vielleicht, dass sie den winter nie verließ

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birke
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Beitragvon birke » 30.10.2024, 00:28

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manchmal frage ich mich, ob sie je an den sommer glaubte. ihr lächeln, frostig wie die hände. das streben nach gleichgültigkeit. sie ließ es nicht zu, dass ich ihr wärme brachte. einst, zu frühlingsbeginn, der herbste verlust in ihrem jungen leben. vielleicht, dass für sie die jahres/zeit dort stehen blieb. ihre sprache, manchmal schnee, manchmal eis, selten sonne. vielleicht, dass mir deshalb der sommer so nahe ist. nachts, wenn die angst groß wird, tigert sie durchs haus, immer auf der suche nach einer rettenden insel. getrieben, ins nirgendwo. ich habe den versuch aufgegeben, sie herauszuholen. wenn ich sie erreichen will, begebe ich mich in den winter.
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wer lyrik schreibt, ist verrückt (peter rühmkorf)

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jondoy
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Beitragvon jondoy » 30.10.2024, 22:43

hallo birke,
....weil ich eben deinen nicknamen geschrieben hat, die birke unter birken, dieses bild geht mir immer noch durch den kopf, was ist Realität und was ist Fiktion, das frag ich mich manchmal, kenn birken aus meiner kindheit, an einem bachlauf wurden aus ihnen große bäume, an einem andern blieben sie auf immer zierlich, fragte mich als kind, warum,

zu dem text will ich was schreiben,

eine seltsame geschichte, die dieser text beschreibt. zwölf sätze.
die sprache ist eindringlich. und was sie da erzählt, lässt mich nachdenklich zurück.
den ersten teil, seine bilder, versteh ich sehr genau, weil seine bilder, wie es umschrieben wird, es so lakonisch aussagen.

lediglich beim (für mich) zweiten Teil (zeilen neun bis zwölf) frag ich mich, wie ich ihn lesen soll.
wer tigert da nachts durch das haus?

Für mich gibt es zwei mögliche Lesarten.
die erste ist vielleicht etwas verquer.
ist es die angst des lyrischen Ichs aus seiner kindheit, an die sie sich manchmal (in schlechten Nächten) aus plötzlichen Erinnerungen heraus wieder erinnert, und der das erwachsene lyrische Ich, die damit längst abgeschlossen hat, dann wie in einem Spiegel "zuschaut", dieser angst nochmals nachspürt, und sie sich dann selbst als damaliges ängstliches kind wieder nachts durchs haus tigern sieht.
vermutlich täusche ich mich da total, aber für mich wäre es stimmig, weil die "Protagonistin" dann auch in diesem zweiten Teil für mich in der gleichen Bildsprache, wie im ersten, weiter darüber erzählt,

diese bildsprache. sätze, der längste nur drei Worte groß, die nur in diesem Erzählrhytmus funktionieren.

die zweite lesart/interpretation erscheint mir etwas wahrscheinlicher, aber dann müssste die Mama des lyrischen Ichs - in diesem zeitlichen kontext - noch (hochbetagt?) am leben sein, und nachts ab und zu noch ruhelos durchs haus tigern (wie einst auch eine oma von mir - hochbetagt und fallsüchtig - nachts manchmal wie schlafwandelnd durchs Treppenhaus gegeistert ist.)

auch in dieser zweiten Lesert erzählt der zweite Teil in nahezu der gleichen bildsprache, wie im ersten.

es ist auf eine seltsame weise auch eine vierjahreszeitengeschichte. wie die von der schneekönigin.
alle vier jahreszeiten kommen darin vor.

ich will nicht schreiben, dass der text schön ist, das wäre nicht passend, seine sprache.

herzlich,
jondoy

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birke
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Beitragvon birke » 31.10.2024, 10:06

schön ist auf jeden fall, was du hierzu schreibst, lieber jondoy, vielen dank!
eine interessante erste lesart, ja, das könnte der text hergeben, eine art selbstgespräch, zwiesprache mit dem eigenen ich, selbstreflexion.
wahrscheinlicher jedoch scheint mir hier auch ein gegenüber, ein du. vielleicht tatsächlich die mutter, das wäre gut möglich, ja, oder vielleicht auch ein anderer mensch, nahe verwandte, großmutter auch denkbar, oder auch freundin, im umfeld des erzählers oder der erzählerin, das bleibt wohl offen. :)
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