Elke erzählt

Bereich für Erzähl- und Sachprosa, also etwa Kurzgeschichten, Erzählungen, Romankapitel, Essays, Kritiken, Artikel, Glossen, Kolumnen, Satiren, Phantastisches oder Fabeln
Estragon

Beitragvon Estragon » 18.07.2008, 14:32

den 20. Januar ging er durchs Gebirg. ich sah, wie er steil bergab ging. ich stellte mir vor, er würde auf den kopf gehen, nester zwischen den beinen, an denen ein paar vögelchen hingen, die von reifen eiern träumten. ein freundlicher blick mitunter. dann wieder wie alle, hinab gleitend, guten tag zu jenen sagend, von denen er dachte, dass es ihnen vielleicht gefiel.
zu mir sagte er auch „guten tag“, aber mir gefiel es nicht. mir gefiel wie sein haar umherflatterte, mir gefiel, wie er mir aus dem weg ging. wie er sich abmühte gefährlich auszusehen.
einmal erwischte ich ihn, wie er sich beinah ein messer kaufte. später erzählte er mir, wie aufregend es als kind für ihn war, an messer zu denken.
er kämmte sich das haar, jeden augenblick. er fragte mich selten, wer bist du. er stellte es einfach fest.
er versuchte manchmal mich einzuladen, aber dann hatte er kein geld und so musste ich mit meinem letzten geld zahlen.

einmal lagen wir im gras und er tat so als würde er was rauchen und ich stupste ihn an und sagte:
ich träumte, du sitzt im gefängnis, du starrst in die leere, aber da ist keine leere, da sind ein paar gitterstäbe, da ist eine toilette, eine decke, ein boden, du kannst auf die stadt sehen, manchmal erkennst du jemanden, aber du willst ihn nicht rufen, da ist der himmel, da ist der staub, da sind die tage, die hinter dir liegen, du zählst sie, du wünschst dass du das zählen vergessen kannst, aber du vergisst es nicht. da ist ein besen und eine türe, manchmal öffnet die sich, aber nicht oft.
da sind zwei betten, in einem schlafe ich, du schaust mich an und sagst, das ist nicht erlaubt.

alles kann man teilen, außer die liebe, die liebe lässt sich nicht teilen, sie lässt sich beschummeln, aber teilen lässt sie sich nicht.

der traum flattert davon. mach dir keine sorgen, wenn du dir sorgen machst kommst du niemals an. die strecken suchen keine entfernung, sie wollen immer nur erkennen und vergessen.
am liebsten beides gleichzeitig.

nimm dir meine blicke, saug sie auf, du darfst sie alle behalten. du rahmst sie ein und nachts flüsterst du ihnen zu. kommt näher, denn dort wo ihr seid ist es kalt
Zuletzt geändert von Estragon am 04.09.2008, 10:48, insgesamt 2-mal geändert.

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 19.07.2008, 21:48

Hallo Estragon,

schon wieder ich, du machst mir aber auch eine Freude. :-)

Da sind wieder ein paar ganz feine Sätze dabei, die aufleuchten wie Blitze in einem Sommergewitter. Und die "Beziehungs"Geschichte wird trotzdem durch sie nicht überlagert, überblendet.

Nur eines sticht für mich unangenehm, weil lächerlich ohne lustig oder hintergründig zu sein heraus, was schade ist, weil es mir den Einstieg dann erstmal schwer macht:
„ich stellte mir vor, er würde auf den (dem!) kopf gehen, nester zwischen den beinen, an denen ein paar vögelchen hingen, die von reifen eiern träumten.“

liebe Grüße smile

Estragon

Beitragvon Estragon » 20.07.2008, 04:23

das ist mir aber gerade lieb smile, das ist einen Anspielung auf Lenz von Büchner, diser verrückte Kerl wird anfangs genauso beschrieben. Diesen Text hätte es niemals gegeben wenn es den Anfang nicht gegeben hätte, nein, nein, diesmal gibt es kein vertun, den anfang mag ich sehr

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 20.07.2008, 09:47

Hallo Estragon,

ach, der Text gefällt mir sehr. Ich bin richtig hineingekippt.

Etwas störend finde ich die Kommafehler, vielleicht magst du da nochmals drüber schauen?

Aber sonst richtig gut zu lesen!

Lieben Gruß
ELsa
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Estragon

Beitragvon Estragon » 20.07.2008, 10:00

Oh ja die Kommafehler. Ein Bekannter von mir guckt sich gerade mein Romanmanuskript an und da hagelt es bloß so von Kommafehlern oder vergessenen Kommas.

Xanthippe
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Beitragvon Xanthippe » 21.07.2008, 14:40

Estragon hat geschrieben:er kam von den bergen.



von den bergen, aus den bergen... das erinnert mich an dieses lied "von den blauen bergen kommen wir", daran will ich aber gar nicht erinnert werden, schon gar nicht hier in diesem text, also mag ich es nicht sehr.
könnte er nicht einfach nur steil herabsteigen, ohne vorher aus den bergen zu kommen, vielleicht?

Estragon hat geschrieben:, guten tag zu jenen sagend, von denen er dachte, dass es ihnen vielleicht gefiel.
zu mir sagte er auch „guten tag“, aber mir gefiel es nicht. mir gefiel wie sein haar umherflatterte, mir gefiel, wie er mir aus dem weg ging. wie er sich abmühte gefährlich auszusehen.


das wiederum mag ich sehr, dieses spiel mit dem gefiel, dieses immer wieder aufnehmen des gefiel, diese wiederholungen

auch dass die dinge irgendwie beinahe zusammenhanglos aneinandergereiht werden.
und die gefängnistraumszene.

alles kann man teilen, außer die liebe, die liebe lässt sich nicht teilen, sie lässt sich beschummeln, aber teilen lässt sie sich nicht.


aber das, meinst du das brauchst du wirklich?

aber der schluss, der ist wieder toll!

Estragon

Beitragvon Estragon » 21.07.2008, 14:44

alles kann man teilen, außer die liebe, die liebe lässt sich nicht teilen, sie lässt sich beschummeln, aber teilen lässt sie sich nicht.


aber das, meinst du das brauchst du wirklich?

aber der schluss, der ist wieder toll![/quote]


immer wieder wenn ich das lese denke ich, nein, das braucht es wirklich nicht, komisch gell

Gast

Beitragvon Gast » 03.09.2008, 16:07

Hallo Estragon,
das ist wirklich schön erzählt, mit interessanten Bildern, einem ansprechenden Tempo und faszinierenden Gedankengängen, -

aber leider gegen alle Grundregeln des literarischen Schreibens geschrieben. Denn wenn du diese schöne Geschichte zu einem Wettbewerb einreichen würdest, käme sie wegen der durchgängigen Kleinschreibung nicht einmal durch die Zulassung.
Ich respektiere dabei durchaus mögliche Probleme wegen der Herkunft, aber wir alle schreiben doch nicht nur für die Schublade, sondern präsentieren damit unseren Individualismus, der auf die verschiedendste Weise seine Einzigartigkeit besitzt. Deswegen bin ich auch immer so vorsichtig damit konkrete Vorschläge für die Veränderung zu machen, wie ich es hier leider schon oft gelesen habe. Ich sehe darin auch die Gefahr des Verlustes von Individualität und ganz besonders der gleichmacherischen Anpassung.
Aber - ohne die Grundregeln des literarischen Schreibens zum Dogma zu erheben - sie haben doch eine unleugbare Berechtigung und sollten angewendet werden, ohne sich von ihnen beherrschen oder einschränken zu lassen. Zeichenfehler sind nicht so tragisch, aber es gibt inzwischen für wenig Geld hervorragende Rechtschreibprogramm für den PC, die man nutzen kann und sollte.
Ich mache das genauso und stelle immer wieder fest, dass ich Fehler in der neuen deutschen Rechtschreibung mache.
Individualismus wird in mir immer einen entschlossenen Verteidiger finden, - aber nicht um den Preis jeglicher Regelbrechung.
Es ist zwar kein Maßstab für Qualität, aber eine schöne Anerkennung, wenn die eigenen Werke sich auch in Büchern / Anthologien wiederfinden...

grüßend
Hans / Belgarath

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Thomas Milser
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Beitragvon Thomas Milser » 04.09.2008, 00:50

Belgarath hat geschrieben:... aber es gibt inzwischen für wenig Geld hervorragende Rechtschreibprogramm für den PC, die man nutzen kann und sollte.


Was du nicht sagst?

Und im Forum gibts sogar kostenlos Rechtschreibhinweise (die dein Programm offenbar nicht kennt), die man nutzen kann und sollte (was du an anderer Stelle wohl nicht für so wichtig hälst).

Hans, ich finde deine herablassende Art ausgesprochen unangebracht. Die (durchgängige) Kleinschreibung ist nicht unbedingt falsch. Sie kann ein Stilmittel sein. Auch das ist schon in manchem Buch und mancher Anthologie schön anerkannt worden.

Dieser Text bemüht sich nicht, nach Regeln zu schreiben, also was gibts da dem Autor 'mögliche Probleme wegen der Herkunft' nicht nachzutragen? Ich empfinde das als höchst arrogant und absolut unpassend.

Wir stehen hier vor einem Autor mit hohem kreativen Potential. Du als Verfechter der Individualität solltest dich ergo nicht am falschen Ort in die Niederungen eines Oberförsters irgendwelcher Regelwerke begeben - die du ja sonst nach eigener Auskunft auch lieber von Programmierern beaufsichtigen lässt - sondern fernab formaler Befindlichkeiten der schönen Worte lauschen. Mitunter findest du dort weitere Hinweise auf das Literarische Schreiben.

Und wir schreiben nicht für etwas (weder Schublade noch Wettbewerbe), sondern wegen etwas. Aber ich weiß ja nicht, wie das bei dir ist.

Tom.

p.s. Man sollte überhaupt keine Rechtschreibprogramme benutzen. Wie soll die Maschine beurteilen, was ich schreiben will? Man sollte Bücher benutzen, um das eigene Wissen zu fördern. Und am besten nicht die eigenen.
Menschheit, Du hattest von Anfang an nicht das Zeug dazu... (Charles Bukowski)

Estragon

Beitragvon Estragon » 04.09.2008, 10:49

hä hä hä, das ist ein literaturrätsel, welche weltklasseprosa fängt genau so a wie meine?
wer es weiß bekommt ein Hörbuch "Elke erzählt" geschenkt

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Thomas Milser
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Beitragvon Thomas Milser » 04.09.2008, 10:52

Der Geburtstag meiner Tante ...
Menschheit, Du hattest von Anfang an nicht das Zeug dazu... (Charles Bukowski)

Estragon

Beitragvon Estragon » 04.09.2008, 10:54

Mit den alles in kleingeschrieben und dass man das nicht darf, na ja,
das machen schon einige oder haben einige gemacht H. C Artmann zum
Beispiel, das ist also nicht auf meinen Mist gewachsen, aber mir gefällt
dieser Mist sehr und ich schreibe auch schon zwanzig jahre so, das
sind zwar keine vierzig, aber stur bin ich mindestens genauso...
allerdings über rechtsschreibefehler ärgere ich mich immer noch..
und bin sehr dankbar wen man sie findet
Zuletzt geändert von Estragon am 04.09.2008, 12:32, insgesamt 1-mal geändert.

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Beitragvon Ylvi » 04.09.2008, 10:55

Georg Büchner. Lenz :-)

Estragon

Beitragvon Estragon » 04.09.2008, 12:32

:-))))GEWONNEN


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