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die Frau neben mir

Verfasst: 15.01.2014, 12:09
von Renée Lomris
Die Frau neben mir hat am ersten Tag nur gestöhnt. In ihr Kissen zurückgezogen, den Blick nach innen. Mir wäre ein Einzelzimmer lieber gewesen, doch es ging nicht anders. Nachts bin ich unruhig, ein Versuch mit Schlaftabletten erweist sich als riskant, starke Halluzinationen steigen auf. Ich hatte davor gewarnt.
Die Frau neben mir beteuert, nichts habe sie gestört, ich dürfe ruhig lesen, wenn ich wolle. Seit der Augenarzt mir neue Linsen eingesetzt hat, habe ich an Weitsicht gewonnen, kann aber nur noch mit Lesebrille Ich habe meine Lesebrille vergessen. Sie sagt, ich könne fernsehen, ich könne schreiben, ich könne herumlaufen, nichts störe sie.
Nachts brauchen wir beide frische Luft, wir sorgen für einen ordentlichen Durchzug. Sie hat vier Söhne. Ihr Mann macht sich Sorgen um sie. ABer es geht ihr jetzt deutlich besser. Sie sagt, wir beide sind ein Team. Sie hat Angst davor, dass ich gehe, weil ich schneller gsund werde, meint sie. Wir inspizieren gemeinsam unsere Essensplateaus, kommentieren die Qualität von Käse und Wurst. Wir erinnern uns dran, dass wir gerne Miniröcke trugen. Ich bin erstaunt. Glauben sie, nur weil ich vom Land bin, hätte ich nicht gewusst, was schick ist?
Mein linkes Bein macht Fortschritte und das rechte kann ich jetzt wieder anheben, so dass ich bald wieder als gehfähig bezeichnet werden kann.
Die Frau neben mir sagt, sie habe sich jetzt an die Schmerzen gewöhnt. Sie unterhalte sich gern und oft sei es unmöglich mit den alten Leuten. SIe habe in B. ein Zimmer mit einer Frau geteilt, die sich bis aufs Blut kratzte und ihre klagende Stimme habe erst gegen zwei aufgehört zu lallen.
Ja, sage ich, wir sind gut miteinander ausgekommen. Wir lachen darüber, dass Kranke anderen Kranken nicht helfen sollen, aus angst vor dem damit verbundenen Risiko. Wir lachen wie Schulmädchen. Ich kämme ihr Haar und sie schiebt mich üuber die Gänge.
Verwundert blicken die Krankenschwester und Ärzte an:das sieht man nicht oft, sagen sie.
Ja, sage ich, das ist weibliche Solidarität.

Das sieht man nicht oft, sagt Frau Doktor und streichelt uns beide leise an der Schulter.



2. Fassung



Die Frau neben mir hat am ersten Tag nur gestöhnt. In ihr Kissen zurückgezogen, den Blick nach innen. Mir wäre ein Einzelzimmer lieber gewesen, doch es ging nicht anders. Nachts bin ich unruhig, ein Versuch mit Schlaftabletten erweist sich als riskant, starke Halluzinationen steigen auf. Ich hatte davor gewarnt.

Die Frau neben mir beteuert, nichts habe sie gestört, ich dürfe ruhig lesen, wenn ich wolle. Seit der Augenarzt mir neue Linsen eingesetzt hat, habe ich an Weitsicht gewonnen, kann aber nur noch mit Lesebrille lesen. Ich habe meine Lesebrille vergessen. Sie sagt, ich könne fernsehen, ich könne schreiben, ich könne herumlaufen, nichts störe sie.

Nachts brauchen wir beide frische Luft, wir sorgen für einen ordentlichen Durchzug. Sie hat vier Söhne. Ihr Mann macht sich Sorgen um sie. ABer es geht ihr jetzt deutlich besser. Sie sagt, wir beide sind ein Team. Sie hat Angst davor, dass ich gehe, weil ich schneller gesund werde, meint sie. Wir inspizieren gemeinsam unsere Essensplateaus, kommentieren die Qualität von Käse und Wurst. Wir erinnern uns dran, dass wir gerne Miniröcke trugen. Ich bin erstaunt, was sie bemerkt. Sie sagt spöttisch: "Glauben sie, nur weil ich vom Land bin, hätte ich nicht gewusst, was schick ist?"

Mein linkes Bein, das mit dem Bäanderriss, macht Fortschritte und das rechte, das steife, kann ich jetzt wieder anheben, so dass ich bald wieder als gehfähig bezeichnet werden kann.

Die Frau neben mir sagt, sie habe sich jetzt an die Schmerzen gewöhnt. Sie unterhalte sich gern. Aber meist sei es unmöglich mit den alten Leuten. SIe habe in B. ein Zimmer mit einer Frau geteilt, die sich bis aufs Blut kratzte und ihre klagende Stimme habe erst gegen zwei aufgehört zu lallen.

Ja, sage ich, wir sind von Anfang an gut miteinander ausgekommen. Wir lachen darüber, dass Kranke anderen Kranken nicht helfen sollen, aus Angst vor dem damit verbundenen Risiko. Wir lachen wie Schulmädchen. Ich kämme ihr Haar und sie schiebt mich durch die Gänge.

Verwundert blicken die Krankenschwester und Ärzte uns nach. Das sieht man nicht oft, sagt Frau Doktor und im Vorbeigehen streichelt sie uns beide leise an der Schulter.

Verfasst: 15.01.2014, 12:24
von Klara
Liebe Renée,

der Text berührt mich, wirkt sehr "realistisch".

Kleinigkeiten: Die Zeitenfolge im ersten Absatz - ist die so gewollt? Perfekt, Konjunktiv, Präteritum, Präsens, Plusqamperfekt ... das verwirrt (mich) und macht dein Einstieg schwer.

Dann - "Die Frau neben mir beteuert..." geht es im Präsenz und z.T. indirekter Rede weiter - und auch ich, Leserin, bin voll dabei. Bin mit im Raum.
Ob du hier oder da noch einen Absatz setzen magst? (Vor "Sie hat vier Söhne" z.B. oder vor "Sie sagt, wir beide sind ein Team" - hier würde ich auch überlegt, ob du konsequent bleibst bei der indirekten Rede, anstatt in die indikative und parataktische Umgangssprache zu wechseln - seien ein Team...

Im Satz mit dem Durchzug würde ich meiner Marotte nachgeben, das zweite "wir" zu streichen, aber das ist natüarlcih Geschmackssache (und schmeckt nicht jedem, fürchte ich, bei eigenen Texten...)

"üuber die Gänge" > ein u zuviel

"Verwundert blicken die Krankenschwester und Ärzte an" > UNS an?
:das sieht man nicht oft, sagen sie.
Ja, sage ich, das ist weibliche Solidarität.
Das würde ich streichen. Der Schlusssatz würde mich vollends reichen.

herzlich
klara

Verfasst: 15.01.2014, 17:37
von Renée Lomris
Liebe Klaa,
mich hat berührt, dass du auf den Text eingegangen bist und wie du darauf eingegangen bist. Ich habe den Text sehr spontan eingetippt und meine Finger, vor allem die der rechten Hand kommen nicht mehr nach.. Die Linke hat nochh nicht volle Funktion übernommen. Außerdem schreibe ich sehr langsam, das Heruntertippen hat also nicht mehr die frühere Kraft, die aus einem raschen Trommelfeuer der Tasten entstehen konnte. Jetzt mmuss ich mich an langesames und trotzdem fehlerhaftes Tippen gewöhnen,

Trotzdem finde ich nach wie vor wichtig, dass die produzierten Fehler ausgemerzt werden. Insgesamt ist es für mich wichtig weiter zu schreiben, trotz der Anstrengung, die ich aufbringen muss.

Deine Korrekturen finde ich alle sehr nützlich, ich zögere lediglich bei den ersten Zeilen. Mir scheint, dass das so stehen bleiben könnnte. Ich den ganzen Text noch einmal mit deinen ANmerkungen durch.


Renée Lomris hat geschrieben:Die Frau neben mir hat am ersten Tag nur gestöhnt. In ihr Kissen zurückgezogen, den Blick nach innen. Mir wäre ein Einzelzimmer lieber gewesen, doch es ging nicht anders.

Nachts bin ich unruhig, ein Versuch mit Schlaftabletten erweist sich als riskant, starke Halluzinationen steigen auf. Ich hatte davor gewarnt.

Als die Schwester uns um fünf die erste Spritze zur Verhütung von Thrombose in den Bauch jagt, beteuert die Frau neben mir, nichts habe sie gestört, und ich dürfe ruhig lesen, wenn ich wolle. Sie weiß nicht, dass ich meiine Lesebrille vergessen habe Seit der Augenarzt mir nämlich neue Linsen eingesetzt hat, habe ich an Nahsicht verloren, was ich an Weitsicht gewonnen habe. Als habe sie meinen stummen Einwand gehört, sagt sie weiter, ich könne fernsehen, ich könne schreiben, ich könne herumlaufen, nichts störe sie.

Tagsüber entdecken wir die Patientenzustandsformulare, die Aufteilung der Schränke, das Versteck für ordentliche Kleiderbügel und den Schlüssel für das Kühlfach. Wir stellen fest, dass wir uns in einem prachtvollen Bau der Glasarchitektur befinden und ich unterbinde ein aus den Tiefen meines thrombosegeimpften Bauches aufsteigendes Referat über Scheerbarth und die Glasarchitektur. Es genügt, wenn ich sage: wir befinden uns in einem Raumschiff. Sofort steigen die Walzerklänge auf, die das sich drehende Rad von Odyssee 2001 begleiten.

Die Frau neben mir dreht ebenfalls ihre Runden. Sie kann noch gehen und vergißt sogar ein wenig dabei zu stöhnen. Als die Nachtschwester ihre Infusion für die Nacht anschließt, fragt sie mich, ob mir kalt. Auch da zeigt sich, dass wir beide nachts frische Luft brauchen und sorgen für einen ordentlichen Durchzug.

Wir unterhalten uns nicht wirklich, aber bald weiß ich, sie hat vier Söhne. Ihr Bruder hat den Ehrendoktor von einer japanischen Universität. Ihre Söhne und ihr Mann machen sich Sorgen um sie. Ihr Mann fragt mich: Geht es ihr nicht deutlich besser. Ich habe das Gefühl zu stören und verschwinde ins Internetcafé.

Sie sagt, wir beide sind ein Team. Sie hat Angst davor, dass ich gehe, weil ich schneller gesund werde, meint sie. Wir inspizieren gemeinsam unsere Essensplateaus, kommentieren die Qualität von Käse und Wurst. Wir erinnern uns daran, dass wir damals gerne Miniröcke trugen. Ich bin erstaunt. Glauben sie, nur weil ich vom Land bin, hätte ich nicht gewusst, was schick ist?

Mein linkes Bein macht Fortschritte und das rechte kann ich jetzt wieder anheben, so dass ich bald wieder als gehfähig bezeichnet werden kann.

Die Frau neben mir sagt, sie habe sich jetzt an die Schmerzen gewöhnt. Sie unterhalte sich gern und oft sei das unmöglich mit den alten Leuten. SIe habe in B. ein Zimmer mit einer Frau geteilt, die sich bis aufs Blut kratzte und ihre klagende Stimme habe erst gegen zwei aufgehört zu lallen.

Ja, sage ich, wir kommen gut miteinander aus. Wir lachen über die Vorschrift, dass Kranke anderen Kranken nicht helfen sollen, aus Angst vor dem damit verbundenen Risiko. Wir lachen wie Schulmädchen. Ich kämme ihr Haar und sie schiebt mich über die Gänge.

Verwundert blicken die Krankenschwester und Ärzte uns an.


Das sieht man nicht oft, sagt Frau Doktor und streichelt uns beide leise an der Schulter.

Verfasst: 15.01.2014, 18:14
von Klara
hm... ich weiß nicht recht. Der erste Text kommt mir, obwohl weniger "perfekt", runder vor, stimmiger... weniger erklärend oder vollständigberichtend, mutiger - ich weiß nicht.
bin wohl keine gute Ratgeberin...
lieber Gruß
klara

Verfasst: 15.01.2014, 21:46
von Zefira
Liebe Renee,
auch ich habe das kurze Stück gern gelesen, ich mag gern solche "nicht-wertenden" Kurztexte aus dem persönlichen Erleben solcher Institutionen wie Krankenhäuser, Behörden ...
Wie Klara bin ich der Meinung, dass es richtig ist, die beiden erklärenden Sätze mit der "weiblichen Solidarität" zu streichen.
Und ebenfalls wie Klara gefällt mir die erste Fassung insgesamt eigentlich besser.

Hier bin ich noch gestolpert:

Wir erinnern uns dran, dass wir gerne Miniröcke trugen. Ich bin erstaunt. Glauben sie, nur weil ich vom Land bin, hätte ich nicht gewusst, was schick ist?

Da ist etwas übrsprungen - erstaunt ist doch wohl zunächst mal die andere Frau? Und daraufhin dann die Erzählerin? Hier würde ich einen Einschub setzen, vielleicht in wörtlicher Rede von seiten der anderen Frau, wie etwa "Was, Sie haben wirklich Miniröcke getragen?" (Ich hoffe, ich verstehe jetzt diese Stelle nicht komplett falsch.)

Mein linkes Bein macht Fortschritte und das rechte kann ich jetzt wieder anheben,


Der erste Teil des Satzes klingt in Verbindung mit dem Rest ein wenig komisch, so als sei das linke Bein bereits fortgegangen, während das rechte erst noch in die Höhe kommen muss. Ich frage mich aber, ob Du das nicht absichtlich so "doppelsinnig" gesetzt hast. Ich will das nicht als "änderungsbedürftig" ankreiden! Es fiel mir nur auf.

Liebe Grüße und alles Gute für die weitere Genesung,
Zefira