Alpenglühen
Verfasst: 27.09.2007, 20:47
Alpenglühen
Mitunter haben ja schon bloße Inhaltsangaben in Fernsehzeitungen Unterhaltungswert, vielleicht sogar größeren als die angekündigte Sendung selbst. Aber dazu später.
Kürzlich erging von Mainz die Kunde: das ZDF will den Anteil so genannter Volksmusiksendungen drastisch reduzieren. Diese Meldung löste ein emotionales Unwetter aus. Der Sturm, der durch den Regenbogenblätterwald fegte, trieb riesige Protestwellen gegen die bislang so idyllischen Höhen des Mainzer Lerchenbergs. Dem Sender wurde unter anderem Herzlosigkeit und Jugendwahn vorgeworfen. Die Schlagzeile „Verrat an der älteren Generation“ war noch eine der mildesten, zudem auch noch falsch, da sie eine ganze Generation in eine Art musikalische Sippenhaft nimmt. Außerdem sind es längst nicht mehr nur ältere Menschen, die sich dem kollektiven, jahreszeitenübergreifenden Schunkelglücksrausch live oder televisionär hingeben. Selbst Kinder und Jugendliche wurden schon nachweislich in Stadln und Schänken gesichtet, woraus man allerdings nicht zwingend Freiwilligkeit oder gar Überzeugung folgern kann. Vielleicht ist deren Anwesenheit ja auch nur eine Zwangsmaßnahme als Bestrafung für aufmüpfiges Verhalten bzw. Bestandteil einer Umerziehungsmethode im Falle unangepassten juvenilen Musikgeschmacks?
Um möglichen Unglauben gleich im Ansatz zu ersticken, statuierte das Zweite ein erstes Exempel. Marianne und Michael wurden samt ihrer Sendung „Lustige Musikanten auf Tour“ unbarmherzig in den Jodelorkus verstoßen, wo die beiden nun in dem heißen Schmalz schwimmen, das sie selbst produziert haben.
Der sonnenbebrillte Gottvater des zuckrigen Juchzer- und Humptataolymps ließ ob des Frevels seine Gitarre fallen und blies zum Aufstand gegen das ZDF. Man stelle es sich nur vor: Horden wild entschlossener Frohsinnsmassen legen, Transparente schwingend, im Dreivierteltakt den Verkehr in deutschen Innenstädten lahm. Anschließend Sternfahrt zur Demo auf dem Lerchenberg mit Pausen unterwegs für den Verzehr eines „schmackhaften Essens mit Sättigungsbeilage“ sowie dem Verkauf von Tonträgern und Fanartikeln. Was sonst die Rheumadecke fürs Knie, ist Hansi Hinterseer hier fürs Herz. Um den polizeilichen Einsatz von Wasserwerfern zu erschweren, werden am Zielort vor der Sendezentrale die mitgereisten lederbehosten Zwergerln und bedirndlten Zahnspangengroupies in vorderster Frontlinie postiert. Außerdem schaut’s auf den Presse- und Erinnerungsphotos doch gar zu herzig aus!
Ob nun ein direkter ursächlicher Zusammenhang zu des immergrünen Barden garstiger Initiative besteht oder geheimnisvolle Mächte am Werk waren, bleibt ungeklärt – Fakt jedoch ist, dass Heino nach einem Kollaps noch immer im Krankenhaus behandelt wird.
Doch es half alles nichts – Moguntia locuta, causa finita!*
Vor einigen Tagen blätterte ich durch meine TV-Zeitschrift, als mich plötzlich eine gewisse Wehmut erfüllte. Dem Kahlschlag des ZDF würden künftig auch Programmhinweise wie der folgende zum Opfer fallen. Die Rede ist von einer Sendung mit dem Titel „Herbstshow“, deren Ankündigung sich so las:
„Andrea Kiewel feiert auf einem 1500 Meter hoch gelegenen Almplateau. Inmitten der Graubündner Bergwelt wird der Saisonhöhepunkt begangen: der große Almabtrieb. Gemeinsam mit Urs Meier, ehemals Schweizer Schiedsrichter und Fußballexperte im ZDF, gibt sie den Startschuss zu diesem besonderen Spektakel. In ihrer Show erwartet sie die Ankunft der prächtig geschmückten Rinder. Weitere Gäste sind u. a. Udo Jürgens, Francine Jordi und Semino Rossi.“
Diese kurze Vorschau warf Fragen in mir auf. Welche Funktion hat ein Schiedsrichter beim Almabtrieb? Wie hat man sich Udo Nationale wohl prächtig geschmückt vorzustellen? Fungierte Francine Jordi etwa als Kranzkuh?** Hatten unvermeidliche Gesangseinlagen wohlmöglich abtriebsbeschleunigende Wirkung? Muss jetzt gar der Begriff „Rinderwahnsinn“ neu definiert werden?
Ach ja, wie später übrigens aus „gut unterrichteten Kreisen“ zu erfahren war, musste ein ursprünglich fest eingeplanter Auftritt der Creutzfeld – Jacob Sisters kurzfristig abgesagt werden. Ihre Pudel hatten, obwohl längst abgebrüht, während der Proben panisch die Flucht ergriffen.
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*„Mainz hat gesprochen, die Sache ist erledigt“ - ursprünglich: Roma locuta…, ein in der römisch-katholischen Kirche geprägter Ausdruck um die Endgültigkeit einer Entscheidung zu unterstreichen
**Die Kranzkuh führt mit besonders pompösem Kopfschmuck die Herde an.
Mitunter haben ja schon bloße Inhaltsangaben in Fernsehzeitungen Unterhaltungswert, vielleicht sogar größeren als die angekündigte Sendung selbst. Aber dazu später.
Kürzlich erging von Mainz die Kunde: das ZDF will den Anteil so genannter Volksmusiksendungen drastisch reduzieren. Diese Meldung löste ein emotionales Unwetter aus. Der Sturm, der durch den Regenbogenblätterwald fegte, trieb riesige Protestwellen gegen die bislang so idyllischen Höhen des Mainzer Lerchenbergs. Dem Sender wurde unter anderem Herzlosigkeit und Jugendwahn vorgeworfen. Die Schlagzeile „Verrat an der älteren Generation“ war noch eine der mildesten, zudem auch noch falsch, da sie eine ganze Generation in eine Art musikalische Sippenhaft nimmt. Außerdem sind es längst nicht mehr nur ältere Menschen, die sich dem kollektiven, jahreszeitenübergreifenden Schunkelglücksrausch live oder televisionär hingeben. Selbst Kinder und Jugendliche wurden schon nachweislich in Stadln und Schänken gesichtet, woraus man allerdings nicht zwingend Freiwilligkeit oder gar Überzeugung folgern kann. Vielleicht ist deren Anwesenheit ja auch nur eine Zwangsmaßnahme als Bestrafung für aufmüpfiges Verhalten bzw. Bestandteil einer Umerziehungsmethode im Falle unangepassten juvenilen Musikgeschmacks?
Um möglichen Unglauben gleich im Ansatz zu ersticken, statuierte das Zweite ein erstes Exempel. Marianne und Michael wurden samt ihrer Sendung „Lustige Musikanten auf Tour“ unbarmherzig in den Jodelorkus verstoßen, wo die beiden nun in dem heißen Schmalz schwimmen, das sie selbst produziert haben.
Der sonnenbebrillte Gottvater des zuckrigen Juchzer- und Humptataolymps ließ ob des Frevels seine Gitarre fallen und blies zum Aufstand gegen das ZDF. Man stelle es sich nur vor: Horden wild entschlossener Frohsinnsmassen legen, Transparente schwingend, im Dreivierteltakt den Verkehr in deutschen Innenstädten lahm. Anschließend Sternfahrt zur Demo auf dem Lerchenberg mit Pausen unterwegs für den Verzehr eines „schmackhaften Essens mit Sättigungsbeilage“ sowie dem Verkauf von Tonträgern und Fanartikeln. Was sonst die Rheumadecke fürs Knie, ist Hansi Hinterseer hier fürs Herz. Um den polizeilichen Einsatz von Wasserwerfern zu erschweren, werden am Zielort vor der Sendezentrale die mitgereisten lederbehosten Zwergerln und bedirndlten Zahnspangengroupies in vorderster Frontlinie postiert. Außerdem schaut’s auf den Presse- und Erinnerungsphotos doch gar zu herzig aus!
Ob nun ein direkter ursächlicher Zusammenhang zu des immergrünen Barden garstiger Initiative besteht oder geheimnisvolle Mächte am Werk waren, bleibt ungeklärt – Fakt jedoch ist, dass Heino nach einem Kollaps noch immer im Krankenhaus behandelt wird.
Doch es half alles nichts – Moguntia locuta, causa finita!*
Vor einigen Tagen blätterte ich durch meine TV-Zeitschrift, als mich plötzlich eine gewisse Wehmut erfüllte. Dem Kahlschlag des ZDF würden künftig auch Programmhinweise wie der folgende zum Opfer fallen. Die Rede ist von einer Sendung mit dem Titel „Herbstshow“, deren Ankündigung sich so las:
„Andrea Kiewel feiert auf einem 1500 Meter hoch gelegenen Almplateau. Inmitten der Graubündner Bergwelt wird der Saisonhöhepunkt begangen: der große Almabtrieb. Gemeinsam mit Urs Meier, ehemals Schweizer Schiedsrichter und Fußballexperte im ZDF, gibt sie den Startschuss zu diesem besonderen Spektakel. In ihrer Show erwartet sie die Ankunft der prächtig geschmückten Rinder. Weitere Gäste sind u. a. Udo Jürgens, Francine Jordi und Semino Rossi.“
Diese kurze Vorschau warf Fragen in mir auf. Welche Funktion hat ein Schiedsrichter beim Almabtrieb? Wie hat man sich Udo Nationale wohl prächtig geschmückt vorzustellen? Fungierte Francine Jordi etwa als Kranzkuh?** Hatten unvermeidliche Gesangseinlagen wohlmöglich abtriebsbeschleunigende Wirkung? Muss jetzt gar der Begriff „Rinderwahnsinn“ neu definiert werden?
Ach ja, wie später übrigens aus „gut unterrichteten Kreisen“ zu erfahren war, musste ein ursprünglich fest eingeplanter Auftritt der Creutzfeld – Jacob Sisters kurzfristig abgesagt werden. Ihre Pudel hatten, obwohl längst abgebrüht, während der Proben panisch die Flucht ergriffen.
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*„Mainz hat gesprochen, die Sache ist erledigt“ - ursprünglich: Roma locuta…, ein in der römisch-katholischen Kirche geprägter Ausdruck um die Endgültigkeit einer Entscheidung zu unterstreichen
**Die Kranzkuh führt mit besonders pompösem Kopfschmuck die Herde an.