Lieber Herr Lübbe
Verfasst: 08.06.2012, 15:18
Lieber Herr Lübbe,
ich habe es satt, ich mag nicht mehr, ich steige aus. Fast 60 Jahre lang kämpfte ich mich durch tausende von Heft- und Taschenbuchseiten Ihres Verlages. Glauben Sie nicht auch, dass es jetzt genug ist? Eisenhauer war noch Präsident, als ich begann, gemeinsam mit meinem Kumpel Phil Decker, in der New Yorker Unterwelt aufzuräumen.
Ich kämpfte gegen Gangster und ich kämpfte gegen sinnentleerte Sprüche, die mir Ihre Serienschreiberlinge in den Mund legten. Ich habe nicht nachgezählt, aber „lass die Knarre fallen“, diesen Satz mit hochliterarischem Anspruch habe ich in fast jedem Heftchen als krönendes Ende einer Verfolgungsjagd von mir gegeben.
Was Ihre Autoren, die Amerika nur vom Hörensagen kennen, an Szenarien für einen FBI-Agenten erfanden, das war schon abenteuerlich. Aber was will man von solchen Hobby-Schriftstellern schon anderes erwarten. Da sitzen sie irgendwo im Schwarzwald, oder in der Lüneburger Heide in ihrer gemütlichen Bauernstube, haben den Stadtplan von New York an der Wand hängen und schlürfen ihre Cola. Sie lassen sich von Elvis und Sinatra berieseln und schreiben frisch drauf los, als ginge es um den Nobelpreis für Literatur.
Ich habe das Ganze auszulöffeln. 64 Seiten Schwachsinn, wenn die Autoren gnädig sind. Versteigt sich einer zum Schreiben eines Taschenbuchs, dann werden schnell mal 140 Seiten daraus. Sie schreiben so, wie sie bezahlt werden, miserabel.
Da lobe ich mir andere Krimiautoren, die haben wenigstens in jedem Roman einen neuen Titelhelden, der ein tränenreiches Happy-End mit einer wunderschönen Frau feiern darf. Mein Lebenspartner ist Phil Decker, eine Frau war mir nie vergönnt. Wie denn auch, ich hatte ja nie Zeit für ein geregeltes Privatleben. Von Kugelhagel zu Kugelhagel hetzten mich Ihre Autoren. Welche Frau hätte denn so etwas mitgemacht? Vielleicht eine Krankenschwester, die hätte dann zwischen den Verbrecherjagden meine Wunden pflegen können.
Streifschüsse und Durchschüsse, Brüche und Prellungen, Schnittwunden und Hämatome, Ihre Schreibsklaven haben nichts ausgelassen. Sie brachten mich in Situationen, dagegen waren die Aktionen eines James Bond der reinste Kindergeburtstag. Ich bin hundert Mal mehr aus Helikoptern gesprungen, als alle Bond-Darsteller zusammen. Mit meinem roten Jaguar jagte ich Verbrecher, hing über Abgründen oder flog über zerstörte Brücken. Ein Double hat man mir nie zugestanden, schließlich bin ich unsterblich, was die Roman-Serie ja bestens beweist.
Mein Augenlicht ist trübe geworden, bei Schießereien verwende ich nur mehr eine abgesägte Schrotflinte, ein Korn trifft immer. Phil Decker hat einen kaputten Rücken, wenn es nur das wäre, ich habe einen kaputten Körper. Jeden Morgen schmiere ich meine Hände mit einer Salbe gegen Arthritis ein. Rasieren ist schon lange nicht mehr, meine Hände zittern. Ich finde mich in New York nicht mehr zurecht, habe das Gefühl jeden Morgen in einer fremden Stadt aufzuwachen. Da hilft auch kein Navi im Auto, ich kann es nicht mehr bedienen. Demenz schleicht langsam in mein Gehirn. Inkontinenz versaut mir die Sitze in meinem Jaguar.
Ich bin jetzt 85 Jahre alt, es ist Zeit Schluss zu machen. Schicken Sie mich in Pension, ich kann nicht mehr.
Für den Fall, dass Sie es nicht tun, werde ich Ihnen einen Besuch abstatten. Ich habe in meiner Schrotflinte noch eine Patrone, die ist für Sie bestimmt.
Mit besten Grüßen,
Jerry Cotton
ich habe es satt, ich mag nicht mehr, ich steige aus. Fast 60 Jahre lang kämpfte ich mich durch tausende von Heft- und Taschenbuchseiten Ihres Verlages. Glauben Sie nicht auch, dass es jetzt genug ist? Eisenhauer war noch Präsident, als ich begann, gemeinsam mit meinem Kumpel Phil Decker, in der New Yorker Unterwelt aufzuräumen.
Ich kämpfte gegen Gangster und ich kämpfte gegen sinnentleerte Sprüche, die mir Ihre Serienschreiberlinge in den Mund legten. Ich habe nicht nachgezählt, aber „lass die Knarre fallen“, diesen Satz mit hochliterarischem Anspruch habe ich in fast jedem Heftchen als krönendes Ende einer Verfolgungsjagd von mir gegeben.
Was Ihre Autoren, die Amerika nur vom Hörensagen kennen, an Szenarien für einen FBI-Agenten erfanden, das war schon abenteuerlich. Aber was will man von solchen Hobby-Schriftstellern schon anderes erwarten. Da sitzen sie irgendwo im Schwarzwald, oder in der Lüneburger Heide in ihrer gemütlichen Bauernstube, haben den Stadtplan von New York an der Wand hängen und schlürfen ihre Cola. Sie lassen sich von Elvis und Sinatra berieseln und schreiben frisch drauf los, als ginge es um den Nobelpreis für Literatur.
Ich habe das Ganze auszulöffeln. 64 Seiten Schwachsinn, wenn die Autoren gnädig sind. Versteigt sich einer zum Schreiben eines Taschenbuchs, dann werden schnell mal 140 Seiten daraus. Sie schreiben so, wie sie bezahlt werden, miserabel.
Da lobe ich mir andere Krimiautoren, die haben wenigstens in jedem Roman einen neuen Titelhelden, der ein tränenreiches Happy-End mit einer wunderschönen Frau feiern darf. Mein Lebenspartner ist Phil Decker, eine Frau war mir nie vergönnt. Wie denn auch, ich hatte ja nie Zeit für ein geregeltes Privatleben. Von Kugelhagel zu Kugelhagel hetzten mich Ihre Autoren. Welche Frau hätte denn so etwas mitgemacht? Vielleicht eine Krankenschwester, die hätte dann zwischen den Verbrecherjagden meine Wunden pflegen können.
Streifschüsse und Durchschüsse, Brüche und Prellungen, Schnittwunden und Hämatome, Ihre Schreibsklaven haben nichts ausgelassen. Sie brachten mich in Situationen, dagegen waren die Aktionen eines James Bond der reinste Kindergeburtstag. Ich bin hundert Mal mehr aus Helikoptern gesprungen, als alle Bond-Darsteller zusammen. Mit meinem roten Jaguar jagte ich Verbrecher, hing über Abgründen oder flog über zerstörte Brücken. Ein Double hat man mir nie zugestanden, schließlich bin ich unsterblich, was die Roman-Serie ja bestens beweist.
Mein Augenlicht ist trübe geworden, bei Schießereien verwende ich nur mehr eine abgesägte Schrotflinte, ein Korn trifft immer. Phil Decker hat einen kaputten Rücken, wenn es nur das wäre, ich habe einen kaputten Körper. Jeden Morgen schmiere ich meine Hände mit einer Salbe gegen Arthritis ein. Rasieren ist schon lange nicht mehr, meine Hände zittern. Ich finde mich in New York nicht mehr zurecht, habe das Gefühl jeden Morgen in einer fremden Stadt aufzuwachen. Da hilft auch kein Navi im Auto, ich kann es nicht mehr bedienen. Demenz schleicht langsam in mein Gehirn. Inkontinenz versaut mir die Sitze in meinem Jaguar.
Ich bin jetzt 85 Jahre alt, es ist Zeit Schluss zu machen. Schicken Sie mich in Pension, ich kann nicht mehr.
Für den Fall, dass Sie es nicht tun, werde ich Ihnen einen Besuch abstatten. Ich habe in meiner Schrotflinte noch eine Patrone, die ist für Sie bestimmt.
Mit besten Grüßen,
Jerry Cotton