Kein Pfeffer im Yachtclub
Verfasst: 11.06.2007, 01:06
Kein Pfeffer im Yachtclub
[align=justify] Einen Yachtclub, der sowohl über einen Liegeplatz für Luxusschiffchen wie auch über einen Stellplatz für Wohnmobil-Geriatristen verfügte, und obendrein eine Musterausstellung von über 3.500 verschiedenen Zaunsorten parat hielt, hatten wir noch nie gesehen, und die Menükarte lockte mit preisgünstiger, gutbürgerlicher Küche. Man war erschöpft und durstig vom Baden in der Dahme, und ein kleiner Hunger meldete sich ebenfalls an.
Auf der gediegenen Terrasse direkt am Anleger ließ es sich unter ausladenden Sonnenschirmen vortrefflich Platz nehmen, und die leichte Dünung der Boote verbreitete ein mediterranes Blubbern und Gluckern. In großzügigen Steingärten räkelten sich Gräser, Fetthenne und Mauerpfeffer der inzwischen tiefstehenden Sonne entgegen, und einige Skipper vertäuten eifrig ihre Gefährte, denn Sturm und Gewitter hatten sich für den Abend angekündigt. Eine Entenmama versammelte noch rasch ihre piepsende Kükenschar, und ein Abendrot wie aus dem Malbuch legte sich vor die herannahenden Wolkentürme über den Gestaden von Köpenick.
Die zarte, mit polnischem Akzent ostdeutschelnde Bedienfrau zählte uns - in Ermangelung einer Speisekarte - die verheißungsvollen Köstlichkeiten des Tages auf:
"Bulättä, Karrtoffälsallat, Gämiesäschnitzäl, Gebackenärr Kamonbärr."
Mein Begleiter sackte sichtbar in sich zusammen.
"Haben Sie nichts Frisches, einen Salat oder so?"
"Ja, sichärr, Karrtoffälsallat!"
"Wir nehmen dann die Gemüseschnitzel!"
"Die sind sährr grroß, und wir särrvierän sie mit Rrämuladä."
Und an ihn gewandt:
"Fürr Sie also mit Karrtoffälsallat?"
Ohne genau zu wissen, wer nun was in welchem Umfang bekäme, stimmten wir zu. Das gezapfte Weizenbier war jedenfalls frisch und sehr bekömmlich, und hungrig erwarteten wir des Yachtclubs erlesene Speisen. Eine kleine Auswahl an Gerichten ist ja oftmals Garant für die vorzügliche Frische der Zutaten.
Das Essen wurde auch sehr bald serviert, und die Verwunderung unsererseits war keine geringe, dass dies auf Plastiktellern mit ebensolchem Bestecke geschah. Ein breites Grinsen zog windjammergleich über unsere ohnehin schon von Sonnenlicht und Algen maritim geschlitzten Antlitze. Noblesse plastique.
Nun, was gab es zu sehen auf den genoppten Näpfen? Unterschiedliches. Auf meinem zum Beispiel darbten zwei handelsübliche, jedoch panierte Haushaltsschwammtücher auf tristem Polypropylen, garniert mit einem leicht kompostösen und in seiner Mitte bereits im Zustand der Verholzung befindlichen Eisbergsalatblatt, auf dem wohl ein Remoulade-Erpel sein kläglich' Häuflein gelöst hatte. Der Teller meines Leidensgenossen war immerhin noch mit einer weißlichen Paste bedeckt, in der offensichtlich Kartoffelstücke um ihr Leben schwammen; mich jedoch fror so arg beim Anblick meiner beiden nackerten Schwämme - zumal auch eine Brise von Ost her aufzog - dass ich umgehend von der weißlichen Paste nachbestellte.
"Hätten Sie vielleicht eine Pfeffermühle?",
getraute sich mein Freund die junge Dame noch einmal zu bemühen.
Nach einer Weile kam sie mit einem Salzstreuer an den Tisch zurück, und übergab ihn feierlich mit den Worten:
"Bitte sährrr. Pfäffärr habän wirr leiderr nicht!"
Immerhin irgendein Gewürz! Warum mir beim Verzehr der Gemüseschwämme der Gedanke kam, ob ich, wenn ich nun hinterher den gebackenen Camembert bestellte, wohl noch einmal dasselbe bekäme - nur ohne Erbsen drin - oder die Bulette - diese dann mit Erbsen drin, dafür in braun - kann ich nicht mehr rekapitulieren. Wir beschlossen, uns nichts anmerken zu lassen, sahen dem Gewitter beim Aufziehen zu, bestellten ein weiteres Bier, und betrachteten später in einem schützenden Tee-Pavillion die sich aus düsteren Wolken entladenden Regenmassen, die einer Kreuzspinne das Netz verhunzten und die Dahme gehörig ins Schlingern brachten mit einem wissenden Lächeln, wie es wohl nur echten Seebären anheim ist, ließen den Sprühregen, den die Böen in den Unterstand bliesen, auf unserer Haut versalzen, und auch der Gedanke an die 3.500 - wohl im rückwärtigen Bereich des Anwesens vorhandenen - Zäune vermochte es nicht mehr, uns an unserer grenzenlosen Freiheit zweifeln zu lassen.[/align]
Mangels Beteiligung musste ich mir diese Woche selbst was für die Sonntagskolumne aus dem Rücken drücken. Gänzlich unlekoriert, eigentlich nicht fertig, und trotzem rausgehauen.
Kommentare bzw. Korrekturen kommen also zu spät, deswegen aber nicht unwillkommen. :o)
Tom.
[align=justify] Einen Yachtclub, der sowohl über einen Liegeplatz für Luxusschiffchen wie auch über einen Stellplatz für Wohnmobil-Geriatristen verfügte, und obendrein eine Musterausstellung von über 3.500 verschiedenen Zaunsorten parat hielt, hatten wir noch nie gesehen, und die Menükarte lockte mit preisgünstiger, gutbürgerlicher Küche. Man war erschöpft und durstig vom Baden in der Dahme, und ein kleiner Hunger meldete sich ebenfalls an.
Auf der gediegenen Terrasse direkt am Anleger ließ es sich unter ausladenden Sonnenschirmen vortrefflich Platz nehmen, und die leichte Dünung der Boote verbreitete ein mediterranes Blubbern und Gluckern. In großzügigen Steingärten räkelten sich Gräser, Fetthenne und Mauerpfeffer der inzwischen tiefstehenden Sonne entgegen, und einige Skipper vertäuten eifrig ihre Gefährte, denn Sturm und Gewitter hatten sich für den Abend angekündigt. Eine Entenmama versammelte noch rasch ihre piepsende Kükenschar, und ein Abendrot wie aus dem Malbuch legte sich vor die herannahenden Wolkentürme über den Gestaden von Köpenick.
Die zarte, mit polnischem Akzent ostdeutschelnde Bedienfrau zählte uns - in Ermangelung einer Speisekarte - die verheißungsvollen Köstlichkeiten des Tages auf:
"Bulättä, Karrtoffälsallat, Gämiesäschnitzäl, Gebackenärr Kamonbärr."
Mein Begleiter sackte sichtbar in sich zusammen.
"Haben Sie nichts Frisches, einen Salat oder so?"
"Ja, sichärr, Karrtoffälsallat!"
"Wir nehmen dann die Gemüseschnitzel!"
"Die sind sährr grroß, und wir särrvierän sie mit Rrämuladä."
Und an ihn gewandt:
"Fürr Sie also mit Karrtoffälsallat?"
Ohne genau zu wissen, wer nun was in welchem Umfang bekäme, stimmten wir zu. Das gezapfte Weizenbier war jedenfalls frisch und sehr bekömmlich, und hungrig erwarteten wir des Yachtclubs erlesene Speisen. Eine kleine Auswahl an Gerichten ist ja oftmals Garant für die vorzügliche Frische der Zutaten.
Das Essen wurde auch sehr bald serviert, und die Verwunderung unsererseits war keine geringe, dass dies auf Plastiktellern mit ebensolchem Bestecke geschah. Ein breites Grinsen zog windjammergleich über unsere ohnehin schon von Sonnenlicht und Algen maritim geschlitzten Antlitze. Noblesse plastique.
Nun, was gab es zu sehen auf den genoppten Näpfen? Unterschiedliches. Auf meinem zum Beispiel darbten zwei handelsübliche, jedoch panierte Haushaltsschwammtücher auf tristem Polypropylen, garniert mit einem leicht kompostösen und in seiner Mitte bereits im Zustand der Verholzung befindlichen Eisbergsalatblatt, auf dem wohl ein Remoulade-Erpel sein kläglich' Häuflein gelöst hatte. Der Teller meines Leidensgenossen war immerhin noch mit einer weißlichen Paste bedeckt, in der offensichtlich Kartoffelstücke um ihr Leben schwammen; mich jedoch fror so arg beim Anblick meiner beiden nackerten Schwämme - zumal auch eine Brise von Ost her aufzog - dass ich umgehend von der weißlichen Paste nachbestellte.
"Hätten Sie vielleicht eine Pfeffermühle?",
getraute sich mein Freund die junge Dame noch einmal zu bemühen.
Nach einer Weile kam sie mit einem Salzstreuer an den Tisch zurück, und übergab ihn feierlich mit den Worten:
"Bitte sährrr. Pfäffärr habän wirr leiderr nicht!"
Immerhin irgendein Gewürz! Warum mir beim Verzehr der Gemüseschwämme der Gedanke kam, ob ich, wenn ich nun hinterher den gebackenen Camembert bestellte, wohl noch einmal dasselbe bekäme - nur ohne Erbsen drin - oder die Bulette - diese dann mit Erbsen drin, dafür in braun - kann ich nicht mehr rekapitulieren. Wir beschlossen, uns nichts anmerken zu lassen, sahen dem Gewitter beim Aufziehen zu, bestellten ein weiteres Bier, und betrachteten später in einem schützenden Tee-Pavillion die sich aus düsteren Wolken entladenden Regenmassen, die einer Kreuzspinne das Netz verhunzten und die Dahme gehörig ins Schlingern brachten mit einem wissenden Lächeln, wie es wohl nur echten Seebären anheim ist, ließen den Sprühregen, den die Böen in den Unterstand bliesen, auf unserer Haut versalzen, und auch der Gedanke an die 3.500 - wohl im rückwärtigen Bereich des Anwesens vorhandenen - Zäune vermochte es nicht mehr, uns an unserer grenzenlosen Freiheit zweifeln zu lassen.[/align]
Mangels Beteiligung musste ich mir diese Woche selbst was für die Sonntagskolumne aus dem Rücken drücken. Gänzlich unlekoriert, eigentlich nicht fertig, und trotzem rausgehauen.
Kommentare bzw. Korrekturen kommen also zu spät, deswegen aber nicht unwillkommen. :o)
Tom.