Widerlegung des Solipsismus

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Pjotr
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Beitragvon Pjotr » 03.08.2007, 05:20

Ich werde überrascht, also bin ich nicht allein.

MarleneGeselle

Beitragvon MarleneGeselle » 03.08.2007, 09:36

Nicht unbedingt, kannst dich ja selber mal überraschen. :tiere0053: :tiere0053: :tiere0053:

Mucki
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Beitragvon Mucki » 03.08.2007, 14:19

Hallo Pjotr,

um den Solipsismus zu widerlegen, müsstest du hier m.E. dieses Überraschungsmoment etwas mehr konkretisieren, sprich ausdrücken, dass dieser wirklich von einer vom Ich völlig getrennten Person ausgelöst wird.
Die vielen Facetten des Ichs, Über-Ich, Kind-Ich, die "Innere Stimme der Intuition", Auslöser wie z.B. ein Duft, eine Bewegung eines Menschen, der aber mit dem Ich eben doch zu tun hat, quasi "in ihm ist" etc. etc., können einen Menschen handeln lassen, unterbewusst, und so z.B. zu "vermeintlichen" Überraschungen führen.
Mal so eingeworfen,-)
Saludos
Mucki

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Pjotr
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Beitragvon Pjotr » 03.08.2007, 15:39

Hallo Marlene und Mucki, danke für Eure Einwürfe. Ich kontere mit Version 2 (auf literarische Weise selbstverständlich, Textkritik formaler Art ist ebenso willkommen).


Version 2:

Wenn der Ich-Begriff gebraucht wird dergestalt, dass er sogar den unvorhersehbaren Zufall und die ungewollte Tat und die überraschende Unkontrolle und die befremdende Unwissenheit umfasst, dann trägt eine jede Sache im Universum den Namen "Ich". Dadurch verliert der Name "Ich" sogleich auch seine Unterscheidung vom "Nicht-Ich", denn auch das "Nicht-Ich" wird demnach umbenannt in "Ich". Mit dieser letzten Konsequenz verliert der Solipsismus seinen Sinn: das Ich ist lediglich ein anderer Name für Universum, während jedoch dessen vielgestaltige Eigenschaften unangetastet bleiben von der Namensreform. Ich könnte sagen, mein Magen gehöre mir und mein plötzlicher Hunger überrasche mich. Aber ich sage nicht, mein Ich sei ich und mein ichendes Ich iche mich ichend. Wenn alle Sachen, alle Eigenschaften des Universums, einerlei wären, dann gäbe es Nichts: blau würde sich nicht von grün unterscheiden, Salz nicht von Zucker, Schmerz nicht von Wohlgefühl, Grenze nicht von Durchgang, endlos nicht von endlich ... alles wäre Eins. Nichts würde sein. Denn keinerlei Unterschiede wären vorhanden. Sobald sich etwas aus dem Nichts in die Existenz hervorhebte, würde es sich dank seiner speziellen Anwesenheit unterscheiden von der allgemeinen Abwesenheit. Der scheinbar konsequente Solipsismus verwendet eine Logik, die es ihm nicht erlaubt, derlei Unterschiede zu machen. Obwohl der vermeintlich konsequente Solipsist erfährt, dass Verwunderung sich anders anfühlt als Unverwunderung, hält er beide Sachen für identisch. Hier zerbricht er an seiner eigenen Logik.



Nastrovje

Pjotr

Mucki
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Beitragvon Mucki » 03.08.2007, 17:20

Hallo Pjotr,

du führst jetzt den Dualismus/die Polarität mit in dieses philosophische Thema ein.
Ich würde vorschlagen, diesen thread ins Cafe zu verschieben, da er m.E. in Kurzprosa nicht mehr reinpasst, was meinst du?
Saludos
Mucki

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Pjotr
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Beitragvon Pjotr » 03.08.2007, 19:42

Hä?

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Beitragvon Pjotr » 03.08.2007, 20:17

Auch nach nochmaliger Überlegung, Mucki, sehe ich keine Zusammenhänge zwischen den einzelnen Punkten in Deinem Kommentar. Dementsprechend einzeln will ich sie beantworten:

1. "Dualismus und Polarität" würde eingeführt, sagst Du. Erstens: Was fange ich mit dieser Bemerkung jetzt an? Will sie etwas widerlegen? Oder etwas bestätigen? Zweitens: Besagtes wird von mir nicht eingeführt, sondern es geht von Anfang an um mehr, nämlich um Vielgestaltigkeit.

2. Texte, die den Solipsismus thematisieren, seien Prosa, während Dualismus thematisierende Texte keine Prosa seien? Das halte ich für Unsinn. (Auch wenn es mir hier nicht um Dualismus geht.)

3. Texte mit philosophischem Tiefgang gehörten allesamt nicht zur Prosa? Das halte ich ebenfalls für Unsinn.


Ich hätte mir außerdem mehr Textkritik gewünscht. Version 1 und 2 sind meines Erachtens literarische Texte, sie gehören nicht in eine nichtliterarische Rubrik wie das Café. Ich empfinde Deinen Vorschlag als ziemlich oberflächlich. Ich wette, Du hast meinen Text in zehn Sekunden runtergelesen und gemeint, kein Detail übersehen zu haben.


Pjotr

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Beitragvon Ylvi » 03.08.2007, 20:48

Hallo Pjotr,

Text Nr. 1 halte ich in seiner Kürze für einen Denkanstoß, der jedoch zu schnell ad absurdum geführt werden kann. Die größten Überraschungen halten wir doch für uns selbst bereit.

Text Nr. 2 habe ich in seinen Schlussfolgerungen noch nicht ganz verstanden fürchte ich. Allerdings stellt sich mir die Frage, wo das Ich dann noch zu finden ist. Welche Bestandteile gehören zum Ich-Begriff, und wo endet er? Wenn es die Begrifflichkeit bzw. die Benennung (z.B. Magen, Hirn, salzig, süss...) ist, die entscheidet, was genau ist dann "Ich".
Die grundsätzliche Frage scheint mir doch die: Wäre das menschliche Gehirn fähig sich eine Realität zu erdenken, die ihm als von seiner Wahrnehmung abgekoppelt erscheint. Ist das Universum als Materie real existierend oder existiert es nur in der Vorstellung eines Einzelnen? Der Überraschungsmoment scheint mir da kein hinreichender Hinweis zu sein. Siehe Text Nr. 1.

liebe Grüße smile (ich denke gerne weiter mit)

edit: Freut mich doch noch eine Ausführung von dir dazu lesen zu können.

Nihil

Beitragvon Nihil » 03.08.2007, 21:01

.. der gesamte Ich-Begriff ist eine Illusion, die wie eine Monade daherkommt .. ;-) Alles ist Eines, in die Vielheit emaniert gemäß dem principium individuationis ..

LG

Nihil

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Beitragvon Ylvi » 03.08.2007, 21:09

...ist aus Einem Vieles entstanden oder ist nur Eines, das sich Vieles denkt?...

Nihil

Beitragvon Nihil » 03.08.2007, 21:13

... deine Eine denkt sich nichts .. es ist kein Geist, es ist blinder Wille .. und das Eine ist in der Vielheit wie die Vielheit in dem Einen wurzelt .. Ding an sich und seine Erscheinung ..

LG

Nihil

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Beitragvon Ylvi » 03.08.2007, 21:20

...gib es meine Eine und dein Einer? Dann sind es ja schon Zwei. :mrgreen:
Entschuldige, das habe ich nicht verstanden. Mit Pjotrs Wort: Hä?

LG smile

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Sethe
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Beitragvon Sethe » 03.08.2007, 21:25

Schwere Kost.

Hallo Pjotr,

eine kleine Anmerkung und eine Frage.

Durch die vielen "Ich" in diesem Text, und der Umstand, daß Du in der Ich-Perspektive geschrieben hast, hatte ich so meine Probleme, klar abgrenzen zu können, was jetzt die Position ist, die Du widerlegen willst, und was die Widerlegung an sich ist.


Pjotr hat geschrieben: Mit dieser letzten Konsequenz verliert der Solipsismus seinen Sinn: das Ich ist lediglich ein anderer Name für Universum, während jedoch dessen vielgestaltige Eigenschaften unangetastet bleiben von der Namensreform.


Diesen Satz habe ich inhaltlich nicht verstanden.

Wenn Ich im Solipsismus lediglich ein anderer Name für das Universum ist, dann heißen doch auch die vielgestaltigen Eigenschaften auch "Ich", denn diese sind doch Bestandteil des Universums.
Wieso bleiben dann aber die vielgestaltigen Eigenschaften unangestastet von der Namensreform?

Sethe
Was ich tu, das tu ich, was ich tat, das wollte ich tun.
(aus: "Ich schließe mich selbst ein" von Joyce Carol Oates)

Nihil

Beitragvon Nihil » 03.08.2007, 21:32

.. bei "meiner einer" wären wir dann beinahe schon wieder bei Bugs Bunny .. ;-)

Die Prinzipien M und W konstituieren sich innerhalb der Erscheinungswelt, wobei diese Prinzipien nicht auf eine Dualität als vielmehr auf eine Trinität verweisen .. who knows? Am Ende ist der grundlose Wille Schopenhauers womöglich doch mehr, aber er selbst hat ja angedeutet, dass sich dieses unserer Erkenntnismöglichkeit entzieht .. niemand weiß, was der Wille an sich genommen sei und das prinzipiell.

LG

Nihil


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