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Überflüssig (Aphorismus)

Verfasst: 29.09.2024, 01:10
von Epiklord
Mit unseren Aphorismen werfen wir knapp, aber treffend, gemeine Wahrheiten, Weisheiten oder Erkenntnisse auf, für die wir bereits von Geburt an dispositioniert waren.



Ein guter Aphorismus wird als treffend empfunden; er trifft also das was der Leser schon gewusst haben musste, wenngleich es ihm auch nicht so bewusst war. Das ist das Dumme an Aphorismen und dass sie keiner beherzigt. Sie sind überflüssig. Es ist mit den Lesern so wie mit Rauchern, ihnen braucht man auch nicht zu sagen, dass Rauchen schädlich ist.

Verfasst: 29.09.2024, 11:52
von Pjotr
Ein guter Aphorismus strahlt ja nicht nur durch seinen Inhalt, sondern vor allem durch seine elegante Formulierung.

Dein Aphorismus oben, der eine Aphorismen-Kritik zum Inhalt hat, finde ich zu lang und zu schwafelig formuliert. Um eleganter zu werden, müsste die Formulierung extrem gekürzt werden, meiner Auffassung nach.

Verfasst: 29.09.2024, 13:09
von birke
ja, da stimme ich pjotr zu. (außerdem finde ich die analogie zu den rauchern nicht so ganz passend. aphorismen sind wohl nicht unbedingt dazu da, sie zu "beherzigen", sondern sie formulieren eher einen sachverhalt treffend und pointiert.)

Verfasst: 29.09.2024, 14:44
von Epiklord
Ja, Sachverhalte, kurz und bündig formuliert, macht sie auch nicht besser.
LG E.

Verfasst: 29.09.2024, 16:43
von birke
"sachverhalt" trifft es wohl auch nicht ganz, vielmehr geht es um eine erkenntnis, die besonders originell, besonders schlagkräftig durch vergleiche oder widersprüche vermittelt werden soll. dass viele dieser "erkenntnisse" vielleicht schon bekannt sind, steht auf einem anderen blatt ;) bzw ist für einen aphorismus nicht so relevant wie die formulierung bzw der einfallsreichtum, die originalität. dein text, deine kritik hat schon etwas für sich, könnte aber wie gesagt, vielleicht noch etwas prägnanter rüberkommen.

Verfasst: 29.09.2024, 19:30
von Amanita
Das ist kein Aphorismus! Denn Aphorismen "erzählen" gerade nicht, sondern bringen das, was sie sagen wollen, ultrakurz rüber. So dermaßen eingedampft, wie wir im Alltag nie sprechen würden.

Ich brainstorme mal:

Je flüssiger Aphorismen formuliert sind, desto eher laufen sie Gefahr, überflüssig zu werden.

Verfasst: 01.10.2024, 10:17
von Amanita
Noch 'ne Idee dazu:

Aphorismen sind nie herzlich, doch beherzigt werden wollen sie fast alle.

Verfasst: 02.10.2024, 04:25
von Epiklord
Also faktisch so:
"Aphorismen werfen knapp, aber treffend, gemeine Wahrheiten, Weisheiten oder Erkenntnisse auf ."
Nur, liebe Birke, vielleicht etwas origineller, nech!? (-;

Verfasst: 02.10.2024, 09:57
von birke
;)
ich weiß nicht, ja, ein bisschen trifft es das schon, aber eher noch ist es wohl eine besondere, spezielle einsicht, die dann verallgemeinernd auf eine möglichst treffende (knappe) art in worte gefasst wird. wir nähern uns ;)

Verfasst: 02.10.2024, 11:06
von Epiklord
Ja, liebe Birke, Aphorismen vermitteln subjektive Einsichten. Hier einige von Albert Einstein:

Klug ist jener, der Schweres einfach sagt.

Die Welt wird nicht bedroht von den Menschen, die böse sind, sondern von denen, die das Böse zulassen.

In der Mitte von Schwierigkeiten liegen die Möglichkeiten.

Zwei Dinge sind unendlich, das Universum und die menschliche
Dummheit, aber bei dem Universum bin ich mir noch nicht ganz sicher.

Der Sinn des Lebens besteht nicht darin, ein erfolgreicher Mensch zu sein, sondern ein wertvoller.

Es ist schwieriger, eine vorgefasste Meinung zu zertrümmern als ein Atom.

Du, Birke, bist wohl mehr auf der Suche nach neuen Erkenntnissen, nicht nach perspektivisch verzerrten originell dargelegten uberkommenen. Dann wirst du vielleicht fündig in der neuen Philosophie von Markus Gabriel und deren Formulierungen. Das sind dann aber keine Aphorismen.

Verfasst: 02.10.2024, 12:50
von birke
nein, wirklich "neue erkenntnisse" wäre wohl ein extrem hoher anspruch.
aber interessanter tipp, dieser gabriel, danke.

Verfasst: 02.10.2024, 17:33
von Mnemosyne
"er trifft also das was der Leser schon gewusst haben musste, wenngleich es ihm auch nicht so bewusst war"

Das ist eine sehr platonische Auffassung von "wissen". Die bloße Tatsache, dass ich in der Lage bin, etwas, wenn ich es höre, als wahr einzusehen, genügt nach der üblichen Auffassung nicht dafür, dass man davon sprechen kann, ich wüsste es. Andernfalls müsste man einräumen dass man (1) unendlich viel und (2) insbesondere alle beweisbaren Sätze der Mathematik "weiß", selbst die, die schon seit Jahrhunderten offene Fragen darstellen.

Verfasst: 02.10.2024, 22:28
von Epiklord
Bei Aphorismen deht sich alles um Lebenserfahrungswissen und um Weisheiten, nicht um Wissen der Wissenschaften. Aphorismen werden der Prosa zugeordnet.

Verfasst: 02.10.2024, 23:40
von Mnemosyne
Das können wir gerne annehmen, ohne dass mein Einwand dadurch im mindesten beeinträchtigt würde: Einsehen können, dass X wahr ist, heißt nicht, X schon vorher gewusst haben.