Umwege
Verfasst: 09.09.2009, 21:54
Umwege
Zu Quentin Tarantinos „Inglourious Basterds“ und Jonathan Littells „Die Wohlgesinnten“
Der Film ist zu Ende, der Abspann beginnt und das Publikum applaudiert. Unwillkürlich frage ich mich: Warum? Und die Befürchtung geht in die Richtung, dass sie sich einfach amüsiert haben.
Die nächste, spontan auftauchende Frage ist: Mache ich mich damit gemein? Könnte ich auch klatschen?
Meine Antwort: Oh ja!
Die Rede ist von Quentin Tarantinos neuesten Film Inglourious Basterds. Eine aberwitzige Farce, ein alle Tatsachen ignorierender Ritt durch dunkle deutsche Geschichte. Der zweite Weltkrieg als Italowestern. Allein die Verdrehung macht Spaß, die Dreistigkeit. Unernsthafter Umgang mit der eigenen Geschichte ist ja nicht gerade eine deutsche Eigenschaft. Gerade darum genießt man es. Und das Ende, so konträr zum historisch beflissenen „Untergang“ von Eichinger, wirkt wie eine Katharsis, wenn all die Nazigrößen samt Ehefrauen oder sonstiger Begleitung in Flammen aufgehen und zusätzlich zusammengeschossen werden. Wo einen der Film „Operation Walküre“ mit einem pelzigen und verkrampften Gefühl entlässt, ist das Ende bei Tarantino eine Befreiung. Ja, so hätte die Geschichte verlaufen müssen! Nicht mit aufrichtigen aber gescheiterten Heroen, sondern im gerechten Blutrausch, der das Böse einfach wegwischt.
Das bisher ist aber nur eine recht oberflächliche Betrachtungsweise, unmittelbare Wirkung der Bilder. Die Fahrt vom Kino nach Hause dauert dann eine gute halbe Stunde. Und in dieser fangen die Gedanken an zu fließen und es entstehen Verknüpfungen. Im Grunde geht es um die immer wieder auftauchende Frage, wie das, was „Geschichte“ ist, dargestellt werden kann. Nein, es kann nicht um die reinen Fakten gehen. Die stehen fest und sind in unzähligen Geschichtsbüchern nachzulesen. Es geht um die Frage, wie man heute noch das erfassen kann, was damals passiert ist. Nicht das Wissen um Geschichte, sondern, ein Gefühl dafür zu bekommen. Gerade für die jüngeren und jüngsten Generationen. Die mündliche Überlieferung über die Zeit des zweiten Weltkrieges wird mit meiner Generation aussterben. Danach bleiben nur noch die historischen Abhandlungen und eben dies: erzählte Geschichte. Sei es als Film oder als Buch. Dabei ist zu beachten, dass sich die Fragestellung von Generation zu Generation ändert. War es in der Zeit nach dem Krieg die Frage: Wie war es wirklich?, oder, Wie konnte es soweit kommen?, so setzen die Nachgeborenen andere Schwerpunkte. Was habe ich damit zu tun? Was geht es mich an? Die Konfrontationsebene hat sich mittlerweile völlig verändert. Nicht Rückschau um des Verstehens willen, sondern der Blick nach hinten, um nach vorne klarer sehen zu können. Dass heute wieder deutsche Soldaten in Kriegseinsätzen sterben, ist nun wahrlich aktueller und bedenkenswerter, als die Frage, warum es in den dreißiger und vierziger Jahren in Deutschland so weit kam, wie es kam. Trennen darf man beides allerdings nicht. Und auch die fremdenfeindlichen Ausfälle und Übergriffe der letzten Jahre, das Erstarken von ultrarechten Parteien in Teilen Deutschlands, ist ein Problem unserer heutigen Gesellschaft, kein direktes Erbe der Nazizeit.
Aber auch hier darf man das eine nicht vom anderen loslösen. Nicht zwecks Ursachenforschung, sondern im Sinne der Prävention.
Geschichte, ähnlich weit zurückliegender persönlicher Erfahrungen, kann im besten Fall zum Tutor, zum Lehrer werden. Als Trauma ist beides wenig hilfreich.
Wie aber soll eine Generation aus der Geschichte lernen, wenn sie nicht mehr berührt, wenn sie auf Buchstaben – und Zahlengröße zusammengeschrumpft ist? Wenn sie nur noch als entseeltes Lehrfach besteht? Die Frage enthält schon die Antwort. Man muss ihr eine Seele geben, Leben einhauchen. Sie aus ihrem mumifizierten Stadium auswickeln, aufs Neue mit Sehnen, Muskeln, Fleisch und Haut versehen und auferstehen lassen.
Wem das ein wenig nach Horrorkabinett und Frankenstein klingt, dem gebe ich völlig recht. Die Vergangenheit ist tot und weg. Nichts und niemand, kein Buch, kein Film, nichts vermag sie wieder hervor zu holen. Die einzige Möglichkeit besteht darin, sie neu zu erschaffen. Teile zusammen zu führen, auch wenn sie nicht ganz passen, auch wenn Fratzen entstehen. Die belebte Fratze geht einem näher, als der blasse, einbalsamierte Totenschädel, der jedem Betrachter zuflüstert: Mit dir habe ich nichts mehr zu tun.
Tarantino hat mit seinem Film ein solches „Monster“ geschaffen, dessen Lebendigkeit den Zuschauer vielleicht nur amüsiert, vielleicht abschreckt, im besten Fall aber zum Nachdenken bringt. Denn er ist, und damit deckt er sich hundertprozentig mit dem Lauf der Geschichte, grotesk. Ich kann mich an keine Hitlerdarstellung erinnern, die das groteske, wahnsinnige, pathologische, aber auch irgendwie kindliche, verletzte, zurückgewiesene, verzerrte Wesen Hitlers so anschaulich zeigt, wie in jenem Film. Natürlich ist es überzeichnet, aber die ganze Hitlerära war eine einzige Überzeichnung, Überdehnung, bis eben ins Wahnsinnige hin.
Wenn der Zuschauer darüber lacht, darüber den Kopf schüttelt, dann ist es die einzige richtige Reaktion. Der Hitler im Untergang war ein Fall für Psychiater, Tarantinos Hitler ist ein Fall für die Masse, wirksamer als jede bisher geschrieben Biografie. Auch wirksamer wie andere Hitlerfilme, sei es der von Chaplin oder auch Benjamin Levis Film. Denn Tarantino konzentriert sich nicht auf diese Figur, sie ist eigentlich nur eine Nebenrolle. Er setzt sie in ein Umfeld von extremer Brutalität und kompromisslosen Handelns. Und als wäre er scheinbar unbeteiligt, schwappt all das, was er losgetreten hat, am Ende über ihn hinweg und schwemmt ihn davon. Beziehungsweise wird sein Gesicht zu Brei geschossen.
In Verbindung mit Inglourouis Basterds drängt sich noch ein anderer Vergleich auf. Der zu Jonathan Littells Buch Die Wohlgesinnten. Auf den ersten Blick mag es da kaum Gemeinsamkeiten geben, aber ich denke, es gibt sie und ich will versuchen, sie in kurzen Umrissen aufzuzeigen. Im Grunde sind es drei Punkte:
1.
Die schon oben erwähnte Frage nach der passenden Darstellungsform für Ereignisse, die spätestens mit der nun heranwachsenden Generation endgültig zu Geschichte in ihrem theoretischen Sinn geworden ist oder wird.
Littell und Tarantino gehen völlig unterschiedliche Wege. Abgekürzt kann man sagen, der eine einen psychologischen/intellektuellen, der anderen einen durch und durch plakativen. Ihre Gemeinsamkeit besteht im Bruch des Tabus. Beides sind gegen den Strich gebürstete Darstellungen, die oftmals dieselbe Reaktion hervorrufen: Das kann man doch so nicht machen!
Tatsächlich hätte man sich vielleicht eine solch offene Darstellung eines wirklichen SS-Mannes, wie Littell sie fiktiv beschreibt, gewünscht, aber sie ist es nun mal nicht. Sein Buch ist ein Konstrukt, ähnlich dem erwähnten Monster, das aus vielen Teilen zusammen gesetzt wurde und nun ein erschreckendes Zerrbild abgibt. Ein Monster allerdings, das sehr gebildet ist und gut zu reden weiß, ein Zwitterwesen, hin und hergerissen zwischen humanistischer Bildung gepaart mit exzessiver Sinnlichkeit und einer, ihn in den Dienst der nationalsozialistischen Sache stellenden, ideologischen Verblendung. Er nimmt Teil an allem, aber ist dennoch nicht wirklich Teil des Geschehens. Überall, wo etwas geschieht, ist er dabei, deckt das ganze Kaleidoskop ab und kann schon allein deswegen nichts daran ändern, dass er eine erfundene Gestalt ist. Und als Stellvertreter gänzlich ungeeignet. Am Ende ist und bleibt es ein privates Erlebnis, in das Geschichte eingeschrieben wurde, wie sie, trotz der vielen, vielen ,vielen Tatsachen und historisch verbürgten Ereignisse, so nicht stattgefunden hat. Es ist eine Möglichkeit, und als solche bezeichnet sie ja auch der Autor, die ein Licht auf das Wirkliche wirft. Trotzdem ein Monster, wenn auch wie ein Mensch gekleidet und maskiert.
Anders Tarantino. Er schert sich nicht um Tatsachen, obwohl er sie genauestens kennt. Er zeigt nach dem Motto: Geschichte ist, was ich daraus mache. Oder aber: Geschichte gibt es nicht, es gibt nur Geschichten. Und die erzählt er. Wer denkt, dass Tarantino dabei immer nur den Holzhammer benutzt, muss sich eines besseren belehren lassen. Tarantinos Filme sind oftmals von einer erstaunlichen Subtilität. Denken die meisten zwar bei Tarantino sofort an extrem anschauliche bis unappetitliche Gewaltdarstellungen, so sind seine besten Filme eigentlich keine Actionstreifen, sondern Konversationsstücke. Pulp Fiction, Kill Bill und auch jetzt Inglourious Basterds leben von der Konversation, die nahezu in jedem Fall einem Gewaltausbruch vorausgeht. Konflikte bahnen sich zunächst verbal an, es entstehen Positionierungen, die nicht selten einen moralischen Unterton haben. Ja, man kann sogar sagen, seine Filme sind zutiefst moralisch, sie triefen beinahe davon. Nur, der Zuschauer wird davon nicht bekleckert. Das Moralische gefriert auf der Leinwand in der kalten Melange aus Zynismus und Gewalt.
Moral ist auch das Thema von Littells Roman. Oder, besser gesagt, Unmoral, die eine gewisse Ästhetisierung erfährt. Max Aue als Hannibal Lector in der SS. Das ist sehr reizvoll, aber in seiner Wirkung, dem wirklichen Erfassen von Geschichte, eher unbrauchbar. Die Faszination ist einfach zu groß, die intellektuelle Schnittmenge mit dem aufgeklärten Leser zu breit, so dass alles Trennende in einen kleinen Rand rückt. Man liest das Buch und erwartet in jeder Zeile, der Erzähler möge doch endlich seinen Irrtum erkennen, leidet fast mit ihm mit, der geschulte Geist erlebt die Grausamkeiten an Juden und Russen und will dem Erzähler ständig rütteln und schütteln, auf dass er endlich aufwache.
Tarantino ist da gradliniger. Er lässt die Drecksäcke einfach erschießen.
2.
Thomas Steinfeld nennt in seiner Rezension in der Süddeutschen Zeitung den Erzähler von Littells Roman einen schlauen Pornograph. Und ja, der Roman hat etwas sehr pornographisches. Steinfeld erklärt das Pornographische damit, es gäbe mehr zu sehen, als zu verstehen. Alle Pornographie sei Bild, dass über sich hinausweist und deswegen unzufrieden macht. Man starrt immer mehr hin und sieht immer weniger, weil alles im Bild versinkt und es ständig gröber und bunter werden muss, um den Betrachter zu erreichen.
Dem mag so sein, aber die Verbindung zwischen Litells Roman und Pornographie ist noch eine andere. Umberto Eco schrieb einmal in einem Aufsatz, pornographische Filme zeichnen sich dadurch aus, dass sie Ereignisse in Echtzeit zeigen. Es gibt so gut wie keine Schnitte. Man kann das nachprüfen, es stimmt. Im Grunde ist ein Porno sehr langatmig, er hält sich endlos bei seinem Gegenstand auf. Denn es ist der Gegenstand selber, der den Mittelpunkt bildet. Eine zweite Ebene ist weder zu erkennen, noch zu erwarten. Er schreitet also nicht fort, sondern verharrt. Allein unter diesem Gesichtspunkt ist Littells Roman pornographisch. Auch wenn die Orte wechseln, ähnlich der Stellungen in einem Porno, so ist der Gegenstand stets der Selbe. Ein Porno ist Sex in seiner geballtesten Form und zwar derart geballt, dass er schwerlich zu Reflexionen über das Thema Sexualität anregt. Er bewirkt nur zwei Reaktion, nein drei: Erregung, Ablehnung oder ein einfaches Belächeln ob seiner Eindimensionalität.
Littells Roman ist Gewalt, Kriegsgewalt und Massenvernichtung, vermischt mit sexuellen Ausschweifungen, Vergewaltigung und Mord, derart konzentriert, dass es sehr schwer fällt dem ganzen Werk weitere Dimensionen abzugewinnen. Vielleicht die Schlussfolgerung: Krieg ist pervers. Aber ähnlich geäußert, wie jemand sagen mag: Pornographie ist pervers. Er untermauert Standpunkte. Unterminiert werden sie nicht.
Inglourious Basterds ist brutal, zynisch, anachronistisch, witzig, spannend. Pornographisch ist er nicht. Aber dennoch gibt es auch in dieser Hinsicht eine Nähe. Allein schon der Titel ist eine Anlehnung an einen italienischen B-Movie. Nicht so ausgeprägt wie in Kill Bill, finden sich aber auch hier etliche Verweise, ja fast Verbeugungen vor den Filmen der siebziger Jahre, Actionfilmen, Kung-Fu Filmen. Am bezeichnensten die „Vorstellung“ von Oberst Stieglitz, gespielt von Til Schweiger. Als der das erste Mal groß ins Bild kommt, blitzt eine grellgelbe Schrift über die ganze Leinwand: „Oberst Stieglitz“. Das Kino brüllt.
Sicherlich, ein Effekt, ein Zeichen für des Regisseurs Faible für diese Art von Filmen. Aber trotzdem mehr. Es durchbricht den Film, seine Geschichte, nimmt ihm jeglichen Ernst und macht deutlich: Hier wird nur etwas erzählt und gespielt. Der Anspruch auf Wirklichkeitstreue wird nur nicht erhoben, er wird immer wieder ad absurdum geführt. Das lässt den Zuschauer sich zurücklehnen und sich öffnen, bereitet den Boden für die Absurdität der gesamten historischen Konstellation.
Beide, Littell wie Tarantino wählen einen „niederen“ Weg der Darstellung, wobei Tarantino im Endeffekt ehrlicher ist, weil er diesen Weg niemals verschleiert, sondern als das zeigt, was er ist. Und entspricht dabei genau seinem Gegenstand, denn was gibt es niederes als Gewalt, Krieg und Menschenverachtung.
Tarantino arbeitet mit Profanisierung. Littell dagegen erzeugt die Vorstellung von Literatur. Er hat von vorneherein eine viel größerer Fallhöhe. Tarantino kann gar nicht fallen. Er fängt unten an und bleibt auch dort.
3.
Eine weitere Gemeinsamkeit zwischen Die Wohlgesinnten und Inglourious Basterds besteht in der zentralen Figur, die in beiden Fällen ein SS-Mann darstellt. Wer denkt, Brat Pit spiele die Hauptrolle in jenem Film, der irrt. Es ist Christoph Waltz als SS-Offizier Hans Landa. Ihm gehört die erste Szene und auch die letzte. Ihm gehört der ganze Film.
Die Vergleich zwischen beiden Figuren ist nicht leicht. Man muss sich, glaube ich, rein auf die Wirkung beschränken. Von Landa erfährt man nichts, außer, dass er aus Österreich kommt. Max Aues Vita dagegen wird ausgebreitet, er bleibt nahezu geheimnislos. Und dennoch rückt Landa einem am Ende etwas näher als Max Aue. Oder besser gesagt, er schafft den Sprung in die Realität. Aue wird niemals geschnappt und lebt in Frankreich sein Leben. Landa dagegen, durch und durch opportunistisch, versucht einen Deal mit den Amerikanern, nicht nur um seine Haut zu retten, sondern um sich noch erhebliche Pfründe zu sichern. Sicher, Aues Biografie entspricht in diesem Punkt vielleicht eher den bekannten Vitas von Nazi-Verbechern, denen es gelang unterzutauchen. In Landas Verhalten spiegelt sich aber das Verhalten nicht nur von wenigen, sondern von unglaublich vielen, die mit dem Tode Hitlers und der Zerstörung des dritten Reiches einfach aufhörten Nazis zu sein, so wie sie bei deren Machtergreifung einfach anfingen Nazis zu sein. Denn das war die eigentliche Stütze des dritten Reiches. Nicht ideologisch völlig durchdrungene Vollstreckungsgehilfen, sondern Opportunisten, die bereitwillig jenen Platz einnahmen, den man ihnen bot.
Hierzu kann man auch noch jenes Detail des Filmes einordnen, das in Amerika oftmals mit Hohngelächter aufgenommen wurde, aber eine tiefe Wahrheit enthält. Zwei Mal wird einem Deutschen das Hakenkreuz in die Stirn geritzt. Einmal einem Soldaten, der, gefragt was er nach dem Krieg tun werde, antwortet: Ich zieh die Uniform aus. Und eben, ganz am Ende, jenem Landa, der sich geschickt freies Geleit und sogar die amerikanische Staatsbürgerschaft und ein Haus auf Long Island erschlichen hat. Das Einritzen des Hakenkreuzes ist eine klare Botschaft: Du kannst dein Nazitum nicht einfach abstreifen, wie eine Uniform. Es wird dir bleiben. Und gerade hier trifft Tarantino, ob gewollt oder nicht, ein ganz wunden Punkt in unserer Geschichte.
Schlussendlich die Frage:
Ist Littells Buch lesenwert? Ich würde sagen ja. Auch wenn ich es nicht für gelungen halte, so sollte sich jeder eine eigene Meinung dazu bilden. Denn, wie auch immer man dieses Buch einschätzt, es kann eines bewirken: Auseinandersetzung.
Und Tarantinos Film? Unbedingt anschauen, sei es nur der oberflächlichen Wirkung wegen, jener Anfangs erwähnten Katharsis oder Erleichterung beim Anschauen eines etwas „besseren“ Endes des Krieges. Und wer sich darauf einlassen möchte – er schaue den Film und prüfe, ob dies nicht eine aktuelle, zeitgemäße Form ist, sich der Geschichte zuzuwenden.
Denn die Geschichte, die Geschichte des zweiten Weltkrieges, des dritten Reiches rückt in immer weitere Ferne. Bald wird sie so fern sein, dass sie auf geradem Wege kaum mehr erreichbar ist. Dann sind Umwege gefragt. Vielleicht der, den Tarantino gegangen ist.
Zu Quentin Tarantinos „Inglourious Basterds“ und Jonathan Littells „Die Wohlgesinnten“
Der Film ist zu Ende, der Abspann beginnt und das Publikum applaudiert. Unwillkürlich frage ich mich: Warum? Und die Befürchtung geht in die Richtung, dass sie sich einfach amüsiert haben.
Die nächste, spontan auftauchende Frage ist: Mache ich mich damit gemein? Könnte ich auch klatschen?
Meine Antwort: Oh ja!
Die Rede ist von Quentin Tarantinos neuesten Film Inglourious Basterds. Eine aberwitzige Farce, ein alle Tatsachen ignorierender Ritt durch dunkle deutsche Geschichte. Der zweite Weltkrieg als Italowestern. Allein die Verdrehung macht Spaß, die Dreistigkeit. Unernsthafter Umgang mit der eigenen Geschichte ist ja nicht gerade eine deutsche Eigenschaft. Gerade darum genießt man es. Und das Ende, so konträr zum historisch beflissenen „Untergang“ von Eichinger, wirkt wie eine Katharsis, wenn all die Nazigrößen samt Ehefrauen oder sonstiger Begleitung in Flammen aufgehen und zusätzlich zusammengeschossen werden. Wo einen der Film „Operation Walküre“ mit einem pelzigen und verkrampften Gefühl entlässt, ist das Ende bei Tarantino eine Befreiung. Ja, so hätte die Geschichte verlaufen müssen! Nicht mit aufrichtigen aber gescheiterten Heroen, sondern im gerechten Blutrausch, der das Böse einfach wegwischt.
Das bisher ist aber nur eine recht oberflächliche Betrachtungsweise, unmittelbare Wirkung der Bilder. Die Fahrt vom Kino nach Hause dauert dann eine gute halbe Stunde. Und in dieser fangen die Gedanken an zu fließen und es entstehen Verknüpfungen. Im Grunde geht es um die immer wieder auftauchende Frage, wie das, was „Geschichte“ ist, dargestellt werden kann. Nein, es kann nicht um die reinen Fakten gehen. Die stehen fest und sind in unzähligen Geschichtsbüchern nachzulesen. Es geht um die Frage, wie man heute noch das erfassen kann, was damals passiert ist. Nicht das Wissen um Geschichte, sondern, ein Gefühl dafür zu bekommen. Gerade für die jüngeren und jüngsten Generationen. Die mündliche Überlieferung über die Zeit des zweiten Weltkrieges wird mit meiner Generation aussterben. Danach bleiben nur noch die historischen Abhandlungen und eben dies: erzählte Geschichte. Sei es als Film oder als Buch. Dabei ist zu beachten, dass sich die Fragestellung von Generation zu Generation ändert. War es in der Zeit nach dem Krieg die Frage: Wie war es wirklich?, oder, Wie konnte es soweit kommen?, so setzen die Nachgeborenen andere Schwerpunkte. Was habe ich damit zu tun? Was geht es mich an? Die Konfrontationsebene hat sich mittlerweile völlig verändert. Nicht Rückschau um des Verstehens willen, sondern der Blick nach hinten, um nach vorne klarer sehen zu können. Dass heute wieder deutsche Soldaten in Kriegseinsätzen sterben, ist nun wahrlich aktueller und bedenkenswerter, als die Frage, warum es in den dreißiger und vierziger Jahren in Deutschland so weit kam, wie es kam. Trennen darf man beides allerdings nicht. Und auch die fremdenfeindlichen Ausfälle und Übergriffe der letzten Jahre, das Erstarken von ultrarechten Parteien in Teilen Deutschlands, ist ein Problem unserer heutigen Gesellschaft, kein direktes Erbe der Nazizeit.
Aber auch hier darf man das eine nicht vom anderen loslösen. Nicht zwecks Ursachenforschung, sondern im Sinne der Prävention.
Geschichte, ähnlich weit zurückliegender persönlicher Erfahrungen, kann im besten Fall zum Tutor, zum Lehrer werden. Als Trauma ist beides wenig hilfreich.
Wie aber soll eine Generation aus der Geschichte lernen, wenn sie nicht mehr berührt, wenn sie auf Buchstaben – und Zahlengröße zusammengeschrumpft ist? Wenn sie nur noch als entseeltes Lehrfach besteht? Die Frage enthält schon die Antwort. Man muss ihr eine Seele geben, Leben einhauchen. Sie aus ihrem mumifizierten Stadium auswickeln, aufs Neue mit Sehnen, Muskeln, Fleisch und Haut versehen und auferstehen lassen.
Wem das ein wenig nach Horrorkabinett und Frankenstein klingt, dem gebe ich völlig recht. Die Vergangenheit ist tot und weg. Nichts und niemand, kein Buch, kein Film, nichts vermag sie wieder hervor zu holen. Die einzige Möglichkeit besteht darin, sie neu zu erschaffen. Teile zusammen zu führen, auch wenn sie nicht ganz passen, auch wenn Fratzen entstehen. Die belebte Fratze geht einem näher, als der blasse, einbalsamierte Totenschädel, der jedem Betrachter zuflüstert: Mit dir habe ich nichts mehr zu tun.
Tarantino hat mit seinem Film ein solches „Monster“ geschaffen, dessen Lebendigkeit den Zuschauer vielleicht nur amüsiert, vielleicht abschreckt, im besten Fall aber zum Nachdenken bringt. Denn er ist, und damit deckt er sich hundertprozentig mit dem Lauf der Geschichte, grotesk. Ich kann mich an keine Hitlerdarstellung erinnern, die das groteske, wahnsinnige, pathologische, aber auch irgendwie kindliche, verletzte, zurückgewiesene, verzerrte Wesen Hitlers so anschaulich zeigt, wie in jenem Film. Natürlich ist es überzeichnet, aber die ganze Hitlerära war eine einzige Überzeichnung, Überdehnung, bis eben ins Wahnsinnige hin.
Wenn der Zuschauer darüber lacht, darüber den Kopf schüttelt, dann ist es die einzige richtige Reaktion. Der Hitler im Untergang war ein Fall für Psychiater, Tarantinos Hitler ist ein Fall für die Masse, wirksamer als jede bisher geschrieben Biografie. Auch wirksamer wie andere Hitlerfilme, sei es der von Chaplin oder auch Benjamin Levis Film. Denn Tarantino konzentriert sich nicht auf diese Figur, sie ist eigentlich nur eine Nebenrolle. Er setzt sie in ein Umfeld von extremer Brutalität und kompromisslosen Handelns. Und als wäre er scheinbar unbeteiligt, schwappt all das, was er losgetreten hat, am Ende über ihn hinweg und schwemmt ihn davon. Beziehungsweise wird sein Gesicht zu Brei geschossen.
In Verbindung mit Inglourouis Basterds drängt sich noch ein anderer Vergleich auf. Der zu Jonathan Littells Buch Die Wohlgesinnten. Auf den ersten Blick mag es da kaum Gemeinsamkeiten geben, aber ich denke, es gibt sie und ich will versuchen, sie in kurzen Umrissen aufzuzeigen. Im Grunde sind es drei Punkte:
1.
Die schon oben erwähnte Frage nach der passenden Darstellungsform für Ereignisse, die spätestens mit der nun heranwachsenden Generation endgültig zu Geschichte in ihrem theoretischen Sinn geworden ist oder wird.
Littell und Tarantino gehen völlig unterschiedliche Wege. Abgekürzt kann man sagen, der eine einen psychologischen/intellektuellen, der anderen einen durch und durch plakativen. Ihre Gemeinsamkeit besteht im Bruch des Tabus. Beides sind gegen den Strich gebürstete Darstellungen, die oftmals dieselbe Reaktion hervorrufen: Das kann man doch so nicht machen!
Tatsächlich hätte man sich vielleicht eine solch offene Darstellung eines wirklichen SS-Mannes, wie Littell sie fiktiv beschreibt, gewünscht, aber sie ist es nun mal nicht. Sein Buch ist ein Konstrukt, ähnlich dem erwähnten Monster, das aus vielen Teilen zusammen gesetzt wurde und nun ein erschreckendes Zerrbild abgibt. Ein Monster allerdings, das sehr gebildet ist und gut zu reden weiß, ein Zwitterwesen, hin und hergerissen zwischen humanistischer Bildung gepaart mit exzessiver Sinnlichkeit und einer, ihn in den Dienst der nationalsozialistischen Sache stellenden, ideologischen Verblendung. Er nimmt Teil an allem, aber ist dennoch nicht wirklich Teil des Geschehens. Überall, wo etwas geschieht, ist er dabei, deckt das ganze Kaleidoskop ab und kann schon allein deswegen nichts daran ändern, dass er eine erfundene Gestalt ist. Und als Stellvertreter gänzlich ungeeignet. Am Ende ist und bleibt es ein privates Erlebnis, in das Geschichte eingeschrieben wurde, wie sie, trotz der vielen, vielen ,vielen Tatsachen und historisch verbürgten Ereignisse, so nicht stattgefunden hat. Es ist eine Möglichkeit, und als solche bezeichnet sie ja auch der Autor, die ein Licht auf das Wirkliche wirft. Trotzdem ein Monster, wenn auch wie ein Mensch gekleidet und maskiert.
Anders Tarantino. Er schert sich nicht um Tatsachen, obwohl er sie genauestens kennt. Er zeigt nach dem Motto: Geschichte ist, was ich daraus mache. Oder aber: Geschichte gibt es nicht, es gibt nur Geschichten. Und die erzählt er. Wer denkt, dass Tarantino dabei immer nur den Holzhammer benutzt, muss sich eines besseren belehren lassen. Tarantinos Filme sind oftmals von einer erstaunlichen Subtilität. Denken die meisten zwar bei Tarantino sofort an extrem anschauliche bis unappetitliche Gewaltdarstellungen, so sind seine besten Filme eigentlich keine Actionstreifen, sondern Konversationsstücke. Pulp Fiction, Kill Bill und auch jetzt Inglourious Basterds leben von der Konversation, die nahezu in jedem Fall einem Gewaltausbruch vorausgeht. Konflikte bahnen sich zunächst verbal an, es entstehen Positionierungen, die nicht selten einen moralischen Unterton haben. Ja, man kann sogar sagen, seine Filme sind zutiefst moralisch, sie triefen beinahe davon. Nur, der Zuschauer wird davon nicht bekleckert. Das Moralische gefriert auf der Leinwand in der kalten Melange aus Zynismus und Gewalt.
Moral ist auch das Thema von Littells Roman. Oder, besser gesagt, Unmoral, die eine gewisse Ästhetisierung erfährt. Max Aue als Hannibal Lector in der SS. Das ist sehr reizvoll, aber in seiner Wirkung, dem wirklichen Erfassen von Geschichte, eher unbrauchbar. Die Faszination ist einfach zu groß, die intellektuelle Schnittmenge mit dem aufgeklärten Leser zu breit, so dass alles Trennende in einen kleinen Rand rückt. Man liest das Buch und erwartet in jeder Zeile, der Erzähler möge doch endlich seinen Irrtum erkennen, leidet fast mit ihm mit, der geschulte Geist erlebt die Grausamkeiten an Juden und Russen und will dem Erzähler ständig rütteln und schütteln, auf dass er endlich aufwache.
Tarantino ist da gradliniger. Er lässt die Drecksäcke einfach erschießen.
2.
Thomas Steinfeld nennt in seiner Rezension in der Süddeutschen Zeitung den Erzähler von Littells Roman einen schlauen Pornograph. Und ja, der Roman hat etwas sehr pornographisches. Steinfeld erklärt das Pornographische damit, es gäbe mehr zu sehen, als zu verstehen. Alle Pornographie sei Bild, dass über sich hinausweist und deswegen unzufrieden macht. Man starrt immer mehr hin und sieht immer weniger, weil alles im Bild versinkt und es ständig gröber und bunter werden muss, um den Betrachter zu erreichen.
Dem mag so sein, aber die Verbindung zwischen Litells Roman und Pornographie ist noch eine andere. Umberto Eco schrieb einmal in einem Aufsatz, pornographische Filme zeichnen sich dadurch aus, dass sie Ereignisse in Echtzeit zeigen. Es gibt so gut wie keine Schnitte. Man kann das nachprüfen, es stimmt. Im Grunde ist ein Porno sehr langatmig, er hält sich endlos bei seinem Gegenstand auf. Denn es ist der Gegenstand selber, der den Mittelpunkt bildet. Eine zweite Ebene ist weder zu erkennen, noch zu erwarten. Er schreitet also nicht fort, sondern verharrt. Allein unter diesem Gesichtspunkt ist Littells Roman pornographisch. Auch wenn die Orte wechseln, ähnlich der Stellungen in einem Porno, so ist der Gegenstand stets der Selbe. Ein Porno ist Sex in seiner geballtesten Form und zwar derart geballt, dass er schwerlich zu Reflexionen über das Thema Sexualität anregt. Er bewirkt nur zwei Reaktion, nein drei: Erregung, Ablehnung oder ein einfaches Belächeln ob seiner Eindimensionalität.
Littells Roman ist Gewalt, Kriegsgewalt und Massenvernichtung, vermischt mit sexuellen Ausschweifungen, Vergewaltigung und Mord, derart konzentriert, dass es sehr schwer fällt dem ganzen Werk weitere Dimensionen abzugewinnen. Vielleicht die Schlussfolgerung: Krieg ist pervers. Aber ähnlich geäußert, wie jemand sagen mag: Pornographie ist pervers. Er untermauert Standpunkte. Unterminiert werden sie nicht.
Inglourious Basterds ist brutal, zynisch, anachronistisch, witzig, spannend. Pornographisch ist er nicht. Aber dennoch gibt es auch in dieser Hinsicht eine Nähe. Allein schon der Titel ist eine Anlehnung an einen italienischen B-Movie. Nicht so ausgeprägt wie in Kill Bill, finden sich aber auch hier etliche Verweise, ja fast Verbeugungen vor den Filmen der siebziger Jahre, Actionfilmen, Kung-Fu Filmen. Am bezeichnensten die „Vorstellung“ von Oberst Stieglitz, gespielt von Til Schweiger. Als der das erste Mal groß ins Bild kommt, blitzt eine grellgelbe Schrift über die ganze Leinwand: „Oberst Stieglitz“. Das Kino brüllt.
Sicherlich, ein Effekt, ein Zeichen für des Regisseurs Faible für diese Art von Filmen. Aber trotzdem mehr. Es durchbricht den Film, seine Geschichte, nimmt ihm jeglichen Ernst und macht deutlich: Hier wird nur etwas erzählt und gespielt. Der Anspruch auf Wirklichkeitstreue wird nur nicht erhoben, er wird immer wieder ad absurdum geführt. Das lässt den Zuschauer sich zurücklehnen und sich öffnen, bereitet den Boden für die Absurdität der gesamten historischen Konstellation.
Beide, Littell wie Tarantino wählen einen „niederen“ Weg der Darstellung, wobei Tarantino im Endeffekt ehrlicher ist, weil er diesen Weg niemals verschleiert, sondern als das zeigt, was er ist. Und entspricht dabei genau seinem Gegenstand, denn was gibt es niederes als Gewalt, Krieg und Menschenverachtung.
Tarantino arbeitet mit Profanisierung. Littell dagegen erzeugt die Vorstellung von Literatur. Er hat von vorneherein eine viel größerer Fallhöhe. Tarantino kann gar nicht fallen. Er fängt unten an und bleibt auch dort.
3.
Eine weitere Gemeinsamkeit zwischen Die Wohlgesinnten und Inglourious Basterds besteht in der zentralen Figur, die in beiden Fällen ein SS-Mann darstellt. Wer denkt, Brat Pit spiele die Hauptrolle in jenem Film, der irrt. Es ist Christoph Waltz als SS-Offizier Hans Landa. Ihm gehört die erste Szene und auch die letzte. Ihm gehört der ganze Film.
Die Vergleich zwischen beiden Figuren ist nicht leicht. Man muss sich, glaube ich, rein auf die Wirkung beschränken. Von Landa erfährt man nichts, außer, dass er aus Österreich kommt. Max Aues Vita dagegen wird ausgebreitet, er bleibt nahezu geheimnislos. Und dennoch rückt Landa einem am Ende etwas näher als Max Aue. Oder besser gesagt, er schafft den Sprung in die Realität. Aue wird niemals geschnappt und lebt in Frankreich sein Leben. Landa dagegen, durch und durch opportunistisch, versucht einen Deal mit den Amerikanern, nicht nur um seine Haut zu retten, sondern um sich noch erhebliche Pfründe zu sichern. Sicher, Aues Biografie entspricht in diesem Punkt vielleicht eher den bekannten Vitas von Nazi-Verbechern, denen es gelang unterzutauchen. In Landas Verhalten spiegelt sich aber das Verhalten nicht nur von wenigen, sondern von unglaublich vielen, die mit dem Tode Hitlers und der Zerstörung des dritten Reiches einfach aufhörten Nazis zu sein, so wie sie bei deren Machtergreifung einfach anfingen Nazis zu sein. Denn das war die eigentliche Stütze des dritten Reiches. Nicht ideologisch völlig durchdrungene Vollstreckungsgehilfen, sondern Opportunisten, die bereitwillig jenen Platz einnahmen, den man ihnen bot.
Hierzu kann man auch noch jenes Detail des Filmes einordnen, das in Amerika oftmals mit Hohngelächter aufgenommen wurde, aber eine tiefe Wahrheit enthält. Zwei Mal wird einem Deutschen das Hakenkreuz in die Stirn geritzt. Einmal einem Soldaten, der, gefragt was er nach dem Krieg tun werde, antwortet: Ich zieh die Uniform aus. Und eben, ganz am Ende, jenem Landa, der sich geschickt freies Geleit und sogar die amerikanische Staatsbürgerschaft und ein Haus auf Long Island erschlichen hat. Das Einritzen des Hakenkreuzes ist eine klare Botschaft: Du kannst dein Nazitum nicht einfach abstreifen, wie eine Uniform. Es wird dir bleiben. Und gerade hier trifft Tarantino, ob gewollt oder nicht, ein ganz wunden Punkt in unserer Geschichte.
Schlussendlich die Frage:
Ist Littells Buch lesenwert? Ich würde sagen ja. Auch wenn ich es nicht für gelungen halte, so sollte sich jeder eine eigene Meinung dazu bilden. Denn, wie auch immer man dieses Buch einschätzt, es kann eines bewirken: Auseinandersetzung.
Und Tarantinos Film? Unbedingt anschauen, sei es nur der oberflächlichen Wirkung wegen, jener Anfangs erwähnten Katharsis oder Erleichterung beim Anschauen eines etwas „besseren“ Endes des Krieges. Und wer sich darauf einlassen möchte – er schaue den Film und prüfe, ob dies nicht eine aktuelle, zeitgemäße Form ist, sich der Geschichte zuzuwenden.
Denn die Geschichte, die Geschichte des zweiten Weltkrieges, des dritten Reiches rückt in immer weitere Ferne. Bald wird sie so fern sein, dass sie auf geradem Wege kaum mehr erreichbar ist. Dann sind Umwege gefragt. Vielleicht der, den Tarantino gegangen ist.