Werden wir alle göttlich?

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Kurt
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Beitragvon Kurt » 21.02.2019, 16:02

"Die Freiheit liegt darin, dass man sie denken kann."

Ich hatte einen Traum:

Ausblick

Das Dasein fügt sich nicht selbst Schaden zu, sondern schreibt sich und seine Informationen nur um!

Ist es nicht so, dass vor dem Ableben Informationen aus dem Körper auf eine andere Ebene kopiert und so den ganzen Menschen ins Jenseits (andere Daseinsebene) befördern, wo das Individuum dann als geisternde Erscheinung weiterexistiert und die schlimmen Erfahrungen als Erdwesen, Schmerz, Trauer, Ungerechtigkeit nur mehr als codierte Ideen im Geistigen schmerzfrei wahrgenommen und mit ihnen kommuniziert wird als geistiger Reichtum. So hat die Daseinsstufe auf der Erde ihren Sinn und verliert gleichsam ihren Schrecken. Die durchlebte, durchlittene, durchliebte gesamte unmittelbar fassbare vitale Bandbreite des polarisierten Lebens zwischen Freude und Trauer, Tag und Nacht, wird zu einem bewusstseinserweiternden Lernprozess, ein Erfahrungsschatz, letztlich mitkonzipiert fürs Jenseits.

Im Jenseits kann man so das Böse leben, ohne jemanden im Geringsten vital zu schädigen, im Gegenteil, es wird Teil eines lebendigen Spiels vermehrter geistiger Möglichkeiten. Als Geistwesen nimmt der Mensch keinen Raum ein. Die erdeigenen Erfahrungen eines Menschen gehören aber nicht mehr zu seinem entsprechenden Ich. Das Ich ist ein vorübergehender Insolvenzverwalter im Irdischen, der mit dem Hirntod verschwindet. Im Jenseits gibt es kein abgegrenztes Ego, alle haben an allem teil. So kann der Geist eines gestorbenen Säuglings ebenso intensiv an der geistigen Welt des Jenseits teilhaben wie der eines mit 80 Jahren Verstorbenen mit einem sehr hohen Haben auf seinem irdischen Erfahrungskonto. Der Alte hat mehr mit eingebracht, ist aber der Möglichkeit enthoben, es auf sich selbst zu beziehen. Darum sind die Wesen im Jenseits frei. Auf der Erde hat die Liebe einen ähnlichen Charakter, sie durchdringt die individuelle Grenze und ist dann weit mehr und anders als die Summe ihrer verschmelzenden Teile.
"Wir befinden uns stets mitten im Weltgeschehen, tun aber gerne
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Quoth
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Beitragvon Quoth » 23.02.2019, 22:03

Kurt hat geschrieben: Die erdeigenen Erfahrungen eines Menschen gehören aber nicht mehr zu seinem entsprechenden Ich. Das Ich ist ein vorübergehender Insolvenzverwalter im Irdischen, der mit dem Hirntod verschwindet. Im Jenseits gibt es kein abgegrenztes Ego, alle haben an allem teil.

Damit, Kurt, löst sich Deine traumhafte Spekulation in blauen Rauch auf. Was bleibt von Erfahrung ohne das Subjekt, das sie gemacht hat?
Gruß Quoth
Barbarus hic ego sum, quia non intellegor ulli.

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Pjotr
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Beitragvon Pjotr » 24.02.2019, 01:09

Ich bin der Ansicht, Quoth, dass Erfahrung kein Subjekt benötigt, also keiner Ich-Empfindung bedarf. Klingt unlogisch, aber nur deshalb, weil es sprachlich so konstruiert ist, dass Erfahrung (über Empfindung) ohne Subjekt nicht ankommt. Reiner Sprachtrick. Hat mit der Phänomenologie der Empfindungen an sich nichts zu tun, denke ich. Man kann nicht behaupten, in einer Amöbe entstünden, weil sie kein Ich habe, keine Empfindungen. Sie muss ja auf ihre Umwelt reagieren. Je nach Hypothese, kann man der Amöbe eine Ich-Empfindung zusprechen, damit sie überhaupt vielerlei empfinden kann, oder ihr das Ich absprechen, und sie trotzdem vielerlei empfinden lassen. Es ist -- so oder so -- faszinierend bis angenehm-gruselig.

P.

Quoth
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Beitragvon Quoth » 24.02.2019, 08:51

Selbst das Göttliche musste leidendes Subjekt werden, um glaubhaft zu sein. Quoth
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Kurt
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Beitragvon Kurt » 02.03.2019, 09:43

Quoth, ich verstehe es einfach so: Nehmen wir mal an, deine Ur-Ur-Großmutter hätte einen Kuchen kreiert/gebacken, der auf eine eigenartige oder zufällige Weise zustande gekommen ist, und die Alte hätte alle Zutaten festgehalten, auch die Umgebungstemperatur notiert, in der sich dieser Kuchen entwickelt hat. Das wären die INFORMATIONEN, die jenen Kuchen ausmachen, und dieses Geheimrezept ist noch immer im Besitz deiner Familie. Nun könnten wir den Kuchen wieder zum Leben erwecken, indem wir genau nach Rezeptanweisung vorgehen. Aber der “individuelle” Urkuchen
wäre es nicht. Übrigens sind sich der Großteil der Naturwissenschaftler einig, dass das “Ich” nur ein Illusinorisches ist, jedoch pragmatische Funktion hat.

LG Kurt
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Beitragvon Quoth » 17.03.2019, 19:12

Zu diesen "Illusinorikern" gehöre ich nicht, bin auch kein Naturwissenschaftler, will aber meinen Bruder, Physiker, mal fragen, was er darüber denkt! Dass Urgroßmütter in ihren Rezepten weiterleben, ist eine schöne Idee.
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Kurt
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Beitragvon Kurt » 18.03.2019, 17:08

Die Ur-Ur-Oma lebt überhaupt nicht weiter, genauso wenig, wie Einer, der etwa behauptet, in seinen Kindern weiterleben zu können.

LG Kurt
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Beitragvon Pjotr » 18.03.2019, 22:30

Ein Besprecher des Lebens muss zuerst seinen Lebensbegriff erklären.

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Beitragvon Kurt » 19.03.2019, 01:16

Hier geht es ums ICH, dass diese Person weiter existent ist. Und die Kuchen nach Rezept sind nicht die selben wie die des Urkuchens, sondern nur gleich, wie ein Klon von einem bestimmten Menschen nicht derselbe Mensch ist, sondern nur ihm gleicht.

LG Kurt
:??:
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Beitragvon Pjotr » 19.03.2019, 01:52

Erkläre das Ich. Was ist das?

Ja, wahrscheinlich gleicht kein Kuchen ganz genau dem anderen.

Alles Raumbewegliche, wie etwa warme Kuchenmoleküle, verändern sich wahrscheinlich ohnehin ständig in der 4-dimensionalen Raumzeit, zumindest immer spätestens nach jedem Ablauf einer Planck-Zeit, also in einem äußerst schnellen Rhythmus. Das bedeutet, schon ein Kuchen für sich ist nach einem Sekundenbruchteil schon nicht mehr der, der er einmal war. Was für den Kuchen gilt, gilt sicherlich auch für andere warme Objekte. Für organische Zellen sowieso. Der Zellhaufen ändert sich fortlaufend. Woraus besteht seine Identität, wo er sich doch stetig verändert? Ist Identität ein System? Wenn ja, kann das System woanders weiterbestehen?

Eine Identität ist eine Geschichte der Veränderungen.

Wann ist die Geschichte der Veränderungen zu Ende?

Beobachtungen zufolge geht die Veränderungsgeschichte im Fäulnisverlauf weiter.

Und auch danach, solange die Wärme für Bewegung sorgt.

Fischstäbchen haben eine Identität, denn es steckt eine Veränderungsgeschichte dahinter. Irgendwann werden sie eingefroren. Da endet die Veränderungsgeschichte -- vorerst. Nach dem Auftauen geht die Veränderungsgeschichte weiter.

Interessanterweise -- und das ist jetzt sicherlich Zufall -- hat ein Fischstäbchen die Form eines Sarges. Die Sarghülle besteht aus Backteig, und darin liegt das Fleisch. Der Sarg wird eingefroren, also der Lebenslauf wird eingefroren. Dann wird er wieder aufgewärmt, und weitere Ereignisse werden stattfinden. Die Geschichte will kein Ende nehmen. Wann ist ein Fisch ein Fisch? Ein Fisch ist ein Fisch, wenn der Sprecher sagt, es sei ein Fisch.

Kurt
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Beitragvon Kurt » 19.03.2019, 06:27

Joor, joor.

LG Kurt
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