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Tulpen
Verfasst: 19.01.2007, 16:52
von pandora
gone
Verfasst: 20.01.2007, 10:55
von Lisa
Liebe pandora,
der Text fängt mich wieder durch deine Sprache und du bist eine derer, bei denen es tatsächlich egal ist, wie lang ein Text ist, die Stimmung ist sofort vollkommen auserzählt da und nichts wirkt dadurch wie ein Fragment trotzdessen es nur eine Szene ist.
Im Gegenteil, das Leben der Protagonisitin scheint in diesen wenigen Zeilen gebündelt.
Schon der Parallelschnitt der Tulpen in der Vase, die ich als das Vegetative, Helle (das sich ja in ihnen als Licht niedergelegt hat), das Lebendige, Schöne, Hoffnungsvolle) lese und die dann Blatt für Blatt verwelken und ihr anzeigen: Geh, gib auf...mit dem Zustand des Ichs gefällt mir sehr. Die Welt drumherum sagt: Geh, aber das Ich kann nicht, es will noch nicht aufhören zu hoffen oder kann sich nicht lösen.
Etwas verwirren tut mich dann die Heftigkeit, mit der auf einmal der Prometheusmythos in den Text einfällt, der bezug stört mich nicht an sich, aber zuerst ist er gar nicht da und am Ende dann in allen Zeilen omnipräsent, das macht den Text etwas uneinheitlich.
Ich bin mir auch noch nicht sicher, wie ich den Teil zu deuten habe, das Kinderlachen macht mich hellhörig, vielleicht kann das Ich nur nicht gehen, weil es an die gemeinsamen Kinder denkt? (@gekettet?) . Es könnte aber auch sein, dass das Ich an einen Ort zurück kommt, wo es seine Kindheit verbracht hat und lange nicht mehr da war, das Elternhaus vielleicht und Papiere findet, die ihm von sich und seiner Kindheit erzählen und alles wieder hochkommt. Die Tulpen sagen dann, verabschiede dich davon, hier ist (und war nie) nichts...das ich aber kann das nicht, sich nicht von bestimmten Erlebnissen verabschieden, (egal wohin sie geht, das war immer so) die an ihm ähnlich zehren wie der Greif an Prometheus Leber...~~ es kann natürlich noch ganz anders sein...(zum Beispiel ein gemisch aus beiden ind en eigenen vier Wänden).
Von daher würde ich den Text vielleicht grudnsätzlich etwas zweistimmiger anlegen, wenn du die Prometheussage einflechten möchtest....?
Insgesamt ein starker Text, der durch viele Details (zum Beispiel weißgekalkt) sehr sinnlich wirkt und mit Symbolen arbeitet, ohne schwer zu wirken oder zu psychologisch, das mag ich sehr.
Du hast einen wunderbaren Erzählton.
Liebe Grüße,
Lisa
Verfasst: 20.01.2007, 20:39
von Klara
Hallo,
beeindruckender Text.
Danke für den Prometheus, Lisa! Darauf wäre ich nie und nimmer gekommen, und ich bewundere dein Wissen. Jetzt weiß ich zumindest, woher plötzlich der Kaukasus und der Greif kommen.
Für mich ist der Text hermetisch, mit einem ganz eigenen Zauber. Man möchte dahinter gelangen, was gemeint ist. Möchte zugreifen - und kann doch nicht, ich jedenfalls nicht.
Das Kinderlachen stünde nach meiner vorläufigen Lesart, wenn konsequent, für Prometheus: Da hat sich jemand erdreistet zu lachen, ein Kind, vielleicht erdreistet ein Kind zu sein, und die Strafe ist das Leiden.
(Prometheus wird aber erlöst, oder?)
Bei der zerfressenen Leber dachte ich zuerst an eine Alkoholikerin.
Die sich umbringt, am Ende.
Die Tulpen verstehe ich nicht. Sind sie nur Kelche fürs wenige Winterlicht? Von Tulpen weiß ich nur, dass sie quietschen, und dass es fast egal ist, ob sie echt sind oder aus Plastik, weil die aus Plastik echter aussehen als die echten.
Alle Helligkeit ist in den Tulpen, klar, dass dann, als die letzte Tulpe stirbt, auch sie stirbt, das Dunkel übernimmt. Ein Text über Depression? Ich lese Tod, aber möglicherweise ist gar nicht der Tod eines MENSCHEN gemeint, sondern eines Wunsches, eines Gedankens, eines Traums, eines Plans?
(Ich möchte keine Auflösung! Das Dunkle möge bleiben!)
Wirklich, ein starkes Stück Prosa!
Danke.
Klara
Verfasst: 21.01.2007, 00:53
von Mucki
Hallo pandora,
deine Zeilen und - wieder einmal - die Bilder, die du zeichnest, sind beeindruckend.
Ich lese ein sterbendes Ich, das kämpft, ob es noch leben oder sterben will, in Erinnerungen fällt, Höllenqualen erleidet (wie Prometheus, die immer wieder zerfressene und wieder nachwachsene Leber) und sich schließlich für den Freitod entschließt. (Bittermandel = Zyankali)
Saludos
Magic
Verfasst: 21.01.2007, 10:57
von pandora
guten morgen und danke fürs lesen!
@ lisa: von allen, die hier geantwortet haben, trifft deine art der interpretation meine intention am genauesten. der text lässt das welken einer pflanze mit dem schweren sterben eines menschen kollidieren. (wobei "kollidieren" vielleicht das falsche wort ist. genaugenommen verlaufen die prozesse ja parallel.)
deinen einwand, prometheus würde den text in ein ungleichgewicht bringen, verstehe ich. meinst du, es wäre besser, die passage um zwei sätze zu kürzen? ("unbeschreibliche qualen. geröll donnert zu tal.") beim sagenelement ansich würd eich schon gern bleiben, weil der heranfliegende vogel für mich den tod symbolisiert und die leber einen hinweis auf die todesursache gibt.
@klara: es freut mich, dass der text deine zustimmung findet und ich finde deine assoziationen sehr interessant.
@magic: es geht im text nicht um suizid. bittermandel ist für mich der geruch des todes. generell.
lg
p.
Verfasst: 22.01.2007, 10:31
von Lisa
Liebe pandora,
Zu Mythosabschnitt: Ich weiß nicht genau, ob ein bloßes Kürzen meinen Eindruck verändert....ich hoffe, du hast nicht verstanden, dass ich möchte, dass du den Mythosbezug rausnimmst. ich würde ihn nur am Ende nicht so einheitlich dominieren lassen als BIld bzw, wenn, das weiter vorne vorbereiten. Du könntest auch alles so stehen lassen wie es ist und weiter vorn noch einen Satz der darauf Bezuig nimmt einbauen (falls sowas möglich ist??)...
Ich habe mal versucht umzustellen, ob das ginge?
Tulpen
Das Helle der schneelosen Wintertage hat sich in den Tulpen gefangen.
Es schimmert dort zart und unverdrossen. Trotzig.
Dabei besteht kein Zweifel: auch dieses letzte Licht welkt.
Hinter der Stirn: Kinderlachen, gekettet an die Hänge des Kaukasus.
Im weiß gekalkten Zimmer knüllt sie Jahre zusammen, wie vollgeheulte Taschentücher. Chronologie geht dabei verloren. Selbstverständlich. Ereignisse geraten aneinander. Erinnerungen verlaufen in Wasserfarben.
Der Greif breitet seine Schwingen. Fliegt heran. Dabei ist die Leber längst zerfressen. Unbeschreibliche Qualen.
Die Blütenblätter, die in unregelmäßigen Abständen zur Erde gleiten, rascheln: GEH.
Rotgeäderte Augen bedeuten : BLEIB.
Geröll donnert zu Tal.
In den Duft der Blumen mischt sich Bittermandelaroma. Eine der Tulpen verliert ihr letztes Blütenblatt.
Ich weiß aber nicht, ob dir das zusagt...wenn nicht, bitte Vorschlag einfach aus der Erinnerung löschen und mich zurechtweisen
(Unbeschreibliche Qualen könnte man darüber hinaus vielleicht wirklich streichen, weil es entgegen deiner sonstigen Sprache nicht so originell ist).
bin ich denn mit beiden Lesarten nah dran oder mit einer der beiden oder macht das keinen Unterschied, weil es eher um die Stimmung geht? Mir scheint es geht gar nicht um Erinnerung, sondern um Sterben und nichts dagegen tun können? ((innere?) Krankheit?)
Liebe Grüße,
Lisa
Verfasst: 22.01.2007, 11:52
von Gast
Liebe pandora,
dieser Text ist ergreifend, das erst einmal vorweg.
So genau wie Lisa ihn nun bereits gelesen hat, ohne ihr Zutun hätte ich nur die Vermutung Richtung Mythologie gehabt, (da bei dir naheliegend) glaub ich, dass der Text noch gewinnen würde, wenn du die Umstellung vornehmen würdest. Mir erscheint es "folgerichtiger", mit dem Einschub, des Teils:
Hinter der Stirn: Kinderlachen, gekettet an die Hänge des Kaukasus.
hinter diese Stelle:
...auch dieses letzte Licht welkt.
Die Gedanken geraten durcheinander, so wie es im Text geschrieben steht.
Der Text ist unaufdringlich, zart, trotz des Leides und lässt einen Kosmos an Gedanken zu.
Das Bild der Tulpen zu wählen finde ich rundherum gelungen.
Liebe Grüße
Gerda
Verfasst: 22.01.2007, 15:50
von pandora
liebe lisa, liebe gerda,
danke für euer mitdenken, inzwischen habe ich auch begriffen, was lisa wirklich meint und habe ein paar ihrer vorschläge umgesetzt, d.h., das prometheusmotiv gleicmäßiger in den text eingearbeitet. (dabei stimmt, was gerda anmerkt. die gedanken geraten in der beschriebenen situation durcheinander ... folgen verschiedenen impulsen. dies wird, glaube ich, in der von lisa vorgeschlagenen variante deutlicher.)
"unbeschreibliche qualen" habe ich trotzdem rausgenommen. wenn der leser den bezug zum mythos herstellt, ist das eine überflüssige information.
lg p.
Verfasst: 23.01.2007, 00:26
von Mucki
Hallo pandora,
sag mal: bedeutet "unverdrossen" nicht das Gleiche wie "trotzig"?
Da könnte doch dann eigentlich das "trotzig" weg, oder?
Saludos
Magic
Verfasst: 23.01.2007, 08:15
von Gast
Liebe Magic,
unverdrossen= unverzagt, ausdauernd...wenn jemand an einer Sache dran bleibt, das "trotzig" unterstreicht hier das "unverdrossen"
Liebe Grüße
Gerda
Verfasst: 23.01.2007, 09:15
von Mucki
ja, als Unterstreichung kann man das "trotzig" einsetzen, ok.
Saludos
Magic