Die des Lebens ...
Verfasst: 22.10.2020, 08:31
Die des Lebens Überdrüssigen
kratzten sich an ihren Köpfen,
schon jahrelang, von Minute
zu Minute, machten es sich
nicht leicht, gruben
die Nägel tief in die Haut.
Sie grübelten, worüber sie gedacht.
Die Oberfläche auf ihren
Köpfen war eine Kraterlandschaft,
wie auf dem Mond, nur mit
blutiger Kruste. Auch ihr
Ersonnenes verkrustete
und ihr Haupthaar wich
der Verkrustung.
Sie dachten, und sie kratzten; oft
kratzten sie mehr, als gedacht.
Seit zwanzig Jahren schon, kurz nach
Mitternacht, sagte sie:
“Wieder ein Tag weniger im Leben.”
Er antwortete jedes Mal:
“Ein Tag mehr.”
Schweigend gab sie ihm dann immer
einen Kuss auf die Stirn und trottete
ins Schlafgemach. Er folgte eine halbe
Stunde später. Da schlief sie bereits.
Er hatte Suizidgedanken.
Nachts trug er zuweilen
fantastische Krawatten,
gefertigt aus selbsterlegter
Klapperschlange, die Rassel
dazu verdeckt im Saum.
Seine Schuhe waren krokodilledern,
das Jagdmesser mit Griff
vom Elfenbein aus
reinen Gedanken.
Sie waren lichtscheu
wie blutrünstige Vampire.
Eines Morgens am Frühstückstisch
blätterte sie gelangweilt wie immer in
der Tageszeitung. Er schlurfte
seinen Rheumatee. Plötzlich fing sie an etwas
höhnisch zu lachen, sah von der Zeitung auf
in Richtung ihres Gatten und sagte:
„Guck an, eine neue Sex-Studie. Demnach haben
die Deutschen vier bis sechsmal die Woche
Geschlechtsverkehr. Und wir? Garni…“
Er fiel ihr ins Wort:
„Daran kannste mal wieder erkennen,
dass diese Studien nichts taugen.“
Gleichzeitig verabscheute er es, wie
sie sich in letzter Zeit gegenseitig hirnlos
in ihre Köpfe schossen.
Am Nachmittag zeigte die alte Linde
vor ihrem Fenster sich angeschlagen – mehr
ein Baum wie ein Mann als ein Mann wie ein Baum,
warf sie ihnen beim Lüften ein letztes Blatt auf
den Küchentisch wie ein Boxer das Handtuch. Abends
haben sie die Gebrochene hereingeholt an ihren Kamin.
Nachdem der Alte einige Stunden ins Feuer geschaut und
einige Flaschen Wein geleert hatte durchbrach er plötzlich
die knisternde Stille im Raum und sprach so laut, dass
seine schläfrig im Sessel sitzende Frau aufschreckte.
Er sagte: „Ich will nicht, dass du mich feuerbestatten lässt
und alle zum Leichenschmaus berufenen leibeigenen
Mikroben um ihr Erbe gebracht werden.“ Sie drehte ihren
Kopf weg und döste weiter. Seine Asche war längst besiegelt.
Sie wollte sich einen Diamanten draus fertigen lassen.
kratzten sich an ihren Köpfen,
schon jahrelang, von Minute
zu Minute, machten es sich
nicht leicht, gruben
die Nägel tief in die Haut.
Sie grübelten, worüber sie gedacht.
Die Oberfläche auf ihren
Köpfen war eine Kraterlandschaft,
wie auf dem Mond, nur mit
blutiger Kruste. Auch ihr
Ersonnenes verkrustete
und ihr Haupthaar wich
der Verkrustung.
Sie dachten, und sie kratzten; oft
kratzten sie mehr, als gedacht.
Seit zwanzig Jahren schon, kurz nach
Mitternacht, sagte sie:
“Wieder ein Tag weniger im Leben.”
Er antwortete jedes Mal:
“Ein Tag mehr.”
Schweigend gab sie ihm dann immer
einen Kuss auf die Stirn und trottete
ins Schlafgemach. Er folgte eine halbe
Stunde später. Da schlief sie bereits.
Er hatte Suizidgedanken.
Nachts trug er zuweilen
fantastische Krawatten,
gefertigt aus selbsterlegter
Klapperschlange, die Rassel
dazu verdeckt im Saum.
Seine Schuhe waren krokodilledern,
das Jagdmesser mit Griff
vom Elfenbein aus
reinen Gedanken.
Sie waren lichtscheu
wie blutrünstige Vampire.
Eines Morgens am Frühstückstisch
blätterte sie gelangweilt wie immer in
der Tageszeitung. Er schlurfte
seinen Rheumatee. Plötzlich fing sie an etwas
höhnisch zu lachen, sah von der Zeitung auf
in Richtung ihres Gatten und sagte:
„Guck an, eine neue Sex-Studie. Demnach haben
die Deutschen vier bis sechsmal die Woche
Geschlechtsverkehr. Und wir? Garni…“
Er fiel ihr ins Wort:
„Daran kannste mal wieder erkennen,
dass diese Studien nichts taugen.“
Gleichzeitig verabscheute er es, wie
sie sich in letzter Zeit gegenseitig hirnlos
in ihre Köpfe schossen.
Am Nachmittag zeigte die alte Linde
vor ihrem Fenster sich angeschlagen – mehr
ein Baum wie ein Mann als ein Mann wie ein Baum,
warf sie ihnen beim Lüften ein letztes Blatt auf
den Küchentisch wie ein Boxer das Handtuch. Abends
haben sie die Gebrochene hereingeholt an ihren Kamin.
Nachdem der Alte einige Stunden ins Feuer geschaut und
einige Flaschen Wein geleert hatte durchbrach er plötzlich
die knisternde Stille im Raum und sprach so laut, dass
seine schläfrig im Sessel sitzende Frau aufschreckte.
Er sagte: „Ich will nicht, dass du mich feuerbestatten lässt
und alle zum Leichenschmaus berufenen leibeigenen
Mikroben um ihr Erbe gebracht werden.“ Sie drehte ihren
Kopf weg und döste weiter. Seine Asche war längst besiegelt.
Sie wollte sich einen Diamanten draus fertigen lassen.