Lichtkreis
Verfasst: 21.09.2006, 12:58
Lichtkreis
„Was tun Sie da? Hören Sie auf damit! Hallo? Hören Sie mich nicht?“
Habe ich einen Tinnitus? Seltsames Geräusch in den Ohren. So regelmäßig.
Molly, du Wirbelwind, lauf nicht so schnell. Mit deinem weißen Fell sehe ich dich nicht. Wieder bist du im Schnee verschwunden, springst wie ein Känguru auf und ab. Lachend forme ich Bälle, werfe sie dir zu. Was für eine Winterlandschaft. Wie im Märchen. Herrlich, diese Spaziergänge mit dir, wenn alles in Watte gepackt, so friedlich ist.
„So schalten Sie doch dieses grelle Licht aus, bitte!"
Warum kann ich meine Augen nicht schließen?
Papa, du bist am Zug. Du überlegst schon eine Ewigkeit. Mama kommt kurz rein, lächelt. Weiß sie doch, dass wir beide uns vertragen, wenn wir Schach spielen. Es sei denn, du verlierst. Schach als Stimmungsbarometer. Verrückte Welt. Wir sollten es immer spielen und ich dich gewinnen lassen. Dann bist du lieb, alles ist gut.
„Hallo? Wieso reden Sie über mich und nicht mit mir? Ich höre und sehe Sie! Was soll das? Das Licht, verdammt noch mal, macht es doch endlich aus!“
Tina und ich sehen uns im Fernsehen ein Konzert von Vanessa Mae an. Himmel, welch eine Gabe, dieses Temperament! Tränen fließen. Eine Gänsehaut jagt die nächste. Ich verehre sie. Doch auch Traurigkeit löst ihr virtuoses Geigenspiel in mir aus. Welche Gabe wurde mir geschenkt? Hinterlasse ich Spuren?
„Jetzt ist es aber genug! Schon wieder spritzen Sie mir etwas in den Arm! Warum schütteln Sie resignierend die Köpfe?“
Ich fühle den Stich gar nicht. Merkwürdig.
Göttingen, der Gänselieselbrunnen. Mein Lieblingsplatz. Ich beobachte die vielen Menschen an diesem heißen Sommertag, schlecke an einem Vanilleeis. Das Abitur steht kurz bevor. Ach, das pack ich schon.
Kati und ich schaukeln im Garten um die Wette. Wer kann höher fliegen? Mama schimpft und holt uns ins Haus zurück.
„Schatz, du siehst mich so traurig an. Was ist denn los?“
Du nimmst meine Hand, doch ich spüre sie nicht.
Das Geräusch verändert sich. Der Rhythmus holpert. Nun ist es ein gleichmäßiger, anhaltender Ton.
Wo bin ich? Es ist angenehm warm, dunkel. Schwebe oder schwimme ich? Nein! Ich will hier nicht raus. Nein! Ich werde brutal hinausgequetscht. Jemand schlägt mich. Ich möchte zurück, Hilfe! Wieder das grelle Licht.
© Gabriella Marten Cortes
21.09.2006
„Was tun Sie da? Hören Sie auf damit! Hallo? Hören Sie mich nicht?“
Habe ich einen Tinnitus? Seltsames Geräusch in den Ohren. So regelmäßig.
Molly, du Wirbelwind, lauf nicht so schnell. Mit deinem weißen Fell sehe ich dich nicht. Wieder bist du im Schnee verschwunden, springst wie ein Känguru auf und ab. Lachend forme ich Bälle, werfe sie dir zu. Was für eine Winterlandschaft. Wie im Märchen. Herrlich, diese Spaziergänge mit dir, wenn alles in Watte gepackt, so friedlich ist.
„So schalten Sie doch dieses grelle Licht aus, bitte!"
Warum kann ich meine Augen nicht schließen?
Papa, du bist am Zug. Du überlegst schon eine Ewigkeit. Mama kommt kurz rein, lächelt. Weiß sie doch, dass wir beide uns vertragen, wenn wir Schach spielen. Es sei denn, du verlierst. Schach als Stimmungsbarometer. Verrückte Welt. Wir sollten es immer spielen und ich dich gewinnen lassen. Dann bist du lieb, alles ist gut.
„Hallo? Wieso reden Sie über mich und nicht mit mir? Ich höre und sehe Sie! Was soll das? Das Licht, verdammt noch mal, macht es doch endlich aus!“
Tina und ich sehen uns im Fernsehen ein Konzert von Vanessa Mae an. Himmel, welch eine Gabe, dieses Temperament! Tränen fließen. Eine Gänsehaut jagt die nächste. Ich verehre sie. Doch auch Traurigkeit löst ihr virtuoses Geigenspiel in mir aus. Welche Gabe wurde mir geschenkt? Hinterlasse ich Spuren?
„Jetzt ist es aber genug! Schon wieder spritzen Sie mir etwas in den Arm! Warum schütteln Sie resignierend die Köpfe?“
Ich fühle den Stich gar nicht. Merkwürdig.
Göttingen, der Gänselieselbrunnen. Mein Lieblingsplatz. Ich beobachte die vielen Menschen an diesem heißen Sommertag, schlecke an einem Vanilleeis. Das Abitur steht kurz bevor. Ach, das pack ich schon.
Kati und ich schaukeln im Garten um die Wette. Wer kann höher fliegen? Mama schimpft und holt uns ins Haus zurück.
„Schatz, du siehst mich so traurig an. Was ist denn los?“
Du nimmst meine Hand, doch ich spüre sie nicht.
Das Geräusch verändert sich. Der Rhythmus holpert. Nun ist es ein gleichmäßiger, anhaltender Ton.
Wo bin ich? Es ist angenehm warm, dunkel. Schwebe oder schwimme ich? Nein! Ich will hier nicht raus. Nein! Ich werde brutal hinausgequetscht. Jemand schlägt mich. Ich möchte zurück, Hilfe! Wieder das grelle Licht.
© Gabriella Marten Cortes
21.09.2006