosebud,

das ist jetzt ein etwas schneller und undankbarer Kommentar, aber ich hatte beim ersten Lesen Schwierigkeiten, mich in der Geschichte zurechtzufinden - , wer ist die Magd, (ist Xyla die Magd? spielst du absichtlich damit, sie verschieden anzureden (Perspektivenwechsel, was sie ist/wird etc.) oder sind es doch verschiedene? Teilweise habe ich sogar zunächst die Bäuerin und die Magd nicht auseinanderhalten können.
Der Erzählton erinnert mich an (gute!) Romane, aus anderer Zeit oder über fremde Länder,
die tun sich aber langsamer auf und man kann mitkommen - hier geht alles so schnell, bevor ich annähernd Orientierung finden kann, ist die Geschichte schon wieder zu "Ende" (Ende in Gänsefüßchen, weil sie ja kein richtiges Ende hat):
Bezüglich der eben angeführten Romane oder längeren Erzählungen hatte ich aufgrund meiner Lesehaltung immer unterschwellig ein schlechtes Gefühl, weil ich spürte, dass sie gut waren, ich sie aber irgendwie nicht wirklich respektiert habe beim Lesen, weil ich mir das Fremde einfach nur nahm, um es (weil es fremd war, aber nicht zu fremd eignete es sich gut dazu) auf mein Bekanntes anzuwenden und einen größeren "Katharsis"effekt zu haben) - irgendwie habe ich bei diesem Text das Gefühl, dass er sich gerade diesem Fehllesen wiedersetzen will - ich suche den Grund für meine Orientierungslosigkeit also nicht unbedingt als einen Fehler des Textes - brauche aber trotzdem Hilfe um weiterzukommen.

Entschuldige, dass ich erstmal nur das auf dieser Metaebene schreibe, ich möchte mich später mehr mit der Geschichte selbst auseinandersetzen, aber über diesen Punkt komme ich erst einmal nicht hinaus.

liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

Renée Lomris

Beitragvon Renée Lomris » 19.02.2010, 12:36

Liebe Rosebud,

ich überdenke seit Einstellen deiner Geschichte einen Kommentar, für den ich Konzentration brauche. Im wesentlichen habe ich alles gut verstanden, glaube ich, und bin in deinem "Land" unmittelbar heimisch. Ich nehme an, du verstehst, warum mir das leicht fällt. Da sind literarische, historisch-politische Wahrnehmungen von Geographie, Sprachrückstände. Die Thematik der "Magd"..

bis bald mehr
lG
Renée
(deine Geschichte hinterläßt einen intensiven Eindruck, und fesselt meine Aufmerksamkeit

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 19.02.2010, 13:04

Liebe Renee,

dein Kommentar unterstützt mein Gefühl, dass eher mir als dem Text etwas fehlt - ich hoffe, du kommst noch zu deinem angekündigten Kommentar, denn ich ahne, dass er mir sehr helfen könnte.

liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

Sam

Beitragvon Sam » 19.02.2010, 13:46

Hallo Rosebud,

das ist wieder einmal eine feine und sehr gut erzählte Geschichte von dir.

Eigentlich könnte ich es dabei (und einer kleinen Kritik, die noch folgt) belassen, wäre da nicht Lisas Kommentar, der mich dazu veranlasst, etwas näher auf den Text einzugehen.

Sicher, die Geschichte spielt wohl in einer schon etwas zurückliegenden Zeit, aber wirklich fremd ist das Sujet nun doch nicht. "Heimatgeschichten" sind doch ein noch immer gut zu erinnernder Teil der deutschsprachigen Literatur (man denke da z.B. an Schneiders Roman "Schlafes Bruder"). Von daher findet man sich schnell zurecht und auch die Zuordnung der Personen fällt nicht schwer.

Im Grunde beschreibst du das Zusammenwachsen einer Zweckgemeinschaft und am Ende vielleicht (man weis es ja nicht genau) darüber hinaus. Dabei gibt es Kleinigkeiten, die sehr interessant sind. So scheint die Magd mehr über den Tod der Mutter zu trauern, als deren Söhne (die nach dem Tod der Mutter eine gewisse Freiheit verspüren). Dennoch begibt sie sich in deren Rolle und nimmt ihren Platz ein. Aber offenbar nicht nur das. Die Magd ist scheinbar ein recht helles Geschöpf, denn das Ende deutet an, dass sie es nicht auf einen Kampf der Brüder um ihre Gunst ankommen lassen möchte, sondern beide erwählt und damit ihre Position als Frau im Haus festigt (natürlich kann sowas auf Dauer nicht gut gehen, aber das wäre dann wieder eine andere Geschichte - die sich zu erzählen bestimmt lohnen würde).

Was den Text dann, neben seiner Sprache, so lebendig macht, ist wie hier in dem steifen Rahmen bäuerlicher Konventionen und bäuerlichem Denken, im kleinen Kreis der Ausbruch gewagt wird.

Einziges Problem habe ich mit dem ersten Satz und der Zeitangabe von zwanzig Jahren.
Aus dem Text ergibt sich der Zei ablauf folgendermaßen:
Die Magd kommt.
Es vergeht ein Jahr, bis die Dorfbewohner aufhören zu tratschen, da die Magd nicht schwanger wird.
Danach lebt die Mutter noch fünf Jahre.
Der Kern der Geschichte passiert am ersten Weihnachten nach dem Tod der Mutter.
Das macht sechs bzw. annähernd sieben Jahre. Wo sind dann die anderen dreizehn Jahre hin? Logisch wäre nur, dass sie die Zeitspanne zwischen dem Ende der Geschichte bilden bis zu dem Zeitpunkt, wo die Geschichte erzählt wird. Da ergibt aber eigentlich keinen Sinn bzw. wäre völlig unrelevant. Aber vielleicht habe ich auch etwas übersehen...

Liebe Grüße

Sam

Mucki
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Beitragvon Mucki » 19.02.2010, 14:06

Hallo Rosebud,

eine gekonnt erzählte Geschichte von dir, in der du den Leser in eine andere Zeit und eigene Welt versetzt.
Die Magd, erst grau, klein und unwichtig, entwickelt sich von der grauen Maus zur wichtigsten Person für die beiden Bauern, wichtiger als die Mutter es war. Und die Magd, die immer sorgfältig ihrer Arbeit nachging, nie gegen den Strom schwamm, ergreift schließlich selbst die Initiative.
Sozusagen leise angehaucht (aber nur ganz leise), das Aschenputtelmotiv, wobei die Magd sich hier aber selbst aus dem "Aschenputtel-Dasein" befreit.
Die einzige Stelle, über die ich ein wenig gestolpert bin, ist diese hier:
Rosebud hat geschrieben:Im Dorf verebbte der Tratsch über Lois, Giosch und die Magd erst nach einem Jahr - und nur, weil Xyla noch immer keinen dicken Bauch vor sich hertrug. Zur selben Zeit fiel den Dörflern jäh wieder ein, dass die Brüder grundanständige Kerle waren, hatten sie doch nach dem frühen Tod des Vaters als Buben schon für Hof und Alm einstehen müssen.

Warum herrschte Tratsch, weil die Magd nicht schwanger war? Wäre es nicht ein Skandal gewesen, wenn sie schwanger gewesen wäre und hätte dies dann nicht zu Tratsch geführt?
Dann ist da dieses "fiel den Dörflern jäh wieder ein ..." Warum "jäh", also im Sinne von plötzlich? Das verschließt sich mir.
Ansonsten hab ich deine Geschichte sehr gern gelesen und bin in diese Welt eingetaucht.

Saludos
Gabriella

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Zefira
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Beitragvon Zefira » 20.02.2010, 01:30

Hallo,
eine Antwort auf Muckis Frage hab ich:
Ich lese es so, dass die Ortsansässigen es als selbstverständlich annehmen, dass die Magd mit mindestens einem der Jungbauern "etwas hat". Deshalb tratschen sie. Dass sie nach einem Jahr noch nicht schwanger ist, nehmen sie als Gegenbeweis, anscheinend ist da doch nichts - und dann fällt ihnen wieder ein, dass die Brüder auch eigentlich dafür zu anständig sind.
Ich muss sagen, ich habe mich am Ende der Geschichte, mit dieser unkonventionellen Auflösung, tief zufrieden gefühlt.
Erstaunt bin ich nur über den Namen Xyla. Ist der nicht ein bisschen sehr exotisch für diese Umgebung, oder gibt es Gegenden, in denen das ein landläufiger Name ist?
Schönen Gruß von Zefira

ps. Keine Angst, der Avatar kommt in Kürze wieder weg ...
Vor der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.
Nach der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.

(Ikkyu Sojun)

Renée Lomris

Beitragvon Renée Lomris » 20.02.2010, 07:22

Liebe Rosebud,

Schon allein der Titel "Die Magd" stürmt auf mich ein: Heimatromane, wie sie die Frauen meiner Familie gelesen haben, kostbare vergilbte Röllchen von aus der Zeitung ausgeschnittenen Fortsetzungsromanen, dann Ganghofer, dann Jeremias Gotthelf. Und wenn meine Großmutter mir über die Haare strich und sagte : "du bisch mei Magd!"
- Entschuldige, das musste ich los werden, dazu "die junge Magd" bei Trakl...

Dann kommt die Stelle, die eine riesige Ellipse darstellt. Sie fällt erst nach dem ersten Lesen auf. Daran denke ich erst hinterher, aber es schwingt beim ersten Durchgang schon mit. Sam hat die Stelle benannt, von der ausgehend (und nichts erfahrend, nichtsahnend) wir in die Geschichte einsteigen:


Rosebud hat geschrieben:Die Magd war vor zwanzig Jahren zu ihnen auf den Hof gekommen. Damals lebte die Bäuerin noch. Die Magd

Etwas muss den Anlaß zur Geschichte gegeben haben: eine Geburt, ein Sterbefall, etwas Besonderes, von dem wir nichts erfahren. Die Spannung ist jedenfalls da. Man möchte mehr über diese Magd (und die andern wissen)
Im Dorf verebbte der Tratsch über Lois, Giosch und die Magd erst nach einem Jahr - und nur, weil Xyla noch immer keinen dicken Bauch vor sich hertrug.

Über die Magd wird getratscht: ein gutes Zeichen, etwas an ihr ist bemerkenswert. Das Spiel ist jetzt in ihrer und der Brüder Hand. Ich sehe das Ganze als Pokerspiel.
Die Magd und die beiden Brüder tun erst mal ihre Pflicht. Der Mutter gegenüber. Dazuhin entstehen Gefühle. Der Bäuerin werden Tränen nach geweint.
Die Magd wird nicht zur Bäuerin erhoben, in einem symbolischen Akt, wie es zB die Heirat wäre. Sie nimmt den Platz ganz natürlich ein - auf der einen Seite, weil sie die Arbeit übernimmt:
Sie baten //Xyla zu bleiben, weil ohne ihre Arbeitskraft kein Auskommen war, auch nicht ohne ihre Mohnkrapfen. Die Magd willigte ein und zog am selben Tag in das größere Zimmer der Bäuerin.

auf der anderen Seite wird der Platz der alten Bäuerin da respektiert, wo ihre Person am deutlichsten zum Vorschein tritt:
sie sang nur noch, wenn sie allein war. Dann setzte sie sich neben den verwaisten Platz der Mutter auf die Bank vors Haus

Das Besondere an der Geschichte ist, dass ihr altertümlicher Ton zwar genau in die Almgeschichten passt und dann immer wieder Brüche - inhaltliche vor allem - dem Leser verdeutlichen, daass wir nicht bei Gotthelf sind. Am Deutlichsten spürt man das bei der Art, wie Xyla, die Magd behandelt wird. Sie braucht nicht den ersten Platz - (auf dem Weg zur Mette) wodurch sie sich viel Ärger mit der Dorfgemeinschaft spart. Aber sie ist in der Lage zu erkennen, dass sie beide Männer will.
Warum, das ist ein weites Feld. Ich glaube, bei so klugen Personen, denen das Auskommen auf der Alm und ein Respekt vor dem "Natürlichen" grundlegende Motivation bietet, könnte statt einer Erotisierung der Triade auf dem Bauernhof eine andere Überlegung wichtiger sein: Bruderstreit vermeiden. Hitzige Gemüter kühler.
Sich um das Vieh und um den Hof kümmern. Dann kommt das Hackbrett, dann die Brüder.


Alles hübsch der Reihe nach.

Diese Mischung aus Hingabe zur Pflicht und Freisein von Normen, hat mir außerordentlich gefallen. Natürlich könnte man jetzt noch eine sprachliche Analyse machen, liebe Rosebud, ich habe deine Geschichte sehr bemerkenswert gefunden und gern kommentiert.

lG
Renée

Mucki
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Beitragvon Mucki » 20.02.2010, 14:27

Hi Zefi,

was du zum Tratsch schreibst, leuchtet mir ein, jep.
Doch das "jäh" passt für mich nach wie vor nicht, da die Dörfler die beiden Bauern doch schon lange kennen.
Ist ja nur eine Kleinigkeit, ich würde diesen Teil des Satzes einfach streichen.

Saludos
Mucki

Rosebud

Beitragvon Rosebud » 20.02.2010, 16:26

.
Zuletzt geändert von Rosebud am 26.06.2015, 18:07, insgesamt 1-mal geändert.

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 23.02.2010, 20:41

Hallo,

das ist spannend - immerhin hat mein (anscheinend vereinzelt) irritiertdummer Kommentar zu einer kleinen Diskussion geführt (immer einem selbst gut zureden -)). Ich fand das spannend von euch zu lesen, das hat mir Sicherheit gegeben, den Text in "meine" Richtung genauer anzuschauen.

Rosebud, du schreibst:

Ich möchte noch anfügen, dass auch ich bei Texten, die von uns fremden Lebenswelten erzählen, einen gewissen Widerstand wahrnehme und sie manchmal gerade deswegen gerne lese. Ich gehe bei dieser Sorte Geschichten davon aus, dass ich ohnehin nicht alles werde rausziehen können, was die Geschichte oder der Roman zu bieten hat. Ich lese den Text dann wie ein Besucher, der mit einem Fuß im Haus, mit dem anderen draußen steht. Berggeschichten sind, m.E., die sich abgrenzendsten Texte - das liegt in bzw. an ihrer Natur. Vielleicht, wenn man nicht zumindest ein wenig von dieser Mentalität mitbringt, bekommt man bei diesen Geschichten nicht mal einen Fuß in die Tür. Mir geht das etwa bei Inselgeschichten so und das Indische erschließt sich mir auch eher gar nicht.


Ja, genau diesen Effekt meine ich - wenn man das so achtsam (weil vielleicht reflektiert) geschehen lässt, finde ich das auch genau richtig. Bei meinem eigenen Lesen habe ich halt nur hin und wieder das Gefühl gehabt, den Text dabei nicht immer angemessen zu behandeln -

Und deshalb fand ich den Text eben zugleich irritierend und interessant/anziehend. Und ich kann mich nicht ganz der Vostellung entziehen, dass der Text doch auch eben damit spielt, dem Leser Türen öffnet, aber im gleichen Moment auch mit seiner Sprache wieder verschließt, das man konzentriert, reflektiert bleibt beim Lesen, nicht zu eilfertig wird.

Ich möchte nicht zu ausführlich werden, darum nur ein Satz als Beispiel, der für mich am stärksten deutlich macht, was ich meine:
Wenn Xyla nach dem Heuen hinunter zum Hof ging, um Essen zu kochen, dann fühlten Lois und Giosch plötzlich eine Freiheit beim Reden und Arbeiten. Nicht, dass die Magd sie beobachtet hätte, eher umgekehrt. Und Xyla: sie sang nur noch, wenn sie allein war.


Das ist doch sprachlich kurios formuliert! So als ob das zwei verschiedene Personen wären - .
Wenn Sam schreibt:

Sicher, die Geschichte spielt wohl in einer schon etwas zurückliegenden Zeit, aber wirklich fremd ist das Sujet nun doch nicht. "Heimatgeschichten" sind doch ein noch immer gut zu erinnernder Teil der deutschsprachigen Literatur (man denke da z.B. an Schneiders Roman "Schlafes Bruder"). Von daher findet man sich schnell zurecht und auch die Zuordnung der Personen fällt nicht schwer.


dann sage ich: Eben, "man" findet sich eben viel zu schnell zurecht, weil man es sich an der Oberfläche gemütlich macht (genauer meine ich mit "man" jetzt erstmal nur mich, insbesondere, weil mein Geschichts- und Geographiewissen mangelhaft ist, ich also oft mit Phantasie arbeite, wo reale Bezüge bestehen) - der Name Xyla etwa klingt für mich soweit fort und auch die angedeuteten konkreten Gesetze und dergleichen, im Grunde weiß ich nichts darüber (wenn doch, dann eben aus anderen Texten) und meiner Meinung nach spielt der Text eben hier mit der Leserwahrnehmung und macht das Rezipieren frisch und ehrlicher, mir tut das jedenfalls gut.

Interessant und gelungen finde ich hierbei im übrigen, dass diese Sprachebene, die ein besonderes /zwie"spältiges Leser-Text/Erzählerverhältnis schafft, auf inhaltlicher Ebene im Text wiederzufinden ist: denn auch im Text wird einerseits erzählt, wie das alles in einem gesetzten, bestimmten, requsisitenartigen Außen stattfindet (die Meinungen der anderen Dorfbewohner, die Beschreibungen), zugleich gibt es aber eine innere Autarkheit der Protagonisten und ihren Handlungen, was sie frei und "gut" wirken lässt (ohne dass das zu frei auf falsche Weise erzählt wird, man kann sich gut vorstellen, dass bei geringen anders verlaufenden Handlungen etwa das Dorf vollständig anders gedacht hat, wie haarscharf das ganze ist, zeigt etwa dieser sehr gefährlich formulierte Absatz:

Im Dorf verebbte der Tratsch über Lois, Giosch und die Magd erst nach einem Jahr - und nur, weil Xyla noch immer keinen dicken Bauch vor sich hertrug. Zur selben Zeit fiel den Dörflern jäh wieder ein, dass die Brüder grundanständige Kerle waren, hatten sie doch nach dem frühen Tod des Vaters als Buben schon für Hof und Alm einstehen müssen. Eine Frau oder zwei würden die beiden wohl kaum mehr finden. Warum dann nicht einer von ihnen die Magd heiratete, fragten sie sich, aber Almbauern sind eigene immer gewesen.
).

Das gefällt mir außerordentlich gut! So empfinde ich genau wie Renee:

Diese Mischung aus Hingabe zur Pflicht und Freisein von Normen, hat mir außerordentlich gefallen.


und das eben auf allen Ebenen!

liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

derSibirier

Beitragvon derSibirier » 07.03.2010, 06:05

Hallo @Rosebud

Die Magd war vor schon vor Jahren zu ihnen auf den Hof gekommen.


Warum dann nicht einer von ihnen die Magd heiratete, fragten sie sich, aber Almbauern sind eigene immer gewesen.
Im unterstrichenen Teil wechselst du zu einer Verallgemeinerung, das dachten die Dorfbewohner mit Sicherheit nicht. Schreib besser "die Brüder waren recht eigen".

Wenn Xyla nach dem Heuen hinunter zum Hof ging, um Essen zu kochen, dann fühlten Lois und Giosch plötzlich eine Freiheit beim Reden und Arbeiten.
Vorschlag: Wenn Xyla während der Heuernte hinunter zum Hof ging, um Essen zu kochen, war es mit so manch verstecktem Blick vorbei und die Brüder fielen in einstige Unbekümmertheit zurück.

Um drei ging Lois in den Stall und sah nach dem Vieh. Goisch kam ihm vom Abort von der Latrine entgegen,

„Trinkst einen Tee mit mir?“komma fragte Xyla und holte zwei Becher.

Sein Haar roch nach Stall, sein Zeug nach Schnee.
Nicht nachvollziehbar. Wenn das Haar nach Stall roch, dann auch die Kleider. Der feine Duft von Schnee hebt sich vom Stallgeruch sicherlich nicht ab.

„Umso besser“, sagte die Magd und legte das Hackbrett zur Seiteleerzeichen...
Drei Punkte Regel: Wird im Wort abgebrochen, kein Leerzeichen, im Satz, ein Leerzeichen.

Dein Text gefällt mir recht gut. Einzig, was mich etwas stört ist, dass du die Geschehnisse sehr oberflächlich erzählst. Gefühle kann ich nicht wahrnehmen, keine Tiefe, aber vielleicht ist das ja in deinem Sinne.

schöne Grüße
derSibirier

eve
Beiträge: 105
Registriert: 03.01.2010

Beitragvon eve » 07.03.2010, 08:59

@ sibirier:

ich kann mich deinem kommentar weitgehend nicht anschließen, abgesehen natürlich davon, wo dir fehlende wörter o.ä. aufgefallen sind. auch habe ich selbst etwas gelernt aus deinem kommentar, nämlich die drei- punkte-regel. danke!
deine stilistischen verbesserungen jedoch finde ich für diesen text nicht passend. es ist eine zu "moderne" sprache, die dem text das eigentümliche und archaische nimmt und ihn damit in eine richtung verändert, die einfach so nicht stimmt.
z.b. die wendung "aber Almbauern sind eigene immer gewesen." gehört für mein empfinden genau so und nicht anders.
eve

derSibirier

Beitragvon derSibirier » 07.03.2010, 09:29

hallo eve

"Warum dann nicht einer von ihnen die Magd heiratete, fragten sie sich, aber Almbauern sind eigene immer gewesen."
Früher, in den Dörfern über 1500 Meter, waren alle Leute Bergbauern (und ich kenn mich in den Bergen aus). Also ist es für mich, als wechsle der Autor in diesem Satz zu seiner eigenen Sichtweise.

schöne Grüße
derSibirier


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