menschenjunges, schlüpfst aus mir heraus

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birke
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Beitragvon birke » 14.02.2022, 21:10

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und dann legen sie dich mir auf den bauch, in dem du vorher haustest, randaliertest, dich ab und zu nur mit einem schluckauf bemerkbar machtest, kleines alien, jetzt tierchen, frosch, so dünnbeinig, glitschig, orientierungslos, schreist dich direkt in mein herz; auf dir meine hände, ich kann dich nicht fassen, und muss doch nachsehen, wirklich ein mädchen, wie prophezeit, als ob das wichtig wäre, du wesen, du wunder, mein alles auf der welt


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Zuletzt geändert von birke am 15.02.2022, 11:42, insgesamt 1-mal geändert.
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aram
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Beitragvon aram » 14.02.2022, 23:24

liebe birke,

ich finde diese schilderung aus mutterperspektive stellt eine schöne entsprechung/ gegenüberstellung dar zum erleben eines vaters unmittelbar nach geburt, wie sie niko in seinem blog beschrieben hat.
wobei hier die vorausgegangene entbindungserfahrung fast als auslassung erscheint; d.h. wenn ich den so kurzen prosatext lese, schließt sich die frage danach wie von selbst an - obwohl auch nachvollziehbar ist, das erleben der gebärenden getrennt zu betrachten und den fokus auf diese begegnung zu legen.
"kleines alien, jetzt tierchen, frosch" - gefällt mir.

interessant finde ich das 'heraus' im titel - da unsere primäre sinneswahrnehmung (gesichtssinn) nach außen gerichtet ist, kannst du hier schwerlich 'hinaus' sagen, obwohl du ja von 'dir' sprichst - wir verorten uns gewissermaßen außerhalb unseres körpers, um ihn herum. (wir sagen 'ich habe etwas aus mir herausgelassen' statt 'ich habe es aus mir hinausgelassen', weil wir uns selber nur von außen 'sehen' - zumindest kann ich mir das nur so erklären.)

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birke
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Beitragvon birke » 15.02.2022, 11:48

danke dir, aram. ja, es hat mich gereizt, zu versuchen, dieses so sehr besondere erlebnis in worte zu fassen, genau mit diesem fokus, und vielleicht versuche ich das auch irgendwann mal noch mit dem entbindungsvorgang, wobei es tatsächlich so ist, zumindest für mich war es so, dass durch diese „begegnung“ (schön gesagt, eine art erster kontakt, lach!) alles vorangegangene, der schmerz, die beschwerlichkeiten der geburt, in den hintergrund tritt.
deine betrachtung von ("aus sich) heraus“ ist sehr fein!
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