Mardusco & Sebaldi
Verfasst: 13.07.2007, 12:00
Mardusco & Sebaldi
1.
Die Geschichte muss 50 Jahre her sein. Das Land, in dem sie geschah, existiert nicht mehr und sein Name ist den heutigen Menschen kein Begriff. Es war weder groß noch klein, weder arm noch reich. Kurz, es zeichnete sich durch nichts aus, als 2 berühmte Männer. Ihre Namen waren Mardusco und Sebaldi Sie galten als die besten Detektive der Welt. Sherlock Holmes lüftete bescheiden den Hut und Miss Marple verlor ange-sichts ihres überragenden Verstandes Ihren Gleichmut. Die Mafia gab sämtliche Ge-schäfte im Staate auf und zog sich in die übrige Welt zurück. Computern gerieten ange-sichts der unbezwingbaren Logik ins Stottern.
Mardusco war ein schmächtiges Männchen mit einer Stupsnase, über die er sich fort-während ärgerte, da sie gängigen Detektivklischees nicht entsprach). Bei Sebaldi hin-gegen handelte es sich um einen fast kugelförmigen Menschen. Beide lebten einträchtig in einem großen Haus in der Rakerstreet 121 a, von dessen Mansardenzimmer sie die kompliziertesten Fälle zu klären pflegten.
An der Schuhgröße und der Farbe seiner Mantelaufschläge der ihnen vorgeführten Zeugen erkannten sie unfehlbar den Schuldigen und aus der Asche seiner Zigaretten konstruierten sie dessen Lebensgeschichte.
2.
An einem regnerischen Winterabend kam der Polizeipräsident kleinen Land es auf ei-nen Schwatz bei ihnen vorbei und meinte beiläufig bei einer Tasse Tee: „Wir haben wieder Entführung. Ein dreißigjähriger Bankbeamter mit Pensionsberechtigung ist seit Montag verschwunden. In seinem Arbeitszimmer lag ein Fläschchen grün gefärbter Bü-rokleber.”
„Dann liegt der arme Kerl erdrosselt im Waldsee. Der Mörder war seine Schwiegermutter”, meinte Mardusco, während er genussvoll in einen Keks biss.
„Ich werde sie sofort verhaften lassen”, dankte der Polizeipräsident und wollte sich er-heben. Doch als er das bleiche Gesicht Sebaldis sah, blieb er sitzen.
„Lieber Mardusco”, meinte: Sebaldi mit einen Ausdruck großen Erstaunens, „Es ist doch wohl eindeutig, dass der Mann entführt worden ist: Und zwar von seiner Haushälterin, die sich für den niedrigen Lohn rächen will!”
Mardusco verschluckte sich an den Kekskrümeln, hustete und würgte schließlich her-vor. „Sebaldi, besinne dich! wie kannst du nur so eine abwegige Theorie aufstellen? Ich sehe die furchtbare Szene genau vor mir, wie die Schwiegermutter ihn mit einer nassen Wäscheleine erdrosselte und im Wäschekorb zum Waldsee schleppte.“
Sebaldi stellte die Tasse mit energischen Klirren auf Untertasse. „Verzeihen sie den Ausrutscher meines Freundes, werter Herr Polizeipräsident. Herr Mardusco war heute früh nicht wohl, so dass sein strapaziertes Hirn zu unsinnigen Kombinationen neigt. Ge-hen sie in den Kohlenkeller des Nachbarhauses. Dort finden sie eine geheime Klappe, welche zu einem winzigen kerzenerhellten Raum führt. Dort sitz der geknebelte und ge-fesselte Bankbeamte.”
Vor Empörung grün im Gesicht, fuhr Mardusco aus dem Sessel und starrte seinen Freund mit furchterregenden Blick an: „Wie kannst du es wagen, an meiner Logik zu zweifeln? Denke doch nur genauer nach ! Entsinne dich der Bürokleberflasche in sei-nem Arbeitszimmer. Jeder Narr muss doch daraus schließen, dass es die habgierige Schwiegermutter war!”
„Aber jemand hat den Kleber grün gefärbt, hast du das vergessen?” konterte Sebaldi...
Dia Blicke des Polizeipräsidenten pendelten fassungslos zwischen den beiden Geistesgrößen umher. Minutenlang wagte er kaum zu atmen. Die Luft dröhnte von den Be-schimpfungen, die sie sich an den Kopf warfen. Doch die Ehrfurcht verbot dem Polizis-ten einzugreifen.
Endlich, als beide schon mit den Kuchengabeln drohten, raffte er sich auf und warf schüchtern ein. „Verehrte Herren, erlauben sie mir einen Vorschlag. Wir könnten mit der Polizeistreife auftragen, beide von ihnen angegebenen Orte aufsuchen und sich von der Richtigkeit ihrer Worte überzeugen.“
Einen Moment fassungslos vor solch primitiven Praktizismus wiegten sie schließlich dennoch die Köpfe und stimmten zu ...
3.
Sogleich verständigte der Polizeipräsident 2 Einsatzkommandos. Er befahl ihnen, zu den beiden möglichen Tatorten zu fahren und zur exakt der gleichen Uhrzeit eine Unter-suchung vorzunehmen. Dann genehmigten sich die 3 Kriminalisten noch einen Tee und warteten. Keiner wagte etwas zu bemerken, soviel Spannung lag in der Luft.
Es dauerte eine halbe Stunde, bis das Telefon klingelte. Der Polizeipräsident hob un-ter den angespannten Blicken der beiden Detektive den Hörer ab, lauschte der Nach-richt und verkündete dann: „Tut mir leid, Herr Sebaldi, aber es war die Schwiegermutter. Die Leiche wurde soeben von Tauchern geborgen und die gute Frau hat schon ein Ges-tändnis abgelegt.“
Gerade, als Mardusco in ein triumphierende Lachen ausbrechen wollte, läutete es je-doch erneut. Wieder ging der Polizist an den Apparat, um wenige Zeit später fassungs-los zu murmeln: „Das kann unmöglich sein. Soeben hat man im Kohlenkeller des Nach-barhauses den gefesselten Bankbeamten entdeckt, etwas abgemagert aber wohlauf. Außerdem berichten die Anwohner, dass die Haushälterin seit heute Morgen ver-schwunden sei.“
4.
Die drei Männer fuhren also schnellstens zu den beiden Tatorten und mussten fest-stellen, dass etwas ungeheuerliches geschehen war. Tatsächlich fand man einmal die erdrosselte Leiche des Bankbeamten, anderseits konnte man den befreiten Verschlepp-ten vernehmen.
Unter der unbestechlichen Logik der beiden Geistesgiganten hatte die Realität selbst kapituliert und beide Versionen des Verbrechens wirklich werden lassen.
Man verhaftete also die Schwiegermutter und die Haushälterin und verurteilte sie für ihre jeweiligen Taten.
Mit der Freundschaft von Mardusco und Sebaldi jedoch war es vorbei. Unter der furchtbaren Gewissheit, dass ihre überwältigende Logik sogar die Wirklichkeit verbiegen konnte, zogen sich beide ins Privatleben zurück und widmeten sich fortan nur noch Schachrätseln und anderen harmloseren Tätigkeiten.
Ende
1.
Die Geschichte muss 50 Jahre her sein. Das Land, in dem sie geschah, existiert nicht mehr und sein Name ist den heutigen Menschen kein Begriff. Es war weder groß noch klein, weder arm noch reich. Kurz, es zeichnete sich durch nichts aus, als 2 berühmte Männer. Ihre Namen waren Mardusco und Sebaldi Sie galten als die besten Detektive der Welt. Sherlock Holmes lüftete bescheiden den Hut und Miss Marple verlor ange-sichts ihres überragenden Verstandes Ihren Gleichmut. Die Mafia gab sämtliche Ge-schäfte im Staate auf und zog sich in die übrige Welt zurück. Computern gerieten ange-sichts der unbezwingbaren Logik ins Stottern.
Mardusco war ein schmächtiges Männchen mit einer Stupsnase, über die er sich fort-während ärgerte, da sie gängigen Detektivklischees nicht entsprach). Bei Sebaldi hin-gegen handelte es sich um einen fast kugelförmigen Menschen. Beide lebten einträchtig in einem großen Haus in der Rakerstreet 121 a, von dessen Mansardenzimmer sie die kompliziertesten Fälle zu klären pflegten.
An der Schuhgröße und der Farbe seiner Mantelaufschläge der ihnen vorgeführten Zeugen erkannten sie unfehlbar den Schuldigen und aus der Asche seiner Zigaretten konstruierten sie dessen Lebensgeschichte.
2.
An einem regnerischen Winterabend kam der Polizeipräsident kleinen Land es auf ei-nen Schwatz bei ihnen vorbei und meinte beiläufig bei einer Tasse Tee: „Wir haben wieder Entführung. Ein dreißigjähriger Bankbeamter mit Pensionsberechtigung ist seit Montag verschwunden. In seinem Arbeitszimmer lag ein Fläschchen grün gefärbter Bü-rokleber.”
„Dann liegt der arme Kerl erdrosselt im Waldsee. Der Mörder war seine Schwiegermutter”, meinte Mardusco, während er genussvoll in einen Keks biss.
„Ich werde sie sofort verhaften lassen”, dankte der Polizeipräsident und wollte sich er-heben. Doch als er das bleiche Gesicht Sebaldis sah, blieb er sitzen.
„Lieber Mardusco”, meinte: Sebaldi mit einen Ausdruck großen Erstaunens, „Es ist doch wohl eindeutig, dass der Mann entführt worden ist: Und zwar von seiner Haushälterin, die sich für den niedrigen Lohn rächen will!”
Mardusco verschluckte sich an den Kekskrümeln, hustete und würgte schließlich her-vor. „Sebaldi, besinne dich! wie kannst du nur so eine abwegige Theorie aufstellen? Ich sehe die furchtbare Szene genau vor mir, wie die Schwiegermutter ihn mit einer nassen Wäscheleine erdrosselte und im Wäschekorb zum Waldsee schleppte.“
Sebaldi stellte die Tasse mit energischen Klirren auf Untertasse. „Verzeihen sie den Ausrutscher meines Freundes, werter Herr Polizeipräsident. Herr Mardusco war heute früh nicht wohl, so dass sein strapaziertes Hirn zu unsinnigen Kombinationen neigt. Ge-hen sie in den Kohlenkeller des Nachbarhauses. Dort finden sie eine geheime Klappe, welche zu einem winzigen kerzenerhellten Raum führt. Dort sitz der geknebelte und ge-fesselte Bankbeamte.”
Vor Empörung grün im Gesicht, fuhr Mardusco aus dem Sessel und starrte seinen Freund mit furchterregenden Blick an: „Wie kannst du es wagen, an meiner Logik zu zweifeln? Denke doch nur genauer nach ! Entsinne dich der Bürokleberflasche in sei-nem Arbeitszimmer. Jeder Narr muss doch daraus schließen, dass es die habgierige Schwiegermutter war!”
„Aber jemand hat den Kleber grün gefärbt, hast du das vergessen?” konterte Sebaldi...
Dia Blicke des Polizeipräsidenten pendelten fassungslos zwischen den beiden Geistesgrößen umher. Minutenlang wagte er kaum zu atmen. Die Luft dröhnte von den Be-schimpfungen, die sie sich an den Kopf warfen. Doch die Ehrfurcht verbot dem Polizis-ten einzugreifen.
Endlich, als beide schon mit den Kuchengabeln drohten, raffte er sich auf und warf schüchtern ein. „Verehrte Herren, erlauben sie mir einen Vorschlag. Wir könnten mit der Polizeistreife auftragen, beide von ihnen angegebenen Orte aufsuchen und sich von der Richtigkeit ihrer Worte überzeugen.“
Einen Moment fassungslos vor solch primitiven Praktizismus wiegten sie schließlich dennoch die Köpfe und stimmten zu ...
3.
Sogleich verständigte der Polizeipräsident 2 Einsatzkommandos. Er befahl ihnen, zu den beiden möglichen Tatorten zu fahren und zur exakt der gleichen Uhrzeit eine Unter-suchung vorzunehmen. Dann genehmigten sich die 3 Kriminalisten noch einen Tee und warteten. Keiner wagte etwas zu bemerken, soviel Spannung lag in der Luft.
Es dauerte eine halbe Stunde, bis das Telefon klingelte. Der Polizeipräsident hob un-ter den angespannten Blicken der beiden Detektive den Hörer ab, lauschte der Nach-richt und verkündete dann: „Tut mir leid, Herr Sebaldi, aber es war die Schwiegermutter. Die Leiche wurde soeben von Tauchern geborgen und die gute Frau hat schon ein Ges-tändnis abgelegt.“
Gerade, als Mardusco in ein triumphierende Lachen ausbrechen wollte, läutete es je-doch erneut. Wieder ging der Polizist an den Apparat, um wenige Zeit später fassungs-los zu murmeln: „Das kann unmöglich sein. Soeben hat man im Kohlenkeller des Nach-barhauses den gefesselten Bankbeamten entdeckt, etwas abgemagert aber wohlauf. Außerdem berichten die Anwohner, dass die Haushälterin seit heute Morgen ver-schwunden sei.“
4.
Die drei Männer fuhren also schnellstens zu den beiden Tatorten und mussten fest-stellen, dass etwas ungeheuerliches geschehen war. Tatsächlich fand man einmal die erdrosselte Leiche des Bankbeamten, anderseits konnte man den befreiten Verschlepp-ten vernehmen.
Unter der unbestechlichen Logik der beiden Geistesgiganten hatte die Realität selbst kapituliert und beide Versionen des Verbrechens wirklich werden lassen.
Man verhaftete also die Schwiegermutter und die Haushälterin und verurteilte sie für ihre jeweiligen Taten.
Mit der Freundschaft von Mardusco und Sebaldi jedoch war es vorbei. Unter der furchtbaren Gewissheit, dass ihre überwältigende Logik sogar die Wirklichkeit verbiegen konnte, zogen sich beide ins Privatleben zurück und widmeten sich fortan nur noch Schachrätseln und anderen harmloseren Tätigkeiten.
Ende