2. nordische Geschichte "Tilbake"
Verfasst: 09.12.2005, 11:07
• „Tilbake“ (Zurück)
Wir fanden wieder den Weg in die Abgeschiedenheit Norwegens, eine Hütte in den Bergen des Hardanger war unser Ziel, weit abgelegen, ohne Strom und Wasser, 1000 Meter hoch gelegen, einsam, einfach nur einsam.
Die Gegend kam mir bekannt vor Weihnachten war ich hier spazieren gegangen als alles im Schnee versank und hier irgendwo war ich dem Schamanen begegnet, die Geschichte mit dem Drömmecatcher fiel mir ein.
Mein Sohn brachte uns in die Einsamkeit ich freute mich auf ein paar Tag, so nah dem Himmel, ohne Autolärm , mit herrlicher Fernsicht auf den Pestestolen, einem gigantischen Bergmassiv.
„Ihr habt nur einen Nachbarn, es ist ein alter Ermit, aber er wohnt 4 km ab,“ lächelte mein Sohn und dann waren wir allein.
Ich jubelte, nur Heidekraut, Steine mit Moos, ein kleiner Bach suchte sich glucksend den Weg vorbei an den blanken und rundgewaschenen Steinen ein plätscherndes Lied singend .Meine Flöte war das erste, was ich auspackte. Ihr Jubilieren, zwei und dreistimmig, gaben die Berge als Echo zurück...“Ein schöner Tag“ Amacing grace...“ und immer wieder....“ Ich weiß, nicht was soll es bedeuten....“
Es versprach wunderbare Tage zu werden. Unsere Vermieter waren sehr besorgt um uns, beklagten den schlechten Weg, der 9 km durch einsames Waldgebiet zu unserer Hütte ging. Am nächsten Tag sollte der Weg dorthin ausgebessert werden, extra für uns. Der erste Tag unseres Urlaubs war mit Einkaufen und Besuchen von Freunden und unserem Sohn verplant und so war es fast Mitternacht, als wir uns auf den Heimweg machten.
Man hatte ja den ganzen Tag am Weg gearbeitet nun erwarteten wir eine schlaglochfreie Strecke bis zu unserer Hütte, müde und zuversichtlich fuhren wir los.
Ein einsamer Weg die ersten km verliefen wunderbar, wir staunten wir fleißig die Wegearbeiter waren. Überall war Sand aufgeschüttet, die Schlaglöcher begradigt und wieder festgewalzt. Nur eins hatten die fleißigen
Arbeiter nicht bedacht, am Nachmittag hatte ein Gewitterregen den aufgeschütteten Sand in Schlamm verwandelt .Und wir haben ja keinen Allradantrieb wie das bei den Einheimischen so üblich ist. Also fuhren wir mutig weiter. Nach etwa 6 km Wegstrecke und einigen kritischen Stellen....tsch tsch tsch…. und wir saßen fest. Nichts ging mehr, nicht vor und nicht zurück. Nacht, Matsche, Regen, müde, eine denkbar schlechte Situation. Er war so finster, man konnte die Hand nicht vor Augen sehen, ein einsamer Weg, kein Haus weit und breit.
Was tut man da? Hm, ja natürlich, her mit dem Handy, Sohn anrufen er soll was organisieren, uns da wieder rausholen. Aber „ tüüüüüüt tüüüüüüt „ der Sohn ist nicht da. Ihm war wohl eingefallen noch einen Freund zu besuchen. Also, mal schauen, wo ist die Taschenlampe. Jaaaa, gut, wir haben eine riesengroße Taschenlampe mit neuen starken Batterien, wir schauen uns an, einer muss Hilfe holen, einer am Auto bleiben. Unser ganzes Hab und Gut war ja drin und wir steckten mitten auf dem Weg fest. Ich ??? Alleine bleiben???? Niemals!!!!!!In dieser Finsternis??? Ne , ne, nicht mit Hella, dann schon lieber mit Taschenlampe zurücklaufen und Hilfe holen. Aber 5 km...hmmm.....ein langer Weg durch Matsch und Schlamm und es regnete ja immer noch. Aber immer noch besser als allein zurückbleiben. Also Rucksack mit Ausweispapieren und Geld, die Taschenlampe. 100 Ermahnungen und Ratschläge, wie: “Bleib immer auf dem Weg!“ Die Komik war unübersehbar, bin ich Rotkäppchen????? Mir war alles andere als zum Lachen zu Mute und so stiefelte ich los. Stiefelte? Immer fast bis zu den Knien im Schlamm. Meine Schuhe waren eh hin und meine Wildlederhose würde das auch nicht überstehen. Solche und ähnliche Gedanken beschäftigten mich erst mal, damit ich nur nicht daran denken musste, was ich da gerade machte...nämlich eine unglaubliche nächtliche Tour durch ein einsames Waldgebiet. Die Bäume waren bedrohlichen Gespenstern gleich, der Wind rüttelte und schüttelte sie. Ich leuchtete nur nach vorne auf meinen Weg nur nicht nach rechts und links schauen und schon gar nicht zurück. Wie weit sind 5 km zu fuß? Endlos! Mit verdreckten, nassen Schuhen und Füssen ist es doppelt so lang. Mein Gott, wohnte denn hier niemand? Nein ich hatte kein Haus gesehen. Ich erinnerte mich an irgendeinen Film, da hat doch jemand gesungen, damit die Angst verging. Singen? Hm ja das kann ich ja. Also sang ich leise vor mich hin. Alle meine Lieder sang ich durch und stiefelte tapfer weiter. Im Schlamm kam ich nur langsam voran. Der Regen peitschte mir ins Gesicht, unangenehm, mich schüttelte es.
Plötzlich traute ich meinen Augen nicht, vor mir tauchte ein flackerndes Licht auf. Mir kam jemand mit einer Taschenlampe entgegen.Mein Herz sank vor Furcht immer tiefer. "Hallo.....!“ rief ich und noch mal „Hallo!“
Ein schwarzer Schatten hinter dem flackernden Licht wurde größer und leuchtete mir ins Gesicht. Hände umfassten meine Oberarme und schüttelten mich “Hvem er du da?“ „Wer bist du?“ fragte der Mann und „ Was machst du mitten in der Nacht hier.....?“ krächzte die Stimme in Norwegisch. Mir wurden die Knie weich und plötzlich durchfuhr mich ein Gedanke, die Stimme; ich kannte die Stimme. Das war doch nicht möglich, ich leuchtete meinerseits in das Gesicht meines Gegenüber und sah in die fassungslosen Augen meine Freundes, des Schamanen, in dessen Haus ich im Winter gelangt war. Vor Erleichterung stöhnte ich auf. Die Anspannung wich ein bisschen aber ich zitterte am ganzen Körper. Der alte Mann war wohl unser Nachbar, den mein Sohn gemeint hatte, wenn auch einige Kilometer entfernt. So richtig glauben konnte ich mein Glück nicht, ich war zu nass und kalt und erschöpft. Er fasste mich am Arm und zog mich mit sich fort. Ich zitterte wie Espenlaub und war nicht in der Lage in Norwegisch zu erzählen was geschehen war und warum ich mitten in der Nacht allein an diesem einsamen Ort war. Der alte Mann sprach leise und beruhigend auf mich ein und irgendwie gelangten wir zu seinem Haus.....ich hatte mich selten so hilflos gefühlt. Ich erkannte sein Haus und nachdem er mich ein eine warme Decke gehüllt hatte und vor den Kamin gesetzt hatte, heißen Tee eingeflösst hatte, kehrten meine Lebensgeister wieder. Also versuchte ich ihm in norwegisch zu erklären, was passiert war. Er fackelte nicht lange, versuchte noch mal meinen Sohn anzurufen und alarmierte auch gleich Freunde mit einem Traktor, denn man musste ja auch schnellstens meinen Mann aus seiner misslichen Lage befreien. Meine Energie schien zurückzukommen, aber ich hatte keine Chance, ich wurde in eine kleine Kammer bugsiert und der Alte wies auf das Sofa, drückte mir noch ein paar Kissen in die Hand und zog die Tür zu. Ich hörte ihn noch sagen, dass er meinen Lieben sagen wolle, dass ich in Sicherheit war.
Also mir war eh alles egal, ich war völlig übermüdet hatte immer wieder Schüttelfrost und legt mich einfach auf dieses alte knarrende Sofa......und schlief sofort zwischen herrlich weichen Kissen ein. Ich bekam nichts mehr mit, nicht das mein Wohltäter das Haus verließ, ich hörte nicht den Traktor, der unser Auto aus dem Schlamm zog, sah nicht die Aktivitäten....das halbe Dorf war die Nacht unterwegs um unser Auto ins Dorf zurückzuholen. Ich wurde wach von leiser Musik, nein ich wollte gar nicht wach werden.....mein Nacken schmerzte ein bisschen und irgendwie wusste ich nicht so recht wo ich war. Sicher war es der Tee, der mich in süße Träume geschickt hatte. Leises Klopfen ließ mich endlich aus dem Reich der Träume kommen. Nun wusste ich wo sich war und mit einem Satz war ich vom Sofa runter. Ich wickelte die alte Decke um mich, denn meine nassen Sachen hingen zum Trocknen am Kamin. Ich öffnete die niedrige Tür der Kammer und kam in den Wohnraum. Der Kamin flackerte und knisterte, es roch nach Kaffee und frischem Brot. Irgendwie kam ich mir vor wie in einem falschen Film. Der alte blankgescheuerte Tisch war liebevoll gedeckt. Ich entdeckte meine Sachen, die inzwischen getrocknet waren, schnappte sie mir und lief zurück in die Kammer. Ich zog mich schnell an. Von dem Schamanen war nichts zu sehen. Alle meine Lebensgeister waren wieder da. Ich ging nun durchs Haus, klopfte an jede Tür, aber niemand war da. Ich trat vor die Tür ins Freie, die Sonne kam gerade über die Berge und tauchte dieses Fleckchen Erde in gleißendes Licht. Kannengeschepper machte mich auf die kleine Scheune aufmerksam. Ich ging leise über die taubedeckte Wiese und öffnete vorsichtig die Tür. Da saß der alte Mann, dessen Name mir nun wieder einfiel “Kjell“, er saß inmitten einiger Ziegen und holte sich die morgendliche Milch. Als er mich bemerkte, wandte er den Kopf ein Strahlen ging über sein faltiges Gesicht. „Frokost“(„Frühstück“) sagte er und wir verließen den Stall. Er gab mir zu verstehen, dass in der Nacht alles geklappt hatte und ich mir keine Sorgen machen müsste. Er öffnete die Tür seiner Hütte und machte eine einladende Handbewegung. „Frokost“ wiederholte er stolz und schüttete mir eine Riesentasse Ziegenmilch ein. Also ehrlich ein Kaffee wäre mir lieber, dachte ich. Aber, gehorsam setzte ich mich an den groben Tisch „Mmm....Ziegenmilch ,köstlich, nie trank ich besseres, mit leuchtenden Augen schaute der alte Mann, wie ich in einem Zug die große Tasse leerte.
Er setzte sich an das andere Ende vom Tisch und fing an Brote zu schmieren, sie mit köstlichem Käse zu belegen und eins nach dem anderen schob er mir zu. Ja..... Ich war ausgehungert, die Anspannung war weg.....irgendwann würden sie mich hier schon abholen, mein Mann und mein Sohn. Hoffentlich nicht so schnell, ich genoss es so verwöhnt zu werden. Im Nebenraum läutete das Telefon. Mit schlurfenden Schritten ging mein Gastgeber nach nebenan. Nein, ich konnte nicht verstehen was er sagte, offensichtlich sprach er mit meinem Sohn und als er zurück kam leuchteten seine Augen. Er machte eine beruhigende Geste und gab mir zu verstehen, dass ich erst in 2 Stunden abgeholt würde. Ich freute mich und lachte fröhlich. Herrlich, noch 2 Stunden bei meinem netten Gastgeber. Eine friedliche Stimmung machte sich breit. Wir frühstückten ausgiebig weiter und er erzählte immer wieder leise und zeigte aus dem Fenster. Die Sonne hatte es geschafft über die Berge zu kommen. Er mache eine Handbewegung und zeigte auf das Panorama um uns herum, ein zauberhaftes Stückchen Erde. Die Sonne hatte den Regen und die schwarze Nacht vertrieben. Er lächelt mir zu, ich fühlte mich zu Hause. Er stand auf und nahm meine Hand und zog mich mit vor die Tür der Hütte. Er bugsierte mich zu einer grobgezimmerten Bank vor dem Haus und bedeutete mich hier zu warten. Er schlurfte wieder ins Haus zurück und kam mit der Kiste zurück, die ich schon von meinem Besuch im Winter kannte. Er stellte sie auf meinen Schoss und öffnete sie, ein paar Bilder sah ich, eine sehr jung Frau, die mir da auf einem Foto entgegenlachte.
Ich sah in fragend an. Er nickt und ein trauriger Schatten fiel über seine Augen. Seine Hand kramte in der Kiste und er gab mir ein Amulett, nein nichts besonders wertvoll denke ich, aber es schien ihm wichtig zu sein mir dieses zu schenken. Ich nahm es und hängte es mir um den Hals. Ich betrachtete das Foto der jungen Frau einen Augenblick und dann schaute ich ihn an, sah seine Tränen in den Augen. Ich sah sein Nicken, keine Frage, ich sehe dieser Frau ähnlich... Er gab mir in einfachem norwegisch zu verstehen, dass ich seine Tochter sein könnte. Ich fühlte mich diesem alten Mann sehr verbunden. Die Zeit verging und wir saßen schweigend nebeneinander. Ich nahm seine abgearbeitete Hand und streichelte sie. Motorenlärm näherte sich, meine Abholer standen vor der Tür, sie kamen mir einen Augenblick wie Eindringlinge vor. Aber das Abenteuer war zu Ende und alle waren froh, dass es so gut abgegangen war. Man hatte inzwischen mit einem Traktor alle unsere Sachen aus der Hütte geholt, denn der Weg dorthin war unpassierbar für unser Auto. Wir schliefen noch 4 Tage bei unserem Sohn und ich nahm mir die Freiheit noch zweimal zu meinem Retter zu gehen. Nach meiner Erzählung hatten mein Lieben Verständnis und so konnte ich dem alten Mann noch ein paar Stunden meine Dankbarkeit zeigen. Ich hoffe ich bin nicht das letzte Mal dort gewesen. Eine neuerliche Begegnung, die ich niemals vergessen werde. Heute rief mich mein Sohn an und erzählte dass er den Schamanen besucht hatte. Er hatte herausbekommen, dass er 88 Jahre ist, ein alter, weiser Mann und auch mein Sohn fühlt sich zum ihm hingezogen. Wenn es einen nordischen Gott gibt, so wird er diese beiden lieben Menschen, die mir so viel bedeuten beschützen. Das Amulett hängt über meinem Bett und erinnert mich täglich an einen Lebensfreund.
Hella
Wir fanden wieder den Weg in die Abgeschiedenheit Norwegens, eine Hütte in den Bergen des Hardanger war unser Ziel, weit abgelegen, ohne Strom und Wasser, 1000 Meter hoch gelegen, einsam, einfach nur einsam.
Die Gegend kam mir bekannt vor Weihnachten war ich hier spazieren gegangen als alles im Schnee versank und hier irgendwo war ich dem Schamanen begegnet, die Geschichte mit dem Drömmecatcher fiel mir ein.
Mein Sohn brachte uns in die Einsamkeit ich freute mich auf ein paar Tag, so nah dem Himmel, ohne Autolärm , mit herrlicher Fernsicht auf den Pestestolen, einem gigantischen Bergmassiv.
„Ihr habt nur einen Nachbarn, es ist ein alter Ermit, aber er wohnt 4 km ab,“ lächelte mein Sohn und dann waren wir allein.
Ich jubelte, nur Heidekraut, Steine mit Moos, ein kleiner Bach suchte sich glucksend den Weg vorbei an den blanken und rundgewaschenen Steinen ein plätscherndes Lied singend .Meine Flöte war das erste, was ich auspackte. Ihr Jubilieren, zwei und dreistimmig, gaben die Berge als Echo zurück...“Ein schöner Tag“ Amacing grace...“ und immer wieder....“ Ich weiß, nicht was soll es bedeuten....“
Es versprach wunderbare Tage zu werden. Unsere Vermieter waren sehr besorgt um uns, beklagten den schlechten Weg, der 9 km durch einsames Waldgebiet zu unserer Hütte ging. Am nächsten Tag sollte der Weg dorthin ausgebessert werden, extra für uns. Der erste Tag unseres Urlaubs war mit Einkaufen und Besuchen von Freunden und unserem Sohn verplant und so war es fast Mitternacht, als wir uns auf den Heimweg machten.
Man hatte ja den ganzen Tag am Weg gearbeitet nun erwarteten wir eine schlaglochfreie Strecke bis zu unserer Hütte, müde und zuversichtlich fuhren wir los.
Ein einsamer Weg die ersten km verliefen wunderbar, wir staunten wir fleißig die Wegearbeiter waren. Überall war Sand aufgeschüttet, die Schlaglöcher begradigt und wieder festgewalzt. Nur eins hatten die fleißigen
Arbeiter nicht bedacht, am Nachmittag hatte ein Gewitterregen den aufgeschütteten Sand in Schlamm verwandelt .Und wir haben ja keinen Allradantrieb wie das bei den Einheimischen so üblich ist. Also fuhren wir mutig weiter. Nach etwa 6 km Wegstrecke und einigen kritischen Stellen....tsch tsch tsch…. und wir saßen fest. Nichts ging mehr, nicht vor und nicht zurück. Nacht, Matsche, Regen, müde, eine denkbar schlechte Situation. Er war so finster, man konnte die Hand nicht vor Augen sehen, ein einsamer Weg, kein Haus weit und breit.
Was tut man da? Hm, ja natürlich, her mit dem Handy, Sohn anrufen er soll was organisieren, uns da wieder rausholen. Aber „ tüüüüüüt tüüüüüüt „ der Sohn ist nicht da. Ihm war wohl eingefallen noch einen Freund zu besuchen. Also, mal schauen, wo ist die Taschenlampe. Jaaaa, gut, wir haben eine riesengroße Taschenlampe mit neuen starken Batterien, wir schauen uns an, einer muss Hilfe holen, einer am Auto bleiben. Unser ganzes Hab und Gut war ja drin und wir steckten mitten auf dem Weg fest. Ich ??? Alleine bleiben???? Niemals!!!!!!In dieser Finsternis??? Ne , ne, nicht mit Hella, dann schon lieber mit Taschenlampe zurücklaufen und Hilfe holen. Aber 5 km...hmmm.....ein langer Weg durch Matsch und Schlamm und es regnete ja immer noch. Aber immer noch besser als allein zurückbleiben. Also Rucksack mit Ausweispapieren und Geld, die Taschenlampe. 100 Ermahnungen und Ratschläge, wie: “Bleib immer auf dem Weg!“ Die Komik war unübersehbar, bin ich Rotkäppchen????? Mir war alles andere als zum Lachen zu Mute und so stiefelte ich los. Stiefelte? Immer fast bis zu den Knien im Schlamm. Meine Schuhe waren eh hin und meine Wildlederhose würde das auch nicht überstehen. Solche und ähnliche Gedanken beschäftigten mich erst mal, damit ich nur nicht daran denken musste, was ich da gerade machte...nämlich eine unglaubliche nächtliche Tour durch ein einsames Waldgebiet. Die Bäume waren bedrohlichen Gespenstern gleich, der Wind rüttelte und schüttelte sie. Ich leuchtete nur nach vorne auf meinen Weg nur nicht nach rechts und links schauen und schon gar nicht zurück. Wie weit sind 5 km zu fuß? Endlos! Mit verdreckten, nassen Schuhen und Füssen ist es doppelt so lang. Mein Gott, wohnte denn hier niemand? Nein ich hatte kein Haus gesehen. Ich erinnerte mich an irgendeinen Film, da hat doch jemand gesungen, damit die Angst verging. Singen? Hm ja das kann ich ja. Also sang ich leise vor mich hin. Alle meine Lieder sang ich durch und stiefelte tapfer weiter. Im Schlamm kam ich nur langsam voran. Der Regen peitschte mir ins Gesicht, unangenehm, mich schüttelte es.
Plötzlich traute ich meinen Augen nicht, vor mir tauchte ein flackerndes Licht auf. Mir kam jemand mit einer Taschenlampe entgegen.Mein Herz sank vor Furcht immer tiefer. "Hallo.....!“ rief ich und noch mal „Hallo!“
Ein schwarzer Schatten hinter dem flackernden Licht wurde größer und leuchtete mir ins Gesicht. Hände umfassten meine Oberarme und schüttelten mich “Hvem er du da?“ „Wer bist du?“ fragte der Mann und „ Was machst du mitten in der Nacht hier.....?“ krächzte die Stimme in Norwegisch. Mir wurden die Knie weich und plötzlich durchfuhr mich ein Gedanke, die Stimme; ich kannte die Stimme. Das war doch nicht möglich, ich leuchtete meinerseits in das Gesicht meines Gegenüber und sah in die fassungslosen Augen meine Freundes, des Schamanen, in dessen Haus ich im Winter gelangt war. Vor Erleichterung stöhnte ich auf. Die Anspannung wich ein bisschen aber ich zitterte am ganzen Körper. Der alte Mann war wohl unser Nachbar, den mein Sohn gemeint hatte, wenn auch einige Kilometer entfernt. So richtig glauben konnte ich mein Glück nicht, ich war zu nass und kalt und erschöpft. Er fasste mich am Arm und zog mich mit sich fort. Ich zitterte wie Espenlaub und war nicht in der Lage in Norwegisch zu erzählen was geschehen war und warum ich mitten in der Nacht allein an diesem einsamen Ort war. Der alte Mann sprach leise und beruhigend auf mich ein und irgendwie gelangten wir zu seinem Haus.....ich hatte mich selten so hilflos gefühlt. Ich erkannte sein Haus und nachdem er mich ein eine warme Decke gehüllt hatte und vor den Kamin gesetzt hatte, heißen Tee eingeflösst hatte, kehrten meine Lebensgeister wieder. Also versuchte ich ihm in norwegisch zu erklären, was passiert war. Er fackelte nicht lange, versuchte noch mal meinen Sohn anzurufen und alarmierte auch gleich Freunde mit einem Traktor, denn man musste ja auch schnellstens meinen Mann aus seiner misslichen Lage befreien. Meine Energie schien zurückzukommen, aber ich hatte keine Chance, ich wurde in eine kleine Kammer bugsiert und der Alte wies auf das Sofa, drückte mir noch ein paar Kissen in die Hand und zog die Tür zu. Ich hörte ihn noch sagen, dass er meinen Lieben sagen wolle, dass ich in Sicherheit war.
Also mir war eh alles egal, ich war völlig übermüdet hatte immer wieder Schüttelfrost und legt mich einfach auf dieses alte knarrende Sofa......und schlief sofort zwischen herrlich weichen Kissen ein. Ich bekam nichts mehr mit, nicht das mein Wohltäter das Haus verließ, ich hörte nicht den Traktor, der unser Auto aus dem Schlamm zog, sah nicht die Aktivitäten....das halbe Dorf war die Nacht unterwegs um unser Auto ins Dorf zurückzuholen. Ich wurde wach von leiser Musik, nein ich wollte gar nicht wach werden.....mein Nacken schmerzte ein bisschen und irgendwie wusste ich nicht so recht wo ich war. Sicher war es der Tee, der mich in süße Träume geschickt hatte. Leises Klopfen ließ mich endlich aus dem Reich der Träume kommen. Nun wusste ich wo sich war und mit einem Satz war ich vom Sofa runter. Ich wickelte die alte Decke um mich, denn meine nassen Sachen hingen zum Trocknen am Kamin. Ich öffnete die niedrige Tür der Kammer und kam in den Wohnraum. Der Kamin flackerte und knisterte, es roch nach Kaffee und frischem Brot. Irgendwie kam ich mir vor wie in einem falschen Film. Der alte blankgescheuerte Tisch war liebevoll gedeckt. Ich entdeckte meine Sachen, die inzwischen getrocknet waren, schnappte sie mir und lief zurück in die Kammer. Ich zog mich schnell an. Von dem Schamanen war nichts zu sehen. Alle meine Lebensgeister waren wieder da. Ich ging nun durchs Haus, klopfte an jede Tür, aber niemand war da. Ich trat vor die Tür ins Freie, die Sonne kam gerade über die Berge und tauchte dieses Fleckchen Erde in gleißendes Licht. Kannengeschepper machte mich auf die kleine Scheune aufmerksam. Ich ging leise über die taubedeckte Wiese und öffnete vorsichtig die Tür. Da saß der alte Mann, dessen Name mir nun wieder einfiel “Kjell“, er saß inmitten einiger Ziegen und holte sich die morgendliche Milch. Als er mich bemerkte, wandte er den Kopf ein Strahlen ging über sein faltiges Gesicht. „Frokost“(„Frühstück“) sagte er und wir verließen den Stall. Er gab mir zu verstehen, dass in der Nacht alles geklappt hatte und ich mir keine Sorgen machen müsste. Er öffnete die Tür seiner Hütte und machte eine einladende Handbewegung. „Frokost“ wiederholte er stolz und schüttete mir eine Riesentasse Ziegenmilch ein. Also ehrlich ein Kaffee wäre mir lieber, dachte ich. Aber, gehorsam setzte ich mich an den groben Tisch „Mmm....Ziegenmilch ,köstlich, nie trank ich besseres, mit leuchtenden Augen schaute der alte Mann, wie ich in einem Zug die große Tasse leerte.
Er setzte sich an das andere Ende vom Tisch und fing an Brote zu schmieren, sie mit köstlichem Käse zu belegen und eins nach dem anderen schob er mir zu. Ja..... Ich war ausgehungert, die Anspannung war weg.....irgendwann würden sie mich hier schon abholen, mein Mann und mein Sohn. Hoffentlich nicht so schnell, ich genoss es so verwöhnt zu werden. Im Nebenraum läutete das Telefon. Mit schlurfenden Schritten ging mein Gastgeber nach nebenan. Nein, ich konnte nicht verstehen was er sagte, offensichtlich sprach er mit meinem Sohn und als er zurück kam leuchteten seine Augen. Er machte eine beruhigende Geste und gab mir zu verstehen, dass ich erst in 2 Stunden abgeholt würde. Ich freute mich und lachte fröhlich. Herrlich, noch 2 Stunden bei meinem netten Gastgeber. Eine friedliche Stimmung machte sich breit. Wir frühstückten ausgiebig weiter und er erzählte immer wieder leise und zeigte aus dem Fenster. Die Sonne hatte es geschafft über die Berge zu kommen. Er mache eine Handbewegung und zeigte auf das Panorama um uns herum, ein zauberhaftes Stückchen Erde. Die Sonne hatte den Regen und die schwarze Nacht vertrieben. Er lächelt mir zu, ich fühlte mich zu Hause. Er stand auf und nahm meine Hand und zog mich mit vor die Tür der Hütte. Er bugsierte mich zu einer grobgezimmerten Bank vor dem Haus und bedeutete mich hier zu warten. Er schlurfte wieder ins Haus zurück und kam mit der Kiste zurück, die ich schon von meinem Besuch im Winter kannte. Er stellte sie auf meinen Schoss und öffnete sie, ein paar Bilder sah ich, eine sehr jung Frau, die mir da auf einem Foto entgegenlachte.
Ich sah in fragend an. Er nickt und ein trauriger Schatten fiel über seine Augen. Seine Hand kramte in der Kiste und er gab mir ein Amulett, nein nichts besonders wertvoll denke ich, aber es schien ihm wichtig zu sein mir dieses zu schenken. Ich nahm es und hängte es mir um den Hals. Ich betrachtete das Foto der jungen Frau einen Augenblick und dann schaute ich ihn an, sah seine Tränen in den Augen. Ich sah sein Nicken, keine Frage, ich sehe dieser Frau ähnlich... Er gab mir in einfachem norwegisch zu verstehen, dass ich seine Tochter sein könnte. Ich fühlte mich diesem alten Mann sehr verbunden. Die Zeit verging und wir saßen schweigend nebeneinander. Ich nahm seine abgearbeitete Hand und streichelte sie. Motorenlärm näherte sich, meine Abholer standen vor der Tür, sie kamen mir einen Augenblick wie Eindringlinge vor. Aber das Abenteuer war zu Ende und alle waren froh, dass es so gut abgegangen war. Man hatte inzwischen mit einem Traktor alle unsere Sachen aus der Hütte geholt, denn der Weg dorthin war unpassierbar für unser Auto. Wir schliefen noch 4 Tage bei unserem Sohn und ich nahm mir die Freiheit noch zweimal zu meinem Retter zu gehen. Nach meiner Erzählung hatten mein Lieben Verständnis und so konnte ich dem alten Mann noch ein paar Stunden meine Dankbarkeit zeigen. Ich hoffe ich bin nicht das letzte Mal dort gewesen. Eine neuerliche Begegnung, die ich niemals vergessen werde. Heute rief mich mein Sohn an und erzählte dass er den Schamanen besucht hatte. Er hatte herausbekommen, dass er 88 Jahre ist, ein alter, weiser Mann und auch mein Sohn fühlt sich zum ihm hingezogen. Wenn es einen nordischen Gott gibt, so wird er diese beiden lieben Menschen, die mir so viel bedeuten beschützen. Das Amulett hängt über meinem Bett und erinnert mich täglich an einen Lebensfreund.
Hella