Windspiel und Bonsai (Ally McBeal-Version)
Verfasst: 18.08.2009, 23:36
Nur aus Spaß und Vergnügen eine freie Adaption des Textes von Renée Lomris "Bonsai und Windspiel". (Write&Post)
Sophie war außergewöhnlich. Sie war auf der Ecole d' Gauliose gewesen, hatte ihr Studium mit Auszeichnung abgeschlossen, sah aus wie Françoise Sagan, war jünger als ich und in mindestens sechs Sprachen nicht nur gut, sondern sogar witzig und schlagfertig. Ich hingegen noch nicht einmal in einer, abgesehen wenn ich abends auf mein Kopfkissen einprügelte und Beschimpfungen vom Stapel lies. Und sie war neu in der Firma.
Als Praktikantin hatte ich vor einem halben Jahr angefangen, alles ging drunter und drüber, der Verlag wurde stark erweitert, ein neues Lektorat aufgebaut. Alles war im Umbruch und für mich war es die Chance übernommen zu werden und einen guten Job in dem aufstrebendem Sektor zu ergattern. Ich hatte mich richtig reingekniet, war morgens die erste im Büro und am Abend so lange da, bis auch das letzte Feuer gelöscht war. Allen war klar, dass ich den Job bekommen würde. Meine Arbeit überzeugte, ich war schnell und hartnäckig. Pierre aus dem Layout schenkte mir einen Pitbull aus Stoff – eigentlich hätte ich lieber Blumen bekommen, aber die hatte Pierre bereits an Lucas verschenkt. Die beiden mochten mich, und ich mochte sie und ihre direkte, etwas zickige Art. Es lief gut für mich, endlich würde ich in Paris Fuß fassen können und mein acht Quadratemterzimmer gegen eine richtige, eigene Wohnung eintauschen können. Aber dann kam mir dieses Windspiel dazwischen. Und der Bonsai.
Sie brauchte genau eine Woche. Dann wusste sie wo sie welche Dokumente fand, machte Verbesserungsvorschläge für Vertragsklauseln, half Jacqueline aus dem Vertrieb bei der Umstrukturierung, erledigte die Korrespondenz mit unseren Partnern in New York, Barcelona und Rom, ging mit unserem umhegten Starautor Mittags zum Essen und führte ein neues Ablagesystem ein. Und half mir in einer bösen Sache aus der Klemme, ohne ein Wort darüber zu verlieren. Ich hasste sie dafür. In dem Maße, in dem sie sicherer wurde, schien ich zu verblöden. Verlegte Akten, verpasste Termine, redete während der Abteilungskonferenz den größten Unsinn, löschte aus Versehen wichtige Dateien und warf auch noch den Kaffeebecher um.
Nur Pierre und Lucas schienen gegen ihren Charme resistent zu sein. In der Küche witzelten wir über ihren Lederrock, der ihr dieses Amazonenaussehen gab und die Männer gegen Wände laufen ließ. Über ihr prinzfestes Rapunzelhaar und ihre Rehaugen, die sie ja gar nicht brauchte, weil sie eh keine Fehler machte. Ich konnte mich auf die Jungs verlassen – bis sie mit dem italienischen Windspiel im Büro erschien.
Ein Hund so elegant wie Kathedralenbögen und mit demselben graulila Fell wie Siamkatzen. Und auch markant, mit einem starken Charakter, der einen Besitzer mit einem ebensolchen erforderte. Lucas schmuste so lange mit dem Hund, bis Pierre drohte, die beiden mit einem Eimer Wasser zu trennen. Es entbrannte ein regelrechter Streit unter den Mitarbeitern darum, wer das Luxustier alle zwei Stunden Gassi führen durfte – jeder wollte mit dem Prachtexemplar im Verlagsviertel gesehen werden. Und Sophie einen gefallen tun. Ich verkroch mich hinter dem Bildschirm und ließ meinen Pitbull Notizzettel zerfleischen.
Der Bonsai sah aus wie ein kleiner Baum. Also ich meine wie ein Baum, der groß ist, nur eben klein. Es war alles da, was einem Baum zum Baum macht. Rinde, Äste, Blätter. Lustig, oder? Nur eben klein. Winzig. Superwinzig. Megasuperwinzigklein. Ob es auch Bonsainester darin gab? Für superwinzigkleine Vögeln? Pierre nahm mir das Sektglas ab und drückte mir eine Tasse Kaffee in die Hand. Rien ne va plus, Kirsche. Von wegen.
Links vom Bonsai ein roter Pullover. Für mich. Und die Pariser Tagebücher von Ernst Jünger auf Französisch. Mit Karte von der Chefin: ...vielen Dank für die Mitarbeit, für die Zukunft alles Gute blablabla. Rechts vom Minibonsai war Weihnachten. Geschenke über Geschenke, von der Abteilung, von der Chefin, vom Chefchef, vom Empfang, von den Jungs aus der IT, von Pierre und Lucas. Herzlich Willkommen, in Ordnung. Aber gleich als Abteilungsleiterin?
Zu recht. Ich musste es zugegeben. Sophie war außergewöhnlich. Sie war nicht nur gut, sondern auch noch herzlich und strahlte eine Wärme aus, als wäre sie die Wiedergeburt des Dalai Lama. Ich machte eine Liste im Kopf von den Dingen, die ich das nächste Mal besser machen würde. Von Dingen, die ich so machen würde wie Sophie. Sie ist einfach klasse. Phänomenal. Übermenschlich. Göttlich. Unerreichbar. Ich holte mir mein Glas zurück und dachte über Sprengfallen nach.
Lucas gab mir einen Kuss auf die Wange. „Ich werde dich vermissen“ nuschelte er mir in Ohr und umarmte mich. „Ach was“ gab ich zurück, „du hast ja noch das Windspiel. Und diesen wunderbaren Baum, der wird mich prima ersetzen.“ Lucas sah mich fragend an. Und auch Pierre kam dazu. „Nein, ist in Ordnung, Jungs. Je ne regrette rien. That's life. Woah, ich kann auch in verschiedenen Sprachen witzig sein. Spasiwa äh roboten.“ Inzwischen waren auch andere Kollegen und meine Chefin auf mich aufmerksam geworden.
„Ist doch super, der Baum, ehrlich.“ quäkte ich mit zu hoher Stimme. „Wenn Sophie noch schläft, kann der Hund gleich gegenpinkeln, muss noch nicht mal vor die Tür. Besser wäre natürlich so ein Rehpinscher, ein Bonsaipinscher. Passend zur Botanik und den ach so tollen Rehaugen.“
Alle starrten mich entgeistert an. Niemand sagte ein Wort. Selbst Pierre und Lucas waren fassungslos. Und dann passierte das Schlimmste. Sophie kam auf mich zu, nahm meine Hände in die ihren und sagte mit einer unendlich weichen und zärtlichen Stimme: „Es tut mir so sehr Leid, dass wir nicht beide hier arbeiten können. Du bist eine tolle Frau.“ Und dann nahm sie mich in den Arm und ich konnte nicht anders und fing an zu weinen. Ich heulte Rotz und Wasser, durchnässte ihre Schulter und bekam kaum noch Luft, während sie mir sanft den Rücken streichelte. Ich wimmerte und schluchzte, ich war wütend und aggressiv, und sie war einfach nur zärtlich zu mir. Sie nickte den Kollegen zu und diese verließen leise den Raum, zum Schluss auch Lucas und Pierre. Ich presste mein Gesicht an Sophies Schulter, spürte den feinen Schwung ihres Schlüsselbeins, ihre Wärme und gab mich ganz meinem Hass auf sie hin.
Sophie war außergewöhnlich. Sie war auf der Ecole d' Gauliose gewesen, hatte ihr Studium mit Auszeichnung abgeschlossen, sah aus wie Françoise Sagan, war jünger als ich und in mindestens sechs Sprachen nicht nur gut, sondern sogar witzig und schlagfertig. Ich hingegen noch nicht einmal in einer, abgesehen wenn ich abends auf mein Kopfkissen einprügelte und Beschimpfungen vom Stapel lies. Und sie war neu in der Firma.
Als Praktikantin hatte ich vor einem halben Jahr angefangen, alles ging drunter und drüber, der Verlag wurde stark erweitert, ein neues Lektorat aufgebaut. Alles war im Umbruch und für mich war es die Chance übernommen zu werden und einen guten Job in dem aufstrebendem Sektor zu ergattern. Ich hatte mich richtig reingekniet, war morgens die erste im Büro und am Abend so lange da, bis auch das letzte Feuer gelöscht war. Allen war klar, dass ich den Job bekommen würde. Meine Arbeit überzeugte, ich war schnell und hartnäckig. Pierre aus dem Layout schenkte mir einen Pitbull aus Stoff – eigentlich hätte ich lieber Blumen bekommen, aber die hatte Pierre bereits an Lucas verschenkt. Die beiden mochten mich, und ich mochte sie und ihre direkte, etwas zickige Art. Es lief gut für mich, endlich würde ich in Paris Fuß fassen können und mein acht Quadratemterzimmer gegen eine richtige, eigene Wohnung eintauschen können. Aber dann kam mir dieses Windspiel dazwischen. Und der Bonsai.
Sie brauchte genau eine Woche. Dann wusste sie wo sie welche Dokumente fand, machte Verbesserungsvorschläge für Vertragsklauseln, half Jacqueline aus dem Vertrieb bei der Umstrukturierung, erledigte die Korrespondenz mit unseren Partnern in New York, Barcelona und Rom, ging mit unserem umhegten Starautor Mittags zum Essen und führte ein neues Ablagesystem ein. Und half mir in einer bösen Sache aus der Klemme, ohne ein Wort darüber zu verlieren. Ich hasste sie dafür. In dem Maße, in dem sie sicherer wurde, schien ich zu verblöden. Verlegte Akten, verpasste Termine, redete während der Abteilungskonferenz den größten Unsinn, löschte aus Versehen wichtige Dateien und warf auch noch den Kaffeebecher um.
Nur Pierre und Lucas schienen gegen ihren Charme resistent zu sein. In der Küche witzelten wir über ihren Lederrock, der ihr dieses Amazonenaussehen gab und die Männer gegen Wände laufen ließ. Über ihr prinzfestes Rapunzelhaar und ihre Rehaugen, die sie ja gar nicht brauchte, weil sie eh keine Fehler machte. Ich konnte mich auf die Jungs verlassen – bis sie mit dem italienischen Windspiel im Büro erschien.
Ein Hund so elegant wie Kathedralenbögen und mit demselben graulila Fell wie Siamkatzen. Und auch markant, mit einem starken Charakter, der einen Besitzer mit einem ebensolchen erforderte. Lucas schmuste so lange mit dem Hund, bis Pierre drohte, die beiden mit einem Eimer Wasser zu trennen. Es entbrannte ein regelrechter Streit unter den Mitarbeitern darum, wer das Luxustier alle zwei Stunden Gassi führen durfte – jeder wollte mit dem Prachtexemplar im Verlagsviertel gesehen werden. Und Sophie einen gefallen tun. Ich verkroch mich hinter dem Bildschirm und ließ meinen Pitbull Notizzettel zerfleischen.
Der Bonsai sah aus wie ein kleiner Baum. Also ich meine wie ein Baum, der groß ist, nur eben klein. Es war alles da, was einem Baum zum Baum macht. Rinde, Äste, Blätter. Lustig, oder? Nur eben klein. Winzig. Superwinzig. Megasuperwinzigklein. Ob es auch Bonsainester darin gab? Für superwinzigkleine Vögeln? Pierre nahm mir das Sektglas ab und drückte mir eine Tasse Kaffee in die Hand. Rien ne va plus, Kirsche. Von wegen.
Links vom Bonsai ein roter Pullover. Für mich. Und die Pariser Tagebücher von Ernst Jünger auf Französisch. Mit Karte von der Chefin: ...vielen Dank für die Mitarbeit, für die Zukunft alles Gute blablabla. Rechts vom Minibonsai war Weihnachten. Geschenke über Geschenke, von der Abteilung, von der Chefin, vom Chefchef, vom Empfang, von den Jungs aus der IT, von Pierre und Lucas. Herzlich Willkommen, in Ordnung. Aber gleich als Abteilungsleiterin?
Zu recht. Ich musste es zugegeben. Sophie war außergewöhnlich. Sie war nicht nur gut, sondern auch noch herzlich und strahlte eine Wärme aus, als wäre sie die Wiedergeburt des Dalai Lama. Ich machte eine Liste im Kopf von den Dingen, die ich das nächste Mal besser machen würde. Von Dingen, die ich so machen würde wie Sophie. Sie ist einfach klasse. Phänomenal. Übermenschlich. Göttlich. Unerreichbar. Ich holte mir mein Glas zurück und dachte über Sprengfallen nach.
Lucas gab mir einen Kuss auf die Wange. „Ich werde dich vermissen“ nuschelte er mir in Ohr und umarmte mich. „Ach was“ gab ich zurück, „du hast ja noch das Windspiel. Und diesen wunderbaren Baum, der wird mich prima ersetzen.“ Lucas sah mich fragend an. Und auch Pierre kam dazu. „Nein, ist in Ordnung, Jungs. Je ne regrette rien. That's life. Woah, ich kann auch in verschiedenen Sprachen witzig sein. Spasiwa äh roboten.“ Inzwischen waren auch andere Kollegen und meine Chefin auf mich aufmerksam geworden.
„Ist doch super, der Baum, ehrlich.“ quäkte ich mit zu hoher Stimme. „Wenn Sophie noch schläft, kann der Hund gleich gegenpinkeln, muss noch nicht mal vor die Tür. Besser wäre natürlich so ein Rehpinscher, ein Bonsaipinscher. Passend zur Botanik und den ach so tollen Rehaugen.“
Alle starrten mich entgeistert an. Niemand sagte ein Wort. Selbst Pierre und Lucas waren fassungslos. Und dann passierte das Schlimmste. Sophie kam auf mich zu, nahm meine Hände in die ihren und sagte mit einer unendlich weichen und zärtlichen Stimme: „Es tut mir so sehr Leid, dass wir nicht beide hier arbeiten können. Du bist eine tolle Frau.“ Und dann nahm sie mich in den Arm und ich konnte nicht anders und fing an zu weinen. Ich heulte Rotz und Wasser, durchnässte ihre Schulter und bekam kaum noch Luft, während sie mir sanft den Rücken streichelte. Ich wimmerte und schluchzte, ich war wütend und aggressiv, und sie war einfach nur zärtlich zu mir. Sie nickte den Kollegen zu und diese verließen leise den Raum, zum Schluss auch Lucas und Pierre. Ich presste mein Gesicht an Sophies Schulter, spürte den feinen Schwung ihres Schlüsselbeins, ihre Wärme und gab mich ganz meinem Hass auf sie hin.