Zeitspuren
Verfasst: 25.02.2007, 17:33
von der Moderation gelöscht
hwg hat geschrieben:Es liegt ein Bauernhof am Ende der kaum befahrenen Straße, und der vergeht, Hier bleibe ich hängen. Was vergeht? Oder kenne ich nur als Saarländer diese Redewendung nicht? (Ich vermute es ist vergleichbar mit unserem verkommen. Oder?) obwohl er breit wie ein gut verwurzelter Baum aus dem Boden wächst. Die Winde Tu ich mich schwer damit. Wie viele Winde können denn auf einmal wehen? rennen wie gescheuchte Hasen über die Felder, in den Gräsern ist ein beständiges Wehen. Drei Feldwege kriechen zum Horizont und verlieren sich hinter den Ackerbuckeln. Diese Formulierung gefällt mir. Wohnhaus, Stall, Schuppen und Tenne sind in Büsche gehüllt.
Ein Traktor dämmert dem schweren Verwesungstod Kann ich mir auch nicht vorstellen. Der Traktor verwest nicht, er verrostet. eiserner Dinge entgegen. Der Wind singt sein Sterbelied. An die Schuppenwand sind Eggen gelehnt, auch an ihren Zinken sitzt Rost wie Moos an alternden Bäumen. Aus angefaulten Torlöchern weht Hier passt was nicht zusammen ... der Modergeruch leerer Ställe. Die Hausfront wollte ihr Leben lang ohne Dorf und Straße auskommen Das verstehe ich auch nicht. Sie wollte, also ist ihr Wunsch nicht in Erfüllung gegangen. Warum nicht? und verschwendete ihre bunt gefärbte Freundlichkeit an wilde Bienen und an Schmetterlinge.
Zwei Schatten spendende Linden stehen vor der Haustür. Eine Hälfte des Wohnhauses schläft unter den Lidern geschlossener Fensterläden, Schönes Bild. die andere Hälfte sieht mit staubstumpfen Fensteraugen durch den Vorgarten ins Unbestimmte, als warte sie auf das Geschrei und die Steinwürfe unbekümmerter Dorfkinder.
Am Giebel gähnt ein ausgefranstes Mauerloch, so als dächte das Haus offenen Mundes nach über das, was vor vielen Jahren versäumt wurde.
Um die Hausecken streicht der Wind und langweilt sich. Wieso langweilt er sich? Singt er nicht das Sterbelied? Oder ist es ein anderer Wind? Er hat, wie der Briefträger auch, nichts mehr zu bestellen. Kein Mittagsrufen, kein Hengstgewieher, kein Kuhgebrüll, kein Kinderlachen warten darauf, vom Wind mit auf die Fahrt übers Feld genommen zu werden.
Ein Wanderer scheint auf Wellen über die Wiesen zu schweben. Er kommt aus der Mutterwärme Mutterwärme? des Dorfes…
H. W. Grössinger