Bejahung

Bereich für Erzähl- und Sachprosa, also etwa Kurzgeschichten, Erzählungen, Romankapitel, Essays, Kritiken, Artikel, Glossen, Kolumnen, Satiren, Phantastisches oder Fabeln
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Pjotr
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Beitragvon Pjotr » 01.12.2014, 18:47

Ja.











Die oben stehende Version ist die dritte. Die vorigen Versionen waren eine Collage aus Alltagssituationen und -ideen: Saudi-arabische Polizisten befahlen einer Frau, das eigenhändige Autofahren zu beenden; deutsche Polizisten befahlen einer fahrradfahrenden Frau, ihren Schleier abzulegen; eine führende CDU-Politikerin kam auf die Idee, das Schleiertragen zu bestrafen; eine Dame an der Wurstbude kam auf die Idee, das Bikini-Tragen zu bestrafen. Diese Collage zündete nicht. Um das Internet zu entlasten, und der dritten Version mehr Raum zu geben, Raum, der nötig ist, um sie als eigenständiges Werk auszuhängen, habe ich die vorigen Versionen rückstandslos ausradiert. Der Schwund der vorigen im Kontext mit der Kürze der dritten Version versteht sich im Großen Ganzen als Kurzprosa in ihrer radikalsten Form.
Zuletzt geändert von Pjotr am 29.12.2014, 01:41, insgesamt 22-mal geändert.

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Pjotr
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Beitragvon Pjotr » 10.12.2014, 02:27

nera hat geschrieben:soweit ich mich erinnere, kommt das wort moral von mos, sitte.

Ich hatte mal eine Phase, da dachte ich, dasjenige, was ich unter Moral verstand, sei subjektiv, und somit, hinblickend auf das Zusammenleben, sowieso egal.

Danach erkannte ich, dass es einen Gerechtigkeitssinn gibt, und dass Gerechtigkeit ziemlich gut messbar ist, nämlich am Schmerz. Nicht perfekt messbar, aber annäherungsweise messbar.

Gerechtigkeit hat etwas zu tun mit der gleichmäßigen Verteilung des Schmerzes. Ich sage nicht Verteilung des Glücks, sondern Verteilung des Schmerzes. Denn Glück ist schlechter messbar, und Glück gibt es nur, weil es Schmerz gibt. Außerdem, Glück im einen Lebewesen kann Schmerz hervorrufen im anderen Lebewesen. Körperlich (indirekt geistig), zum Beispiel, kann ich die Erde nicht nutzen ohne zugleich irgendeinem anderen Wesen ein Leid zuzufügen, selbst wenn ich vegan lebte. Direkt geistig, kann ich einem anderen Wesen schon allein dadurch Schmerz zufügen, indem ich meine Zufriedenheit zeige; das ist der Schmerz des Neids.

Also, diese gleichmäßige Verteilung ist schon fast mathematisch objektiv. Das Befassen mit diesem Problem bezeichne ich heute abend als Moral.

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nera
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Beitragvon nera » 10.12.2014, 02:40

aber um die guten sitten, ob sie nun wirklich gut oder schlecht sind, und für wen sie nun gut oder schlecht sind, irgendwie einordnen zu können, müssen wir sie hinterfragen. und sie haben ja nichts mit gerechtigkeit zu tun. sondern in weit ich oder jemand anderes etwas aushalte/ aushält. und in wie weit ich es aushalte, dass der andere sich anders verhält. mir tut es ja nicht weh, dass (zb) andere frauen sich verschleiern, ob das nun nonnen sind oder gläubige islams. mir tut doch nur weh, wenn sie von dritten dazu gezwungen werden, weil ich befürchte, ich könnte auch dazu gezwungen werden.

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Beitragvon Pjotr » 10.12.2014, 03:07

Mit dem Begriff "Sitte" bin ich überfordert. Den habe ich noch nie verstanden. Ich kenne "Sittenpolizei", die prüft, ob ich ein Höschen unterm Kilt trage; oder "Sitte" im Sinn von "Brauch", das Rülpsen nach dem Essen, mag in manchen Gruppen Brauch sein. Ansonsten kann ich mit dem Sittenbegriff nix anfangen.

mir tut doch nur weh, wenn sie von dritten dazu gezwungen werden, weil ich befürchte, ich könnte auch dazu gezwungen werden.

Ja, aber darauf fußt ja auch jede soziale Emotion in jedem Lebewesen. Die Angst um den anderen ist gleichfalls ein Spiegel der Angst um sich selbst, zumal die Herde insgesamt auch Stütze jedes Einzelnen ist. Der Mensch, und viele Tiere, können sich in andere Wesen hineinversetzen. Das führt zu Miterleben, Mitgefühl, Mitleid ... Was Du mit dem Wort "nur" einführst, ist etwas ganz großes.

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Beitragvon nera » 12.12.2014, 10:47

ich habe eher das gefühl, das mein beitrag jede diskussion abgewürgt hat. sorry.

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Beitragvon Pjotr » 12.12.2014, 10:59

Das Gefühl habe ich nicht. Aber da Du gerade hier bist: Ich habe das Gefühl, Du meinst, es gibt keinen totalen Altruismus. Ich habe dieselbe Meinung. Was ich sagen wollte, ist, dass das am sozialen Wesen, und auch in der Liebe und so weiter, allerdings nichts ändert. Die Magnetismen und Emotionen bleiben dieselben.

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Beitragvon nera » 12.12.2014, 11:19

absolut! ich bin überzeugt, dass der mensch ein altruistisches herdentier ist, weil sein überleben davon abhängt. ;)

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Beitragvon Pjotr » 13.12.2014, 02:13

Und die Herde organisiert sich so, dass die Nahrung gleichmäßig verteilt wird. Für diesen Verteilungsmechanismus sorgen die einzelnen Hirne in der Herde, mit Schwarmwerkzeugen wie Gier, Neid, Zuneigung. Dadurch entsteht so etwas wie Moral, von innen heraus, logisch-evolutionär, weil, wenn es nicht so wäre, die Herde nicht existierte; die Moral bedingt ihr eigenes Vorhandensein. Die Moral wird komplizierter, je komplexer die Herde hierarchisiert ist: höherrangige Mitglieder bekommen mehr als andere. Der höhere Rang muss allerdings akzeptiert sein, sonst währt er nicht lange. Diese Akzeptanz hängt ab von der Kompetenz des "höherrangigen", sowie vom Grad der Unterwürfigkeit der anderen. Die jeweilige Moral reguliert sich selbst. Daher funktioniert Nord Korea nicht in Schweden, und Schweden nicht in Nord Korea -- derzeit. Aus meiner Sicht, sind die nordkoreanischen Untertanen ziemlich unterwürfig. Das heißt aber nicht, dass meine Moral die bessere ist. Wenn die alle Entscheidungen der Obrigkeit überlassen, hat das auch Vorteile in Bezug auf Bequemlichkeit und Risikolosigkeit. Wenn das gefällt, so sei das der Moralmaßstab (dort). Man soll mich ja auch nicht als bequem und risikolos bezeichnen, nur weil ich nicht Reinhold Messner auf den Mount Everest folge. -- Hiermit relativiere ich also was ich oben schrieb. Moral ist also doch zu einem gewissen Grad subjektiv. Aber das eher von Herde zu Herde, weniger innerhalb einer Herde.

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Beitragvon nera » 13.12.2014, 02:55

wenn moral nicht auch innerhalb einer herde subjektiv wäre, würde sie, die herdenmoral, nie hinterfragt.

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Beitragvon Pjotr » 13.12.2014, 03:36

Definitionssache: Nicht die Gesetze nenne ich Moral, sondern das Hinterfragen der Gesetze.

Und das Hinterfragen der Moral nenne ich Ethik.

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Beitragvon nera » 13.12.2014, 12:11

grübel???? sind gesetze nicht an moralischen vorstellungen (zumindest) orientiert? nehmen wir mal das homosexuellengesetz in russland, um mal von männern zu sprechen. ausgangspunkt dafür sind doch moralische vorstellungen.
dann gibt es ja noch die moralischen vorstellungen, die nicht unbedingt gesetzlich verankert sind. ich denke da an das tragen eines bh´s, gegen das die feministinnen irgendwann auf die strasse gegangen sind?

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Beitragvon Pjotr » 14.12.2014, 01:46

Solche "Moralvorstellungen" halte ich für unmoralisch; ich halte sie für Gesetzesvorstellungen. Diejenigen, die Angst vor Homosexuellen haben, bauen sich ein paar Gesetze zusammen, "Naturgesetze", "heilige Gesetze", "medizinische Gesetze" und so weiter, und hoffen, dadurch die Homosexualität aus der Welt schaffen zu können, auf dass man nicht mehr länger Angst zu haben braucht. Diese Vorgehensweise hat, meiner Ansicht nach, mit Moral sehr wenig zu tun. Eher mit Feigheit. Anstatt die eigene -- sinnlose -- Angst zu untersuchen, wird das Angstobjekt zu zertreten versucht. Das gleiche gilt ja auch für die Angst vor Ausländern, oder die Angst vor Chauvinismus an Stellen, wo keiner mehr ist.

Wenn ich moralisch nachdenke -- dieses Nachdenken bezeichne ich als Moral --, dann komme ich zu dem Ergebnis, dass das Verbot der Homosexualität zutiefst ungerecht ist. Jedes Argument der Verbieter lässt sich mit deren Waffen leicht widerlegen, was zeigt, dass die Argumente nur Pseudo-Argumente sind. Das eigentliche Argument, nämlich die Angst vor der Homosexualität, nennen die Verbieter nicht. Und dann komme ich zum Schluss: Angst ist Schmerz. Homophobie ist schmerzlich. Aber dieser Schmerz ist unendlich geringer als der Schmerz der Homosexuellen während ihrer Unterdrückung. Das ist ungerecht. Zutiefst ungerecht, zumal niemand zur Homosexualität gezwungen wird, umgekehrt jedoch die Verbieter anderen ihre Heterosexualität aufzwingen. Die Unfähigkeit, dieses Schmerzungleichgewicht einzusehen oder wenigstens zu erkennen, ist die Unfähigkeit zur Moral; es ist die Abwesenheit eines Gerechtigkeitssinns.

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Beitragvon Elsa » 14.12.2014, 08:41

Der Mensch an sich ist nicht altruistisch oder moralisch. Es wird ihm anerzogen oder eben nicht.

Da gab es eine Studie z.B. über Körperpflege. Die muss anerzogen werden. Von allein kommt der Mensch nicht auf die Idee, sich waschen zu müssen. Lernt er es nicht als Kleinkind, findet er das auch als ausgewachsener Mensch überflüssig. Das gilt auch für Ethik, Moral, Altruismus.

Liebe Steinzeitgrüße
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Beitragvon nera » 14.12.2014, 10:08

nein elsa. es gibt studien, die zeigen, das es mitgefühl oder altruismus gibt. eventuell sind die spiegelneuronen dafür verantwortlich.
wie das mit dem waschen ist, weiß ich nicht. an geüche kann man sich gewöhnen, d.h. man riecht sie irgendwann nicht mehr.

pjotr, ich wollte damit nur sagen, dass bestimmte moralvorstellungen auch zu gesetzen werden können. in der brd gab es bis 58 zb das letztendscheidrecht für männer gegenüber ihren frauen, was dann eigentlich den gleichheitssatz wieder beeinschränkte.

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Beitragvon Elsa » 20.12.2014, 09:36

Liebe Nera, die Spiegelneuronen lehren, etwas nachzumachen, was andere vorleben. Daher "spiegelt" es einem, was gut oder schlecht ist, man tun darf oder nicht. Das Kind schon will in der Kita siegen, wenn es sein muss, mit Gewalt. Es lernt mit der Zeit, sich zu beherrschen @Spiegelneuronen.
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