Mein Personal macht, was es will!

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 19.04.2007, 22:58

2. Fassung

Mein Personal macht, was es will!

Wenn die Sonne hinter den Dächern versinkt, wie Zarah Leander und Udo Lindenberg unnachahmlich singen, erwacht mein Autorengehirn. Nach einem doppelten Espresso setze ich mich an den Rechner, öffne den gerade aktuellen Text und warte auf meine Muse. An manchen Abenden lässt sie sich nicht blicken, aber heute überrumpelt sie mich geradezu mit wilden Küssen; das Personal springt auf und hüpft vor mir her, wirft sich von einem Konflikt in den nächsten; mit heraushängender Zunge folge ich, so schnell es geht. Ab und zu überhole ich die Figuren und verpasse ihnen einen Cliffhanger, um eine Zigarettenpause für mich herauszuschlagen. Doch schon geht’s weiter!
Leander (wie kam ich nur auf so einen Namen?) entwickelt sich zu einer wahren Bestie – dabei war sein Charakter völlig anders angelegt. Was treibst du? Du solltest doch der umwerfende Lover sein! Als Heiratschwindler kann ich dich nicht brauchen. Ich versuche einen Schlenker, bei dem er sich richtig verlieben muss. Leider schießt Beate quer – sie denkt gar nicht daran, den Kerl zu verzaubern, gibt sich spröde und feministisch. Wo ist meine Femme Fatale geblieben?
Ich schreie die Zeilen auf dem Monitor an: Hey Leute, falsche Richtung! Das wird kein Krimi, sondern ein Liebesroman! Aus Erziehungsgründen tippe ich zehn Rufzeichen in den Text.

Um ihnen die Gelegenheit zum Umdenken zu geben, geh ich aufs Klo. Dort grüble ich weiter. Also der Name Leander geht gar nicht, wenn er so ein mieser Charakter ist. Der muss anders heißen. Paul oder Kurt vielleicht. Ich ziehe die Spülung, wasch mir die Hände und suche für einen weiteren Espresso die Küche auf. Mit flatternden Fingern klopfe ich eine Zigarette aus der Packung. Rauche. Ich werde es euch schon zeigen!

Kurzerhand mache ich einen Seitenumbruch und beginne die Szene erneut. Aha, nun entspinnt sich ein Dialog, der in die richtige Richtung treiben könnte. Meine Finger bewegen sich zärtlich über die Tastatur, das wird was!

Beate schlug mit einer lasziven Geste die Beine übereinander. Leander errötete, als er das Strumpfband blitzen sah und senkte sogleich den Blick.
„Warum bist du so zurückhaltend?“, fragte Beate mit samtiger Stimme.
Leander stöhnte verhalten auf. „Es vergeht keine Stunde, in der ... in der ich nicht an dich denke“, er schlug die Hände vor das Gesicht, flüsterte dumpf: „kein Stein blieb auf dem anderen, seit ich dir begegnete.“ Verlegen verstummte er.


Ich habe einen Run, der Dialog zieht sich über vier Normseiten. Wie geplant stürzt nun der andere Liebhaber herein (Beate ist jetzt die Femme Fatale, die sie sein soll) und rauft sich verzweifelt die Haare. Cut.

Ich lehne mich zurück und will die Szene nachlesen. Nach der ersten Seite gähne ich. Das ist ja todlangweilig. Hundertfach gelesen. Und leider auch viel besser. Deprimiert greife ich zum Eierlikör. Werfe zwischen zwei Schlucken giftige Blicke auf Protag und Antag. Dem deplazierten Rivalen mache ich mit der Löschtaste sofort den Garaus.
„Sich die Haare raufen ist echt zu wenig, mein Bester!“
Geknickt zieht er von dannen.

Ich scrolle aufwärts zur Heiratsschwindlersequenz. Hoppla! Ist das gut geworden! Ich habe zwar die Perspektiven komplett verpeilt, aber bitte, ist ja First Draft, das lässt sich richten. Beflügelt kippe ich noch ein Glas und sage: „Junge, du heißt jetzt Paul, klar?“ Leander ist Geschichte. Beate steckt nun in blickdichten Strumpfhosen; die Strapse habe ich ihr weggenommen; ich entfärbe ihre tizianrote Haarmähne, darunter kommt Mausblond zum Vorschein, das ich zum Pagenkopf abschnipple. Sie stampft auf. Ich grinse. „Nun ja, meine Liebe, so ist das Leben.“
Als sie aber in Tränen ausbricht, gebe ich ihr die High Heels von Prada zurück. Hat sie eben eine Macke: Fetischistin, die ihren mageren Buchhalterlohn für Haute Couture Schuhwerk verprasst.

Blöd ist nur, dass der Typ mit der kriminellen Energie ums Verrecken nicht Paul heißen möchte. Wie der Pawlowsche Hund schreibe ich ständig Leander.
„Was ist los mit dir, Kerl?“
Er streckt mir den Mittelfinger entgegen und flüstert: „Vergiss es.“
Seine Fratze verzieht sich gefährlich und ich gebe nach.
„Von mir aus“, sage ich mutig.
Er spuckt auf den Boden.

Ich muss wohl meinen Figuren vertrauen. Die wissen, was zu tun ist. Und ich lösche den öden Dialog, den ich ihnen aufzwingen wollte. Wird es eben ein Krimi. Warum nicht?

Geradezu befreit, keinen Liebesroman schreiben zu müssen, zu dem mir eh nichts einfällt, strecke ich mich und grunze herzhaft. Es ist zwei Uhr früh und ich beschließe, ins Bett zu gehen.
Ehe ich den Rechner runterfahre, lese ich stillvergnügt schnell die letzten zwei Absätze, die ich wie im Flug getippt hatte. Der Schweiß bricht mir aus: Das habe ich doch nicht geschrieben? Never ever! Meine Zehennägel kringeln sich, denn ich lese, dass Leander die arme Haut Beate nicht rumkriegen will, sondern ihr dieselbe vom dürren Körper reißt! Er ist zum psychopathischen Serienmörder geworden! Als es in meinem Rücken raschelt, fahre ich panisch herum.
„Durst“, sagt mein Mann verschlafen und schlägt den Weg zur Küche ein.
„Halt“, rufe ich. Meine Stimme klingt hysterisch.
„Was denn?“
„Ich habe Angst, schreckliche Angst vor meinem Personal.“
Er sieht mich müde an. „Warum seid ihr Schreiberlinge bloß so ... exaltiert? Meine Liebe, wir haben keine Dienstboten. Komm endlich ins Bett.“
Ich lasse mich noch schnell von ihm aufs Klo begleiten, dann liege ich neben ihm. Sein zartes Schnarchen schläfert mich heute nicht ein. Was, wenn Leander, während ich schlafe, so weitermacht? Ich krieche in die Achselhöhle meines Mannes. Leander streift derweil mit Schaum vor dem Mund durch die Stadt auf der Suche nach mausblonden Komplexlerinnen. Schrill klingt sein Lachen durch die Nacht.


Versuch, Lisas Anregungen aufzunehmen - danke Lisa!



1. Fassung

Wenn die Sonne hinter den Dächern versinkt, wie Zarah Leander und Udo Lindenberg unnachahmlich singen, erwacht mein Autoren-Gehirn. Nach einem doppelten Espresso setze ich mich an den Rechner, öffne den gerade aktuellen Text und warte auf meine Muse. An manchen Abenden lässt sie sich nicht blicken, aber heute überrumpelt sie mich geradezu mit wilden Küssen; das Personal springt auf und hüpft vor mir her, wirft sich von einem Konflikt in den nächsten; mit heraushängender Zunge folge ich, so schnell es geht. Ab und zu überhole ich die Figuren und verpasse ihnen einen Cliffhanger, um eine Zigarettenpause für mich herauszuschlagen. Und schon geht’s weiter! Der Leander (wie kam ich nur auf so einen Namen?) entwickelt sich zu einer wahren Bestie – dabei war seine Chara völlig anders angelegt. Was treibst du? Du solltest doch der umwerfende Lover sein! Als Heiratschwindler kann ich dich nicht brauchen. Ich versuche einen Schlenker, bei dem er sich richtig verlieben muss. Leider schießt Beate quer – sie denkt gar nicht daran, den Kerl zu verzaubern, gibt sich spröde und feministisch. Wo ist meine Femme Fatale geblieben?
Ich schreie die Zeilen auf dem Monitor an: Hey Leute, falsche Richtung! Das wird kein Krimi, sondern ein Liebesroman! Aus Erziehungsgründen tippe ich zehn Rufzeichen in den Text.

Um ihnen die Gelegenheit zum Umdenken zu geben, geh ich aufs Klo. Dort grüble ich weiter. Also Leander geht gar nicht. Der muss anders heißen. Paul oder Kurt vielleicht, wenn er so ein mieser Charakter ist. Ich ziehe die Spülung, wasch mir die Hände und suche für einen weiteren Espresso die Küche auf. Mit flatternden Fingern klopfe ich eine Zigarette aus der Packung. Rauche. Ich werde es euch schon zeigen!

Kurzerhand mache ich einen Seitenumbruch und beginne die Szene erneut. Aha, nun entspinnt sich ein Dialog, der in die richtige Richtung treiben könnte. Meine Finger bewegen sich zärtlich über die Tastatur, das wird was!
Beate schlug mit einer lasziven Geste die Beine übereinander. Leander errötete, als er das Strumpfband blitzen sah und senkte sogleich den Blick.
„Warum bist du so zurückhaltend?“, fragte Beate mit samtiger Stimme.
Leander stöhnte verhalten auf. „Es vergeht keine Stunde, in der ... in der ich nicht an dich denke“, er schlug die Hände vor das Gesicht, flüsterte dumpf: „kein Stein blieb auf dem anderen, seit ich dir begegnete.“ Verlegen verstummte er.

Ich habe einen Run, der Dialog zieht sich über vier Normseiten. Wie geplant, stürzt nun der andere Liebhaber herein (Beate ist jetzt die Femme Fatale, die sie sein soll) und rauft sich verzweifelt die Haare. Cut.

Ich lehne mich zurück und will die Szene nachlesen. Nach der ersten Seite gähne ich. Das ist ja todlangweilig. Hundertfach anders gelesen. Und leider auch viel besser. Deprimiert greife ich zum Eierlikör. Werfe zwischen zwei Schlucken giftige Blicke auf Protag und Antag.

Ich scrolle aufwärts zur Heiratsschwindlersequenz. Mann! Ist das gut geworden! Ich habe zwar die Perspektiven komplett verpeilt, aber bitte, ist ja First Draft, das lässt sich ausgleichen. Junge, du heißt jetzt Paul, klar? Leander ist Geschichte. Beate hat keine Strapse mehr an; ich entfärbe ihre tizianrote Haarpracht, darunter kommt mausblond zum Vorschein, nun ja, meine Liebe, so ist das Leben.
Blöd ist nur, dass Leander nicht Paul heißen mag. Wie der Pawlowsche Hund schreibe ich ständig Leander. Nun gut, ich lasse ihm seinen ursprünglichen Namen, will ja nicht so sein.

Ich sehe schon, ich muss meinen Figuren vertrauen. Die wissen, was zu tun ist. Und ich lösche den öden Dialog, den ich ihnen aufzwingen wollte. Wird es eben ein Krimi. Warum nicht?

Geradezu befreit, keinen Liebesroman schreiben zu müssen, zu dem mir eh nichts einfällt, strecke ich mich und grunze herzhaft. Es ist zwei Uhr früh und ich beschließe, ins Bett zu gehen.
Ehe ich den Rechner runterfahre, lese ich stillvergnügt schnell die letzten zwei Absätze, die wie im Flug getippt waren. Der Schweiß bricht mir aus: Das habe ich doch nicht geschrieben? Never ever! Meine Zehennägel kringeln sich, denn ich lese, dass Leander die arme Haut Beate nicht rumkriegen will, sondern ihr dieselbe vom dürren Körper reißt! Er ist zum psychopathischen Serienmörder geworden! Als es in meinem Rücken raschelt, fahre ich panisch herum. Es ist aber nur mein Mann, der durchs Wohnzimmer schlurft.
„Durst“, sagt er verschlafen und schlägt den Weg zur Küche ein.
„Halt“, rufe ich. Meine Stimme klingt hysterisch.
„Was denn?“
„Ich habe Angst, schreckliche Angst vor meinem Personal.“
Er sieht mich müde an. „Warum seid ihr Schreiberlinge bloß so ... exaltiert? Meine Liebe, wir haben keine Dienstboten. Komm endlich ins Bett.“
Er muss mich noch schnell aufs Klo begleiten, dann liege ich neben ihm. Sein zartes Schnarchen beruhigt mich heute nicht. Was, wenn Leander, während ich schlafe, so weiter macht? Ich verkrieche mich an der brummenden Brust meines Mannes. Leander streift derweil mit Schaum vor dem Mund durch die Stadt auf der Suche nach mausblonden Komplexlerinnen. Schrill klingt sein Lachen durch die Nacht.


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Zuletzt geändert von Elsa am 25.04.2007, 11:28, insgesamt 3-mal geändert.
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Lisa
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Beitragvon Lisa » 22.04.2007, 13:00

Liebe Elsa,

ja, da bin ich froh, dass du das ausgearbeitet hast - du bist wirklich ein Wunderkind der Textüberarbeitung ;-). Auf jeden Fall finde ich das viel ausgereifter und was ich an all deinen Prosatexten solcher Art mag, ist, dass in jeder Beobachtung deine (hier darf ich mal auf den Autor beziehen ;-)) emotinale Intelligenz mitschwingt. Denn alle deine bisherigen texte schweben angenhem zwischen über sich selbst lachen und über ein Zwinkern über andere, ohne harmlos zu wirken.

Insgesamt finde ich noch zwei Dinge:

- Der Streit zwischen den Figuren und der Autorin könnte manhcmal noch etwas direkter sein, weniger "nacherzählt" , mehr 1:1, das würde den Text dramatisch etwas stärken und die Übergänge flüssiger machen.

- An einigen Stellen spürt man noch die Nachbesserungen - ich glaube der Text braucht noch mal eien feine Nachüberarbeitung, damit alles etwas flüsiger und auf einander abgestimmter wird.

Ansonsten für mich jetzt schön geworden!

Liebe Grüße,
Lisa

Verbliebene Anmerkungen:

Mein Personal macht, was es will!

Wenn die Sonne hinter den Dächern versinkt, wie Zarah Leander und Udo Lindenberg unnachahmlich singen, erwacht mein Autoren-Gehirn (Autorengehirn = lesbarer). Nach einem doppelten Espresso setze ich mich an den Rechner, öffne den gerade aktuellen Text und warte auf meine Muse. An manchen Abenden lässt sie sich nicht blicken, aber heute überrumpelt sie mich geradezu mit wilden Küssen; das Personal springt auf und hüpft vor mir her (ausdruck noch nicht optimal), wirft sich von einem Konflikt in den nächsten; mit heraushängender Zunge folge ich, so schnell es geht. Ab und zu überhole ich die Figuren und verpasse ihnen einen Cliffhanger, um eine Zigarettenpause für mich herauszuschlagen. (Doch schon besser?)Und schon geht’s weiter! Der Leander (wie kam ich nur auf so einen Namen?) entwickelt sich zu einer wahren Bestie – dabei war seine Chara(Abkürzung für was? würde ich ausschreiben, ich komme hier nicht mit und las es erst als Namen) völlig anders angelegt. Was treibst du? Du solltest doch der umwerfende Lover sein! Als Heiratschwindler kann ich dich nicht brauchen. Ich versuche einen Schlenker, bei dem er sich richtig verlieben muss. Leider schießt Beate quer – sie denkt gar nicht daran, den Kerl zu verzaubern, gibt sich spröde und feministisch. Wo ist meine Femme Fatale geblieben?
Ich schreie die Zeilen auf dem Monitor an: Hey Leute, falsche Richtung! Das wird kein Krimi, sondern ein Liebesroman! Aus Erziehungsgründen tippe ich zehn Rufzeichen in den Text.

Um ihnen die Gelegenheit zum Umdenken zu geben, geh ich aufs Klo. Dort grüble ich weiter. Also der Name Leander geht gar nicht, wenn er so ein mieser Charakter ist (umgestellt) Der muss anders heißen. Paul oder Kurt vielleicht. Ich ziehe die Spülung, wasch mir die Hände und suche für einen weiteren Espresso die Küche auf. Mit flatternden Fingern klopfe ich eine Zigarette aus der Packung. Rauche. Ich werde es euch schon zeigen! (ja sehr schön ;-) @nervöse beschreibungen)

Kurzerhand mache ich einen Seitenumbruch und beginne die Szene erneut. Aha, nun entspinnt sich ein Dialog, der in die richtige Richtung treiben könnte. Meine Finger bewegen sich zärtlich über die Tastatur, das wird was!


Beate schlug mit einer lasziven Geste die Beine übereinander. Leander errötete, als er das Strumpfband blitzen sah und senkte sogleich den Blick.
„Warum bist du so zurückhaltend?“, fragte Beate mit samtiger Stimme.
Leander stöhnte verhalten auf. „Es vergeht keine Stunde, in der ... in der ich nicht an dich denke“, er schlug die Hände vor das Gesicht, flüsterte dumpf: „kein Stein blieb auf dem anderen, seit ich dir begegnete.“ Verlegen verstummte er.

(Textstellen würde ich kursiv setzen)

Ich habe einen Run, der Dialog zieht sich über vier Normseiten (sehr schön @normseite *lach). Wie geplant, (Komma weg) stürzt nun der andere Liebhaber herein (Beate ist jetzt die Femme Fatale, die sie sein soll) und rauft sich verzweifelt die Haare. Cut.

Ich lehne mich zurück und will die Szene nachlesen. Nach der ersten Seite gähne ich. Das ist ja todlangweilig. Hundertfach anders (so) gelesen. Und leider auch viel besser. Deprimiert greife ich zum Eierlikör. (vielleicht hier nochmal den espresso erwähnen? @steigerung) Werfe zwischen zwei Schlucken giftige Blicke auf Protag und Antag.

Ich scrolle aufwärts zur Heiratsschwindlersequenz. Mann(man?? weiß nicht ;-))! Ist das gut geworden! Ich habe zwar die Perspektiven komplett verpeilt, aber bitte, ist ja First Draft, das lässt sich ausgleichen (richten?). Junge, du heißt jetzt Paul, klar? Leander ist Geschichte. Beate hat keine Strapse mehr an; ich entfärbe ihre tizianrote Haarpracht, darunter kommt mausblond zum Vorschein, nun ja, meine Liebe, so ist das Leben.
Blöd ist nur, dass Leander nicht Paul heißen mag. Wie der Pawlowsche Hund schreibe ich ständig Leander. Nun gut, ich lasse ihm seinen ursprünglichen Namen, will ja nicht so sein.
(das grüne ist mir noch etwas zu umständlich..hier muss es flüssig sein, also nur die Formulierungen)

Ich sehe schon, ich muss meinen Figuren vertrauen. Die wissen, was zu tun ist. Und ich lösche den öden Dialog, den ich ihnen aufzwingen wollte. Wird es eben ein Krimi. Warum nicht? (den Wechsel auf die ernste Ebene finde ich gut, kommt mir aber noch etwas zu "plump" @vertrauen, ich würde das noch etwas ausführen).

Geradezu befreit, keinen Liebesroman schreiben zu müssen, zu dem mir eh nichts einfällt, strecke ich mich und grunze herzhaft. Es ist zwei Uhr früh und ich beschließe, ins Bett zu gehen.
Ehe ich den Rechner runterfahre, lese ich stillvergnügt schnell die letzten zwei Absätze, die wie im Flug getippt waren (wurden? worden waren?). Der Schweiß bricht mir aus: Das habe ich doch nicht geschrieben? Never ever! Meine Zehennägel kringeln sich, denn ich lese, dass Leander die arme Haut Beate nicht rumkriegen will, sondern ihr dieselbe vom dürren Körper reißt! Er ist zum psychopathischen Serienmörder geworden! Als es in meinem Rücken raschelt, fahre ich panisch herum. Es ist aber nur mein Mann, der durchs Wohnzimmer schlurft.
„Durst“, sagt mein Mann verschlafen und schlägt den Weg zur Küche ein.
„Halt“, rufe ich. Meine Stimme klingt hysterisch.
„Was denn?“
„Ich habe Angst, schreckliche Angst vor meinem Personal.“
Er sieht mich müde an. „Warum seid ihr Schreiberlinge bloß so ... exaltiert? Meine Liebe, wir haben keine Dienstboten. Komm endlich ins Bett.“
Er muss mich noch schnell aufs Klo begleiten, dann liege ich neben ihm. Sein zartes Schnarchen beruhigt mich heute nicht. Was, wenn Leander, während ich schlafe, so weitermacht? Ich verkrieche mich an der brummenden Brust meines Mannes. Leander streift derweil mit Schaum vor dem Mund durch die Stadt auf der Suche nach mausblonden Komplexlerinnen. Schrill klingt sein Lachen durch die Nacht.


Das ist auch noch ganz rund (grün), also das geht noch flüssiger, in sich konsitenter, würde ich nochmal nacharbeiten.
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

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Beitragvon Elsa » 22.04.2007, 21:10

Liebe Lisa,

wie immer werde ich nun deine Kommentare auf mich wirken lassen und mich dann mit einer Überarbeitung einstellen. Vielen Dank für die Mühe!

Und ergebensten Dank für alles andere, was du über meine Texte sagst und den Willen zur Überarbeitung. :-) Wie ich schon woanders schrieb, ich finde alles kann immer noch besser geschrieben sein, warum sich dagegen wehren?

Deswegen bin ich so gern bei euch, denn hier gibt es ehrliche Kritik und keine Missgunst zwischen KollegInnen *strahl*

Bis demnächst in diesem Thread und
lieben Gruß
ELsa
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Beitragvon Elsa » 25.04.2007, 08:52

Liebe Lisa,

Ich habe ein bisschen nach deinen Anregungen erweitert und würde mich auf ein Feedback freuen.

Lieben Gruß
ELsa
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Beitragvon Lisa » 25.04.2007, 10:35

Liebe Elsa,

ja! Ich habe jetzt nicht alles vergleichen, an einigen Stellen schien es mir wie vorher und an einigen neu, ich kann nur sagen, dass es für mich jetzt flüssig war, in sich stimmig und rund.
Die kursiven Setzungen (mich wundert immer wieder, was Details für eine Macht haben) ändern allein schon viel...dann hast du noch die Figuren/Autorauseinandersetzung erweitert - ja, find ich gut!


Einzig: (der Flur bei uns ist verdammt dunkel) würde ich streichen...den Klosatz allein hab ich lieber gelesen (wahrscheinlich habe ich das selbst durch eine Anmerkung verhunzt ;-))

Ja!

Liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

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Beitragvon leonie » 25.04.2007, 10:56

Liebe Elsa,

ich wollte Dir auch noch sagen, dass ich das sehr gern und mit breitem Schmunzeln gelesen habe...Da kommts raus, was so in einem steckt...

Liebe Grüße

leonie

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Beitragvon Elsa » 25.04.2007, 11:28

Liebe Lisa, liebe Leonie,

Da freu mich mich, wenn es nun gelungen ist. Danke euch!

Und Lisa, ich streiche den Klammernsatz wieder, er gefällt mir auch nicht.

Lieben Gruß
ELsa
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Max Dernet

Beitragvon Max Dernet » 25.04.2007, 17:33

gefällt mir! ein teuflisches elixier, sozusagen :eek: :-)

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Beitragvon Elsa » 25.04.2007, 19:00

Vielen Dank, Max Dernet!

Erfreute Grüße,
ELsa
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Beitragvon Thomas Milser » 29.04.2007, 13:05

Hallo Elsa.

Ich war mal so frei, diesen Text für die Kolumne vorzuschlagen.
Du hattest mit Gerda und Herby zwei ernsthafte Mitstreiter, aber deren Texte erscheinen mir noch ein kleines bisschen feilensbedürftiger als dieser hier.

Leider kann ich aus Zeitgründen momentan keine Rezensionen schreiben, also schnapp ich mir den schönen runden Text von dir, woll?

Tom

(keine Sorge, die anderen kommen auch dran :o)
Menschheit, Du hattest von Anfang an nicht das Zeug dazu... (Charles Bukowski)

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Beitragvon Elsa » 29.04.2007, 13:08

Hallo Tom,

also schnapp ich mir den schönen runden Text von dir, woll?

Aber gern doch! Er ist in Zusammenarbeit mit fleißigen Salonern so "rund" geworden.

Geehrte Grüße,
ELsa
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Gast

Beitragvon Gast » 30.04.2007, 01:28

Liebe Elsa,

heute - nein gestern früh wollte ich dir schon schreiben, dass du diesen Text wunderbar ausgearbeitet hast. Einfach köstlich, wie du ihn weiterentwickelt hast. Skuril und ideenreich.

Da ist die Autorin, die nicht das obligate Gals Rotwein mit an den Arbeitsplatz nimmt, sondern sich nach einenm dopp. Espresso an die Arbeit begibt. Klasse!

Die Art wie sich die Erzählerin als Autorin selbst über die Schulter schaut und dabei augenzwinkernd, mit Abstand betrachtet, nicht alles so wahnsinnig ernst nimmt, ja das ist toll!
Ich habe bei manchen Stellen nicht nur geschmunzelt sondern richtig gelacht.

Einzig, die "Flatternden Hände" hätte ich "hektisch" sein lassen, (du wolltest "zitternden" umgehen, nehme ich an) und die highheels wären bei mir von Manolo Blahnik gewesen. ;-) (less than peanuts)

Prima ist das geworden. :blumen:

Liebe Nachtgrüße
Gerda

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Beitragvon Elsa » 30.04.2007, 09:52

Lieber Gerda,

vielen Dank für dieses große Lob *strahl*!

Einzig, die "Flatternden Hände" hätte ich "hektisch" sein lassen, (du wolltest "zitternden" umgehen, nehme ich an) und die highheels wären bei mir von Manolo Blahnik gewesen. (less than peanuts)


Genau, die Manolos sind mir nicht eingefallen, ich dachte an Sarah Jessica Parker, aber es wollte nicht kommen :-) und ja, ich wollte zitternd umgehen, du hast es erkannt.

Frohe Grüße am Morgen,
ELsa
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