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Spiele

Verfasst: 10.01.2006, 02:03
von danielson
Du! Du sitzt mir gegenüber, den schweren Kopf auf deine gewaltigen Hände gestützt, um nicht mit deiner Stirn auf die Tischplatte zu kippen, um nicht mit einem Mal aus deinem Traum aufgeschreckt zu werden. Mir geht es gut, wenn ich dich so ansehe, mir liegt daran, dich kurz dir selbst zu überlassen. Wer weiß, was wieder wäre, würden deine fest verschlossenen Lider geöffnet und dein stechender Blick erneut in mich dringen. Wir gönnen uns kurze Ruhe. Meine Hände liegen am Tisch, die Handflächen nach oben, bereit, zuzupacken. Kleine, zierliche Hände.
Solltest du schlafen, ich werde deine Ruhe bewachen. Solltest du dich nur in dich selbst zurückgezogen haben, ich werde da sein, um dich zu erwarten. Du fliegst mir zu, in Gedanken, je weiter du dich von mir entfernst, umso näher komme ich dir in deinen Träumen, bis ich beim Erwachen wieder ganz in dir bin und dir sage, wozu du lebst. Das hast du dir so gewünscht.
Deine Haare fallen dir in die Stirn, des zu Berge stehens müde geworden, warte nur auf mein Zeichen und du wirst sie dir wieder raufen. Dein Schmerz gereicht mir zur Lust. Einst riefst du in deinem Schmerz, heute schreist du mich an und verzweifelst dann doch an meiner Gegenwart. Warum fügst du dich nicht, wie ich es von dir erwarten kann?
In deinem Mundwinkel hat sich ein Speichelsee gebildet, der soeben überläuft und als Rinnsal das tote Flussbett deines Mundwinkels wieder belebt, um an deinem Kinn taktvoll abzutropfen. So siehst du nur aus, wenn du schläfst. Weil ich dich liebe, fange ich den Tropfen mit meiner freundlichen Hand ab und verteile ihn zärtlich auf meinen Lippen. Du schmeckst süßer als sonst; bitter und salzig bist du nur, wenn du schreist und tobst wie ein Kind, das nicht gehorchen will.
Ich habe dir viel aufgetragen, kann verstehen, dass du müde bist. Dabei bist du undankbar, helfe ich dir doch, wo ich kann. Würdest du dich nur weniger sträuben, um wie viel leichter hätte ich es mit dir und dir bliebe mehr Kraft zur Erfüllung meiner Befehle, die doch eigentlich deine Wünsche sind. Seit wir uns kennen, kann ich dir keinen deiner Wünsche abschlagen und noch kein einziges Mal hast du dich bei mir bedankt. Vielleicht glaubst du ja, das alles sei dein Verdienst? Aber keine Angst, ich weiß meinen Tribut schon einzufordern.
Oft bebst du vor Angst, sogar jetzt während du schläfst sehe ich die gekrümmte Ader an deiner Schläfe wie verrückt hüpfen. Sie transportiert die Hitze deines Körpers weiter, jene Hitze, die dir so oft zu Kopf steigt, sie wandert durch dein Gehirn und lässt deine Augen Feuer spucken. Im Moment sind es kalte, staubige Kohlen, des Brennens müde geworden, die du da nach innen verdreht hinter deinen Lidern versteckst. Was wärst du nur ohne mich!
Noch hast du heute auf Wein verzichtet, du bist unvermutet eingeschlafen. Das macht es mir nicht leichter, bei dir zu sein, aber sei ohne Sorge, ich bleibe in deiner Nähe. Niemand kann besser warten als ich.
Ich. Ich sitze nun an deiner Seite, bewache deinen Schlaf, sorge dafür, dass er nicht zu tief wird und du nicht als anderes ich wieder erwachst. Du bist mir schuldig geworden als das, was du geworden bist durch mich, du hast kein Recht und wirst es auch nicht bekommen, dich von mir abzuwenden. Dein Schrei nach mir war unüberhörbar und unsere Zeugen sind unbestechlich. Ich höre bereits ganz leise, wie du erneut nach mir rufst, nach Hilfe, die doch nur von mir kommen kann.
Wage es nicht, meine Hand abzuweisen, die über dein Gesicht streicht, sich um dein Kinn legt und deine Kinnlade nach oben drückt, meine zerbrechlichen Finger, die deine Nasenflügel zum Spaß zusammendrücken um zu sehen, wie du im Schlaf nach Luft ringst. Solcherlei Macht habe ich über dich, du tust gut daran, mit ihr nicht zu scherzen. Meine Daumen lege ich fest auf deine noch immer verschlossenen Augen und wiege so deinen Kopf hin und her, während ich spüre, wie die Murmeln in den Höhlen hastig rotierend nach Halt suchen. Erst haltlos bist du mir willig geworden, so spielen wir beide um dich. Dabei pass auf, dass dein Einsatz nicht gänzlich verloren geht, es wäre auch mein Ruin. Nur deshalb erlaube ich dir kurz, das Spiel zu unterbrechen.
Feucht glänzt deine Stirn, an die ich mich schmiege, spürst du das Brennen meiner Wange? Verschmolzen bist du mit mir als das Wachs, das meine Flamme nährt. Du hast mich wieder zum Leben erweckt – vielleicht hast auch du mich rufen hören. Wir beide könnten so stark sein, wärst du nicht ständig versucht, mich abzuschütteln. Wie willst du mich loswerden, verschmolzen wie wir sind? Wohin du auch gehst, ich gehe mit, und wenn ich gehe, gehorchen deine Beine meinen Befehlen.
Ich sehe, dass du unruhig wirst. Gleich wird dein Ellbogen sich vom Tisch lösen und dein Kopf mit all seinen versponnenen, spottsuchenden Gedanken auf die Tischplatte knallen und du wirst wieder wissen, wo und mit wem du bist. Schon öffnen sich deine Lider, kleine Flammen züngeln heraus und ich spüre von neuem dein Verlangen, besessen zu werden. Ja, schau mich an, mein Besitz und sauge mich ein in dein hastig hämmerndes Herz. Wir beide sind stark, aber stärker bin ich, denn siehe, du bist ich, jetzt steh auf und geh an den Spieltisch, beweise dein Glück, ich gehe für dich, ich gehe...
Mein Kopf ist nah am Zerspringen, ich muss wieder spielen gehen. Ich werde gewinnen, heute wirklich, ich höre es deutlich in mir.

Verfasst: 18.01.2006, 08:25
von Maija
Hallo danielson,

Heute hatte ich Muse zum zweiten Mal deine Geschichte zu lesen. Der Text ist schwierig und vom Besitz ergriffen. Wobei mir auch sehr egoistische Züge aufgefallen sind. Der Schreibstil gefällt mir und die Bilder sind gut beschrieben. Man spürt, wie du fühlst und denkst und von deiner Gier und Machtansprüche besessen bist. Hat dies wirklich noch mit Liebe zu tun oder schimmert da ein krankhafter Keim hervor?
Aber Mut zeigst du, in dem du deine Gefühle freien Lauf lässt.
Deine Freundin möchte ich aber nicht sein, da würde die Bratpfanne auf deinen Kopf gongen! :mrgreen:

Gruß Maija

Wahrheit und Dichtung

Verfasst: 18.01.2006, 14:19
von danielson
Liebe Maija!

Danke für deine Zeilen, ich verstehe allerdings dein Problem nicht. Wollte deine Antwort meiner Freundin zeigen, aber sie spricht schon seit Tagen nicht mehr mit mir, liegt nur da und starrt vor sich hin. Schön langsam stinkt mir das. Sie mir übrigens auch. Sie wirkt auch ganz steif mir gegenüber und sehr kalt. Vielleicht erholt sie sich wieder, wenn ich sie an die frische Luft trage. Aber eigentlich ist mir das egal, Hauptsache, ich besitze sie.

Fröhliche Grüße, Daniel

Verfasst: 18.01.2006, 14:34
von Maija
Na ich hätte mit dir auch nichtmehr gesprochen. :mrgreen:
Das ist ja zuviel des guten und hat mit Liebe nichts zu tun! Du erdrückst sie ja und klebst an ihr, wie ein räudiger Hund.

Ich habe dir viel aufgetragen, kann verstehen, dass du müde bist. Dabei bist du undankbar, helfe ich dir doch, wo ich kann. Würdest du dich nur weniger sträuben, um wie viel leichter hätte ich es mit dir und dir bliebe mehr Kraft zur Erfüllung meiner Befehle, die doch eigentlich deine Wünsche sind. Seit wir uns kennen, kann ich dir keinen deiner Wünsche abschlagen und noch kein einziges Mal hast du dich bei mir bedankt.


Allerdings kenne ich auch deine Freudin nicht. Welche Probleme hat sie? Kommt sie nicht mit der Umwelt klar oder steht sie sich selbst im Weg?

Aber eigentlich ist mir das egal, Hauptsache, ich besitze sie.


Ein Mensch ist kein Besitz! Wenn dir das so egal ist, geh du an die frische Luft und lass den Wind um dein Gehirnkasten wehen. Mögen die eisigen Winde dich etwas abkühlen! §bump§

Verfasst: 22.01.2006, 14:33
von Klugmann
So etwas nennt man Ko-abhängigkeit.
Jeder darf mal schwach sein und auf die Unterstützung seines Partners hoffen, aber wenn es so ausartet, dass man den rest seines Lebens dafür in Dankbarkeit vergeht!? Was wäre, wenn Deine Freundin stark genug ist Dich zu verlassen? Hast Du dann keine Aufgabe mehr? Ich glaube Du brauchst Hilfe!!

Re: Wahrheit und Dichtung

Verfasst: 22.01.2006, 14:59
von LudwigP.
danielson hat geschrieben:Liebe Maija!
Schön langsam stinkt mir das. Sie mir übrigens auch. Sie wirkt auch ganz steif mir gegenüber und sehr kalt.
Fröhliche Grüße, Daniel


Ist vielleicht schon die Leichenstarre eingetreten?? Dann würde es mich nicht wundern, wenn sie Dir stinkt! :mrgreen:


Ludwig

Verfasst: 22.01.2006, 15:52
von efeuline
Hallo Danielsen, keine Sorge, nichts geht mehr wird bald vorbei sein, deine Freundin wird sicherlich bald wieder "Schwarzer Hans" oder "Schwarz/Rot/Grün" mit dir spielen!
Erzähle dann, wie's war.......
Gruß Efeuline

Leichenstarre

Verfasst: 23.01.2006, 15:49
von danielson
Das war tatsächlich schon die Leichenstarre! Hab sie mir aber mumifizieren lassen, so dass sie nun haltbarer geworden ist. Jetzt kann sie wenigstens nicht mehr frech zurückreden.

Ein paar kurze Anmerkungen zu den eingegangenen Nachrichten:


1. Sollte man Autor und Erzähler nie gleichsetzen (Ausnahmen sind Tagebuchnotizen, Biographien, Reiseberichte u.Ä.). Der Autor einer Kriminalgeschichte müsste sonst schleunigst verhaftet werden, wenn sein lyrisches Ich etwa einen Mord begeht.

2. Sollte man nichts in eine Geschichte hineininterpretieren, wenn es nicht die geringsten Hinweise dazu gibt. Eine Person, die mit "Du" angesprochen wird, muss nicht zwangsläufig die "Freundin" des Erzählers sein und schon gar nicht die des Autors. Auch kann man durchaus andere Menschen "lieben" bzw. dies behaupten.

3. Hatte ich den Text in der Hoffnung auf konstruktive Kritik/Verbesserungsvorschläge des Stils/der sprachlichen Bilder/des Inhalts/der Aufmachung etc. hier gepostet. Dass von Anfang an eine Gleichsetzung von Erzähler/Autor erfolgt ist und dementsprechend Sorge über mein psychisches Wohlbefinden geäußert wurde, hat mich zwar amüsiert, meine ursprüngliche Intention jedoch nicht befriedigt.

Falls jetzt alle sauer sind, tut es mir leid, aber vielleicht findet sich jemand, der/die den Text nochmal liest und ihn (und nicht mich!) kritisiert. Allerdings weise ich jetzt vorsichtshalber darauf hin, dass es sich nicht um den Konflikt eines "Liebes"paares handelt.

Vielen Dank fürs Lesen!

Daniel

Verfasst: 25.01.2006, 16:12
von Lisa
Hallo Danielson,
ich habe die Geschichte erst heute gelesen, weil ich las, dass du dich über weitere Kommentare freuen würdest. Ehrlich gesagt verstehe ich nicht ganz wie die Diskussion um deine angebliche Freundin entstanden ist, für mich hat die Geschichte überhaupts nichts mit deiner (sowieso nicht, denn wie du genau sagst sind Autor und Erzähler nicht gleich zu setzen) Freundin aber auch mit überhaupt gar keiner Frau zu tun. In meinen Augen geht es nur um eine Person und einen Zwiespalt, den ich in der Geschichte gut auserzählt finde und auch die Stimmung kann ich gut nachempfinden. Auch dass die Herrschaft, die Schuld, die Durchsetzungskraft nicht immer geklärt ist (wer hat sich nun endlich letztlich durchgesetzt? Wer sorgt für wen? Welches Leben hängt von welchem ab? Es gibt keine Antwort...das gefällt mir), das Wechsel"spiel", dass in das echte Spielen am Schluss mündet...

Weiblich vielleicht, da es um die "Sucht", die "Lust" geht...was ich aber gar nicht so konkret bestimmen wollte, was es da ist , mit dem sich der Erzähler auseinander setzt auch wenn der letzte Satz der Geschichte relativ konkret Bezug nimmt.

Ich hoffe nun, ich habe die Geschichte, die mir sehr gefällt (auch in ihrer Dunkelsprache) nicht nur anders und genau so falsch gelesen.. :idea:

Ich wäre gespannt mehr zu erfahren, du kannst immer so reflektiert über deine Texte schreiben.

Spiele

Verfasst: 25.01.2006, 21:59
von danielson
Danke Lisa für deinen Kommentar! Ehrlich gesagt war ich mir schon nicht mehr sicher, ob mein letztes posting überhaupt noch etwas bringen würde.

Zum Text:
Sogenannte "Parapsychologische Phänomene" interessieren mich schon seit langem, konkret in diesem Fall Süchte, ihre Auswirkungen auf die Betroffenen, die m.E. höchstens ihren Ursprung in der jeweiligen Person finden, aber von anderen "Mächten" gesteuert und genährt werden. Ich bin der Überzeugung, dass es Dämonen gibt (ob selbst geschaffen oder sonstwie existent sei diesbezüglich dahingestellt), die Besitz ergreifen von Menschen, wenn diese ihnen die Möglichkeit dazu bieten. Das tun sie, indem sie sich niederen Trieben exzessiv hingeben, wenn sie esoterische Praktiken ausprobieren, ohne über hinreichendes Hintergrundwissen zu verfügen oder einfach, indem sie solche Wesenheiten bewusst anrufen (vgl. "Tischerlrücken", Pendeln u.Ä.). Wie der/die einzelne zu diesen Dingen steht, soll jedem/jeder Leser/in selbst überlassen bleiben, mich hat es gereizt, darüber eine Geschichte zu schreiben. Insofern hat es mich gefreut, dass das Motiv des "Besitz-Ergreifens" in den bisherigen Antworten so starke Resonanz gefunden hat, wenngleich auch auf meine Person bezogen. Dies herauszuheben dürfte mir also gelungen sein.
Etwas ähnliches, allerdings aus völlig anderen Beweggründen seitens des Protagonisten, habe ich in "Odyssee" (zu finden im Blauen Salon) zu zeichnen versucht, allerdings schon vor mindestens zwei Jahren. Dort geht es auch weniger um Süchte als um die Frage der bloßen Existenz eines bestimmten Geistwesens nach seinem irdischen Tod.

Indem ich nun zu "Spiele" eine Erklärung geliefert habe, fällt natürlich die Möglichkeit verschiedener Deutungen weg, die ich ursprünglich beibehalten wollte. Deshalb habe ich auch nirgends ausdrücklich darauf hingewiesen, was es mit dieser Koexistenz auf sich hat. Und natürlich ist diese Lesart nicht die einzig verbindliche, denn die verschiedenen Interpretationsansätze machen für mich unter anderem gute Literatur aus.

Danke für die positive Kritik, Lisa, und bitte bleib dran an meinen Texten, ich werde in Bezug auf dich das gleiche tun!

Liebe Grüße, Daniel

Verfasst: 08.02.2006, 19:59
von moana
Hey Daniel! Wirklich Kritik kann ich nich bringen, aber ich möchte sagen, dass ich den Text eigentlich auch so in der Art verstanden habe. Nicht, dass das, was da gegenübersitzt, eine Frau ist. Sondern irgendwas, was von einem Besitz ergreift und die Kontrolle über einen übernehmen will. Ich glaub selbst leider manchmal zu sehr an solch überirdische Wesen und habe auch selbst schon besitz von mir ergreifen lassen. ich bin allerdings nicht sicher, ob dieses "Wesen" wirklich so viele Gefühle empfindet, denn ich finde, gerade auch wie Lisa sagte, dass da irgendwie schon ein paar weibliche Züge durchkommen. Die zierlichen Hände waren für mich besonders ausschlaggebend. und einfach die Art und Weise, wie der jenige beschrieben wird... das konnte ich bei meinem Ex-freund, mit dem ich auch oft zu kämpfen hatte, einordnen. Aber das kam mir auch teilweise sehr psycho und unwirklich vor alles.... Stilistisch finde ich es wirklich gänsehaut-mäßig.

Den einen Satz versteh ich irgendwie nch ganz:

"Das hab ich Du bist mir schuldig geworden als das, was du geworden bist durch mich, du hast kein Recht und wirst es auch nicht bekommen, dich von mir abzuwenden."

Ansonsten fand ichs echt überzeugend und der Text macht auf jeden Fall nachdenklich...vielleicht schreib ich ein andermal nochmal etwas, wenn ich das ganze in mir habe sacken lassen, das war jetzt so meine spontane Reaktion...

Liebes Grüßerl, Moana