Odyssee
Verfasst: 14.12.2005, 17:36
„An sein Röcheln erinnere ich mich noch.
Wie ich ihm damals mein Messer in den Hals gerammt habe…“
Schon wieder ertappe ich mich bei meinen Selbstgesprächen. Aber es spricht ja sonst keiner mit mir. Immer sind es die gleichen Themen, über die ich mich mit mir unterhalte, um sie nicht zu vergessen.
„Hättest du bitte eine Zigarette für mich?“
Ich bin es gewohnt, ignoriert zu werden, aber verstehen kann ich es nicht. Nicht einmal seinen Kopf dreht er, um mich anzusehen. Ich glaube, ich könnte mitten in der Nacht hinter einem Auto hervorspringen und mit beiden Händen nach seinem Hals greifen, er würde es wahrscheinlich gar nicht bemerken.
Ich glaube, ich bin verrückt.
Die Lust auf Rauch wird immer stärker, ich sehne mich nach einem Zug. Nur einen, ganz langsam und bewusst durchziehen.
Bin ich wirklich in einem Wirtshaus? Wie bin ich hierher gekommen? Herrlich, dieser Rauch überall! Die Luft ist zum Schneiden, würde Mama sagen; ich habe eher das Gefühl, sie trägt mich.
Noch nie zuvor habe ich so deutlich den Zusammenklang von Stimmen, das Klirren von Gläsern, das Scharren von verrückenden Stühlen in Einem wahrgenommen. Eine Symphonie, die meine Lebenskraft wieder bestärkt. Es fühlt sich an, als hätte der Raum ein Leben; ein wirklicheres, als mir zu ertragen bleibt.
Mit den Gästen verschwindet zur Sperrstunde auch der frische Rauch, nur die Atmosphäre hält mich noch hier. Sie haben mich übersehen, wie es alle tun, so bleibe ich noch eine Weile hier sitzen und atme tief durch.
In meinem Zimmer hat sich einiges verändert. Sie haben mein Bett voll geräumt mit allem möglichen Zeug. So als ob ich gar nicht mehr bei uns wohnen würde. Indem sie mich nicht beachten, wollen sie mich wohl strafen für das, was ich getan habe... Aber ich bereue nichts!
Seltsam auch, wie sich Raphael und Michael verändert haben. Selbst meine ehemals besten Freunde sehen durch mich hindurch, als ob es mich gar nicht gäbe. Arroganz ist es wohl auch, was sie älter erscheinen lässt. Immerhin wird es ihnen mit der Zeit immer zu viel, und sie verlassen gefolgt von meinen lautstarken Verwünschungen das Lokal.
Am herzlosesten aber ist meine Mutter. Immer häufiger sitzt sie schluchzend am Tisch und ignoriert meine Hand, die ich mit bestem Willen um sie lege. Sie weint um etwas, das sie verloren hat, doch ich kann ihre Worte ebenso wenig verstehen wie die der anderen. Ihr Verhalten zerreißt mir das Herz.
Ich habe jegliches Zeitgefühl verloren, alles verblasst immer mehr; zum Glück, denn ansonsten wäre ich mir meiner Existenz nicht mehr sicher.
Dann und wann begleite ich meine Mutter zum Friedhof. Sie steht an unserem Familiengrab und weint. Dabei sind ihre Eltern schon lange Zeit tot.
Manchmal, wenn ich aufwache (ich kann mir gar nicht erinnern, eingeschlafen zu sein), habe ich wieder dieses scheußliche Stechen im Rücken. Ich kann nicht genau sagen, woher es kommt. Nur langsam wird es erträglich, doch es verschwindet nie ganz.
Wenn ich mich nicht in Wirtshäusern aufhalte, sitze ich meistens in meinem Zimmer und versuche nachzudenken. Aber es erscheint stets ein grauer Schleier vor meinem Geist, der mir die Bilder meiner Tat wieder und wieder vor Augen führt.
Geräusche mitten in der Nacht, aufgeschreckt aus einem ewig wiederkehrenden Traum: Ein Fremder hatte seine Hände um meinen Hals gelegt und bereits begonnen, zuzudrücken. In blinder Panik schlug ich um mich und stach dem Angreifer mit meinem Messer, welches mein Traum mir in die Hände spielte, in den Hals. Im selben Moment erwachte ich. Jemand machte sich an unserer Haustüre zu schaffen. Ohne Nachzudenken packte ich mein Messer, das wie jede Nacht unter meinem Kopfpolster lag und rannte zur Tür, um sie aufzustoßen…
Meinen Traum habe ich in der Tat ermordet; nun ist es die Erinnerung, die mein Bewusstsein durchtränkt.
Kein Mensch ist auf meiner Seite.
Hin und wieder frage ich mich, wie sich meine Freundin, die ich nie gehabt habe, mir gegenüber verhalten würde. Wäre sie auf meiner Seite?
Ich werde bald weggehen von hier, ich weiß es. Noch weiß ich nicht, wohin, aber es kann nirgendwo schlimmer sein.
Schlimm war auch das:
Die Tür traf den Einbrecher mit voller Wucht am Kopf; er fiel rückwärts nach hinten und schlug mit dem Hinterkopf hart auf. Wie in Rage stürzte ich mich auf ihn und hieb mit meinem Messer immer wieder in seinen Hals. Plötzlich wusste ich, dass ich wach war. Völlig von Sinnen rappelte ich mich hoch und lief torkelnd davon. Eine Polizeisirene. „Stehen bleiben!“ Ein Schuss. Nur weiterlaufen…
Noch ein Schuss…
Habe ich geschlafen?
„An sein Röcheln erinnere ich mich noch…“
Wie ich ihm damals mein Messer in den Hals gerammt habe…“
Schon wieder ertappe ich mich bei meinen Selbstgesprächen. Aber es spricht ja sonst keiner mit mir. Immer sind es die gleichen Themen, über die ich mich mit mir unterhalte, um sie nicht zu vergessen.
„Hättest du bitte eine Zigarette für mich?“
Ich bin es gewohnt, ignoriert zu werden, aber verstehen kann ich es nicht. Nicht einmal seinen Kopf dreht er, um mich anzusehen. Ich glaube, ich könnte mitten in der Nacht hinter einem Auto hervorspringen und mit beiden Händen nach seinem Hals greifen, er würde es wahrscheinlich gar nicht bemerken.
Ich glaube, ich bin verrückt.
Die Lust auf Rauch wird immer stärker, ich sehne mich nach einem Zug. Nur einen, ganz langsam und bewusst durchziehen.
Bin ich wirklich in einem Wirtshaus? Wie bin ich hierher gekommen? Herrlich, dieser Rauch überall! Die Luft ist zum Schneiden, würde Mama sagen; ich habe eher das Gefühl, sie trägt mich.
Noch nie zuvor habe ich so deutlich den Zusammenklang von Stimmen, das Klirren von Gläsern, das Scharren von verrückenden Stühlen in Einem wahrgenommen. Eine Symphonie, die meine Lebenskraft wieder bestärkt. Es fühlt sich an, als hätte der Raum ein Leben; ein wirklicheres, als mir zu ertragen bleibt.
Mit den Gästen verschwindet zur Sperrstunde auch der frische Rauch, nur die Atmosphäre hält mich noch hier. Sie haben mich übersehen, wie es alle tun, so bleibe ich noch eine Weile hier sitzen und atme tief durch.
In meinem Zimmer hat sich einiges verändert. Sie haben mein Bett voll geräumt mit allem möglichen Zeug. So als ob ich gar nicht mehr bei uns wohnen würde. Indem sie mich nicht beachten, wollen sie mich wohl strafen für das, was ich getan habe... Aber ich bereue nichts!
Seltsam auch, wie sich Raphael und Michael verändert haben. Selbst meine ehemals besten Freunde sehen durch mich hindurch, als ob es mich gar nicht gäbe. Arroganz ist es wohl auch, was sie älter erscheinen lässt. Immerhin wird es ihnen mit der Zeit immer zu viel, und sie verlassen gefolgt von meinen lautstarken Verwünschungen das Lokal.
Am herzlosesten aber ist meine Mutter. Immer häufiger sitzt sie schluchzend am Tisch und ignoriert meine Hand, die ich mit bestem Willen um sie lege. Sie weint um etwas, das sie verloren hat, doch ich kann ihre Worte ebenso wenig verstehen wie die der anderen. Ihr Verhalten zerreißt mir das Herz.
Ich habe jegliches Zeitgefühl verloren, alles verblasst immer mehr; zum Glück, denn ansonsten wäre ich mir meiner Existenz nicht mehr sicher.
Dann und wann begleite ich meine Mutter zum Friedhof. Sie steht an unserem Familiengrab und weint. Dabei sind ihre Eltern schon lange Zeit tot.
Manchmal, wenn ich aufwache (ich kann mir gar nicht erinnern, eingeschlafen zu sein), habe ich wieder dieses scheußliche Stechen im Rücken. Ich kann nicht genau sagen, woher es kommt. Nur langsam wird es erträglich, doch es verschwindet nie ganz.
Wenn ich mich nicht in Wirtshäusern aufhalte, sitze ich meistens in meinem Zimmer und versuche nachzudenken. Aber es erscheint stets ein grauer Schleier vor meinem Geist, der mir die Bilder meiner Tat wieder und wieder vor Augen führt.
Geräusche mitten in der Nacht, aufgeschreckt aus einem ewig wiederkehrenden Traum: Ein Fremder hatte seine Hände um meinen Hals gelegt und bereits begonnen, zuzudrücken. In blinder Panik schlug ich um mich und stach dem Angreifer mit meinem Messer, welches mein Traum mir in die Hände spielte, in den Hals. Im selben Moment erwachte ich. Jemand machte sich an unserer Haustüre zu schaffen. Ohne Nachzudenken packte ich mein Messer, das wie jede Nacht unter meinem Kopfpolster lag und rannte zur Tür, um sie aufzustoßen…
Meinen Traum habe ich in der Tat ermordet; nun ist es die Erinnerung, die mein Bewusstsein durchtränkt.
Kein Mensch ist auf meiner Seite.
Hin und wieder frage ich mich, wie sich meine Freundin, die ich nie gehabt habe, mir gegenüber verhalten würde. Wäre sie auf meiner Seite?
Ich werde bald weggehen von hier, ich weiß es. Noch weiß ich nicht, wohin, aber es kann nirgendwo schlimmer sein.
Schlimm war auch das:
Die Tür traf den Einbrecher mit voller Wucht am Kopf; er fiel rückwärts nach hinten und schlug mit dem Hinterkopf hart auf. Wie in Rage stürzte ich mich auf ihn und hieb mit meinem Messer immer wieder in seinen Hals. Plötzlich wusste ich, dass ich wach war. Völlig von Sinnen rappelte ich mich hoch und lief torkelnd davon. Eine Polizeisirene. „Stehen bleiben!“ Ein Schuss. Nur weiterlaufen…
Noch ein Schuss…
Habe ich geschlafen?
„An sein Röcheln erinnere ich mich noch…“