Ein Paket auf dem Kopf

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Louisa

Beitragvon Louisa » 19.07.2008, 15:56

Jetzt ist es über drei Monate her, dass Regit erkannte: Er liebt mich nicht mehr. Ich habe eine Woche lang geheult und den Rest der Zeit gefeiert, weil die Welt so schön ist. Tralala!

Am letzten Sonntag wurde mir bei einem Biss in ein Stück Mohnkuchen bewusst: Das ist falsch. Die Welt ist hässlich. Ich habe sie nur überschminkt. Bizarr aufgetakelt wie amerikanische Kosmetik-Werbefrauen war sie gewesen, die Welt, aber "schön" war sie nur mit Regit.

Ich wache auf. Ich habe von Regit geträumt:

Er pflanzt Rhabarbar auf einem kleinen quadratischen Beet an. Sein grau-schwarzes haar ist dünner geworden. Ich sehe schon den Hinterkopf durch die Strähnen hindurchschimmern. Ich finde ihn schön. Ich liebe auch den Dreck unter seinen Fingernägeln. Das erschreckt mich. Ich pflücke einen Rhabarbarstrang ab und halte ihn in Regits Richtung. Die weinrote Pflanze erinnert an die Blutader eines Riesen. Wir sprechen, aber ich verstehe uns nicht. Es rauscht. Das Gespräch ist ganz weit weg. Er berührt den Rhabarbarstrang in meiner Hand und die Pflanze beginnt zu pochen im Takt meines Herzschlags.

Soll ich Regit anrufen? Geht es Regit gut? Eine Abfolge von Varianten schießt mir durch den Kopf.

Regit im Rollstuhl. Regit ohne Beine. Regit im Urlaub. Regit auf dem Surfbrett. Regit in Seenot. Regit im Supermarkt. Regit als Geisel. Regit im Krankenhaus. Regit mit einer Fremden im Bett. Regit schaut mein Foto an. Regit schmeißt mein Foto weg.

Ich überlege drei Stunden, was man sagen könnte und einige mich mit meinem Hirn auf:

"Hallo, hier ist Isa. Wie geht es dir?"

Ich wiederhole die Wortabfolge zur Probe: "Hallo, hier ist Isa. Wie geht es dir?" "Hallo, hier ist Isa. Wie geht es dir?" "Hallo, hier ist Isa. Wie geht es dir?" "Hallo, hier ist Isa. Wie geht es dir?"

Schließlich wähle ich die Nummer. Regit nimmt ab. Ich will meine Parole aussprechen.

"Hallo, hier ist -"
"ACH, ja! Du, ich bin gerade erst aufgestanden, lass uns doch später telefonieren, ja?"
"...Isa. Wie geht es Dir?"
"Ich bin gerade erst aufgestanden, wir können ja später telefonieren, ja?"
"Wie geht es Dir?"
"Gerade erst aufgestanden, wir telefonieren einfach später."
"Wie geht es Dir?"
"Gut, wir können ja später-"
"Fein! Mehr wollte ich ja gar nicht wissen! Es geht dir gut! Schön! Na, dann tschüss!"

Ich lege auf und starre gegen die Tapete. Ich bin ein Vollidiot. Diesen Tag traue ich mich nicht mehr anzurufen.

Dafür rufe ich am nächsten Tag zu jeder vollen Stunde an, acht Stunden lang und höre nur den Anrufbeantworter. Ich bespreche ihn. Alles ohne Erfolg. Ich verstehe die Menschen nicht mehr. Wieso hat man sich lieb, dann plötzlich nicht mehr und dann spricht man nicht mehr...Obwohl man sich vorher alles gesagt hat?

Sicherlich, ich könnte die Klappe halten. Aber kann ich das? Ich bin den ganzen Abend verweint und bleich. Ich starre durch die Gesichter, die mit mir sprechen und höre nur noch meine eigenen Gedanken. Ich fühle mich so zerbrechlich, als könnte ein Mückenstich mich töten.

Nichts hilft. Weder weinen noch saufen, noch die Verbindung aus beidem: Weinsaufen.
Vor dem Einschlafen fasse ich einen Entschluss: Morgen besuche ich ihn.

Ich sitze in der U-Bahn und fühle mich wie eine Ritterin auf dem Weg zum Drachen. Mein Schutzschild ist ein gelbes DHL-Paket. Es sitzt neben mir auf der grünen Bank. Es ist leer. Beim Postschalter erklärte ich der Angestellten:

"Guten Tag. Ich hätte gerne ein Paket."
"Welche Größe denn?"
"Sodass mein Kopf herein passt."

-Schweigen-

"Oh! Na, da nehmen wir am Besten Medium."
Ich nicke. Sie erscheint mit der Schachtel und lächelt zuvorkommend.
"Soll es für den Inlands- oder Auslandsversand sein?"
"Für meinen Kopf."
Ich bezahle das Paket und gehe.

Es ist wirklich für meinen Kopf. Ich habe einen ritterlichen Plan. In seiner Straße angekommen werde ich einen Mann anhalten, ihm mein Problem schildern. Er wird bei ihm klingeln und durch die Sprechanlage sagen: "Hier ist die Post. Ein Paket für sie!" - Er wird nach unten kommen und dort werde ich warten, das Paket auf dem Kopf.
Ich finde das in der U-Bahn eine geniale Idee. Richtig kreativ. Ich bin stolz.

Auch über meine Thermosflasche in der Tasche. Darin plätschert ein Kakao mit zehn Gewürzen und eine Sahne-Sprühdose. Der Gewürz-Kakao soll ein Aphrodisiakum sein. Ich träume wie er durch den Flur nach draußen kommen wird. Er nimmt mir das Paket vom Kopf. Er freut sich. Wir lachen. Wir trinken den Liebeskakao in seiner blauen Küche und die Wirkung tritt nach wenigen Viertelstunden ein. Alles wird gut. Nur noch drei Stationen.
So müssen sich auch die Gladiatoren gefühlt haben, als sie in die Arena gingen.

Der erste Passant hört sich geduldig meine Geschichte an und antwortet: "Keine Zeit."
Ich stehe alleine mit meinem Paket und der Thermosflasche in der Tasche vor seinem Haus und beginne ein bisschen zu resignieren. In der Phantasie sah das alles viel einfacher aus.

Ich betrete das türkische Obstgeschäft. Ich habe dort monatelang jeden Morgen einen Apfel gekauft. Der Händler kennt mich. Er steht an der Kasse und lächelt mich an. Ich spreche so ernst und fordernd mit ihm, als führte ich eine wichtige Verhandlung.

"Guten Tag. Ich habe hier schon öfters eingekauft." Ich sehe ihn erwartungsvoll an. Er lächelt.
"Ja, ich weiß! Was darf es denn heute sein, meine Dame?"
"Nichts."
"Nichts?"
"Können sie mir einen gefallen tun?"

Er kann und steht nach fünf Minuten mit mir vor dem Klingelschild. An uns drängen sich ab und zu Patienten der Arztpraxis vorbei. Wir klingeln zwei Mal. Keine Stimme antwortet.
Ich bedanke mich und betrete ratlos den Hausflur. Ich halte alten Frauen die Tür auf. Einmal reagiere ich nicht sofort. Eine alte Dame versucht die Tür mit Hilfe ihres Gehwagens aufzuschieben. Ich stehe schwungvoll auf und reiße die Tür für sie auf, sodass sie mit aller Wucht nach vorne rollt und ich ihren Wagen festhalten muss. Erschrocken sehen wir uns an.
"Dankeschön." flüstert sie.

Ich setze mich auf eine Stufe und starre auf die Haustür. Jedes Mal, wenn sich jemand nähert ergreife ich aufgeregt mein Paket und mein Herz beginnt zu pochen. Eine Stunde vergeht. Zwei Stunden vergehen.
Ein Mann mit buschigen Augenbrauen, dunkelgrauem Haar und schwarzen Augen kommt aus Regits Hinterhaus. Er bleibt stehen und sieht mich fragend an.
"Warten sie auf mich?"

Das muss sein türkischer Nachbar sein, der immer italienische Opern hört, denke ich. Ich erinner mich daran, als Regit meinte: "Er sucht einen Freund, das merkt man. Aber ich bin da nicht der Richtige."
Ich antworte: "Nein, aber auf Herrn Regit. Wissen sie, ob er zu Hause ist?"
"Regit, Regit... nein, weiß ich nicht."
"Ok."

Drei Stunden sind vergangen. Ich stehe auf. Meine Beine schmerzen schon. Ich stehe auf dem grünen kleinen Hof und sehe an der grauen Hausfassade hoch. Nichts bewegt sich. Nur eine Katze auf einem Balkon. Ich beginne mich mit Trippelschritten ängstlich dem Haus zu nähern.
Schließlich sitze ich vor seiner Tür. Ich habe geklopft, ich habe geklingelt. Nichts. Ich schaue durch den Zeitungsschlitz. Nur eine offene Badezimmertür und ungeöffnete Briefe auf einem Tischchen. Mehr kann ich nicht sehen.

Immer, wenn jemand das Licht im Haus anschaltet und die Treppen heraufsteigt, setze ich mein Paket auf den Kopf. Ich bringe drei Hausbewohner damit zum Lachen, aber ihn nicht. Was anfangs noch ein Witz war, hat eine Art Eigendynamik entwickelt. Es ist schon fast ein Reflex geworden: Treppengeräusch => Paket auf den Kopf.

Ich schlafe beinahe auf meinem Paket ein, als sein türkischer Opernfreund wieder an mir vorbeigeht. Sein Blick ist schon skeptischer geworden.

"Ist er nicht zu Hause, ja?"
"Nein." ich bin traurig, aber noch so von der Kakaofantasie eingenommen, dass es mir scheint, als läge sich über diese Resignation ein feiner Glitzerstaub, der alles hübsch aussehen lässt.

Wieviele Stunden sind vergangen? Fünf? Sechs? Sieben? - Ich weiß es nicht mehr. Mir erscheint unerklärlich, was ein Mensch so lange draußen anstellen kann. Ein Mensch wie Regit, meine ich.
Regit wollte nie einen Ausflug machen. Seine einzigen Ausflüge bestanden aus einem Einkauf bei Rewe und einem Lauf durch den Schlosspark.

Vielleicht hat er jetzt beides Hintereinander getan... Aber selbst dafür ist zu viel Zeit verstrichen.
Plötzlich kommt mir eine Idee:
Wenn er nicht zu Hause ist, wieso ist dann die Badezimmertür vor der Haustür geöffnet? Man müsste sich daran vorbeidrängen um heraus zu kommen. Wegen einem Einbrecher? Aber das ist doch unmöglich...
Ich stehe benebelt auf und trete vor das Fenster. Ich schaue auf den grünen Hof. Ich schaue mir die Fenster auf der linken Seite an. Da sitzt jemand an seinem Laptop und schreibt. Der gesamte Glitzerstaub fällt von meinen Gedanken ab und rieselt wie Zucker auf die Erde. Da sitzt Regit an seinem Laptop und schreibt. Ich betrachte ihn fassunglos. Er ist schön, muss etwas in mir denken. Er trägt einen schwarzen Pullover und sein Haar sieht nass aus, es liegt eng am Kopf an. Vielleicht gefällt er mir so sehr, weil er eine große Klarheit ausstrahlt. Er ist so rein, als käme er gerade aus einem Wasserfall. Seine Blässe lässt ihn noch kühler und schöner wirken.

Ich klopfe gegeb die Scheibe. Er sieht nicht auf. Er schreibt. Ich klopfe wieder und wieder. Er sieht nicht auf. Er spricht zu sich. Irgendetwas verärgertes, als gefiele ihm ein Satz nicht. Er schreibt. Ich schlage gegen die Scheibe. Ich winke mit langen Armen wie ein Fluglotse. Keine Reaktion.
Er scheint ganz vertieft in sein Drehbuch. Falls es sein Drehbuch ist. Nichts anderes existiert mehr. Als wir uns das letzte Mal sahen, wollte er kein Radio mehr hören, keine Zeitung mehr lesen, keine Post mehr bekommen, kein Telefon, keine Klingel... um in Ruhe das Drehbuch zu schreiben. Nur die Worte und er. Wäre ich jetzt Marilyn Monroe, er hätte mir nicht geantwortet.

Ich gehe zurück zur Tür und öffne den Briefschlitz.

"Hallo? Regit? Ich weiß, dass du da drin bist! Ich sehe dich! Ich sehe dich durch das Fenster! Du hast einen schwarzen Pulli an, auf deinem Schreibtisch steht ein Ventilator! Hallo? Antworte bitte! Ich höre ja die Tasten! Antworte bitte! Hallo?
Ich wäre ja gar nicht hier, wenn du mir gesagt hättest, dass du nicht mit mir sprechen willst. Du hast gesagt wir können telefonieren und dann bist du nicht mehr herangegangen! Hallo? Weißt du, ich mag wie deine Wohnung riecht. Sie riecht immer nach Essen und Büchern. Ich....ich will nichts Böses! Ich habe einen Kakao mitgebracht! Ich bin´s! MM...
Dann sag wenigstens, dass ich abhauen soll! Aber sag irgendwas! Bitte! Ich bitte dich! Wirklich! Wenn du mich noch ein kleines bisschen magst, dann sei wenigstens ehrlich zu mir!
Ich weiß, du hast auch deine Probleme, an denen du zu nagen hast... Aber ich möchte ja nur, dass du eine Minute mit mir sprichst! Regit? Regit?"

Hinter mir höre ich Schritte. Ich richte mich vom Briefschlitz auf und sehe in das Gesicht des türkischen Nachbarn.

"Ist er immer noch nicht zu Hause?" Ich muss verwirrt lächeln.
"Doch! Er ist zu Hause....ja..."
"Und er macht ihnen nicht auf?"
"Nein, ich...ich...weiß auch nicht...ich...es ist anders..."
"Mm...dann gehen sie jetzt besser nach Hause, sie sind ja schon seit Stunden hier! Gehen sie mal nach Hause und rufen sie ihn an. Gehen sie besser nach Hause."
"Ja...aber ich...kann nicht anrufen....und ich wusste doch bis eben gar nicht..."
"Gehen sie besser nach Hause!"

Der Nachbar verschwindet leicht erbost. Ich fühle ein Gemisch aus Ärger, Demütigung und Verzweiflung in mir aufsteigen und öffne noch einmal den Briefschlitz.

"Hast du das gehört? Dein Freund gibt dir Recht! Jetzt bin ich hier wieder die arme kleine Irre und du der Belästigte... Wunderbar! Ganz toll! Wieso kannst du nicht sagen: Verschwinde! - Dann verschwinde ich! Wieso kannst du das nicht sagen? Ich weiß nicht, wer von uns beiden sich bekloppter verhält!
Naja, wenn du nicht antwortest, gehe ich eben wieder ans Fenster!"

Ich gehe zum Fenster. Regit hat den Vorhang vorgeschoben. Ich fasse es nicht. Mir kommen die Tränen. Ich verstehe nicht, wie jemand so liebevoll und zärtlich zu einem sein kann, wie gut man jemand kennen kann und trotzdem alles zu Eis gefriert.
Dabei gab es vorher nie ein großes Drama. Ich verstehe die Welt nicht, habe sie ja noch nie verstanden und will sie auch gar nicht verstehen... Nur den Kakao mit Regit trinken, aber dieser Traum ist in die Unmöglichkeit gerutscht.

Ich verabschiede mich von ihm und betone, dass ich ihm nicht böse sei... Es nur nicht verstünde. Mit glasigen Augen holpere ich die Stufen herunter. Ich überlege: Vielleicht wird es wie in den Filmen sein. Vielleicht wird er jetzt die Tür aufreißen und mir hinterher rennen. Es wird wie in den Filmen sein. Am Ende siegt die Liebe. Am Ende sind alle glücklich und verliebt...und tatsächlich öffnet sich eine Tür und jemand rennt die Stufen herunter. Ich schaue hoffnungsvoll nach oben.

Sein türkischer Nachbar. Ich komme nicht umhin zu vermuten er hätte das mit Absicht getan, aber das vermutet mein Ärger.
"Was wollten sie denn mit dem Paket?" Ich sehe ihn emotionslos an.
"Ich wollte es mir auf den Kopf setzen."

Jetzt hält er dich für komplett geisteskrank, überlege ich und verlasse das Haus. Auf einem verlassenen Spielplatz heule und rauche ich. Ich zerreiße das Paket. Mein Taxifahrer-Freund kommt herbei gefahren und ich werfe mich ihm um den Hals, als wären wir die letzten zwei Überlebenden nach einem Atomanschlag.

Ich sprühe ihm ein Sahnehäubchen auf den Kakao.
"Sag bescheid, ob es wirkt." erkläre ich und schniefe.

Xanthippe
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Beitragvon Xanthippe » 19.07.2008, 20:47

Oh, ist das schön, Louisa, da kann man gar nicht aufhören zu lesen, und gar nicht anfangen zu denken und zu kritisieren, weil es so schön ist.

Louisa

Beitragvon Louisa » 20.07.2008, 02:03

Wenigstens etwas :smile:

:blumen:

Sneaky

Beitragvon Sneaky » 20.07.2008, 10:43

Hallo luisa,

wie amerikanische Kosmetikwerbe-Frauen?

Kosmetikwerbung würde mir da reichen? wieso amerikanische? Aufgetakelt sind doch bei Kosmetikwerbung alle?

Sein grau-schwarzes haar ist dünner geworden

Haar

die Pflanze beginnt zu pochen im Takt meines Herzschlags.

warum die Inversion? find ich störend.

Regit im Rollstuhl. Regit ohne Beine. Regit im Urlaub. Regit auf dem Surfbrett. Regit in Seenot. Regit im Supermarkt. Regit als Geisel. Regit im Krankenhaus. Regit mit einer Fremden im Bett. Regit schaut mein Foto an. Regit schmeißt mein Foto weg.

ca. die Hälfte streichen? Rollstuhl + ohne Beine ist zumindest annähernd doppelt, ne? aber ohne Beine + auf dem Surfbrett ist gut. Seenot und Geisel klingt für mich sry albern.
gut "schmeißt mein Foto weg das Bett ist vielleicht zu plastisch" ?

"Weinsaufen" nettes Wortspiel aber saufen ist saufen, ne?

Ritterin auf dem Weg zum Drachen, Drachen auf dem Weg zum Ritter?

Kopf herein passt "herein" wie "wieder in die Welt herein passt"? hinein ist hier das gebräuchlichere Wort oder?

"erscheint" war sie denn vorher verschwunden? Geister erscheinen

"Inlands- oder Auslandsversand" fragt man doch erst, wenn das Gewicht bekannt ist?

Ich bezahle das Paket und gehe, Ne, Lyrich bezahlt die Verpackung

In seiner Straße angekommen werde ich einen Mann anhalten, ihm mein Problem schildern

Hm, in seiner Straße klingt seltsam" kurz vor seinem Haus irgendjemand ansprechen?

Weitere Meckereien hab ich nicht zu bieten, außer dass mir ab dann die Schilderung deutlich zu ausgetrappt vorkommt.

Was den Text über eine (gut geschriebene) Herz.-Schmerz-Geschichte rausragen lässt, ist das Paket-Detail und der Charme der Sprache.

Gern gelesen

Sneaky

Louisa

Beitragvon Louisa » 20.07.2008, 11:42

Hallo Sneaky und danke,

Nein, die Werbung an sich ist ja nur die Werbung. Die Frauen darin sind aufgetakelt.

Die Rechtschreibfehler habe ich gestern Nacht auch gesehen... Entschuldigt. Ich verbessere das im Laufe des Tages.

Seenot und Geisel sollen auch albern klingen. Ja, den Rollstuhl kann man streichen. Stimmt.

Naja... "Weinsaufen" ist die Verbindung aus "Weinen" und "Saufen" - Ich finde nicht, dass das dasselbe ist wie zum Beispiel: "Discosaufen" ;-)

Also, bitte :smile: ! Sie ist doch kein Drachen! Findest du etwa, der Herr verhält sich ritterlich :eek: ?

Woher hast du das "Erscheint" genommen? Ich finde man kann auch "erscheinen", auch wenn man nicht fort war. Zum Beispiel: "Oma erscheint in der Küche."

Die Frau am Schalter hat mich das gefragt, ob du glaubst oder nicht.

Es ist doch ein Paket, was ich bezahle! Hä :smile: ?

Mm...joa... "seine Straße" find ich jetzt nicht sooo doppeldeutig.

Was bedeutet "ausgetrappt" ?

Ich dachte: Alle schreiben solche Geschichten, jeder seine eigene... also versuche ich´s auch mal. Es geht aber auch hier im Grunde wieder um die alltäglichen Verrücktheiten hinter den Haustüren dieser Welt.

Danke, in deiner Kritik waren viele gute Hinweise!

Schönen Sonntag!
l

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Sethe
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Beitragvon Sethe » 20.07.2008, 13:23

Hallo Louisa,

Jetzt ist es über drei Monate her, dass Regit erkannte: Er liebt mich nicht mehr. Ich habe eine Woche lang geheult und den Rest der Zeit gefeiert, weil die Welt so schön ist. Tralala!


Ich verstehe den Eingangssatz nicht.

Wer hat jetzt erkannt, daß wer wen nicht mehr liebt?

Ich denke, in dem Text geht es um eine Isa die einen Regit nachtauert, aber wieso erkannte dann Regit?

Ich finde die ersten zwei Absätze ziemlich verwirrend und unklar, welche Personen nun gemeint sind, was dazu führte, daß ich mich zwingen mußte, den Rest des Textes weiter zu lesen.

viele Grüße
Sethe
Was ich tu, das tu ich, was ich tat, das wollte ich tun.
(aus: "Ich schließe mich selbst ein" von Joyce Carol Oates)

Xanthippe
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Beitragvon Xanthippe » 20.07.2008, 13:33

Hallo Louisa,

zweiter Versuch:

Also das Schöne an dieser Geschichte ist ja diese Art, wie sich Deine Protagonistin nicht wirklich ernst nimmt dabei sich sehr ernst zu nehmen. Das hat mir so gefallen, das macht für mich den ganzen Charme der Geschichte aus, was natürlich nur funktioniert weil es gut geschrieben ist.
Soll ich meine Lieblingsstellen zitieren? Nein, das würde den Rahmen sprengen, jedenfalls ganz kurz vielleicht, der Biss in den Mohnkuchen, der die Erkenntnis bringt, die Regit Varianten, das Gespräch am Telefon, der Postkarton für den Kopf... usw.
Hm, und weil dieses Selbstironische (wenn man es so nennen kann) ja irgendwie die tragende Säule der Geschichte ist, würde ich damit vielleicht an einigen Stellen sparsamer umgehen:

z.B. hier:
Ich überlege drei Stunden, was man sagen könnte und einige mich mit meinem Hirn auf:

könnte ich auf die Einigung mit dem Hirn verzichten, klingt etwas aufgesetzt und gewollt in meinen Ohren.


[Ich verstehe die Menschen nicht mehr. Wieso hat man sich lieb, dann plötzlich nicht mehr und dann spricht man nicht mehr...Obwohl man sich vorher alles gesagt hat? ]

Ach und das musste ich jetzt doch einmal zitieren, weil das Isi so wunderbar charakterisiert.

[Sicherlich, ich könnte die Klappe halten. Aber kann ich das? Ich bin den ganzen Abend verweint und bleich. Ich starre durch die Gesichter, die mit mir sprechen und höre nur noch meine eigenen Gedanken. Ich fühle mich so zerbrechlich, als könnte ein Mückenstich mich töten. ]

Und den Absatz auch noch, weil Du da so toll demonstrierst, wie man Pathos gebrauchen kann, ohne das es kitschig wird, indem man es mit dem letzten Satz selbst lächerlich macht, obwohl lächerlich macht jetzt nicht gerade die gelungenste Formulierung ist für das, was ich eigentlich sagen will, aber vielleicht verstehst Du es ja trotzdem.

Tut mir leid, aber der „Weinsaufen“ Witz kommt bei mir auch nicht richtig an, ist irgendwie zu platt für Isi.

Und der Dialog mit der Postangestellten ist für mich wieder so ein Highlight, weil das Absurde so wunderbar selbstverständlich daherkommt.

[Ich finde das in der U-Bahn eine geniale Idee. ]

Kann man so umgangssprachlich schreiben? Klar kann man. Aber sollte man? Oder doch eher so richtiges Schriftdeutsch: In der U-Bahn finde ich, dass das eine geniale Idee ist. Klingt natürlich nicht mehr richtig nach Isi....

Die Flüchtigkeitsfehler hast Du ja selbst schon erkannt, die erspare ich uns dann mal ;-)


So Peanuts: ich würde die Beine ohne „schon“ schmerzen lassen.

[Was anfangs noch ein Witz war, hat eine Art Eigendynamik entwickelt. Es ist schon fast ein Reflex geworden: Treppengeräusch => Paket auf den Kopf. ]

Die würde ich auch streichen diese Sätze, so ein erklärender Kommentar gehört da nicht wirklich hin. Finde ich jedenfalls.

Und weißt Du, was so schön ist, an diesem langen Monolog durch den Briefschlitz? Dass Isi genau das tut und sagt, was man irgendwann (und mehr als einmal) selbst tun und sagen wollte, das ist irgendwie .... ich weiß nicht... befreiend? Tröstend?


["Sag bescheid, ob es wirkt." erkläre ich und schniefe. ]

Wenn man von jemanden etwas verlangt, in diesem Fall, dass dieser jemand Bescheid sagt, ob etwas wirkt, dann sagt man das, bittet darum, verlangt es vielleicht, aber selbst schniefend finde ich „erklärt“ hier unpassend.

Ich habe gestern so überlegt, ob es die Perspektive ist, also ob die Geschichte vielleicht deshalb so gut funktioniert, weil der Täter eigentlich das Opfer ist, oder das Opfer der Täter, dass die Geschichte vielleicht ganz langweilig geworden wäre aus der anderen Perspektive, aus der von jemandem, der da sitzt und schreibt, die ganze Nacht schon und überhaupt hat er das Telefon abgestellt und das Kabel der Klingel abgeklemmt, um durch nichts und niemanden gestört zu werden. Und gerade jetzt, wo der Geist durchlässig genug geworden ist, um alles schreiben zu können, wo sogar das Licht genau richtig auf die Tasten fällt, flucht und heult, und bittet und schreit eine durch den Briefschlitz, die man in zwei, drei Monaten vielleicht wieder geliebt hätte. An deren weiße Haut man sich erinnert hätte, und wie ihr das Haar immer über die Augen fiel.

Grüß Isi von mir
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Lisa
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Beitragvon Lisa » 20.07.2008, 17:14

Liebe Lou,

ich finde, Xanthippe hat es getroffen, wenn sie sagt, dass der Text das zeigt, was man selbst tun wollte/will! Aber eben ohne dass es eben der reine Gegensatz zur Wirklichkeit ist, also etwas, was nie real geschieht und man deshalb so gern darüber liest. Ich wiederhole mich, wenn ich sage, dass mir solche Geschichten ganz ganz besonders gefallen!

Mir sind auch ein paar Vertipper aufgefallen, aber die sind ja schon in Arbeit. Ich glaub, einmal schreibst du auch Zeitungsschlitz und einmal Briefschlitz - das nannte keiner. ansonsten nur schnell gesammelt und keinesfalls vollständig:

vorbeidrängen um heraus zu kommen --> herauszubekommen
das "ich fasse es nicht" nach dem vorhang vorziehen würde ich streichen

Wieviele Stunden sind vergangen? --> wie viele

Vielleicht hat er jetzt beides Hintereinander getan. --> hintereinander

wenn sich jemand nähert ergreife ich aufgere -- komma nach nähert


Ich überlege drei Stunden, was man sagen könnte und einige mich mit meinem Hirn auf: --> nach könnte Komma. Dazu finde ich die Formulierung mit dem Hirn stilistisch übertrieben, sonst ist deine Ironie/dein Witz feiner.

"Können sie mir einen gefallen tun?" -- Sie groß, auch an anderen stellen, etwa ""Mm...dann gehen sie jetzt..."

Mein Schutzschild ist ein gelbes DHL-Paket. Es sitzt neben mir auf der grünen Bank - ein schutzschild das neben einem sitzt finde ich eine komische mischung aus zwei bildern

Jetzt hält er dich für komplett geisteskrank, überlege ich - überlegen passt hier nicht, denke ich passt hier besser.

Ich komme nicht umhin zu vermuten er hätte das mit Absicht getan - Komma nach vermuten

ein paar standardbausteine haben sich auch eingeschlichen, da würde ich nochmal drüber gehen, so etwa "und will sie auch gar nicht verstehen", "Mit glasigen Augen" - da du eine originelle sprache hast, würde ich sowas ausmerzen.

Was mir noch aufgefallen ist: Es gibt eine lange Passage, in der es keine Einschnitte gibt, in denen du von Regit oder der Protagonistin erzählt, eine Rückblende oder ähnliches - ich würde da noch ein oder zwei kleine Einschübe bringen, dann wird es nicht langatmig.

End und Anfangssatz sind grandios.

liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

Peter

Beitragvon Peter » 28.07.2008, 04:28

Liebe Lou,

auch wieder gerne gelesen. Eine zwingende Lesestrecke:-), würde ich sagen, zwingend ins Lesen - bis, machst du dann eigentlich Pausen?, wieder auf das Ende hin, das mir viel weniger gespannt, "schlodderig" kennst du den Begriff? vorkommt - Ich glaube, mir fehlt dann, wie es auch in der letzten Geschichte war, die Philosophie des Ganzen, die Wahrnehmung über das bloß zu Erlebende hinaus - Als würde die Autorin nicht wissen - was einerseits die Stärke ausmacht des Textes, andrerseits seine Schwäche.

Hier würde ich sagen, der Text hat vor dem Briefschlitz zu enden - so wär Philosophie. Es besteht ja ein Zusammenhang zwischen Paket auf dem Kopf und nicht Rankommen an den anderen - Der Umraum, der das Sagen beherrscht und das Sagen lautlos, wirkungslos macht. Einerseits hältst du dies in der Geschichte vor, andrerseits fehlt das Begreifen. Ich glaube, du musst dann deinen Texten nach, sonst verschenkst du ihr Potential.

Aber nur meine Wahrnehmung.

Liebe Grüße,
Peter

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Beitragvon Zakkinen » 10.08.2008, 21:52

Hallo, Louisa,

nun habe ich es mehrere Male gelesen und es bleibt gut. Nur eine einzige Zeile gefällt mir nicht. Sie scheint mir mit dem Wortspiel zu, zu - zu billig. Nicht ganz stimmig mit dem Rest.

Weder weinen noch saufen, noch die Verbindung aus beidem: Weinsaufen.


Voller Hochachtung,
H

african queen

Beitragvon african queen » 12.08.2008, 16:43

hallo louisa,
eine alltagsgeschichte, eine liebesgeschichte, eine so schön verpackte situation, skuril, irreal und doch
kommt bestimmt jedem eine ähnliche situation in erinnerung. mir gefällt diese verkleidung , die
verpackung so gut und könnte mir vorstellen, daß dies ein kapitel aus einem buch sein könnte.
die neugierde auf die beziehung, warum ist sie zerbrochen, warum die reaktion des mannes usw.
rückblende, oder wie geht es weiter....... deine art, wie du erzählst gefällt mir sehr gut.
textkorrekturen kann ich nicht liefern aber ein kompliment an dich senden.
lg
gertraud

aram
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Beitragvon aram » 15.08.2008, 23:44

liebe lou,

ich habe diese geschichte soeben einem hochintelligenten (emotionale intelligenz inklusive) menschen vorgelesen, und er hat bei dem von zakkinen beanstandeten inhalt sehr gelacht.

(auch mir gefällt er.)

liebe grüße aus dem off.

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Thomas Milser
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Beitragvon Thomas Milser » 16.08.2008, 09:52

Hi LouIsa,

schade, dass die vielen schönen Bilder und Szenen in Schludrigkeit und unkorrekten Beschreibungen/Formulierungen untergehen. Der Lesespaß könnte sonst ein noch viel größerer sein.

Paket auf dem Kopf? Du meinst über dem Kopf?
Sodass mein Kopf herein passt? Du meinst hinein?
"schön" (wieso Anführungszeichen? Meinst du das nicht ernst?)
Diesen Tag traue ich mich nicht mehr anzurufen. (Wen? Den Tag?)

Das könnte man noch eine ganze Weile so weiterführen. Auch hoppsen gelegentlich die Tempi ein bisschen durcheinander.

Die Geschichte hat so viele wundervolle Ideen und Gedanken, du müsstest nur mal daran arbeiten, diese in Form zu bringen, zu schleifen, zu verdichten, genau zu beschreiben.

Sagt jemand mit nicht so hoher Intelligenz :o)

Tom

p.s.: Bei der Gelegenheit könnte man auch die ganzen Schreibfehler eliminieren:

Rhabarbar
haar
Rhabarbarstrang
Können sie mir einen gefallen tun
beides Hintereinander
Ich klopfe gegeb die Scheibe
...
...
Menschheit, Du hattest von Anfang an nicht das Zeug dazu... (Charles Bukowski)

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 17.08.2008, 23:03

Lieber Tom,

zum Hut über/auf dem Kopf, ich denke Lou meint, dass das Paket wie ein Hut getragen wird, nicht der ganze Kopf steckt drunter - und in dem Sinne finde ich "auf" genau passend.

liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.


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