Bang Bang
Verfasst: 21.10.2006, 13:30
2. Version
Bang Bang
Crazy schleppte mich in diese abgefuckte Kneipe. Die fuhren dort voll ab auf die Oldies aus den Siebzigern. Der Tresen kurz vor dem Zusammenbrechen. Wir hielten die Biergläser fest, damit sie nicht von der Resopalplatte runterrutschten.
„Ist der coolste Lesbentreff in town“, brüllte Nina. Crazy nannte sie sich seit dem Unglück. „Ist doch voll toll, ne?“ Ihre grünen Augen strahlten. Mit der typischen Bewegung – sich fast bis zum Boden vornüberbeugend – warf sie ihre hennaroten Dreads auf den Rücken. „Prost“, schrie sie in die Runde. Keine der Frauen reagierte. Jimi Hendrix und seine Experience dröhnten aus den Boxen an der Decke.
„Was machen wir hier eigentlich?“, fragte ich.
„Hä?“
Ich legte meinen Mund an ihr Ohr.
„Finale!“ Crazy wischte den Schaum vom Mund. Das Bier war lauwarm. Außer der Theke gab es kein Mobiliar. An der Ziegelwand dahinter klebte in silbernen Lettern: „Die Rock-Weiber“. Hendrix Foxy Lady lief.
„Los, schwing deinen Luxuskörper.“ Crazy zerrte mich zur Tanzfläche. Nach einer Stunde extremen Headbangings gingen wir erhitzt vor die Tür.
Sie grinste mich an. „Traurig, dass du lieber mit Männern rummachst, Baby.“
Seit dreißig Jahren nannte sie mich so. Wir waren Nachbarskinder, ich zwei Jahre jünger und sie beschützte mich. Haute ihre Schaufel jedem auf den Kopf, der mir meine Sandformen oder den Eimer wegnehmen wollte. Später in der Schule und während der Pubertät war sie meine Löwenmutter. Wir haben uns erst am Tag des Unglücks aus den Augen verloren. Es hatte zwei Jahre gedauert, bis sie wieder Kontakt mit der Welt und mit mir aufnahm.
„Muss was trinken“, sagte Crazy und schob mich zurück ins „Die Rock-Weiber“.
Sie soff. Man sah es ihr mittlerweile auch an. Der Alkohol schwemmte sie auf. Meine Bitten, sie möge eine Therapie machen, überhörte sie oder, wenn sie schlecht drauf war, brüllte sie: „Lass mich mit dem Psychoscheiß in Ruh! Herzbruch, verstehst du? Irreparabel, verdammt.“
Dann knallte sie meine Wohnungstür zu. Ich hörte sie nebenan heulen; wir waren wieder Nachbarn.
Ich sagte nichts mehr.
Crazy kippte das dritte Bier, bestellte Southern Comfort. „Damit hat sich Janis Joplin totgesoffen, na denn!“, sagte sie und zündete das Getränk mit dem Zippo an. Weiche blaue Flamme. Als sie erlosch, trank Crazy gierig. Leckte die Lippen ab. „Bourbon und Pfirsichlikör – es gibt nichts Besseres.“
Plötzlich flog sie in meine Arme, irgendwer hatte sie gestoßen. Mit einem Schrei schnellte sie herum, packte jemanden an der Kehle. „Bist du bekloppt! Leg dich ja nicht an mit mir.“
Crazy schlug ihre Stirn gegen die der Frau. Wieder und wieder. Ich zerrte sie an der Taille, die Leute schrien: „Lass gut sein, Crazy!“
Nach ein paar Minuten sackte die andere weg. Crazy warf einen triumphierenden Blick in die Runde, ihre Stirn blutete. „Nicht mit mir!“ Sie bestellte noch einen Southern Comfort.
Ein paar Gäste halfen der Frau auf die Beine. Sie zog heulend ab.
„Mensch, Crazy, das war echt nicht nötig“, sagte ich.
Sie blickte mich von oben herab an: „Hast du eine Ahnung, was alles nötig ist, Baby.“ Sie trank, zahlte. „Let’s go!“
Auf der Straße breitete Crazy die Arme aus. „Was für ein herrlicher Abend! So was sollte ich mir öfter mal gönnen.“
„Jemanden zusammenschlagen?“
Sie nickte, lief ein Stück voraus, legte den Kopf in den Nacken und jaulte den Mond an.
Als ich sie eingeholt hatte, grinste sie. „Mach du auch mal, Baby!“
„Lass uns heimgehen, ich kann das nicht.“
„Fuck you!“
Aber sie ging mit.
Crazy hatte keine Beziehung. In kürzester Zeit trat sie alles kaputt. Eigentlich wollte sie mich. Nach einem Versuch miteinander, beließ ich es bei der Freundschaft, ich brachte es einfach nicht.
Wir küssten uns und jede ging in die eigene Wohnung. Unsere Betten standen an einer Wand; diejenige, die das Licht zuerst abdrehte, klopfte einen Rhythmus dagegen. Die andere antwortete.
Heute war ich erledigt und klopfte zuerst. Wartete. Hämmerte. Keine Antwort. Ich rief sie an, hörte ihr Telefon klingeln, sie nahm nicht ab. Ich kramte Crazys Reserveschlüssel aus dem Schreibtisch. Hauslatschen an und rüber.
Sie saß am Küchentisch. Die Wimperntusche rann in zwei Streifen über ihre Wangen, sie hatte den Lauf einer Pistole in den Mund gesteckt.
„Crazy“, flüsterte ich, „ich liebe dich.“
„Das Kind ist in den Brunnen gefallen“, nuschelte sie,
die Tränen tropften ins Dekolletee.
„Es ist sieben Jahre her, Nina, du konntest nichts dafür. Ein Unfall ...“
Sie riss den Lauf aus dem Mund, fuchtelte herum, brüllte. „Nur weil das Arschloch mir unbedingt in seiner Mittagspause an die Wäsche wollte! Deswegen nie wieder Kerle!“ Crazy zitterte am ganzen Körper. „Baby, Johnny war nicht mal vier! Ich hab ihn allein gelassen im Garten, verstehst du? Und er ist in den Brunnen ...“ Ihre Augen funkelten, ich hatte eine Heidenangst, dass sie den Abzug drückte.
Vorsichtig sagte ich: „Er war dein Mann, du hast ihn ... geliebt.“ Das letzte Wort konnte ich nur noch flüstern, denn sie war aufgesprungen und hielt mir den Griff der Waffe hin. „Baby, shoot me down.“
Ich prallte zurück, sagte: „Hey ... Nina, ohne dich ... mein Leben ist Scheiße ohne dich.“
„Blödsinn! Ich bin Scheiße.“ Sie zitterte vor Wut und was weiß ich noch alles.
„Du bist Crazy, meine Löwenmutter.“
Sie plumpste auf den Stuhl. „Sag das nicht, Baby, bitte nicht“, schluchzte sie.
„Du bist besoffen, weißt du, morgen sieht es wieder besser aus.“ Mann, war ich platt! Ich setzte mich ihr gegenüber. „Ich meine, es gibt noch so viel ...“
Sie schmiss die Pistole auf den Tisch. Ein irrer Krach. Die Kugel steckte in der Wand.
Wir schauten zu, wie Putz herunterrieselte. Dann sahen wir uns in die Augen.
„Finale, ja?“, fragte ich.
Sie blies auf ihren Zeigefinger, zielte auf mich. „Bang, bang.“
Wie der Blitz pfefferte Crazy die Waffe in den Wasserkasten auf dem Klo, ich klemmte mit einer Reißzwecke eine Ansichtskarte übers Einschussloch. Als die Bullen kamen, spielten wir Schwarzer Peter.
Wir lachten stundenlang, es war egal, dass die Nachbarn an die Wand trommelten.
1. Version
Bang Bang
Das war ja vielleicht eine abgefuckte Kneipe, in die Crazy mich geschleppt hatte. Der Tresen vor dem Zusammenbrechen, wir hielten die Biergläser fest, damit sie nicht von der Resopalplatte runterrutschten.
„Ist der coolste Lesbentreff in town“, sagte Nina oder Crazy. So nannte sie sich seit dem Unglück. „Ist doch voll toll, ne?“ Ihre grünen Augen strahlten. Mit der typischen Kopfbewegung warf sie ihre hennaroten Dreads auf den Rücken. „Prost“, schrie sie in die Runde. Keine der Frauen reagierte. Jimi Hendrix und seine Experience dröhnten aus den Boxen an der Decke.
„Was machen wir hier eigentlich?“
„Hä?“
Ich brüllte ihr ins Ohr. Das Bier war lauwarm. Außer der Theke gab es kein Mobiliar, kein Wunder, dass die sich nur mit Mühe aufrecht hielt, wenn alle dran lehnten.
In silbernen Lettern klebte an der Ziegelwand dahinter: „Die Rock-Weiber“
Foxy Lady lief. „Los, schwing deinen Luxuskörper.“ Crazy zerrte mich zur Tanzfläche.
Nach einer Stunde Extremshaken gingen wir erhitzt vor die Tür.
Sie grinste mich an. „Traurig, dass du lieber mit Männern rummachst, Baby.“
Seit dreißig Jahren nannte sie mich so. Wir waren Nachbarskinder, ich zwei Jahre jünger und sie beschützte mich. Haute ihre Schaufel jedem auf den Kopf, der mir meine Sandformen oder den Eimer wegnehmen wollte. Später in der Schule und während der Pubertät war sie meine Löwenmutter. Wir haben uns erst am Tag des Unglücks aus den Augen verloren. Es hatte zwei Jahre gedauert, bis sie wieder Kontakt mit der Welt und mit mir aufnahm.
„Muss was trinken“, sagte Crazy und schob mich zurück ins „Die Rock-Weiber“
Sie soff. Man sah es ihr mittlerweile auch an. Manche werden ausgemergelt, Crazy schwemmte der Alkohol auf. Meine Bitten, sie möge doch eine Therapie machen, überhörte sie oder, wenn sie schlecht drauf war, brüllte sie: „Lass mich mit dem Psychoscheiß in Ruh! Herzbruch, verstehst du? Irreparabel, verdammt.“
Sie knallte meine Wohnungstür zu. Ich hörte sie nebenan heulen; wir waren wieder Nachbarn.
Ich sagte nichts mehr.
Crazy kippte das dritte Bier, bestellte Southern Comfort. „Damit hat sich Janis Joplin totgesoffen, na denn!“, sagte sie und zündete das Getränk mit dem Zippo an. Weiche blaue Flamme. Als sie erlosch, trank Crazy. Leckte die Lippen ab. „Bourbon und Pfirsichlikör – es gibt nichts besseres.“
Plötzlich flog sie in meine Arme, irgendwer hatte sie gestoßen. Mit einem Schrei schnellte sie herum, packte die Frau an der Kehle. „Bist du bekloppt! Leg dich ja nicht an mit mir.“
Crazy war stark, mit einer Hand umklammerte sie die Kehle der Frau, mit der anderen ihre Handgelenke.
Mir blieb die Luft weg, sie rammte sie mit der Stirn. Wieder und wieder. Ich zerrte sie an der Taille zurück, die anderen schrieen: „Lass gut sein, Crazy!“
Nach ein paar Minuten sackte die andere weg. Crazy warf einen triumphierenden Blick in die Runde, ihre Stirn blutete. „Nicht mit mir!“ Sie bestellte noch einen Southern Comfort.
Ein paar Gäste halfen der anderen auf die Beine. Sie zog heulend ab.
„Mensch, Crazy, das war nun echt nicht nötig“, sagte ich.
Sie blickte mich von oben herab an: „Hast du eine Ahnung, was alles nötig ist, Baby.“ Sie trank, zahlte. „Let’s go!“
Auf der Straße breitete Crazy die Arme aus. „Was für ein herrlicher Abend! Sowas sollte ich mir öfter mal gönnen.“
„Jemanden zusammenschlagen?“
Sie nickte, lief ein Stück voraus, legte den Kopf in den Nacken und jaulte den Mond an.
Als ich sie eingeholt hatte, grinste sie. „Mach du auch mal, Baby!“
„Lass uns heimgehen, ich kann das nicht.“
„Fuck you!“
Aber sie ging mit.
Crazy hatte keine Beziehung. In kürzester Zeit trat sie alles kaputt. Eigentlich wollte sie mich, nach einem Versuch miteinander, beließ ich es bei der Freundschaft, ich brachte es einfach nicht.
Wir küssten uns und jede ging in die eigene Wohnung. Unsere Betten standen an einer Wand; diejenige, die das Licht abdrehte klopfte einen Rhythmus an die Wand. Die andere antwortete.
Heute war ich erledigt und klopfte zuerst. Wartete. Hämmerte. Keine Antwort. Ich rief sie an, hörte ihr Telefon klingeln, sie nahm nicht ab. Ich kramte nach Crazys Reserveschlüssel im Schreibtisch. Hauslatschen an und rüber.
Sie saß am Küchentisch. Die Wimperntusche rann in zwei Streifen über ihre Wangen, sie hatte den Lauf einer Pistole in den Mund gesteckt.
„Crazy“, flüsterte ich, „ich liebe dich.“
„Das Kind ist in den Brunnen gefallen“, nuschelte sie,
die Tränen tropften ins Dekolletee.
„Es ist sieben Jahre her, Nina, du konntest nichts dafür. Ein Unfall ...“
Sie riss den Lauf aus dem Mund, fuchtelte herum, brüllte. „Nur weil das Arschloch mir unbedingt in seiner Mittagspause an die Wäsche wollte! Baby, Johnny war nicht mal vier! Ich hab ihn allein gelassen im Garten, verstehst du? Und er ist in den Brunnen ...“ Ihre Augen funkelten, ich hatte eine Heidenangst, dass sie den Abzug drückte. Vorsichtig sagte ich: „Er war dein Mann, du hast ihn ... geliebt.“ Das letzte Wort konnte ich nur noch flüstern, denn sie war aufgesprungen und hielt mir den Griff der Waffe hin. „Baby, shot me down.“
Ich prallte zurück, sagte: „Hey ... Nina, ohne dich ... mein Leben ist Scheiße ohne dich.“
„Blödsinn! Ich bin Scheiße.“ Sie zitterte vor Wut und was weiß ich noch alles.
„Du bist Crazy, meine Löwenmutter.“
Sie plumpste auf den Stuhl, hielt sich die Ohren zu, die Pistole baumelte am Zeigefinger. „Sag das nicht, Baby, bitte nicht“, schluchzte sie.
„Du bist besoffen, weißt du, Morgen sieht es wieder besser aus.“ Mann, war ich platt! Ich setzte mich ihr gegenüber. „Ich meine, es gibt noch so viel ...“
Sie nahm die Hände runter, schmiss die Pistole auf den Tisch.
Ein irrer Krach. Die Kugel steckte in der Wand.
Wir schauten zu, wie Putz herunterrieselte. Dann sahen wir uns in die Augen. Sie blies auf ihren Zeigefinger, zielte auf mich. „Bang, bang.“
Wir lachten die restliche Nacht, es war egal, dass die Nachbarn an die Wand trommelten.
by maxl
Bang Bang
Crazy schleppte mich in diese abgefuckte Kneipe. Die fuhren dort voll ab auf die Oldies aus den Siebzigern. Der Tresen kurz vor dem Zusammenbrechen. Wir hielten die Biergläser fest, damit sie nicht von der Resopalplatte runterrutschten.
„Ist der coolste Lesbentreff in town“, brüllte Nina. Crazy nannte sie sich seit dem Unglück. „Ist doch voll toll, ne?“ Ihre grünen Augen strahlten. Mit der typischen Bewegung – sich fast bis zum Boden vornüberbeugend – warf sie ihre hennaroten Dreads auf den Rücken. „Prost“, schrie sie in die Runde. Keine der Frauen reagierte. Jimi Hendrix und seine Experience dröhnten aus den Boxen an der Decke.
„Was machen wir hier eigentlich?“, fragte ich.
„Hä?“
Ich legte meinen Mund an ihr Ohr.
„Finale!“ Crazy wischte den Schaum vom Mund. Das Bier war lauwarm. Außer der Theke gab es kein Mobiliar. An der Ziegelwand dahinter klebte in silbernen Lettern: „Die Rock-Weiber“. Hendrix Foxy Lady lief.
„Los, schwing deinen Luxuskörper.“ Crazy zerrte mich zur Tanzfläche. Nach einer Stunde extremen Headbangings gingen wir erhitzt vor die Tür.
Sie grinste mich an. „Traurig, dass du lieber mit Männern rummachst, Baby.“
Seit dreißig Jahren nannte sie mich so. Wir waren Nachbarskinder, ich zwei Jahre jünger und sie beschützte mich. Haute ihre Schaufel jedem auf den Kopf, der mir meine Sandformen oder den Eimer wegnehmen wollte. Später in der Schule und während der Pubertät war sie meine Löwenmutter. Wir haben uns erst am Tag des Unglücks aus den Augen verloren. Es hatte zwei Jahre gedauert, bis sie wieder Kontakt mit der Welt und mit mir aufnahm.
„Muss was trinken“, sagte Crazy und schob mich zurück ins „Die Rock-Weiber“.
Sie soff. Man sah es ihr mittlerweile auch an. Der Alkohol schwemmte sie auf. Meine Bitten, sie möge eine Therapie machen, überhörte sie oder, wenn sie schlecht drauf war, brüllte sie: „Lass mich mit dem Psychoscheiß in Ruh! Herzbruch, verstehst du? Irreparabel, verdammt.“
Dann knallte sie meine Wohnungstür zu. Ich hörte sie nebenan heulen; wir waren wieder Nachbarn.
Ich sagte nichts mehr.
Crazy kippte das dritte Bier, bestellte Southern Comfort. „Damit hat sich Janis Joplin totgesoffen, na denn!“, sagte sie und zündete das Getränk mit dem Zippo an. Weiche blaue Flamme. Als sie erlosch, trank Crazy gierig. Leckte die Lippen ab. „Bourbon und Pfirsichlikör – es gibt nichts Besseres.“
Plötzlich flog sie in meine Arme, irgendwer hatte sie gestoßen. Mit einem Schrei schnellte sie herum, packte jemanden an der Kehle. „Bist du bekloppt! Leg dich ja nicht an mit mir.“
Crazy schlug ihre Stirn gegen die der Frau. Wieder und wieder. Ich zerrte sie an der Taille, die Leute schrien: „Lass gut sein, Crazy!“
Nach ein paar Minuten sackte die andere weg. Crazy warf einen triumphierenden Blick in die Runde, ihre Stirn blutete. „Nicht mit mir!“ Sie bestellte noch einen Southern Comfort.
Ein paar Gäste halfen der Frau auf die Beine. Sie zog heulend ab.
„Mensch, Crazy, das war echt nicht nötig“, sagte ich.
Sie blickte mich von oben herab an: „Hast du eine Ahnung, was alles nötig ist, Baby.“ Sie trank, zahlte. „Let’s go!“
Auf der Straße breitete Crazy die Arme aus. „Was für ein herrlicher Abend! So was sollte ich mir öfter mal gönnen.“
„Jemanden zusammenschlagen?“
Sie nickte, lief ein Stück voraus, legte den Kopf in den Nacken und jaulte den Mond an.
Als ich sie eingeholt hatte, grinste sie. „Mach du auch mal, Baby!“
„Lass uns heimgehen, ich kann das nicht.“
„Fuck you!“
Aber sie ging mit.
Crazy hatte keine Beziehung. In kürzester Zeit trat sie alles kaputt. Eigentlich wollte sie mich. Nach einem Versuch miteinander, beließ ich es bei der Freundschaft, ich brachte es einfach nicht.
Wir küssten uns und jede ging in die eigene Wohnung. Unsere Betten standen an einer Wand; diejenige, die das Licht zuerst abdrehte, klopfte einen Rhythmus dagegen. Die andere antwortete.
Heute war ich erledigt und klopfte zuerst. Wartete. Hämmerte. Keine Antwort. Ich rief sie an, hörte ihr Telefon klingeln, sie nahm nicht ab. Ich kramte Crazys Reserveschlüssel aus dem Schreibtisch. Hauslatschen an und rüber.
Sie saß am Küchentisch. Die Wimperntusche rann in zwei Streifen über ihre Wangen, sie hatte den Lauf einer Pistole in den Mund gesteckt.
„Crazy“, flüsterte ich, „ich liebe dich.“
„Das Kind ist in den Brunnen gefallen“, nuschelte sie,
die Tränen tropften ins Dekolletee.
„Es ist sieben Jahre her, Nina, du konntest nichts dafür. Ein Unfall ...“
Sie riss den Lauf aus dem Mund, fuchtelte herum, brüllte. „Nur weil das Arschloch mir unbedingt in seiner Mittagspause an die Wäsche wollte! Deswegen nie wieder Kerle!“ Crazy zitterte am ganzen Körper. „Baby, Johnny war nicht mal vier! Ich hab ihn allein gelassen im Garten, verstehst du? Und er ist in den Brunnen ...“ Ihre Augen funkelten, ich hatte eine Heidenangst, dass sie den Abzug drückte.
Vorsichtig sagte ich: „Er war dein Mann, du hast ihn ... geliebt.“ Das letzte Wort konnte ich nur noch flüstern, denn sie war aufgesprungen und hielt mir den Griff der Waffe hin. „Baby, shoot me down.“
Ich prallte zurück, sagte: „Hey ... Nina, ohne dich ... mein Leben ist Scheiße ohne dich.“
„Blödsinn! Ich bin Scheiße.“ Sie zitterte vor Wut und was weiß ich noch alles.
„Du bist Crazy, meine Löwenmutter.“
Sie plumpste auf den Stuhl. „Sag das nicht, Baby, bitte nicht“, schluchzte sie.
„Du bist besoffen, weißt du, morgen sieht es wieder besser aus.“ Mann, war ich platt! Ich setzte mich ihr gegenüber. „Ich meine, es gibt noch so viel ...“
Sie schmiss die Pistole auf den Tisch. Ein irrer Krach. Die Kugel steckte in der Wand.
Wir schauten zu, wie Putz herunterrieselte. Dann sahen wir uns in die Augen.
„Finale, ja?“, fragte ich.
Sie blies auf ihren Zeigefinger, zielte auf mich. „Bang, bang.“
Wie der Blitz pfefferte Crazy die Waffe in den Wasserkasten auf dem Klo, ich klemmte mit einer Reißzwecke eine Ansichtskarte übers Einschussloch. Als die Bullen kamen, spielten wir Schwarzer Peter.
Wir lachten stundenlang, es war egal, dass die Nachbarn an die Wand trommelten.
1. Version
Bang Bang
Das war ja vielleicht eine abgefuckte Kneipe, in die Crazy mich geschleppt hatte. Der Tresen vor dem Zusammenbrechen, wir hielten die Biergläser fest, damit sie nicht von der Resopalplatte runterrutschten.
„Ist der coolste Lesbentreff in town“, sagte Nina oder Crazy. So nannte sie sich seit dem Unglück. „Ist doch voll toll, ne?“ Ihre grünen Augen strahlten. Mit der typischen Kopfbewegung warf sie ihre hennaroten Dreads auf den Rücken. „Prost“, schrie sie in die Runde. Keine der Frauen reagierte. Jimi Hendrix und seine Experience dröhnten aus den Boxen an der Decke.
„Was machen wir hier eigentlich?“
„Hä?“
Ich brüllte ihr ins Ohr. Das Bier war lauwarm. Außer der Theke gab es kein Mobiliar, kein Wunder, dass die sich nur mit Mühe aufrecht hielt, wenn alle dran lehnten.
In silbernen Lettern klebte an der Ziegelwand dahinter: „Die Rock-Weiber“
Foxy Lady lief. „Los, schwing deinen Luxuskörper.“ Crazy zerrte mich zur Tanzfläche.
Nach einer Stunde Extremshaken gingen wir erhitzt vor die Tür.
Sie grinste mich an. „Traurig, dass du lieber mit Männern rummachst, Baby.“
Seit dreißig Jahren nannte sie mich so. Wir waren Nachbarskinder, ich zwei Jahre jünger und sie beschützte mich. Haute ihre Schaufel jedem auf den Kopf, der mir meine Sandformen oder den Eimer wegnehmen wollte. Später in der Schule und während der Pubertät war sie meine Löwenmutter. Wir haben uns erst am Tag des Unglücks aus den Augen verloren. Es hatte zwei Jahre gedauert, bis sie wieder Kontakt mit der Welt und mit mir aufnahm.
„Muss was trinken“, sagte Crazy und schob mich zurück ins „Die Rock-Weiber“
Sie soff. Man sah es ihr mittlerweile auch an. Manche werden ausgemergelt, Crazy schwemmte der Alkohol auf. Meine Bitten, sie möge doch eine Therapie machen, überhörte sie oder, wenn sie schlecht drauf war, brüllte sie: „Lass mich mit dem Psychoscheiß in Ruh! Herzbruch, verstehst du? Irreparabel, verdammt.“
Sie knallte meine Wohnungstür zu. Ich hörte sie nebenan heulen; wir waren wieder Nachbarn.
Ich sagte nichts mehr.
Crazy kippte das dritte Bier, bestellte Southern Comfort. „Damit hat sich Janis Joplin totgesoffen, na denn!“, sagte sie und zündete das Getränk mit dem Zippo an. Weiche blaue Flamme. Als sie erlosch, trank Crazy. Leckte die Lippen ab. „Bourbon und Pfirsichlikör – es gibt nichts besseres.“
Plötzlich flog sie in meine Arme, irgendwer hatte sie gestoßen. Mit einem Schrei schnellte sie herum, packte die Frau an der Kehle. „Bist du bekloppt! Leg dich ja nicht an mit mir.“
Crazy war stark, mit einer Hand umklammerte sie die Kehle der Frau, mit der anderen ihre Handgelenke.
Mir blieb die Luft weg, sie rammte sie mit der Stirn. Wieder und wieder. Ich zerrte sie an der Taille zurück, die anderen schrieen: „Lass gut sein, Crazy!“
Nach ein paar Minuten sackte die andere weg. Crazy warf einen triumphierenden Blick in die Runde, ihre Stirn blutete. „Nicht mit mir!“ Sie bestellte noch einen Southern Comfort.
Ein paar Gäste halfen der anderen auf die Beine. Sie zog heulend ab.
„Mensch, Crazy, das war nun echt nicht nötig“, sagte ich.
Sie blickte mich von oben herab an: „Hast du eine Ahnung, was alles nötig ist, Baby.“ Sie trank, zahlte. „Let’s go!“
Auf der Straße breitete Crazy die Arme aus. „Was für ein herrlicher Abend! Sowas sollte ich mir öfter mal gönnen.“
„Jemanden zusammenschlagen?“
Sie nickte, lief ein Stück voraus, legte den Kopf in den Nacken und jaulte den Mond an.
Als ich sie eingeholt hatte, grinste sie. „Mach du auch mal, Baby!“
„Lass uns heimgehen, ich kann das nicht.“
„Fuck you!“
Aber sie ging mit.
Crazy hatte keine Beziehung. In kürzester Zeit trat sie alles kaputt. Eigentlich wollte sie mich, nach einem Versuch miteinander, beließ ich es bei der Freundschaft, ich brachte es einfach nicht.
Wir küssten uns und jede ging in die eigene Wohnung. Unsere Betten standen an einer Wand; diejenige, die das Licht abdrehte klopfte einen Rhythmus an die Wand. Die andere antwortete.
Heute war ich erledigt und klopfte zuerst. Wartete. Hämmerte. Keine Antwort. Ich rief sie an, hörte ihr Telefon klingeln, sie nahm nicht ab. Ich kramte nach Crazys Reserveschlüssel im Schreibtisch. Hauslatschen an und rüber.
Sie saß am Küchentisch. Die Wimperntusche rann in zwei Streifen über ihre Wangen, sie hatte den Lauf einer Pistole in den Mund gesteckt.
„Crazy“, flüsterte ich, „ich liebe dich.“
„Das Kind ist in den Brunnen gefallen“, nuschelte sie,
die Tränen tropften ins Dekolletee.
„Es ist sieben Jahre her, Nina, du konntest nichts dafür. Ein Unfall ...“
Sie riss den Lauf aus dem Mund, fuchtelte herum, brüllte. „Nur weil das Arschloch mir unbedingt in seiner Mittagspause an die Wäsche wollte! Baby, Johnny war nicht mal vier! Ich hab ihn allein gelassen im Garten, verstehst du? Und er ist in den Brunnen ...“ Ihre Augen funkelten, ich hatte eine Heidenangst, dass sie den Abzug drückte. Vorsichtig sagte ich: „Er war dein Mann, du hast ihn ... geliebt.“ Das letzte Wort konnte ich nur noch flüstern, denn sie war aufgesprungen und hielt mir den Griff der Waffe hin. „Baby, shot me down.“
Ich prallte zurück, sagte: „Hey ... Nina, ohne dich ... mein Leben ist Scheiße ohne dich.“
„Blödsinn! Ich bin Scheiße.“ Sie zitterte vor Wut und was weiß ich noch alles.
„Du bist Crazy, meine Löwenmutter.“
Sie plumpste auf den Stuhl, hielt sich die Ohren zu, die Pistole baumelte am Zeigefinger. „Sag das nicht, Baby, bitte nicht“, schluchzte sie.
„Du bist besoffen, weißt du, Morgen sieht es wieder besser aus.“ Mann, war ich platt! Ich setzte mich ihr gegenüber. „Ich meine, es gibt noch so viel ...“
Sie nahm die Hände runter, schmiss die Pistole auf den Tisch.
Ein irrer Krach. Die Kugel steckte in der Wand.
Wir schauten zu, wie Putz herunterrieselte. Dann sahen wir uns in die Augen. Sie blies auf ihren Zeigefinger, zielte auf mich. „Bang, bang.“
Wir lachten die restliche Nacht, es war egal, dass die Nachbarn an die Wand trommelten.
by maxl