Handskizzierte Tage

Bereich für Erzähl- und Sachprosa, also etwa Kurzgeschichten, Erzählungen, Romankapitel, Essays, Kritiken, Artikel, Glossen, Kolumnen, Satiren, Phantastisches oder Fabeln
michelfritz

Beitragvon michelfritz » 24.01.2018, 18:42

An die handskizzierten Tage, die nach Blei
und Angstschweiß rochen, erinnert noch die Trage-
tasche aus Papier. Aus der Walachei
brachtest du die filterlosen Kippen.


(Von Brücken schattiert, und skelettiert die vielen Gedanken an anarchische Gesellen, die schon im Hellen wie Falter flattern. Hier, wo stupide Fähnchen knattern und Banner drohen, Geist zu verkaufen. Bei denen, die überlichtet verrohen und die Finsternis saufen, die Luft ins Räderwerk pumpen, ans Delirium gewöhnt, in erlesenen Lumpen mauerhaft erstarren, und, mit Schattenfall versöhnt, doch nur in einem Abgesang verharren.

Von Brücken schattiert und eregiert in höhlenden Seufzern einer verwaisten Gestalt, wo schon friert, wer kalt ruft nach heißen Brüsten, nach versalzenem Fleisch. Hier, bei denen, die wüßten, wie’s Leben nulleben verhallt, heischt empathisch die Scheuche nach Krähen. Die Wirklichkeit knallt die Hacken zusammen, da Utopien nur um Gnade flehen, ihre Schrammen als Souvenirs verscheuern, und ihren Abgesang erneuern.

Von Brücken schattiert und imitiert von selbstlosen Rufern nach Freiheit und Mengenrabatt, die an beiden Ufern Flaschenpost spielen. Wer hier schon speit, bleibt satt, zielen Regenschüsse auch aufs Giftgesträuch. Fielen Sonnengüsse selbst in wüstes Land, die Opfersuche ist satellitisch exakt. Und ein Flaschenpostpfand. Nackt tanzen die Sterne über’m fluoreszierenden Seismographen, während die Enten den Abgesang verschlafen.

Von Brücken schattiert und ausstaffiert mit Nesselstauden für die Symbiose aus Schmerz und Natur, wo sich den Fessellauten Fischgetose beimischt, wie dem Elfenbeinherz eine Kalkgravur. Hier ist nicht, wo die Spur der Steine zur Revolte führt. Auch kein freies Geleit für ermüdete Beine, die zerschlissene Leibgeister tragen. Kaum jemand rührt die Hand, um den brandenden Applaus während des Abgesangs zu hinterfragen.

Von Brücken schattiert und observiert von Nachbararmeen, die nachts den Ratten Fährten legen, wo vorher nur die Katzen pissten. In den Überlandalleen hängen Matten an Bäumen, Gehegen, wo den Lebensvermissten Freitodkreuze wuchern. Vom Wald her drängen Wurzeln den Beton, Ohnmacht zuzugeben. Und zwischen mörderischen Giftpilzsuchern und Hitlerjüngern wird hier niemand das Ende des Abgesangs erleben.)


Dunkelheit war keine Aussicht, nur ein Schwur.
Den Speichel kochen, an dessen Nebel nippen
und ölgepfützte Farbe sein. Bloß die Spur
handskizzierter Tage nicht verwischen.

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 26.01.2018, 20:48

Hallo Michelfritz,

Willkommen im Forum.
Die Form und der Einstieg hier gefallen mir sehr gut. Es finden sich kraftvolle, teils auch befremdliche Bilder und Worte im Text, ich kann für mich nur noch nicht richtig einordnen, wohin die Kraft ziehen soll, oder woher sie kommt. Vielleicht sind es auch nur viele einzelne Nadelstiche in alle mögliche Richtungen. Auf jeden Fall kein Wohlfühltext.

Liebe Grüße
Ylvi
Das ist das Schöne an der Sprache, dass ein Wort schöner und wahrer sein kann als das, was es beschreibt. (Meir Shalev)

michelfritz

Beitragvon michelfritz » 30.01.2018, 16:25

Hallo Ylvi,

Danke für die Begrüßung, Danke für den prompten Kommentar.
Leider kann ich Dir bei der Deutung nicht helfen. Aber Deine Anerkennung tut gut gewissermaßen.
Eine Bitte: Ich hätte diesen Text gerne woanders...unter lyrische Prosa oder so. Prosaische Lyrik?
Als dümmlicher Neuling hatte ich es mit dem Einstellen nicht so leicht. ;)

Danke fürs Lesen und Berichten,
michelfritz

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 01.02.2018, 13:02

Eine Bitte: Ich hätte diesen Text gerne woanders...unter lyrische Prosa oder so. Prosaische Lyrik?
Dafür haben wir keine eigene Rubrik, aber sowohl in Lyrik als auch in Prosa findest du hier Texte, die sich nicht festlegen lassen. Ich habe es jetzt mal nach Prosa verschoben, wenn das für dich nicht passt, melde dich einfach nochmal.
Das ist das Schöne an der Sprache, dass ein Wort schöner und wahrer sein kann als das, was es beschreibt. (Meir Shalev)


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