Zimmerökonomie
Verfasst: 20.09.2014, 17:10
Ich bin von Natur aus ein sehr nachdenklicher Mensch. Überdies versuche ich nach Kräften, auch meinen Einsichten gemäß zu handeln. Vor einigen Jahren versuchte ich nach bester Ab- und Einsicht, einer Mückenplage in meinem Zimmer durch ein ausgeklügeltes System Herr zu werden, dem gemäß ich gefangene und erlegte Mücken auf die in meinem Zimmer hängenden Spinnennetze verteilte. Vielleicht erinnern Sie sich noch an den betreffenden Bericht:
viewtopic.php?f=40&t=10159&hilit=Zimmer%C3%B6kologie
Inzwischen bin ich überzeugt, dass ich die Sache damals ganz falsch angefangen habe. Mein naiver Versuch, vermeintliche Ungerechtigkeiten in der Teilhabe an Ressourcen durch gezielte Regulierungsmaßnahmen auszugleichen, führte nur zu einer Reihe immer komplizierterer, nicht aber gerechterer Systeme und endete schließlich in einem für alle Beteiligten (die Mücken vielleicht einmal ausgenommen) ebenso lächerlichen wie unerträglichen Zustand. Dank meines Freundes Adam weiß ich nun auch, wieso: Die ganze Idee der Regulierung war verkehrt. Es war nichts Ungerechtes darin, dass Spinnen mit kleinerem oder ungünstig platziertem Netz weniger fingen. Wenn hier überhaupt von Ungerechtigkeit die Rede sein kann, dann kam sie durch meine Einmischung in das natürliche Weben und Wirken überhaupt erst hinein. Nicht durch stets voreilige Eingriffe führt man den für alle besten Zustand herbei, sondern gerade dadurch, dass man sich solcher enthält und die Entwicklung dem freien Spiel der Kräfte überläßt.
Folglich sah ich von nun an davon ab, zwischen den Spinnennetzen Neuverteilungen der Beute vorzunehmen; auch meine wenig erfolgreiche Umsiedlungspolitik, mit der ich zuvor kaum bewohnte, aber sehr mückenreiche Areale - besonders die in der Nähe meines Gefrierschrankes - hatte bevölkern wollen, gab ich auf. Damit, selbst Mücken zu erschlagen hielt ich mich möglichst zurück: Letztlich, da war ich mir sicher, würde eine perfekt eingespielte Spinnenpopulation deren Zahl deutlich effektiver reduzieren als meine laienhafte Fuchtelei. Ich durfte ihr nur nicht die Möglichkeit nehmen, sich zu entwickeln, indem ich künstlich ihr Nahrungsangebot verringerte. Wo mir hier und da nach einem Stich dennoch die Hand ausrutschte, ließ ich das Erlegte rasch verschwinden: Es in eines der Netze zu legen, kam natürlich nicht mehr in Frage, und es auf fallen zu lassen hätte den handfesten Widersinn eines zwar bodenständigen, aber von meinem Protektorat abhängigen Parallelmarktes bedeutet.
So lebte ich eine Weile ganz zufrieden. Die Mücken kamen und gingen, hier und da wuchs über Nacht ein neues Netz in einer Ecke meines Zimmers, wurde ein altes aufgegeben oder feindlich übernommen. Das freie Spiel der Kräfte nahm seinen Lauf. Es lief, das wußte ich ja von Adam, hin zu unser aller Besten.
Als aber die Monate vergingen und sich die Zahl meiner Stiche nicht deutlich verminderte, kamen mir Zweifel: Konnte sich der Mückenmarkt in meinem Zimmer tatsächlich so frei entfalten, wie er es mußte um einen optimalen Zustand zu erreichen? Dass ich mir keiner Eingriffe mehr bewußt war, verwies womöglich nur auf mir in der Gewohnheit verborgene hin, die die Entwicklung dennoch hemmten. Einmal dabei, fiel es mir wie Schuppen von den Augen: Die Fenster! Besonders während der mückenreichen Monate hielt ich sie die meiste Zeit geschlossen, um mich vor gerade dem zu schützen, dessen es zum Aufbau einer effizienten Spinnenwirtschaft bedurfte. Durch diese restriktive Wareneinfuhrpolitik beraubte ich den Binnenmarkt wesentlicher Impulse und Ressourcen. Ich war ein Narr!
Doch stets bereit, aus meinen Fehlern zu lernen, hielt ich von nun an die Fenster konsequent geöffnet. Auch die Lichter schaltete ich bald in der Nacht nur noch aus, wenn es sein mußte - etwa weil ich schlafen wollte - und auch dann mit einem Anflug von schlechtem Gewissen. Und tatsächlich: Die Zahl der Spinnen wuchs, wie die Dichte des globalen Netzwerkes, und bald waren meine Zimmerdecken nahezu durchweg mit dem segensreichen Gewebe bedeckt.
Rätselhafterweise stieg zugleich auch die Zahl meiner Stiche ins schier Ungeheure. Natürlich mußte sich der Markt erst auf die neuen Freiheiten einstellen; doch als sich auch nach weiteren Monaten keine Besserung zeigte, wurde es überdeutlich: Der Spinnenmarkt hielt mit dem Wachstum des Ressourcenangebotes nicht Schritt. Ich hatte durch meine Maßnahmen zwar einen Gleichgewichtspunkt erreicht, aber bei weitem keinen optimalen. Was das für meine Maßnahmen hieß, lag auf der Hand: Sie waren nicht weit genug gegangen. Tatsächlich zeigte schon ein oberflächlicher Blick eine solche Vielzahl von Barrieren und Wachstumshindernissen, dass nur noch von einer radikalen Reform Abhilfe zu erwarten war.
Ganz billig war es nicht, doch die dringend nötigen Entscheidungen habe ich getroffen und umgesetzt. Das Abrißunternehmen hat rasch und effizient gearbeitet, und von dem fortschrittsfeindlichen Regulierungsdickicht ist nur noch ein Trümmerhaufen übrig, der allmählich Moos ansetzt. Gestochen werde ich noch immer, wenn auch weniger im Schlaf, da ich nicht mehr recht weiß, wo ich mich hinlegen soll. Insgesamt aber hat meine grundlegende Neuorientierung das lang ersehnte Ziel endlich erreicht. Das gründliche Denken und disziplinierte Handeln nach dessen Ergebnissen haben erneut Früchte getragen: Von einer Mückenplage in meinem Zimmer kann nun keine Rede mehr sein.
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Inzwischen bin ich überzeugt, dass ich die Sache damals ganz falsch angefangen habe. Mein naiver Versuch, vermeintliche Ungerechtigkeiten in der Teilhabe an Ressourcen durch gezielte Regulierungsmaßnahmen auszugleichen, führte nur zu einer Reihe immer komplizierterer, nicht aber gerechterer Systeme und endete schließlich in einem für alle Beteiligten (die Mücken vielleicht einmal ausgenommen) ebenso lächerlichen wie unerträglichen Zustand. Dank meines Freundes Adam weiß ich nun auch, wieso: Die ganze Idee der Regulierung war verkehrt. Es war nichts Ungerechtes darin, dass Spinnen mit kleinerem oder ungünstig platziertem Netz weniger fingen. Wenn hier überhaupt von Ungerechtigkeit die Rede sein kann, dann kam sie durch meine Einmischung in das natürliche Weben und Wirken überhaupt erst hinein. Nicht durch stets voreilige Eingriffe führt man den für alle besten Zustand herbei, sondern gerade dadurch, dass man sich solcher enthält und die Entwicklung dem freien Spiel der Kräfte überläßt.
Folglich sah ich von nun an davon ab, zwischen den Spinnennetzen Neuverteilungen der Beute vorzunehmen; auch meine wenig erfolgreiche Umsiedlungspolitik, mit der ich zuvor kaum bewohnte, aber sehr mückenreiche Areale - besonders die in der Nähe meines Gefrierschrankes - hatte bevölkern wollen, gab ich auf. Damit, selbst Mücken zu erschlagen hielt ich mich möglichst zurück: Letztlich, da war ich mir sicher, würde eine perfekt eingespielte Spinnenpopulation deren Zahl deutlich effektiver reduzieren als meine laienhafte Fuchtelei. Ich durfte ihr nur nicht die Möglichkeit nehmen, sich zu entwickeln, indem ich künstlich ihr Nahrungsangebot verringerte. Wo mir hier und da nach einem Stich dennoch die Hand ausrutschte, ließ ich das Erlegte rasch verschwinden: Es in eines der Netze zu legen, kam natürlich nicht mehr in Frage, und es auf fallen zu lassen hätte den handfesten Widersinn eines zwar bodenständigen, aber von meinem Protektorat abhängigen Parallelmarktes bedeutet.
So lebte ich eine Weile ganz zufrieden. Die Mücken kamen und gingen, hier und da wuchs über Nacht ein neues Netz in einer Ecke meines Zimmers, wurde ein altes aufgegeben oder feindlich übernommen. Das freie Spiel der Kräfte nahm seinen Lauf. Es lief, das wußte ich ja von Adam, hin zu unser aller Besten.
Als aber die Monate vergingen und sich die Zahl meiner Stiche nicht deutlich verminderte, kamen mir Zweifel: Konnte sich der Mückenmarkt in meinem Zimmer tatsächlich so frei entfalten, wie er es mußte um einen optimalen Zustand zu erreichen? Dass ich mir keiner Eingriffe mehr bewußt war, verwies womöglich nur auf mir in der Gewohnheit verborgene hin, die die Entwicklung dennoch hemmten. Einmal dabei, fiel es mir wie Schuppen von den Augen: Die Fenster! Besonders während der mückenreichen Monate hielt ich sie die meiste Zeit geschlossen, um mich vor gerade dem zu schützen, dessen es zum Aufbau einer effizienten Spinnenwirtschaft bedurfte. Durch diese restriktive Wareneinfuhrpolitik beraubte ich den Binnenmarkt wesentlicher Impulse und Ressourcen. Ich war ein Narr!
Doch stets bereit, aus meinen Fehlern zu lernen, hielt ich von nun an die Fenster konsequent geöffnet. Auch die Lichter schaltete ich bald in der Nacht nur noch aus, wenn es sein mußte - etwa weil ich schlafen wollte - und auch dann mit einem Anflug von schlechtem Gewissen. Und tatsächlich: Die Zahl der Spinnen wuchs, wie die Dichte des globalen Netzwerkes, und bald waren meine Zimmerdecken nahezu durchweg mit dem segensreichen Gewebe bedeckt.
Rätselhafterweise stieg zugleich auch die Zahl meiner Stiche ins schier Ungeheure. Natürlich mußte sich der Markt erst auf die neuen Freiheiten einstellen; doch als sich auch nach weiteren Monaten keine Besserung zeigte, wurde es überdeutlich: Der Spinnenmarkt hielt mit dem Wachstum des Ressourcenangebotes nicht Schritt. Ich hatte durch meine Maßnahmen zwar einen Gleichgewichtspunkt erreicht, aber bei weitem keinen optimalen. Was das für meine Maßnahmen hieß, lag auf der Hand: Sie waren nicht weit genug gegangen. Tatsächlich zeigte schon ein oberflächlicher Blick eine solche Vielzahl von Barrieren und Wachstumshindernissen, dass nur noch von einer radikalen Reform Abhilfe zu erwarten war.
Ganz billig war es nicht, doch die dringend nötigen Entscheidungen habe ich getroffen und umgesetzt. Das Abrißunternehmen hat rasch und effizient gearbeitet, und von dem fortschrittsfeindlichen Regulierungsdickicht ist nur noch ein Trümmerhaufen übrig, der allmählich Moos ansetzt. Gestochen werde ich noch immer, wenn auch weniger im Schlaf, da ich nicht mehr recht weiß, wo ich mich hinlegen soll. Insgesamt aber hat meine grundlegende Neuorientierung das lang ersehnte Ziel endlich erreicht. Das gründliche Denken und disziplinierte Handeln nach dessen Ergebnissen haben erneut Früchte getragen: Von einer Mückenplage in meinem Zimmer kann nun keine Rede mehr sein.