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Vaters Wort

Verfasst: 14.12.2005, 18:16
von danielson
Und was haben wir nicht gelacht. Vater schwenkt sein Glas, schaut auf kurz dann weiß man, er spricht. Die Russen zu blöd unsere Kühe zu melken, so haben wir eben das übernommen. Und was haben wir nicht gelacht dabei. Damals haben wir aber auch sehr wenig gehabt. Nicht so wie heute, ein Glas Wein, was ist das, was ist das schon für euch? Vaters Blick macht die Runde, fängt jeden ein für einen Moment und vergeht sich an einem. Und wir haben gelacht.
Und was haben die nicht für Probleme gemacht. Haben die Uhr aufgezogen und eine Laus war darin aber nicht dass ihr glaubt, russki problem. Maschinist kaputt hat er gesagt, weil die Laus war tot und gelacht und dann haben wir’s ihm nachgemacht, Maschinist kaputt und uns dabei halb tot gelacht. Das war was, versteht ihr? Ihr Spaßmacherverein.
Verstehe, ihr seid noch dabei. Der hat gedacht, das Werk rennt nur, wenn einer noch läuft, und der Witz hat die ganze Runde gemacht. Zu komisch. Vater hebt an zu essen, wir machen ihm nach. Aber vorher, einen Moment, vorher hat er die Mama bedroht mit der Pistole und gesagt, dich schieß ich jetzt weg und die Mama schaut ihm ins Gesicht und zeigt dann auf mich und sagt, schieß doch, haha. Da hat der sein Schießzeug weg gepackt und gesagt, jetzt mach mir Borschtsch, mach mir Gulasch, versteht ihr, der hat das nicht böse gemeint. Die Mama hat kochen mögen.
Vater lacht schallend lacht er mit uns. Der Tisch bebt mit. Was haben wir nicht mitgelacht. Am Tisch die Russen und am Feld unsere Kühe mit den prallen Eutern wo die Milch, unsere Milch, die Milch von unseren Weiden drin war. Da sind manche krepiert, qualvoll verendet während bei den Russen Ernte Dank war. Was haben wir sie gehasst. Vater löffelt die Suppe sie dampft und er schaut in die Runde. Da löffelt ein jeder die Suppe sie dampft und dankbar schlürft sie sich weg. Was war das ein Spaß als der Vater vom Vater, Herr Großvater nämlich, des Nachts im Schlafrock daher kommt schreit: Feuer am Dach! Dabei war er nur noch senil.
Ein Vater ist auch nur ein Mensch, ja natürlich, was habt ihr denn gedacht. Habt ihr denn geglaubt, ein Vater versteht seine Kinder nicht, wenn er sich biblisch verhält? Der Vater, der dort sitzt, menschlich erhellt, dem die Suppe über den Tellerrand tropft, lächelt, man glaubt, er meint es nur gut, aber er meint es besser. Er spricht dann im Schlürfen, das alles war gut, hat uns eisern gemacht, was uns nicht umbringt und die Suppe ist gut.
Jaja, so war das, ihr müsst das wissen sonst versteht ihr eure, sonst versteht ihr Geschichte nicht. Der Vater blickt schelmisch von einem zum andern, rollt seine Augen die großen dazu blickt er weg. Den Tatsachen in die toten Augen blicken, was haben wir damals nicht stumm sehen müssen. Aber heute. Heute ist gut, viel zu gut. Da hat ein jeder sein Säckel zu tragen gehabt, dankbar haben wir’s auf uns genommen, die Kirche war auch da und alle haben mitgeholfen.
Vater spricht immer schneller hat gar keine Luft mehr die muss er sich nehmen, die kostet doch nichts. Aber jetzt Pause, denn jetzt kommt die Mutter schon wieder die Arme die starken sie tragen was auf.
Alles um ihn herum dankt für die Gaben die der Vater probiert, dann dürfen sie rundum verinnerlicht werden. Hat uns der Vater die Rute gezeigt sicher tat weh tat sogar höllisch weh und einmal hab ich geglaubt, er tut es nicht mehr, sein Herz spielt verrückt aber er hat dann doch noch gekonnt und sich angestrengt hat sich nur sehr verausgabt aber klar, so ein Krieg der nimmt mit, danket dem Herrgott, der Braten ist durch.
Wie er dann älter war, schaut her, schaut, wenn ich die Luft anhalt seh ich noch aus so wie er in der Nacht, geröchelt dazu wie ein Steyr 180 auf 180, versteht ihr den Witz? Jetzt hält er die Luft doch gefangen, die gibt er auch nicht so schnell her. Ja lacht nur, der hat noch ein paar Monate Luft gekriegt und dann war’s aus, und vorbei, aber alte Geschichte, was solls, ich leb ja und das ist die Hauptsache. Noch leb ich und ihr, meine Lieben, liebe Kinder, brave fröhliche Mutter, ihr sollt weiterleben durch mich. Hat der Vater gesprochen und wieder ein Stück von dem Braten dem guten genommen, zum Kauen war nicht viel Zeit hat er deshalb gleich so schlucken wollen und gleichzeitig lachen. War immer so schlucken und schlucken und lachen nur nicht recht viel grübeln, da schaut, was im Kopf steckt das hab ich da brauch ich kein Buch, das weiß schon der Bauch.
Ist dann der Vater am Schaft röter worden was denkt er was kommt jetzt wieder ein Witz? Hebt an schon zum Lachen und Husten los lachen und lacht ohne Stimme zum Husten ist auch keine Luft mehr man kann nur noch schauen. Da sitzt sie die Runde die Augen die Münder alle zum Herrgott im Winkel zum Vater gerichtet der sagt was versteht ihr’s was meint der im Eck da zu Lebzeiten war’s zu verstehen aber jetzt hör ich Aufbruch, Reise nach dingsda und ein Sessel zuviel doch die Nachspeis ist süß. Alle Augen schauen her, ja, esst nur, wenn ihr schön still seid, erzähl ich vom Vater, der isst unter euch.

Verfasst: 14.12.2005, 19:21
von Max
Hallo Danielson,

also diesen Text mag ich sehr. Er ist aufgrund der Themen des Vaters, der Erzählweise, die einen selbst kaum zur Ruhe kommen lässt und des Dialektts so dicht und so authentisch erzählt, dass man die Situation direkt miterlebt. Außerdem mag ich hier die Schlusspointe, die man nicht vorweg erahnt. Ein sehr gelungener Text.

Liebe Grüße
max