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Bereich für Erzähl- und Sachprosa, also etwa Kurzgeschichten, Erzählungen, Romankapitel, Essays, Kritiken, Artikel, Glossen, Kolumnen, Satiren, Phantastisches oder Fabeln
Kurt
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Beitragvon Kurt » 15.02.2020, 17:44

Es ist nicht so, dass ich immer einen Sprung Rehe in der Natur auf ästhetische Weise betrachte, also mich an deren Schönheit labe, die ich möglicherweise auch nur in sie reintrage und an dem friedlichen Bild dieser meiner Mitgeschöpfe.

Ich kann meine Betrachtung augenblicklich korrigieren zu einer rationalen, indem ich nur noch die Rehe zähle und/oder nur den Schaden sehe, den sie den Ackerfrüchten auf dem Feld des Landwirts zufügen.

Ohne den schöngeistigen romantischen Blick wäre mein Leben ziemlich trostlos. So bin ich froh, mir einen Sinn dafür bewahrt zu haben. Wahr sind beide Betrachtungsweisen.
Zuletzt geändert von Kurt am 06.03.2020, 21:37, insgesamt 2-mal geändert.
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Klara
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Beitragvon Klara » 29.02.2020, 10:53

Die Frage ist, ob die Zuordnungen (Zuschreibungen) stimmen: "rational", "romantisch", "schöngeistig"
Und woher sie kommen.
Und wohin die Rehe gehen (die ja nicht geschlachtet werden, sondern abgeschossen).
Und ob das zusammengeht: Der Tod und die Schönheit.
Und ob der Trost vielleicht eher darin liegt, die eigene "Rationalität" zu erschüttern - und umgekehrt, die "Romantik" erschüttern zu lassen von anderer Betrachtungsweise. Oder darin, die Wahrnehmung so zuzulassen, wie sie kommt, ohne die Adjektiv-Etiketten.

Kurt
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Beitragvon Kurt » 29.02.2020, 11:31

Ja, mit den Adjektiven bin ich auch nicht ganz zufrieden. Aber das ich beim „freien“ Anblick äsender Rehe mich in eine „schöne“ Stimmung begebe ist Fakt. Anders, als wenn ich sie unter den benannten anderen Bedingungen (sind auch nur beispielhaft) betrachte.
Vielleicht sollte ich sie auch nur einmal zählend betrachten, ein andermal in ihrer Ästhetik.
Habe es ma korrigiert.

LG Kurt
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Pjotr
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Beitragvon Pjotr » 29.02.2020, 11:55

"Ohne den romantischen Blick wäre mein Leben ziemlich trostlos."

Eine gute, kluge Folgerung, finde ich das. Die Adjektive sind austauschbar, klar, aber man kann verstehen, was gemeint ist: Auf der einen Seite die wohltuenden Empfindungen, auf der anderen die Berechnung. -- Wir wären Roboter, bestünden wir nur aus Rechnerei.

Nebenbei taucht da die alte Frage auf, was kommt zuerst -- die Empfindung oder die Rechnung? Für mich ist diese Frage inzwischen unbeantwortbar. Man kann die Erzeugung guter Empfindungen planen mittels Berechnung (Freunde treffen, Alk trinken, Musik hören etc.), demnach ist der Rechner der Assistent des Wohlfühlsystems. Andererseits ist das Wohlfühlsystem der Assistent mathematischer Pläne (von einer Industrie erzeugter Tabakkaufzwang, von einer Politik erzeugte Wut etc.). Die Empfindung steuert die Rechnung, und die Rechnung steuert die Empfindung ...


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