Eispalast

Bereich für Erzähl- und Sachprosa, also etwa Kurzgeschichten, Erzählungen, Romankapitel, Essays, Kritiken, Artikel, Glossen, Kolumnen, Satiren, Phantastisches oder Fabeln
wüstenfuchs

Beitragvon wüstenfuchs » 07.11.2010, 18:04

Eispalast 1
Josephine sucht die Katzenmädchen auf der Veranda vom Eispalast. Sie üben Purzelbäume
und spielen „Machet auf das Tor.“ Josephine setzt sich auf das rote Schaukelpferd und lackiert ihre langen Fingernägel. Sie spitzt den Mund und trällert ein obszönes Lied. Ein blasser Junge mit spitzer Nase serviert ihr eine Chilischokolade in einer winzigen Goldtasse und kandierte Veilchen dazu.
Die Katzenmädchen kullern immer schneller den Hang von der Veranda hinunter, ihr Fell knistert und ihre Augen funkeln.
Der blonde Junge beobachtet sie betrübt, dann füllt er ihre kleinen Näpfe mit sahniger Pastete. Tränen rollen über seine Wangen, doch Josephine lacht und lacht.

Das Schaukelpferd wird immer schneller. Josephine stopft sich die kandierten Veilchen in den Mund und kaut die klebrige Masse. Sie schleudert ihre pastellfarbenen Schuhe von den Füßen und rennt zu dem Jungen hinüber. Sie versetzt ihm zwei schallende Ohrfeigen, die rote Abdrücke hinterlassen. Er schluchzt lautlos. Sie dreht ihren spitzen Finger in seine Ohrmuschel und flüstert: "Vergiss nie den Maulbeerbaum".

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Zakkinen
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Beitragvon Zakkinen » 07.11.2010, 21:14

Hallo Wüstenfuchs,
den Text kann ich nur lesen wie einen Albtraum, der eigentliche Sinn erschließt sich mir (noch?) nicht. Dennoch ganz nett zu lesen. Sprachlich: vielleicht ein Hauch zu viele Adjektive für meinen Geschmack. Dann fände ich "auf der Veranda des Eispalastes" und "den Hang vor der Veranda" schöner. Genitivbildung mit von wirkt immer ein wenig falsch oder zumindest unbeholfen. Das zweite "kandierte" kann mit Sicherheit weg, das wissen wir da schon. Im letzten Absatz hast Du eine Abfolge von Satzanfängen mit "Sie - Sie - Er - Sie". Das ginge auch noch etwas glatter.
Grüße
Henkki

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Amanita
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Beitragvon Amanita » 07.11.2010, 22:44

Ja, eine alptraumhafte Atmosphäre - gefällt mir, auch ohne einen weiteren "Sinn".


Eine Stelle finde ich nicht so gut:

Sie spitzt den Mund und trällert ein obszönes Lied. Ein blasser Junge mit spitzer Nase ...
- das doppelte spitz. Entweder noch "aufdringlicher" doppeln, oder nur die Ähnlichkeit betonen - meine ich dazu.

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Zakkinen
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Beitragvon Zakkinen » 08.11.2010, 08:03

Stimmt, Amanita hat recht. Das spitz-spitz ist auch nicht schön so.

wüstenfuchs

Beitragvon wüstenfuchs » 08.11.2010, 08:40

Hallo Zakkinen, hallo Amanita,

danke fürs Lesen. Es ist sozusagen ein sich entwickelnder Alptraum. Ich habe das Gefühl, es ist noch nicht zuende.

Danke für die sprachlichen Verbesserungen, ich werde das noch ändern. War ein wenig schnell mit dem Texteinstellen,

mal sehen wie sich das Ganze entwickelt...


viele Grüße
Fux

scarlett

Beitragvon scarlett » 08.11.2010, 13:35

toller alptraum.
ich finde darin anklänge an die schneekönigin, der kleine Kai kann einem leid tun.
die prinzessin scheint in sich selbst, nicht nur im eis, gefangen zu sein, und egal was der junge auch tut, es kommt nicht richtig an.

der maulbeerbaum ... ich liebe ihn ja sehr, hatte auch das glück, in meiner kindheit die früchte zu kosten ... er steht hier für mich als hoffnungsschimmer, aber auch für das aufgepropfte, weil der baum ja früher nur wegen der seide interessant war. es ist, als ob über die verbindung der kandierten veilchen, die in ihrer zumindest ursprünglichen farbe an die farbe der maulbeeren erinnern, hier sowas wie ein erinnern bei der prinzessin aufkommt.

aber nix gwiss woas man net, gell ben?

feiner text!

lg
monika

wüstenfuchs

Beitragvon wüstenfuchs » 08.11.2010, 15:32

Danke Scarlett, da legst du eine feine Deutungsspur.

Ich experimentierte in diesem Text mit dieser surrealistischen Technik, unter weitgehender Ausschaltung des alltäglichen Bewusstseins, Text entstehen zu lassen.

Es funktioniert nur manchmal, dass diese Technik mich in einen Erzählstrom hineinträgt.

Ich lasse das dann ohne weitere große Veredelung.

Deutungsversuche sind spannend.


VIele Grüße
Fux

wüstenfuchs

Beitragvon wüstenfuchs » 08.11.2010, 15:39

Kleine Vorgängertexte:

JOSEPHINE steckt in der Kutsche
Spitzenstrumpf misst Taubenflug

Graue Seide graue Seide

Denk an die Pirouetten
des Mondes
und vergiss nie das kleine Marderfell
das niemand sieht


JOSEPHINE
schlägt den Silberlöffel
auf weißen Marmor
dicke Sahne tröpfelt

Schwarze Pferdehaare
fesseln ihre Doppelzunge

Dunkelheit sticht das Ass

Später kippt die Kutsche in den Roggen


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