Seite 1 von 2

in dem wartezimmer

Verfasst: 27.06.2011, 21:32
von pjesma
1000 bilder der marinika (12)
marinika in dem wartezimmer

in dem wartezimmer, spielt die marinika an den blumenblätter in der blumenvase.
sie ist nicht alleine da. vor ihr sind noch zwei leute dran, die auch gekommen sind etwas zu unterschreiben. unabhängig von der marinika, in eigenen sachen. zwei unbekannte.
die dunkelroten knopfchrysanthemenblüten in der vase, mit ihren kompakten, dichten köpfen, irritieren sie. sie möchte sie anfassen, aber die sekretärin sitzt da wie ein wachhund. als die sekretärin hinter dem tisch aufsteht, um die nächste person in dem büro anzumelden, knöpft die marinika einen knopfchrysanthemenkopf ab, und fängt an mit ihm zu spielen. den stiel hält sie eingeklemmt zwischen den fingern und streichelt mit dem daumen über die dichtgewachsenen roten blütenblätter. sie biegen sich , lassen sich von dem daumen leicht blättern, wie ein winziger geldstapel. hätte man richtig hören können, denkt die marinika, wäre es ein geräusch, als mischt einer die karten neu.
dann löst sich plötzlich ein blütenblatt ab, und all die anderen folgen ihm eilig und fallen nacheinander aus, unaufhaltsam wie die perlen einer perlenkette, der marinika vor die füße.
nackt bis zum apfelgrünem kitzler, liegt der stumpf der chrysantheme in ihrer hand.
dominoday, murmelt die marinika unkonzenrtriert, als sie in das büro eintritt.
gutentag.
gutentag.
ihren namen, bitte?
marinika.
und noch?- der anwalt schaut sie durch die brillengläser an, die so dick sind wie bierflaschenböden.
majalis.
hm. moment. ich habe sie hier nicht…im computer…momentchen…aha…hier. aber hier steht dass sie „compositae“ heißen? - der anwalt betrachtet die marinika fragend über dem dicken hornbrillenrand.
-das ist mein herbstname, sagt die marinika und lässt den chrysanthemen stumpf unter dem anwaltstisch unauffällig fallen.
-so, der ist aber gültig, frau compositae. seit…schon seit…momentchen mal…äääh…
…jaja, ich weiß.- marinika will unnötige gespräche abkürzen. -deshalb bin ich ja da. ich möchte meinen frühlingsnamen zurück.
ach so.- sagt der anwalt, schiebt seine brille mit dem zeigefinger dichter auf die nasenwurzel und weiß was zu tun ist.
hier, -sagt er nach ein paar minuten.- hier müssen sie noch unterschreiben, drei mal in dreifacher ausfertigung…hier: dass sie momentan nichts und niemanden lieben, und hier… dass sie nie mehr lieben werden, und hier noch…ja, da…genau…und dann haben wir es gleich…momentchen noch…ach, hier: dass sie womöglich nie geliebt haben.
marinika liest.
marinika wippt mit dem bein.
marinika kaut an dem kulli.
der anwalt hat winzige apfellgrüne augen. wenn man sie zwinkern hören könnte,denkt die marinika, wäre das ein geräusch, als blättert man einen winzigrünen geldstapel.
„nö“ sagt sie. steht auf und geht.

Verfasst: 28.06.2011, 14:10
von Mucki
...

Verfasst: 30.06.2011, 18:18
von pjesma
danke gabriella für die schöne kritik:-)
ja die fehlerchen...mein kreuz mit der sprache...nachundnach entdeck ich sie und korrigiere, aber erstmal sind sie da:-(
marinika ist weniger eine festgelegte figur die sich entwickelt, mehr leihe ich sie als figur einer momentale laune aus...daher gibt es viele davon;-)))...alle etwas infantil und bescheuert, aber naja. irgendwo muss man sich gehen lassen!
(übrigens, wäre es sehr schlimm wenn ich die nächsten "marinikas" hier zusammenhalten würde, bzw. wenn ich dann den ordner hoch hole, ist das zu aufdringlich?)

lg,
pj

Verfasst: 30.06.2011, 19:02
von Mucki
...

Verfasst: 30.06.2011, 22:12
von RäuberKneißl
Hallo pjesma,
das ist eine schön verspielte Kafka-bleue Geschichte, die den eigenen, surrealen Ton nur in der letzten Zeile verliert (... mein Eindruck ..) Das ist natürlich eine schmerzhafte Stelle - in irgendeiner Drehbuch-Fibel hatte ich das mal gelesen, gegen Ende, ganz nebenbei und ganz pauschal - "und löschen sie die letzte Szene ihres Drehbuchs". Das Nö ist mir, mit Verlaub, zu platt, ich fände es schade, wenn das dämchen nur wegen des anwältchens prosaisch wird.

Eingangs die Blätter 'irritieren sie' - im Kontext und der Folge hätte ich 'faszinieren sie' o.ä. richtiger/treffender gefunden.
Grüße
Franz

Verfasst: 30.06.2011, 22:42
von Lisa
Hallo pjesma,

ok, die "Fehler" sind ein bisschen heftig in der menge...das stimmt .-).

Aber auch mir gefällt diese Geschichte. Vor allem, weil ich sowas mag, was "frei" ist, aber nicht beliebig wirkt. Und das wirkt es nicht. Der Text macht was mit mir und ich kann seine "Wirklichkeitsfärbung" schmecken.

Ich hätte ja drauf getippt, dass auch mir der letzte Satz nicht gefallen will. Er gefällt mir aber und ich wunder mich drüber und er gefällt mir immer noch. Ich würde ihn also so lassen :-) (abzüglich der tipperlein...)

liebe Grüße,
Lisa

Verfasst: 01.07.2011, 05:35
von Sam
Hallo pjesma,

mir gefällt der Text, der sich, je weiter man liest, immer mehr ins Surreale dreht, bis der letzte Satz, ähnlich wie das Klingeln eines Weckers einem aus den Träumen holt, alles Bizarre und Eigenartige vom Tisch wischt. Und wenn man eine romantische Lesart des Textes haben wollte, dann könnte man sagen, dass die einzige Unmöglichkeit im Leben diejenige ist, auf die Liebe zu verzichten.


Gruß

sam

Verfasst: 02.07.2011, 15:59
von noel
ich mag diese skurille geschichte.
diese haptisch, sinnilch betonte marinika,
die einen pakt mit einem "anwalt" schlieszen will.
per unterschrift, in dreifacher ausfertigung...
um wieder frühling(snamen) in sich zu tragen.

ich mag es, wie du mit der herbstmetapher, der chrysamtheme,
den gegensatz zum frühlingsnamen "erschreibst".
wie du nach dem (ab)blättern der blüten von geldstapel & neu gemischten karten
(eine neue chance, dafür sitzt sie bei dem anwalt) schreibst

auch, dass marinika nur durch den verkauf & den verrat der liebe
wieder den namen des frühlings führen kann..., fein verwortet.

doch was wäre der frühling (auch wenn die chrysamthemen schon welken),
wenn man ihn nicht mit sinnen & liebe "begehen" kann(?)
der preis ist zu hoch. nur mehr die nomenklatur, ohne
das einzig wichtige... das erleb&erlieben...

schön auch, wie du die augen - die apfelgrünen - des anwaltes im gedanken wie
geldnoten, die man durchblättert klingen lässt.

der gegensatz zwischen marinika, die sich eine neue chance wünscht, die den frühlig(snamen)
wieder haben will & dem steifen anwalt, der den pakt in dreifacher ausfertigung "klar" machen will,
sofern marinika das aufgibt, was den frühling so lebenswert m8... die liebe & auch selbige
judäisch verleugnet, verleugnet jemals geliebt zu haben.

feiner pjesma-text

Verfasst: 04.07.2011, 14:28
von pjesma
vielen herzlichen dank für eure ausführliche beschäftigung mit dem text:-)

marinika- texte sind meistens schnellschüße, ohne viel überlegung, die aber länger geköchelt haben in mir, daher bin ich um so glücklicher wenn ihr da wiederholungen findet, bzw. sachen die zueinander passen und eindruck entstehen lassen dass ich es sehr durchdacht geschrieben habe;-). zu meiner schande muss ich gestehen, dem ist nicht immer so, meistens sogar nicht...diese texte schreibe ich irgendwie nicht, die schreiben sich von alleine...wie gewispert (buhuhu, gruselfaktor!).
das ende werde ich hier so lassen, so abruppt muss es sein, wie ein sprung von dem stuhl. und die fehler-CHEN, gerne gabriella, wenn du die zeit dafür findest:-), dank dir dafür:-).
großschreibung, ja klar, warum nicht. könnte ich eigentlich auch selbst einführen, da die kleinschreibung meist nicht das stillistische mittel ist, sondern bequeemlichkeit...
ich stell dann die nächsten texte extra.
vielen lieben dank,
pj

Verfasst: 04.07.2011, 15:00
von Mucki
...

Verfasst: 04.07.2011, 15:04
von pjesma
wow! bist du schnell!!! danke:-)!!!

Verfasst: 04.07.2011, 15:06
von Mucki
...

Verfasst: 07.07.2011, 14:27
von Kojote
schöner text, weil individuell, deshalb lesenswert, weil eine wahrnehmungsverschiebung bewirkt wird. danke dafür. mehr davon.

Verfasst: 08.07.2011, 10:54
von pjesma
danke:-)
kommt noch. zwar ist das ein drehen im kreiß, nix wirklich neues, aber immer wieder mal;-)
lg