Talk Talk Talk
Verfasst: 25.06.2007, 20:07
Kürzlich habe ich eine Umfrage im Freundeskreis gemacht: „Siehst du Talk-Shows?“
Man prallte zurück. „Bist du irre? So einen Dreck? Willst du damit sagen, du traust mir so was zu? Hältst du mich für derart banal? Ich bin doch nicht kulturlos!“
Ein Einziger gab zu: „Ja, aber aus beruflichen Gründen!“
Er ist Persönlichkeitstrainer.
Aber keiner konnte mir brennende Fragen beantworten. Kriegen die Gäste Honorar für das Talken? Sind sie Laiendarsteller, die sich gebärden wie Underdogs? Ich vermute es stark. Mal ehrlich, welcher Mensch würde vor Kameras die Hosen seines echten Lebens runterlassen?
Ich behalte das im Auge und sobald ich einen freien Nachmittag habe, drehe ich um 13 Uhr die Kiste auf.
„Bei Britt“ heißt die Sendung. Unter frenetischem Applaus stampft eine Dame von viereckigem Format durch eine Seitentür auf die Bühne.
„Herzlich Willkommen, Wilma“, sagt die Moderatorin Britt strahlend. Dann wird sie ernst, „du hast dich an mich gewendet, weil du vermutest, dass dich dein Mann (Blick auf eine der Karten, die sie in der Hand hält) Eduard betrügt?“
Wilmas weitläufiger Busen wogt, sie presst die Lippen aufeinander, nickt. Mir ist, als würde ich Tränen sehen. Sie ballt die Fäuste. „Und ich will den Lügentest.“
Auch Britt nickt, sagt: „Dann holen wir jetzt Eduard dazu, er soll schließlich eine Gelegenheit zur Verteidigung haben. – Herzlich Willkommen, Eduard!“
Nichts. Das Publikum raunt, ich zünde mir eine Zigarette an. Jetzt hat er es doch geschafft, die Tür zu öffnen und schleppt sich mit vorgebeugten Schultern an seinen Platz gegenüber von Wilma. Ich persönlich glaube ja nicht, dass der arme Eduard je irgendwen betrogen hat, so ausgeronnen, wie er wirkt.
„Nun, Eduard, was sagst du zu den Vorwürfen Wilmas?“ Britt mustert ihn kritisch und wiegt sich auf den Bleistiftabsätzen.
„Ich tu so etwas nicht“, antwortet er ganz leise.
„Willst du damit andeuten, dass deine Frau fantasiert?“
Die wuchtige Wilma keift: „Du hast mich mit der da (sie deutet auf eine leichkalibrige Person im Publikum) betrogen!“
Ach?, denke ich mir.
Die junge Dame lässt das offensichtlich nicht auf sich sitzen und tritt an eine Art Rednerpult mit Mikrofon. Brüllt: „Stimmt doch nicht! Wir sind bloß Freunde, der Edi muss sich ja wo ausheulen können, du Sadistin!“
Wilma spuckt in ihre Richtung.
„Nein, Wilma, das geht nun wirklich nicht, benehmen wir uns doch wie zivilisierte Menschen“, sagt Britt.
„Schlampe“, entgegnet Wilma, meint ganz klar nicht Britt, die rasch aus der Blickschusslinie zwischen den Frauen tritt.
Britt setzt ein mitfühlendes Gesicht auf und schürt das Feuer: „Möchtest du wirklich deinen Mann den Fragen des Lügendetektors aussetzen?“ Sie reicht der Frau einen Karton Taschentücher, auf dem das Logo des Senders prangt. „Was wirst du tun, wenn sich herausstellt, dass er wirklich mit deiner besten Freundin gepoppt hat?“
Statt einer Antwort bricht die Gequälte mit einem Wutschrei aus ihrem Revier – einer dicken Gummiwalze, an der die Gäste sich mit dem Hintern anlehnen müssen – aus und prescht zur gegenüberliegenden Seite der Bühne, wo der Ehegespons sich gegen seine Rolle presst.
Britt jagt ihr nach, stellt sich mutig vor den blassen Mann, sagt autoritär: „Stopp!“
Das scheint der rasenden Wilma relativ wurscht zu sein, mit einer Armbewegung räumt sie die Moderatorin zur Seite. Mittlerweile ist der vermeintliche Betrüger hinter die Gummiwalze gehechtet. Seine Hände zittern als er die Brille zurecht schiebt. „Moppelchen, ich liebe dich doch! Tu nichts, was du dann bereuen würdest“, fleht er.
Das Publikum johlt, ich bin fassungslos.
Britt ruft um Hilfe, der Ehemann ergreift die Flucht durch die Bühnentür und Wilma kreischt: „Wart nur, wenn du mir nach Hause kommst!“
Und ich denke darüber nach, dass die Leute bestimmt eine fette Gage bekommen, wenn sie sich schon so entblöden.
Morgen werde ich mir eine Show ansehen, in der zwei Familien in einen Wettstreit treten. Angeblich ist eine der rivalisierenden Ehefrauen bei der letzten Sendung um ein Haar ertrunken, weil die Kinder und ihr Mann sie nicht aus dem Wassertank fischen wollten, um die hohe Gewinnprämie zu kassieren.
© Elsa Rieger
Man prallte zurück. „Bist du irre? So einen Dreck? Willst du damit sagen, du traust mir so was zu? Hältst du mich für derart banal? Ich bin doch nicht kulturlos!“
Ein Einziger gab zu: „Ja, aber aus beruflichen Gründen!“
Er ist Persönlichkeitstrainer.
Aber keiner konnte mir brennende Fragen beantworten. Kriegen die Gäste Honorar für das Talken? Sind sie Laiendarsteller, die sich gebärden wie Underdogs? Ich vermute es stark. Mal ehrlich, welcher Mensch würde vor Kameras die Hosen seines echten Lebens runterlassen?
Ich behalte das im Auge und sobald ich einen freien Nachmittag habe, drehe ich um 13 Uhr die Kiste auf.
„Bei Britt“ heißt die Sendung. Unter frenetischem Applaus stampft eine Dame von viereckigem Format durch eine Seitentür auf die Bühne.
„Herzlich Willkommen, Wilma“, sagt die Moderatorin Britt strahlend. Dann wird sie ernst, „du hast dich an mich gewendet, weil du vermutest, dass dich dein Mann (Blick auf eine der Karten, die sie in der Hand hält) Eduard betrügt?“
Wilmas weitläufiger Busen wogt, sie presst die Lippen aufeinander, nickt. Mir ist, als würde ich Tränen sehen. Sie ballt die Fäuste. „Und ich will den Lügentest.“
Auch Britt nickt, sagt: „Dann holen wir jetzt Eduard dazu, er soll schließlich eine Gelegenheit zur Verteidigung haben. – Herzlich Willkommen, Eduard!“
Nichts. Das Publikum raunt, ich zünde mir eine Zigarette an. Jetzt hat er es doch geschafft, die Tür zu öffnen und schleppt sich mit vorgebeugten Schultern an seinen Platz gegenüber von Wilma. Ich persönlich glaube ja nicht, dass der arme Eduard je irgendwen betrogen hat, so ausgeronnen, wie er wirkt.
„Nun, Eduard, was sagst du zu den Vorwürfen Wilmas?“ Britt mustert ihn kritisch und wiegt sich auf den Bleistiftabsätzen.
„Ich tu so etwas nicht“, antwortet er ganz leise.
„Willst du damit andeuten, dass deine Frau fantasiert?“
Die wuchtige Wilma keift: „Du hast mich mit der da (sie deutet auf eine leichkalibrige Person im Publikum) betrogen!“
Ach?, denke ich mir.
Die junge Dame lässt das offensichtlich nicht auf sich sitzen und tritt an eine Art Rednerpult mit Mikrofon. Brüllt: „Stimmt doch nicht! Wir sind bloß Freunde, der Edi muss sich ja wo ausheulen können, du Sadistin!“
Wilma spuckt in ihre Richtung.
„Nein, Wilma, das geht nun wirklich nicht, benehmen wir uns doch wie zivilisierte Menschen“, sagt Britt.
„Schlampe“, entgegnet Wilma, meint ganz klar nicht Britt, die rasch aus der Blickschusslinie zwischen den Frauen tritt.
Britt setzt ein mitfühlendes Gesicht auf und schürt das Feuer: „Möchtest du wirklich deinen Mann den Fragen des Lügendetektors aussetzen?“ Sie reicht der Frau einen Karton Taschentücher, auf dem das Logo des Senders prangt. „Was wirst du tun, wenn sich herausstellt, dass er wirklich mit deiner besten Freundin gepoppt hat?“
Statt einer Antwort bricht die Gequälte mit einem Wutschrei aus ihrem Revier – einer dicken Gummiwalze, an der die Gäste sich mit dem Hintern anlehnen müssen – aus und prescht zur gegenüberliegenden Seite der Bühne, wo der Ehegespons sich gegen seine Rolle presst.
Britt jagt ihr nach, stellt sich mutig vor den blassen Mann, sagt autoritär: „Stopp!“
Das scheint der rasenden Wilma relativ wurscht zu sein, mit einer Armbewegung räumt sie die Moderatorin zur Seite. Mittlerweile ist der vermeintliche Betrüger hinter die Gummiwalze gehechtet. Seine Hände zittern als er die Brille zurecht schiebt. „Moppelchen, ich liebe dich doch! Tu nichts, was du dann bereuen würdest“, fleht er.
Das Publikum johlt, ich bin fassungslos.
Britt ruft um Hilfe, der Ehemann ergreift die Flucht durch die Bühnentür und Wilma kreischt: „Wart nur, wenn du mir nach Hause kommst!“
Und ich denke darüber nach, dass die Leute bestimmt eine fette Gage bekommen, wenn sie sich schon so entblöden.
Morgen werde ich mir eine Show ansehen, in der zwei Familien in einen Wettstreit treten. Angeblich ist eine der rivalisierenden Ehefrauen bei der letzten Sendung um ein Haar ertrunken, weil die Kinder und ihr Mann sie nicht aus dem Wassertank fischen wollten, um die hohe Gewinnprämie zu kassieren.
© Elsa Rieger