Warum Karl kein Buch schrieb II
Verfasst: 03.10.2006, 14:59
Hallo Leute,
dies ist der zweite Teil der Geschichte "Warum Karl kein Buch schrieb"; den ersten Teil findet man hier:
http://www.blauersalon.net/online-liter ... 0989#30989
Alles Gute
Merlin
*********************************
Mit schweren Schritten trabte er weiter den Weg herab, als es an einer Kehre wieder aus dem schwarzen Wald rief: „Schu-hu“. Da hob er den Kopf und blickte eine Weile um sich; als er aber die Ursache des Lautes nicht ausmachen konnte und seinen Lauf fortsetzen wollte, da rief es zum dritten Mal: „Schu-hu“, und mit eben diesem kam ein Kauz aus dem Wald geflogen, setzte sich auf einen Ast, der ein Stück über den Weg hing, und sah ihn an.
„Du schaust bekümmert, Junge. Sag, was ficht dich an?“
Und Karl, der über solche Anteilnahme viel zu froh war, als dass er sich an der Art des Anteilnehmenden hätte stoßen können, erzählte, dass er ja eigentlich gerne schreiben wolle, und auch Ideen habe und die Worte, dass ihm aber jedes Mal, wenn er beginne, ein Herr käme und ihm alles zunichte mache, und dass er darüber auch schon ganz wirr geworden sei und selbst schon nichts mehr denken könne.
Da verdrehte der Kauz seinen Kopf, wie nur Käuze ihren Kopf verdrehen können, und sprach:
„Im Besorgen dessen, was man mit, für und gegen die Anderen ergriffen hat, ruht ständig die Sorge um einen Unterschied gegen die Anderen. Das Miteinandersein ist – ihm selbst verborgen – von der Sorge um diesen Abstand beunruhigt. Je unauffälliger diese Seinsart dem alltäglichen Dasein selbst ist, um so hartnäckiger und ursprünglicher wirkt sie sich aus. Das Belieben der Anderen verfügt über die alltäglichen Seinsmöglichkeiten des Daseins. Diese Anderen sind dabei nicht bestimmte Andere; im Gegenteil, jeder Andere kann sie vertreten. Dies Belieben ist die Durchnittlichkeit; sie wacht als Vorzeichnung dessen, was gewagt werden kann, über jede sich vordrängende Ausnahme. Jeder Vorrang wird geräuschlos niedergehalten. Alles Erkämpfte wird handlich. Jedes Geheimnis verliert seine Kraft.
Wenn sich das Dasein sein eigenes Sein erschließt, dann vollzieht sich dieses Entdecken immer als Wegräumen der Verdeckungen und Verdunkelungen, als Zerbrechen der Verstellungen, mit denen sich das Dasein gegen es selbst abschließt. Wegräumen und Zerbrechen.“ betonte er noch einmal und schwieg.
Karl war tief beeindruckt. „Ist das so?“ fragte er, „Und wollen Sie das für mich besorgen?“
Der alte Kauz wurde sehr ernst. „Ich kann dir zur Seite stehen, austragen musst du das alleine. Aber ich will dich einstweilen begleiten, wenn es deinen Mut hebt.“
„Das wird es ganz gewiß.“ antwortete Karl, und damit flog der Kauz auf und setzte sich auf seine Schulter, von wo aus er mit hochherrschaftlicher Miene die im Lauf vorbeiziehenden Bäume betrachtete. Zuweilen warf Karl ihm einen scheuen Blick zu; dieser Vogel war ihm sicher wohlgesonnen, doch für wie lange? Schließlich wusste er nicht, wo der Herr anzutreffen war, und der Gedanke, so die sicher kostbare Zeit seines Verbündeten zu verschwenden, wurde ihm zur Last. „Keine Sorge.“ erklärte der Kauz unvermittelt in seine Gedanken, „Er wird nicht lange auf sich warten lassen.“
Und tatsächlich erwartete er sie schon am Waldrand.
Als er den Kauz auf Karls Schulter sah, rümpfte er die Nase. „So, hat der Schreiberling zum Federvieh gefunden.“
Der Man hielt den Blick gesenkt, wiederum war es unmöglich, sein Gesicht zu sehen, und doch war es, als ob der Kauz mit seinen scharfen Augen ihm direkt in die seinen sah, denn der Man geriet in wachsende Verwirrung und Erregung.
„Und wie er mich anglubscht, hat er ihm gewiß sein Leid geklagt, wie böse ich ihm seinen Schund zerrissen habe.“ Er wandte sich an den Kauz.
„Ich muss schon sagen, eines feinen Gesellen Advokat sind Sie da geworden. Ein fauler Hund, noch keine Zeile hat er zur Papier gebracht und sucht jemand, dem der die Schuld dazu andichten kann! Freilich, Andichter gibt es mehr als Dichter. Ich habe ihm mit meinem Rat zur Seite gestanden, von Anfang an habe ich ihm Ratschläge erteilt, fragen Sie ihn nur, ob er mir einen nennen kann, der nicht gewichtig war! Genug, ich habe noch zu tun. Es gibt ja, mit Verlaub, noch Schreiberlinge auf der Welt, die guten Rat zu schätzen wissen. Guten Tag.“
Und in einer Bewegung rückte der Herr seinen Hut zurecht, wandte sich um und ging mit raschen Schritten fort.
Karl, der sich die Bedeutung des Geschehenen nicht recht einzuschätzen getraute, drehte sich fragend nach dem Kauz um. Dieser schüttelte den Kopf um jene Winkel, zu denen allein Käuze fähig sind. „Nur der Anfang.“ verkündete er, indem er sich aufplusterte und seine Flügel spreizte. „Hinterher.“ sagte er noch „Du kannst ihn nur besiegen, wenn du ihn erkennst.“ Dann flatterte er davon und verschwand alsbald im aufkommenden Schneegestöber.
Ohne zu wissen, was und warum er da eigentlich tat, beeilte Karl sich, die Richtung einzuschlagen, nach der der Man sich entfernt hatte. Anfangs fiel es ihm noch leicht, im frischen Schnee seiner Spur zu folgen, doch schon bald wurde es schwierig, sie von der Vielzahl anderer zu scheiden, in die sie sich mischte. Glücklicherweise wurde er, ehe ihm diese Aufgabe unmöglich wurde,
einer Silhouette gewahr, die er mit einiger Wahrscheinlichkeit als die des Herrn erkannte. Aber auch diese wurde von dem anschwellenden Schneetreiben bis zur Ununterscheidbarkeit zunehmend verhüllt, so daß er seine Schritte immer wieder beschleunigen mußte, um ihn nicht aus den Augen zu verlieren, zumal sein Tempo dem Verfolger fast den von der Kälte ohnehin schon gehemmten Atem raubte. Erschwerend hinzu kam seine völlig planlos erscheinende Wegwahl; eine Weile mochte er auf breiter Straße gerade Bahnen ziehen, um dann doch, wenn Karl den Blick ein wenig senkte, um sein Gesicht vor den Zusetzungen des Windes zu schützen, scharf in irgendeine winzige Gasse einzubiegen. Eine Richtung war seinem Gang nicht zuzuweisen, nicht einmal eine grobe, und bisweilen schien es Karl sogar, als passierten sie dieselbe Stelle schon zum zweiten oder dritten Mal. Die Spuren gaben ihm in dieser Frage keinen Aufschluss mehr, denn sie wurden zugeschneit, ehe Karl bei ihnen anlangte. Er war der ganzen Sache schon fast überdrüssig, als er, keine halbe Minute hinter dem Herrn, um eine Ecke auf einen kleinen, von einer Mauer umsäumten Platz trat und diesen leer vorfand.
Im Bewusstsein, dass jede weitere Verzögerung für seine Zwecke leicht fatal sein konnte, begann Karl, ihn fieberhaft nach Lücken und Verstecken zu durchforsten. Eine ganze quälende Weile lang fand er nichts. Erst als er mit zunehmender Verzweiflung die Mauer zum dritten Mal abging, gewahrte er auf dieser einen auf den Boden gerichteten Pfeil; er deutete offenbar auf einen runden Kanaldeckel, der hier in den Boden eingelassen war und durch Karls Fußabdrücke hindurch gerade zu erkennen war.
Es war ganz und gar nichts daran zu finden, was besondere Aufmerksamkeit verdient hätte; der Deckel lag gerade so und da, wie solche Deckel eben immer lagen. Eher ungehörig schien da der Pfeil, der da willkürlich einen so ganz und gar harmonisch eingepassten Teil aus seinem Ganzen auswies. Davon abgesehen bewegte sich die Vorstellung, diese Erscheinung möchte etwas mit dem Verschwinden des akkurat behuteten Herrn zu tun haben, in gefährlicher Nähe zur Verrücktheit. So musste Karl sich erst eine Weile überwinden, ehe er den Schnee herunterwischte und – denn dies erschien ihm, wenn der Deckel eine Art von Eingangspforte sein sollte, adäquat – anklopfte. Freilich überkam ihn fast im gleichen Augenblick die Scham über seine Torheit, und er hatte sich schon halb zum Gehen abgewandt, als geöffnet wurde. Der Deckel schwang an einem seitlich befestigten Scharnier wie eine Türe auf und ein Herr in einer altmodischen Portieruniform, augenscheinlich nicht der Gesuchte, steckte seinen Kopf heraus. „Was möchten Sie?“ Karl drängte seine Verblüffung mit Rücksicht auf die Dringlichkeit seines Fortkommens zurück. „Hinein.“ antwortete er knapp. „Hinein? Ja sind Sie denn zugangsberechtigt?“ „Das weiß ich nicht.“ gab Karl zurück, ehe er sich darüber klar wurde, wie töricht eine solche Antwort war. „Er weiß es nicht!“ rief der Portier aus. „Er weiß es nicht! Und jetzt verlangt er am Ende gar von mir, dass ich es weiß – woher sollte ich? Habe ich Sie je vorher gesehen? Ihr Glück, dass heute nicht viel zu tun ist – die Gäste sind letzthin ein wenig rar geworden – und die Kälte mich ohnehin gerade zu etwas Bewegung trieb. Ich werde mich also für Sie erkundigen – bitte beachten Sie aber, dass dies durchaus nicht zu meinen Aufgaben gehört.“ Damit verschwand er über eine Wendeltreppe. Karl begann, mit zunehmender Ungeduld auf seine Rückkehr zu warten. Die Entdeckung des Deckels war zwar eine günstige Wendung gewesen, doch konnte dieser Vorteil durch gedehntes Warten leicht zunichte werden. Und was sollte man von einer derart nachlässigen Einlasskontrolle halten, als dass der Portier nur der Wirkung halber hier postiert worden war? Als nach fünf Minuten kein Zeichen vom Portier zu sehen war, stieg er hinterher.
Die Treppe war nicht beleuchtet, und als nach der zweiten Wendel das Tageslicht nicht mehr durchdrang, tappte Karl im Dunkeln. Schon fragte er sich, wie lange er so völlig ohne Sicht auf diesen schlüpfrigen und engen Stufen würde gehen müssen, als der Abstieg unvermittelt früh und neonlichthell zuende ging. Er blickte nun auf einen schnurgeraden Flur, von dem rechts und links einige kleinere, am anderen Ende aber eine riesige, sicher gut drei Meter hohe Türen abgingen. Karl wusste die Stellung des Herrn in dieser Einrichtung nicht abzuschätzen, mutmaßte aber, dass man ihm hinter dieser doch offenbar dem Bedeutendsten vorbehaltenen Türe jedenfalls würde Auskunft über seinen Aufenthalt geben können und ging raschen Schrittes auf diese zu. Er hatte bereits den halben Flur durchmessen, als er zu seiner Rechten eine halboffene Tür gewahrte, die die Aufschrift „Archiv“ trug. Aus Neugier, was es hier wohl zu archivieren gab, und da er seine Suche ebensogut hier wie anderswo beginnen konnte, durchschritter sie und fand er sich unvermittelt in einem ungeheuren Magazin; knapp fünfzig parallele Regalreihen, jede ein gutes dutzend Meter hoch, teilten den Raum in schmale, gerade passierbare Gänge, deren Ende nicht zu sehen war. Sie waren angefüllt mit schwarzen Aktenordnern, nein, das traf es nicht, überfüllt waren sie, manche Ordner standen so weit heraus, daß ihr Fall jeden Augenblick zu erwarten war, über den Reihen lagen sie quer gestapelt, und auf den obersten Regalbrettern türmten sie sich gar so hoch, daß die obersten bereits mit großer Kraft zwischen die übrigen und die Decke geschoben worden sein mußten. Wie näheres Hinsehen ihn lehrte, waren die Regale, wie auch die einzelnen Bretter, mit Daten versehen.
Auch das heutige Datum, der 1. Dezember hatte seinen Platz, dem Karl sich gleich zuwandte. Selbst die hier versammelte Menge war noch erklecklich, doch schließlich fand er einen Ordner, auf dessen Rücken sein Name stand, zusammen mit der Notiz, die „letzte Aktualisierung“ sei heute um 13.00 erfolgt.
Als Karl ihn aufschlug, fand er darin alles bisher Verworfene versammelt, neben seinen ersten Sätze und den vier Charakterskizzen von heute morgen selbst jene, die er schon in seiner Wohnung verworfen hatte. Dabei waren einige Ansätze bei genauerer Betrachtung garnicht so übel, lohnten durchaus eine weitere Erwägung und konnten wertvolle Beiträge leisten zu...
„Entschuldigen Sie bitte.“ sagte da bestimmt der Portier neben ihm, nahm den Ordner fort und stellte ihn ins Regal zurück. „Besuchern ist die Einsichtnahme unter keinen Umständen gestattet. Was suchen Sie hier im übrigen überhaupt?“
Karl erwog einen Augenblick, auf dem gefühlten Recht auf Einsichtnahme zu bestehen, befand dann aber, dass, da seine Berechtigung, überhaupt hier zu sein, bereits fragwürdig und sein Recht zum Betreten des Archivs für ihn als ungebetenen Gast äußerst zweifelhaft war, er dies Bestehen auf sehr schwachem Boden würde auszuführen haben und beschied sich daher mit der Erklärung, er wünsche den Herrn zu sehen, der eben hereingekommen sei, oder zumindest (was, so hoffte Karl, als die geforderte „Erkenntnis“ hinreichen mochte) dessen Namen zu erfahren.
„Oh, wie ungünstig Sie es da getroffen haben.“ entgegnete der Portier „Gerade war er noch im Hauptbüro am Ende des Ganges, doch eben erst ist er fort.“ Dessen ungeachtet nahm er Karl beim Ärmel und zog ihn vor die betreffende Tür. „Hinein können Sie da nun freilich nicht, aber der Name, den Sie so unbedingt zu kennen wünschen, steht oben, über der Türe – sehen Sie?“
Tatsächlich war deutlich zu erkennen, dass da eine Inschrift stand, die zu entziffern aber schon alleine aufgrund ihrer geringen Grösse von hier unten ganz unmöglich war. „Können Sie mir den Namen nicht einfach nennen?“ fragte Karl. „Ich könnte schon; aber es wird nichts nutzen. Sie werden ja doch nachsehen; solche wie Sie sehen immer nach. Hier, nehmen Sie nur.“
Damit stellte er eine Leiter an die Türe, deren oberes Ende jenseits des von den Neonleuchten erhellten Bereichs lag und im Dunkel unsichtbar war. Karl zögerte noch einen Augenblick, dann sagte er dem Portier seinen Dank, den dieser ungerührt zur Kenntnis nahm, und kletterte zum Türbogen hinauf. Zu seiner Enttäuschung war von der Inschrift auch aus der Nähe nichts weiter zu erkennen, als dass sie mit einem „M“ begann. „Nun?“ fragte der Portier von unten. „Ich kann es nicht erkennen.“ gab Karl zurück „Es ist zu dunkel hier.“
„Ich hätte es mir denken können.“ kam zur Antwort. „Tatsächlich haben es schon einige ohne Erfolg versucht; dennoch lohnt es sich für den gemeinen Verkehr hier einfach nicht, noch eine Leuchte anzubringen – es klettern ja nicht viele da herauf. Vom Hörensagen weiß ich aber, dass der Name sich noch weiter oben findet, wo die Lichtverhältnisse aufgrund der grösseren Nähe zur Sonne günstiger sein mögen; klettern Sie also nur weiter hinauf.“
„Wie soll das angehen?“ fragte Karl, „Die Leiter ist ja zuende!“
„Mitnichten.“ antwortete der Portier und verschwand.
Karl tastete sich nach oben vor und griff zu seinem großen Erstaunen eine Sprosse, die sich eine Armeslänge über seinem Kopf befand; der Portier schien - wenigstens in diesem Punkt – die Wahrheit gesagt zu haben, also beschloss Karl, seinem Rat zu folgen und fuhr fort, zu klettern.
Bald schon zwang ihn die Ermattung, seine Geschwindigkeit zu drosseln; die Leiter wollte kein Ende nehmen, schließlich mochten mehrere Dutzend Minuten sein oder schon Stunden, die er durch die Dunkelheit gestiegen war, längst war auch der Punkt, da seine Kräfte den glücklichen Ausgang einer Umkehr erlaubt hätten, verstrichen, er kletterte nicht mehr, kroch nur noch, wechselweise einen seiner erlahmenden Arme entlastend, immer langsamer, schlich, kroch die Schwärze empor, mit letzten Kräften, den Namen längst vergessen, nur noch heraus hier. Immer wieder rutschten seine zittrig gewordenen Finger von den kalten, metallischen Sprossen, immer wieder konnte er sich nur noch eben so vor einem Absturz retten, der ihm nun als das unvermeidliche Ende seines Unternehmens vor Augen stand. Dann, nach unendlich langer Zeit, als der Gedanke, einfach loszulassen schon vom Schreckgespenst zum guten Freund geworden war, spürte er den Zug von frischer, kalter Nachtluft in den Haaren; er richtete den Blick nach oben, wo ein matter Lichtschimmer ihn eine Öffnung erahnen liess, die von Straßenlaternen beschienen wurde.
Hier war nichts mehr zu finden; und das war ihm recht. Seine Kraft waren am Ende. Durch die Öffnung erkannte er die Fassade seines Zuhauses. Er kletterte hindurch, die Leiter führte bis gerade unter das Fenstersims seines Mitbewohners, das Fenster stand offen, und heraus schaute ihm der Man entgegen. Doch das kümmerte Karl nicht mehr. Erschöpft quälte er sich die letzten Sprossen herauf, schloss die Augen und spürte dankbar, wie die starken Arme des Herrn ihn fassten und hineinzogen. Er warf keinen Blick nach rechts und links, müde schleppte er sich in sein Zimmer und blieb dort stehen, als er die Blicke des Herrn auf sich spürte. Seine Müdigkeit gestattete ihm nicht mehr die Höflichkeit, sich umzuwenden, er sah ihn nicht, hörte nur, wie er sanft sagte:
„Es sind ja schon viele vor Ihnen gescheitert – seien Sie nicht zu enttäuscht.“ Aber davon konnte keine Rede sein; Karl war nichts mehr anderes als müde. Er bat den Herrn, seine kleine Schreibtischlampe, die er beim Verlassen des Zimmers unachtsamerweise hatte brennen lassen, zu löschen und legte sich ins Bett.
dies ist der zweite Teil der Geschichte "Warum Karl kein Buch schrieb"; den ersten Teil findet man hier:
http://www.blauersalon.net/online-liter ... 0989#30989
Alles Gute
Merlin
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Mit schweren Schritten trabte er weiter den Weg herab, als es an einer Kehre wieder aus dem schwarzen Wald rief: „Schu-hu“. Da hob er den Kopf und blickte eine Weile um sich; als er aber die Ursache des Lautes nicht ausmachen konnte und seinen Lauf fortsetzen wollte, da rief es zum dritten Mal: „Schu-hu“, und mit eben diesem kam ein Kauz aus dem Wald geflogen, setzte sich auf einen Ast, der ein Stück über den Weg hing, und sah ihn an.
„Du schaust bekümmert, Junge. Sag, was ficht dich an?“
Und Karl, der über solche Anteilnahme viel zu froh war, als dass er sich an der Art des Anteilnehmenden hätte stoßen können, erzählte, dass er ja eigentlich gerne schreiben wolle, und auch Ideen habe und die Worte, dass ihm aber jedes Mal, wenn er beginne, ein Herr käme und ihm alles zunichte mache, und dass er darüber auch schon ganz wirr geworden sei und selbst schon nichts mehr denken könne.
Da verdrehte der Kauz seinen Kopf, wie nur Käuze ihren Kopf verdrehen können, und sprach:
„Im Besorgen dessen, was man mit, für und gegen die Anderen ergriffen hat, ruht ständig die Sorge um einen Unterschied gegen die Anderen. Das Miteinandersein ist – ihm selbst verborgen – von der Sorge um diesen Abstand beunruhigt. Je unauffälliger diese Seinsart dem alltäglichen Dasein selbst ist, um so hartnäckiger und ursprünglicher wirkt sie sich aus. Das Belieben der Anderen verfügt über die alltäglichen Seinsmöglichkeiten des Daseins. Diese Anderen sind dabei nicht bestimmte Andere; im Gegenteil, jeder Andere kann sie vertreten. Dies Belieben ist die Durchnittlichkeit; sie wacht als Vorzeichnung dessen, was gewagt werden kann, über jede sich vordrängende Ausnahme. Jeder Vorrang wird geräuschlos niedergehalten. Alles Erkämpfte wird handlich. Jedes Geheimnis verliert seine Kraft.
Wenn sich das Dasein sein eigenes Sein erschließt, dann vollzieht sich dieses Entdecken immer als Wegräumen der Verdeckungen und Verdunkelungen, als Zerbrechen der Verstellungen, mit denen sich das Dasein gegen es selbst abschließt. Wegräumen und Zerbrechen.“ betonte er noch einmal und schwieg.
Karl war tief beeindruckt. „Ist das so?“ fragte er, „Und wollen Sie das für mich besorgen?“
Der alte Kauz wurde sehr ernst. „Ich kann dir zur Seite stehen, austragen musst du das alleine. Aber ich will dich einstweilen begleiten, wenn es deinen Mut hebt.“
„Das wird es ganz gewiß.“ antwortete Karl, und damit flog der Kauz auf und setzte sich auf seine Schulter, von wo aus er mit hochherrschaftlicher Miene die im Lauf vorbeiziehenden Bäume betrachtete. Zuweilen warf Karl ihm einen scheuen Blick zu; dieser Vogel war ihm sicher wohlgesonnen, doch für wie lange? Schließlich wusste er nicht, wo der Herr anzutreffen war, und der Gedanke, so die sicher kostbare Zeit seines Verbündeten zu verschwenden, wurde ihm zur Last. „Keine Sorge.“ erklärte der Kauz unvermittelt in seine Gedanken, „Er wird nicht lange auf sich warten lassen.“
Und tatsächlich erwartete er sie schon am Waldrand.
Als er den Kauz auf Karls Schulter sah, rümpfte er die Nase. „So, hat der Schreiberling zum Federvieh gefunden.“
Der Man hielt den Blick gesenkt, wiederum war es unmöglich, sein Gesicht zu sehen, und doch war es, als ob der Kauz mit seinen scharfen Augen ihm direkt in die seinen sah, denn der Man geriet in wachsende Verwirrung und Erregung.
„Und wie er mich anglubscht, hat er ihm gewiß sein Leid geklagt, wie böse ich ihm seinen Schund zerrissen habe.“ Er wandte sich an den Kauz.
„Ich muss schon sagen, eines feinen Gesellen Advokat sind Sie da geworden. Ein fauler Hund, noch keine Zeile hat er zur Papier gebracht und sucht jemand, dem der die Schuld dazu andichten kann! Freilich, Andichter gibt es mehr als Dichter. Ich habe ihm mit meinem Rat zur Seite gestanden, von Anfang an habe ich ihm Ratschläge erteilt, fragen Sie ihn nur, ob er mir einen nennen kann, der nicht gewichtig war! Genug, ich habe noch zu tun. Es gibt ja, mit Verlaub, noch Schreiberlinge auf der Welt, die guten Rat zu schätzen wissen. Guten Tag.“
Und in einer Bewegung rückte der Herr seinen Hut zurecht, wandte sich um und ging mit raschen Schritten fort.
Karl, der sich die Bedeutung des Geschehenen nicht recht einzuschätzen getraute, drehte sich fragend nach dem Kauz um. Dieser schüttelte den Kopf um jene Winkel, zu denen allein Käuze fähig sind. „Nur der Anfang.“ verkündete er, indem er sich aufplusterte und seine Flügel spreizte. „Hinterher.“ sagte er noch „Du kannst ihn nur besiegen, wenn du ihn erkennst.“ Dann flatterte er davon und verschwand alsbald im aufkommenden Schneegestöber.
Ohne zu wissen, was und warum er da eigentlich tat, beeilte Karl sich, die Richtung einzuschlagen, nach der der Man sich entfernt hatte. Anfangs fiel es ihm noch leicht, im frischen Schnee seiner Spur zu folgen, doch schon bald wurde es schwierig, sie von der Vielzahl anderer zu scheiden, in die sie sich mischte. Glücklicherweise wurde er, ehe ihm diese Aufgabe unmöglich wurde,
einer Silhouette gewahr, die er mit einiger Wahrscheinlichkeit als die des Herrn erkannte. Aber auch diese wurde von dem anschwellenden Schneetreiben bis zur Ununterscheidbarkeit zunehmend verhüllt, so daß er seine Schritte immer wieder beschleunigen mußte, um ihn nicht aus den Augen zu verlieren, zumal sein Tempo dem Verfolger fast den von der Kälte ohnehin schon gehemmten Atem raubte. Erschwerend hinzu kam seine völlig planlos erscheinende Wegwahl; eine Weile mochte er auf breiter Straße gerade Bahnen ziehen, um dann doch, wenn Karl den Blick ein wenig senkte, um sein Gesicht vor den Zusetzungen des Windes zu schützen, scharf in irgendeine winzige Gasse einzubiegen. Eine Richtung war seinem Gang nicht zuzuweisen, nicht einmal eine grobe, und bisweilen schien es Karl sogar, als passierten sie dieselbe Stelle schon zum zweiten oder dritten Mal. Die Spuren gaben ihm in dieser Frage keinen Aufschluss mehr, denn sie wurden zugeschneit, ehe Karl bei ihnen anlangte. Er war der ganzen Sache schon fast überdrüssig, als er, keine halbe Minute hinter dem Herrn, um eine Ecke auf einen kleinen, von einer Mauer umsäumten Platz trat und diesen leer vorfand.
Im Bewusstsein, dass jede weitere Verzögerung für seine Zwecke leicht fatal sein konnte, begann Karl, ihn fieberhaft nach Lücken und Verstecken zu durchforsten. Eine ganze quälende Weile lang fand er nichts. Erst als er mit zunehmender Verzweiflung die Mauer zum dritten Mal abging, gewahrte er auf dieser einen auf den Boden gerichteten Pfeil; er deutete offenbar auf einen runden Kanaldeckel, der hier in den Boden eingelassen war und durch Karls Fußabdrücke hindurch gerade zu erkennen war.
Es war ganz und gar nichts daran zu finden, was besondere Aufmerksamkeit verdient hätte; der Deckel lag gerade so und da, wie solche Deckel eben immer lagen. Eher ungehörig schien da der Pfeil, der da willkürlich einen so ganz und gar harmonisch eingepassten Teil aus seinem Ganzen auswies. Davon abgesehen bewegte sich die Vorstellung, diese Erscheinung möchte etwas mit dem Verschwinden des akkurat behuteten Herrn zu tun haben, in gefährlicher Nähe zur Verrücktheit. So musste Karl sich erst eine Weile überwinden, ehe er den Schnee herunterwischte und – denn dies erschien ihm, wenn der Deckel eine Art von Eingangspforte sein sollte, adäquat – anklopfte. Freilich überkam ihn fast im gleichen Augenblick die Scham über seine Torheit, und er hatte sich schon halb zum Gehen abgewandt, als geöffnet wurde. Der Deckel schwang an einem seitlich befestigten Scharnier wie eine Türe auf und ein Herr in einer altmodischen Portieruniform, augenscheinlich nicht der Gesuchte, steckte seinen Kopf heraus. „Was möchten Sie?“ Karl drängte seine Verblüffung mit Rücksicht auf die Dringlichkeit seines Fortkommens zurück. „Hinein.“ antwortete er knapp. „Hinein? Ja sind Sie denn zugangsberechtigt?“ „Das weiß ich nicht.“ gab Karl zurück, ehe er sich darüber klar wurde, wie töricht eine solche Antwort war. „Er weiß es nicht!“ rief der Portier aus. „Er weiß es nicht! Und jetzt verlangt er am Ende gar von mir, dass ich es weiß – woher sollte ich? Habe ich Sie je vorher gesehen? Ihr Glück, dass heute nicht viel zu tun ist – die Gäste sind letzthin ein wenig rar geworden – und die Kälte mich ohnehin gerade zu etwas Bewegung trieb. Ich werde mich also für Sie erkundigen – bitte beachten Sie aber, dass dies durchaus nicht zu meinen Aufgaben gehört.“ Damit verschwand er über eine Wendeltreppe. Karl begann, mit zunehmender Ungeduld auf seine Rückkehr zu warten. Die Entdeckung des Deckels war zwar eine günstige Wendung gewesen, doch konnte dieser Vorteil durch gedehntes Warten leicht zunichte werden. Und was sollte man von einer derart nachlässigen Einlasskontrolle halten, als dass der Portier nur der Wirkung halber hier postiert worden war? Als nach fünf Minuten kein Zeichen vom Portier zu sehen war, stieg er hinterher.
Die Treppe war nicht beleuchtet, und als nach der zweiten Wendel das Tageslicht nicht mehr durchdrang, tappte Karl im Dunkeln. Schon fragte er sich, wie lange er so völlig ohne Sicht auf diesen schlüpfrigen und engen Stufen würde gehen müssen, als der Abstieg unvermittelt früh und neonlichthell zuende ging. Er blickte nun auf einen schnurgeraden Flur, von dem rechts und links einige kleinere, am anderen Ende aber eine riesige, sicher gut drei Meter hohe Türen abgingen. Karl wusste die Stellung des Herrn in dieser Einrichtung nicht abzuschätzen, mutmaßte aber, dass man ihm hinter dieser doch offenbar dem Bedeutendsten vorbehaltenen Türe jedenfalls würde Auskunft über seinen Aufenthalt geben können und ging raschen Schrittes auf diese zu. Er hatte bereits den halben Flur durchmessen, als er zu seiner Rechten eine halboffene Tür gewahrte, die die Aufschrift „Archiv“ trug. Aus Neugier, was es hier wohl zu archivieren gab, und da er seine Suche ebensogut hier wie anderswo beginnen konnte, durchschritter sie und fand er sich unvermittelt in einem ungeheuren Magazin; knapp fünfzig parallele Regalreihen, jede ein gutes dutzend Meter hoch, teilten den Raum in schmale, gerade passierbare Gänge, deren Ende nicht zu sehen war. Sie waren angefüllt mit schwarzen Aktenordnern, nein, das traf es nicht, überfüllt waren sie, manche Ordner standen so weit heraus, daß ihr Fall jeden Augenblick zu erwarten war, über den Reihen lagen sie quer gestapelt, und auf den obersten Regalbrettern türmten sie sich gar so hoch, daß die obersten bereits mit großer Kraft zwischen die übrigen und die Decke geschoben worden sein mußten. Wie näheres Hinsehen ihn lehrte, waren die Regale, wie auch die einzelnen Bretter, mit Daten versehen.
Auch das heutige Datum, der 1. Dezember hatte seinen Platz, dem Karl sich gleich zuwandte. Selbst die hier versammelte Menge war noch erklecklich, doch schließlich fand er einen Ordner, auf dessen Rücken sein Name stand, zusammen mit der Notiz, die „letzte Aktualisierung“ sei heute um 13.00 erfolgt.
Als Karl ihn aufschlug, fand er darin alles bisher Verworfene versammelt, neben seinen ersten Sätze und den vier Charakterskizzen von heute morgen selbst jene, die er schon in seiner Wohnung verworfen hatte. Dabei waren einige Ansätze bei genauerer Betrachtung garnicht so übel, lohnten durchaus eine weitere Erwägung und konnten wertvolle Beiträge leisten zu...
„Entschuldigen Sie bitte.“ sagte da bestimmt der Portier neben ihm, nahm den Ordner fort und stellte ihn ins Regal zurück. „Besuchern ist die Einsichtnahme unter keinen Umständen gestattet. Was suchen Sie hier im übrigen überhaupt?“
Karl erwog einen Augenblick, auf dem gefühlten Recht auf Einsichtnahme zu bestehen, befand dann aber, dass, da seine Berechtigung, überhaupt hier zu sein, bereits fragwürdig und sein Recht zum Betreten des Archivs für ihn als ungebetenen Gast äußerst zweifelhaft war, er dies Bestehen auf sehr schwachem Boden würde auszuführen haben und beschied sich daher mit der Erklärung, er wünsche den Herrn zu sehen, der eben hereingekommen sei, oder zumindest (was, so hoffte Karl, als die geforderte „Erkenntnis“ hinreichen mochte) dessen Namen zu erfahren.
„Oh, wie ungünstig Sie es da getroffen haben.“ entgegnete der Portier „Gerade war er noch im Hauptbüro am Ende des Ganges, doch eben erst ist er fort.“ Dessen ungeachtet nahm er Karl beim Ärmel und zog ihn vor die betreffende Tür. „Hinein können Sie da nun freilich nicht, aber der Name, den Sie so unbedingt zu kennen wünschen, steht oben, über der Türe – sehen Sie?“
Tatsächlich war deutlich zu erkennen, dass da eine Inschrift stand, die zu entziffern aber schon alleine aufgrund ihrer geringen Grösse von hier unten ganz unmöglich war. „Können Sie mir den Namen nicht einfach nennen?“ fragte Karl. „Ich könnte schon; aber es wird nichts nutzen. Sie werden ja doch nachsehen; solche wie Sie sehen immer nach. Hier, nehmen Sie nur.“
Damit stellte er eine Leiter an die Türe, deren oberes Ende jenseits des von den Neonleuchten erhellten Bereichs lag und im Dunkel unsichtbar war. Karl zögerte noch einen Augenblick, dann sagte er dem Portier seinen Dank, den dieser ungerührt zur Kenntnis nahm, und kletterte zum Türbogen hinauf. Zu seiner Enttäuschung war von der Inschrift auch aus der Nähe nichts weiter zu erkennen, als dass sie mit einem „M“ begann. „Nun?“ fragte der Portier von unten. „Ich kann es nicht erkennen.“ gab Karl zurück „Es ist zu dunkel hier.“
„Ich hätte es mir denken können.“ kam zur Antwort. „Tatsächlich haben es schon einige ohne Erfolg versucht; dennoch lohnt es sich für den gemeinen Verkehr hier einfach nicht, noch eine Leuchte anzubringen – es klettern ja nicht viele da herauf. Vom Hörensagen weiß ich aber, dass der Name sich noch weiter oben findet, wo die Lichtverhältnisse aufgrund der grösseren Nähe zur Sonne günstiger sein mögen; klettern Sie also nur weiter hinauf.“
„Wie soll das angehen?“ fragte Karl, „Die Leiter ist ja zuende!“
„Mitnichten.“ antwortete der Portier und verschwand.
Karl tastete sich nach oben vor und griff zu seinem großen Erstaunen eine Sprosse, die sich eine Armeslänge über seinem Kopf befand; der Portier schien - wenigstens in diesem Punkt – die Wahrheit gesagt zu haben, also beschloss Karl, seinem Rat zu folgen und fuhr fort, zu klettern.
Bald schon zwang ihn die Ermattung, seine Geschwindigkeit zu drosseln; die Leiter wollte kein Ende nehmen, schließlich mochten mehrere Dutzend Minuten sein oder schon Stunden, die er durch die Dunkelheit gestiegen war, längst war auch der Punkt, da seine Kräfte den glücklichen Ausgang einer Umkehr erlaubt hätten, verstrichen, er kletterte nicht mehr, kroch nur noch, wechselweise einen seiner erlahmenden Arme entlastend, immer langsamer, schlich, kroch die Schwärze empor, mit letzten Kräften, den Namen längst vergessen, nur noch heraus hier. Immer wieder rutschten seine zittrig gewordenen Finger von den kalten, metallischen Sprossen, immer wieder konnte er sich nur noch eben so vor einem Absturz retten, der ihm nun als das unvermeidliche Ende seines Unternehmens vor Augen stand. Dann, nach unendlich langer Zeit, als der Gedanke, einfach loszulassen schon vom Schreckgespenst zum guten Freund geworden war, spürte er den Zug von frischer, kalter Nachtluft in den Haaren; er richtete den Blick nach oben, wo ein matter Lichtschimmer ihn eine Öffnung erahnen liess, die von Straßenlaternen beschienen wurde.
Hier war nichts mehr zu finden; und das war ihm recht. Seine Kraft waren am Ende. Durch die Öffnung erkannte er die Fassade seines Zuhauses. Er kletterte hindurch, die Leiter führte bis gerade unter das Fenstersims seines Mitbewohners, das Fenster stand offen, und heraus schaute ihm der Man entgegen. Doch das kümmerte Karl nicht mehr. Erschöpft quälte er sich die letzten Sprossen herauf, schloss die Augen und spürte dankbar, wie die starken Arme des Herrn ihn fassten und hineinzogen. Er warf keinen Blick nach rechts und links, müde schleppte er sich in sein Zimmer und blieb dort stehen, als er die Blicke des Herrn auf sich spürte. Seine Müdigkeit gestattete ihm nicht mehr die Höflichkeit, sich umzuwenden, er sah ihn nicht, hörte nur, wie er sanft sagte:
„Es sind ja schon viele vor Ihnen gescheitert – seien Sie nicht zu enttäuscht.“ Aber davon konnte keine Rede sein; Karl war nichts mehr anderes als müde. Er bat den Herrn, seine kleine Schreibtischlampe, die er beim Verlassen des Zimmers unachtsamerweise hatte brennen lassen, zu löschen und legte sich ins Bett.