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Karussell

Verfasst: 12.06.2007, 19:48
von eldora
Karussell

Wir Beide kennen diese Oper nicht. Wir beobachten Gondeln auf sich kräuselnden Wellen und hören zwar die Gesänge, verstehen jedoch den Text nicht. Das Orchester auf der Bühne neben uns lässt sich aus diesem Winkel nur schlecht fotografieren.

Mattes Licht quetscht sich durch Wolkenrisse. Wir stehen auf und folgen den ausgetretenen Wegen. Der weiße Pantomime maschiniert mit Seifenblasen, und still kommuniziere ich mit ihm, während Du am wahren Lebensstand den Rotwein bestellst. Glaskörper wandern weiter, und es drängt mich in dieses Karussel dort vor uns. Ob ein Zusteigen noch möglich ist, frage ich, ernte ein Nicken des Chaufeurs und setze mich an den Tisch zu der Toten. Du setzt dich neben mich, Glas an Glas sitzen wir, und das Personal reicht uns einen Becher mit Apfelessig, Ginever und fremden Kräutern gegen den Schwindel. "Weil die Fahrt links herum geht und es den Chakren wohl bekommt. Apfelessig ist auch linksdrehend", krächzt der Vogel.

An der Decke hängen noch anderen Leichen, ihre Nervenkostüme baumeln uns entgegen, dazwischen sehe ich einige nackte Putten im Flug. "Die Fahrt dauert eineinhalb Stunden", erklärt uns der Rabe, und bläht sein purpurnes Samtkleid kurz auf. Er lacht Dich geräuschvoll und mit verzerrtem Gesicht an oder aus, das kann ich nicht sehen. Ich lege derweil meine Hand in die offene, versteifte Hand der Frau bei mir, streichle ihr strohiges graublondes langes Haar, richte es und drappiere es über ihre Schulter. Schön ist sie, schön. Der Rabe bringt das Karussel in Schwung und grinst verschmitzt. Auch Kinder sitzen hier, sie entlächeln etwas tröstlich Frisches, und ich nehme ihre Frische auf wie dieses linksdrehende geheimnisvolle Elexir.

In voller Fahrt, die Fahrt in den Tod dauert solange wie das Leben, gerate ich in Kontakt mit dem Widersinnlichen. Eineinhalb Stunden lang verfliegen wir. In Erwartung auf den Empfang. Ein Mann spielt das Banjo, dazu singt eine Frau das Lied ewiger Liebe. Einige der Rondellgäste klatschen, konsumieren amüsiert.

Als wir aussteigen, sehe ich nur noch Deine hellen Beine, Dein dunkles Hemd ist von der Nacht verschluckt. Du bist der Grashüpfer und ich der Nachtfalter. Bald hat die Dunkelheit Dich aufgesogen. Ich laufe allein durchs stille Schwarz und fühle mich geborgen. Du wähntest Dich in meiner Begleitung, zusammen waren wir nicht.

Verfasst: 12.06.2007, 20:39
von Nifl
Hi Eldora.

Ich würde sagen das ist ein Text für Peter und wütige Interpretationskonsorten. Sie holen aus dem Text vermutlich die Entstehung des Universums einschließlich Reinkarnation …
Ich verstehe und finde nicht viel.

Wir Beide kennen diese Oper nicht. Wir beobachten Gondeln auf sich kräuselnden Wellen und hören zwar die Gesänge, verstehen jedoch den Text nicht. Das Orchester auf der Bühne neben uns lässt sich aus diesem Winkel nur schlecht fotografieren.

Das bringe ich überhaupt nicht in Zusammenhang? Orchester fotografieren?

Dann wird ein gastronomisches Geister-Karussell bestiegen?

"Chauffeur" Heißen die nicht eh anders?

Chakren

Bist du sicher, dass es bei dem Wort einen Plural gibt?

Fazit:
Bei mir blinkt nur ein großes Fragezeichen (aber bedeutungsschwanger).

LG
Nifl

Verfasst: 12.06.2007, 22:32
von eldora
Hallo!
Oh Nifl *lach*, das ist noch einer meiner realsten Texte; da werden die anderen Dich wohl noch mehr quälen. Ich gleite gern ins Surreale ab. Das scheint weniger 'Dein Ding' zu sein?! Ich hoff', es war nicht ZU anstrengend für Dich zu lesen. Und meinen Dank, dass Du's trotzdem ausgehalten hast :) und sogar kommentiertest. Chakren gibt's selbstverständlich. Danke für das 'f' beim Chauffeur!
Es ist ganz einfach ein Tag auf einem großen Fest, in dessen Rahmen auch eine Oper im Freien, am See, aufgeführt wurde.... Joa. Das hab ich noch nirgends 'erklärt', aber... egal :)
Vielen Dank also und
viele Grüße
Eldora

Verfasst: 12.06.2007, 22:57
von Mucki
Hallo Eldora,

mein ersten Gedanken zu deiner interessanten Story, ohne jetzt auf Details einzugehen:

ich würde mich auf dieses geheimnisvolle Karussell beschränken und da ruhig noch ein bisschen ausbauen, mehr die Gefühle des LIs beschreiben, auch so surreal, wie du den übrigen Teil geschrieben hast. Das mit der Oper am Anfang würde ich weglassen. Es ist meiner Meinung nach überflüssig und lenkt nur unnötig ab. Es würde z.B. genügen, wenn die beiden einen Weg entlanggehen und dann auf dieses mysteriöse Karussell stoßen.
Dein Story lädt geradezu dazu ein, dieses Surreale so richtig auszumalen, bizarr, verrückt und auch so, dass man die Fratzen und Geräusche so richtig sieht und hört.
Mich faszinieren solche surrealen Stories,-)
Saludos
Mucki

Verfasst: 13.06.2007, 02:27
von Gast
Liebe eldora,

ich bin sehr angetan, von diesem Text.

ich weiß gar nicht so richtig, was ich am gelungendsten finde.

Für mich spielt der Rabe schon eine große Rolle, er ist mir sehr sympatisch.

Mir gefällt aber auch dieses Venezianische, Maskenballartige und Opernhafte.

Ja, ich glaube man sollte sich vielleicht eine Opernaufführung in Italien (Puccini, Lago di Massaciuccoli, z. B.) vorstellen, Gondeln auf dem See und eine allgemeine heitere Verwirrung wie in einem übergroßen Vexierbild, in das man einsteigt auf ein Karusell, und wo es unmögliche Dinge gibt, die aber völlig natürlich erscheinen.
Es ist auch so vieles, wa man deuten könnte, aber ich ich will gar nicht wissen, warum der Rabe ein purpurnes Gewand hat. Vileleicht ist der Raabe auch kein Raabe, sondern ein Mensch...

So lese ich den Text mit Vergnügen, eigentlich schaue ich ihn und erinnere mich an ein Video von Queen... fällt mir gerade ein (Innuendo, glaube ich)
Der Text der vom Leben (einer Liebe?) und vom Tod völlig unangestrengt erzählt und mich heiter entlässt.

Gern gelesen
Liebe Grüße
Gerda

Verfasst: 15.06.2007, 13:06
von eldora
Hallo Ihr Beiden,
vielen Dank für's Lesen und Kommentieren. Schön, wenn Euch die Geschichte zusagt :razz:
Ja, ich könnte auch nur vom Karussell schreiben, aber dann wäre es eine andere Geschichte irgendwie. Vielleicht mal in einem 'anderen Projekt' oder mit anderer 'Lokalität'. Diese Story, so, wie ich sie intendiert und angelegt habe, soll eine längere gemeinsame Aktion eines Pärchens beschreiben, in deren Verlauf klar wird, dass die Beiden sich (innerhalb von Stunden) meilenweit voneinander entfernen, ja, eigentlich nie wirklich ein Paar waren. Zum einen - es gibt natürlich auch andere Aspekte/Stimmungen, die eher und hoffentlich des Lesers Phantasie zu Bildern und Gedanken anregen.
Also - nochmals:
Ein dickes fettes Danke
mit Grüßen drauf
Eldora

Verfasst: 18.06.2007, 22:24
von Rala
Hallo Eldora!

Habe den Text mehrmals gelesen und leider immer noch nicht alles wirklich verstanden, aber ich glaube, darauf kommt es auch gar nicht an. Die Bilder jedenfalls sind wunderschön und bauen sich in meinem Kopf zu einem tollen Theater zusammen. Ähnliche Wirkung wie die Filme von Ján Svankmajer, die ich liebe. Außerdem sprachlich ganz toll gemacht. Daher gern gelesen.
Noch ein paar unbeniflt gebliebene Kleinigkeiten: "Karussell" ist des öfteren falsch geschrieben, "drapieren" hat nur ein p, das "Elixier" braucht ein i in der Mitte, "so lange" in dem Fall auseinander.

Liebe Grüße,
Rala