Kolumne: anne [ah-näh]
Verfasst: 14.05.2006, 15:02
anne [ah-näh]
Ich lerne jetzt türkisch.
Das ist ganz einfach.
Ich brauche nur das Fenster meiner Schreibkammer zum Innenhof zu öffnen.
Das erste Wort, was ich nun kenne, ist: anne. Gesprochen: ah-näh.
Mein Lehrer ist ein Dreikäsehoch. Er kann das Wort schon prima sagen: ah-näh.
Die Übersetzung ist auch einfach. Sie erschließt sich Einem relativ schnell, man muss nur richtig hinschauen:
Er steht ganz allein im Garten und ruft dieses Wort. In den Himmel.
Nein. In den vierten Stock hinauf, in den vierten Stock eines peinlichgelb gestrichenen Mehrfamilien-Wohngebäudes mit mittlerer Ausstattung und 6-Zimmer-Wohnungen. Pro Zimmer eine Satelliten-Schüssel. Mit 12 geschlossenen Fenstern. Drei davon im vierten Stock. Zu einem von denen spricht er wohl. Ahnäh!
Ich spreche ihm nach: Ahnäh!
Scheint also 'Fenster' zu bedeuten. Falls ich mal irgendwann türkische Bauherren haben sollte, könnte das wichtig werden.
Jetzt er wieder: Ahnäh! Ah-nääh!
Aha: Fenster! Feeen-ster!
AHHHNÄÄÄÄÄH!!!
Oha, das wird lauter. Muss es wohl auch. Das Fenster scheint ihn nämlich nicht zu hören. Oder es spricht kein Türkisch. Es antwortet jedenfalls nicht.
AHHHNÄÄÄÄÄH!!! AHHHNÄÄÄÄÄH!!! AHHH-NÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄHHH!!!
Nun gut, mein Kleiner, die Wiederholung ist zwar das Salz in der Suppe der Pädagogik, aber ich hab´s jetzt verstanden, und in Ruhe telefonieren müsste ich jetzt auch mal.
AAAAAAAAAAAAAAAAAAHHH-NÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄHHH!!!
So ein stures Fenster habe ich aber auch selten erlebt. Der arme Kerl hat schon einen ganz roten Kopf.
AAAAAAAAAAAhhh...
Schließlich hat das Fenster dann doch ein Einsehen und öffnet sich. Na endlich. Ein weißes Tuch mit einem Ballon darin erscheint.
Aha, 'ahnäh' heißt also gar nicht 'Fenster', sondern: Gespenst.
Oder: Vermummter Demonstrant. Vermutlich je nach Betonung.
Die Stimme des Schreihalses wird ganz mild und sagt ganz leise noch einmal: ahnäh.
Das Kind mag also Gespenster oder vermummte Demonstranten. Das ist nett.
Das Gespenst mag aber kleine Kinder nicht. Es beginnt wütend, in seinem unverständlichen Gespenster-Kauderwelsch auf den Knaben einzukeifen, so dass ihm Hören und Sehen vergeht. Nana, tut so was ein anständiges Gespenst? Vielleicht doch ein Demonstrant? Ein unflätiger Anarchist?
Das Fenster schließt sich knarzend, eine Weile lang passiert überhaupt nichts, und dann kommt das Gespenst durch die Kellertüre auf den Hof hinausgeschwebt.
Der Bursche steht nur stumm da und fängt sich eine.
Und jetzt weiß ich es endlich genau:
'Ahnäh' bedeutet auch nicht 'Gespenst'.
Es bedeutet:
Mama.
Ich lerne jetzt türkisch.
Das ist ganz einfach.
Ich brauche nur das Fenster meiner Schreibkammer zum Innenhof zu öffnen.
Das erste Wort, was ich nun kenne, ist: anne. Gesprochen: ah-näh.
Mein Lehrer ist ein Dreikäsehoch. Er kann das Wort schon prima sagen: ah-näh.
Die Übersetzung ist auch einfach. Sie erschließt sich Einem relativ schnell, man muss nur richtig hinschauen:
Er steht ganz allein im Garten und ruft dieses Wort. In den Himmel.
Nein. In den vierten Stock hinauf, in den vierten Stock eines peinlichgelb gestrichenen Mehrfamilien-Wohngebäudes mit mittlerer Ausstattung und 6-Zimmer-Wohnungen. Pro Zimmer eine Satelliten-Schüssel. Mit 12 geschlossenen Fenstern. Drei davon im vierten Stock. Zu einem von denen spricht er wohl. Ahnäh!
Ich spreche ihm nach: Ahnäh!
Scheint also 'Fenster' zu bedeuten. Falls ich mal irgendwann türkische Bauherren haben sollte, könnte das wichtig werden.
Jetzt er wieder: Ahnäh! Ah-nääh!
Aha: Fenster! Feeen-ster!
AHHHNÄÄÄÄÄH!!!
Oha, das wird lauter. Muss es wohl auch. Das Fenster scheint ihn nämlich nicht zu hören. Oder es spricht kein Türkisch. Es antwortet jedenfalls nicht.
AHHHNÄÄÄÄÄH!!! AHHHNÄÄÄÄÄH!!! AHHH-NÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄHHH!!!
Nun gut, mein Kleiner, die Wiederholung ist zwar das Salz in der Suppe der Pädagogik, aber ich hab´s jetzt verstanden, und in Ruhe telefonieren müsste ich jetzt auch mal.
AAAAAAAAAAAAAAAAAAHHH-NÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄHHH!!!
So ein stures Fenster habe ich aber auch selten erlebt. Der arme Kerl hat schon einen ganz roten Kopf.
AAAAAAAAAAAhhh...
Schließlich hat das Fenster dann doch ein Einsehen und öffnet sich. Na endlich. Ein weißes Tuch mit einem Ballon darin erscheint.
Aha, 'ahnäh' heißt also gar nicht 'Fenster', sondern: Gespenst.
Oder: Vermummter Demonstrant. Vermutlich je nach Betonung.
Die Stimme des Schreihalses wird ganz mild und sagt ganz leise noch einmal: ahnäh.
Das Kind mag also Gespenster oder vermummte Demonstranten. Das ist nett.
Das Gespenst mag aber kleine Kinder nicht. Es beginnt wütend, in seinem unverständlichen Gespenster-Kauderwelsch auf den Knaben einzukeifen, so dass ihm Hören und Sehen vergeht. Nana, tut so was ein anständiges Gespenst? Vielleicht doch ein Demonstrant? Ein unflätiger Anarchist?
Das Fenster schließt sich knarzend, eine Weile lang passiert überhaupt nichts, und dann kommt das Gespenst durch die Kellertüre auf den Hof hinausgeschwebt.
Der Bursche steht nur stumm da und fängt sich eine.
Und jetzt weiß ich es endlich genau:
'Ahnäh' bedeutet auch nicht 'Gespenst'.
Es bedeutet:
Mama.