Textarbeit - von Mnemosyne & Lyrillies

Rubrik für Theaterstücke, Szenen, Sketche, Dialoge, Hörspiele, Drehbücher und andere dramatisch angelegte Texte
Lyrillies

Beitragvon Lyrillies » 22.02.2010, 01:50

ACHTUNG: Um Missverständnissen vorzubeugen weisen wir hiermit ausdrücklich darauf hin, dass in diesem Text keineswegs die tatsächliche Textarbeit im Rahmen des Blauen Salons kritisiert werden soll. Falls irgendjemand Ähnlichkeiten zu Salonmitgliedern zu entdecken meint möchten wir versichern, dass diese nicht beabsichtigt sind!
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Textarbeit



kücken:
Auf meinem Tisch steht eine Flasche
das täuscht mich nicht, ich kenn' die Masche
ich reib sie nicht, hat keinen Sinn
es ist ja doch kein Dschinn darin.



Helmut:
Hallo kücken,
das gefällt mir ganz außerordentlich gut!
Ich sehe darin eine Anspielung auf den Alkoholismus. Die Flasche ist klar, darin befindet sich irgendein stark alkoholisches Getränk. LyrIch, eventuell ein ehemaliger Alkoholiker, sieht sie und wird in Versuchung geführt, wieder zu trinken. Er/Sie besinnt sich jedoch in Zeile drei und vier auf seine früheren Erfahrungen und widersteht indem er sich erinnert, dass auch Alkohol keine Probleme löst. Die erträumte Lösung wäre in diesem Fall der Dschinn, der nicht vorhanden ist.
Wirklich ganz toll, sehr klar und eindrücklich. Vielleicht eine Selbstreflektion?

lilofee:
Hallo kücken,
also ich persönlich finde, es ist eine tolle Geschichte von dem Wunsch nach mehr Zauber und Magie in unserem Alltag. LyrIch sitzt hier offenbar an einem Schreibtisch, der symbolisiert die Arbeit – normalerweise etwas, was man nicht gerade liebt und nur tut, um Geld zu verdienen. Dabei wünscht sich LyrIch aber Ablenkung, eine Welt in der Djinnies tatsächlich existieren und man sie ganz nach „Mio, mein Mio“ aus Flaschen befreien kann.
Ich würde mir eine deutlichere Darstellung des Alltags wünschen, vielleicht eine ausformuliertere Version. Allerdings repräsentiert das feste Reimschema natürlich schon recht gut die Starrheit des normalen Lebens. Wie wäre es mit einer genaueren Darstellung dessen, was LyrIch sich wünscht? Wofür steht der Djinnie genau?

Sigmund:
Hi,
meine Vorredner liegen alle falsch. Ich sehe in diesem Text ganz klar eine Anspielung auf die moderne skeptische und klar sexuell geprägte Sichtweise einer Frau auf die Avancen eines Mannes.
Die Romantik wird ignoriert. Ein eventuelles Interesse am Charakter der Frau ausgeschlossen. Der Mann wird auf seine Geschlechtsmerkmale reduziert und dem Klischee des Penisses als Gehirn des Mannes wird absolut beigepflichtet. Die Frau fühlt sich in ihrer natürlichen Umgebung (der Tisch) bedroht durch die von ihr in die Avancen heineininterpretierten sexuellen Wünsche des Mannes (die Flasche steht für den Penis).
Wie zu unserer Zeit üblich nimmt sie bereits im Vorfeld an belogen und betrogen zu werden (Zeile drei, sie reibt (auch hier die sexuelle Anspielung!) die Flasche nicht, es hat keinen Sinn) und kommt zu der Ansicht, ihre Wünsche und Hoffnungen würden sowieso nicht erfüllt werden. Wenn man hier von der Flasche als Geschlecht des Mannes ausgeht, ist selbstverständlich sofort ersichtlich, dass sie sich die üblichen Kinder und damit selbstredend auch die Ehe wünscht. Statt aber dem Mann eine Chance zu geben, schreibt sie ihn im Vorfeld direkt ab.
An sich ist das ein interessanter Gedanke, er bedarf aber noch ganz klar der Ausarbeitung. Der Penis auf dem Tisch ist tatsächlich ein Eindringen in die Sphäre der Frau, sie sollte lieber neben dem Tisch stehen. Abgesehen davon könnten die Träume der Frau genauer gezeigt werden, die sind noch etwas unklar, ganz besonders der Part über die Ehe. Oh und sicher interessant wäre ein Statement aus ihrer Sicht zur klassischen Rollenverteilung und zur Emanzipation.
Den Dschinn finde ich überflüssig verspielt, eine solche Wortwahl ist meiner Meinung nach unnötig. Ein gewolltes Kind kann auch anders und für diese Zwecke definitiv eindrücklicher dargestellt werden. Also überleg es dir noch mal, ich wünsche dir viel Erfolg bei der Bearbeitung.



kücken:
Im siebten Stock liegt eine Kammer
dort muss, tagaus, tagein ich hin
vergaß den Schmerz, ertränkt den Jammer
darob, dass ich so einsam bin.

Wie gern liefe das alte Schiff
in ruhigen, festen Hafen ein
dort, fern von Strudel, Sturm und Riff
möchte es fest vertäuet sein.

Die Flasche, die sich seitwärts naht
ist geistlos, wie's halt Flaschen sind
ich ahn es schon, die Reibetat
bringt nicht zurück das Zauberkind.



Sigmund:
Hallo kücken,
so ist das schon besser, einige Dinge stören mich aber immer noch: zum einen frage ich mich, weshalb es ausgerechnet der siebte Stock sein muss – stellst du die Frau über den Mann? Wenn dies aus Sicht der Dame gesagt werden soll, musst du noch deutlicher herausstellen wer hier eigentlich spricht.
Ihren Konflikt zwischen der Sehnsucht nach Gesellschaft und der sofortigen Ablehnung aller Kandidaten hast du schön dargestellt. Auch ihren Wunsch nach Ehe sehe ich jetzt deutlich, auch wenn deine Wortwahl recht klischeebeladen ist.
Wieso aber soll das „Zauberkind“ (immer noch zu verspielt!) zurück gebracht werden? Das stört mich ebenso wie das „alte Schiff“. Die Position von der wir hier reden ist doch im Durchschnitt eher die einer jungen Karrierebewussten Frau der Moderne, da hat weder ein schon vorhandenes Kind, noch eine alte Frau etwas zu suchen, finde ich. Aber es ist ja dein Gedicht, mach damit, was du willst.
Grüße,
Sigmund

Helmut:
Hi kücken,
jetzt lese ich auch das, was Sigmund in deinem Text gesehen hat. Das der Dschinn weg ist finde ich schade, aber macht nichts. Die Gleichförmigkeit und den Drang zur Flasche zu greifen hast du ebenfalls gut dargestellt. Aber sag mal, jetzt gibt sich LyrIch dem Alkohol ja hin, ändert das nicht die Absicht deines Textes?
In der Form fände ich ein komplexeres Versmaß übrigens viel besser. Spiegelt die Unsicherheit vielleicht besser wider, dieses verloren-im-Raum-stehen, oder meinst du nicht?

lilofee:
Hallihallo,
naja. Die Magie ist jetzt raus. Ist für mich nicht mehr das Gedicht von vorher. Aber auch nicht schlecht. Bloß solltest du dann konsequent alle Magie entfernen. Warum die Flasche von der Seite kommt verstehe ich nicht, finde es auch ein wenig herb, dass du gleich alle Männer als geistlos bezeichnest!



kücken:
Der ewig gleiche Trott der Zeit
bringt Kummer, Schmerz und Müdigkeit
im Aktenberg stehend
im Trunke vergehend
so wart' ich seit langem, zum Ausbruch bereit.

Nur manchmal, wenn des Nachts die Sterne
so zahlreich leuchten aus der Ferne
Als ob der Himmel Akne hätte
fühl ich mich frei von jener Kette
doch eine andere spürt' ich gerne.

In solchen schwachen Augenblicken
könnt mich ein Mannsbild wohl erquicken
eins, das nach meinen Wünschen frägt
mit Freuden mich auf Händen trägt
mir scheint, ich kann nicht richtig ticken.

Die meisten Männer suchen nur
die Frau als eine bill'ge Hur
da gäb man sich vergebens hin
stark ist die Brust, doch schwach sein Sinn
ich sage „Nein!“, ich bleibe stur.



Barth:
Finde ich an sich super, die Klischees sind raus, ist aber inzwischen viel zu lang geworden!



kücken:
Zeit! Geist! Stern!
Die Sehnsucht nach der Kette
trifft nur die Hure Einsamkeit.



lilofee:
Wunderbar! Das hat einfach alles! So habe ich mir das vorgestellt, ganz toll. Zeit, Geist und Stern symbolisieren so gut zugleich die Wunder und die unendliche Gleichförmigkeit unserer Zeit, zudem sind sie ein Symbol für die Jugend. Die Sehnsucht nach der Kette beinhaltet den Wunsch nach Ehe, damit kommen die Kinder, die einen „ketten“ und zugleich ist das angekettet sein an einen Mann natürlich auch negativ zu lesen, die Sicht der Frau wird also perfekt dargestellt.
Wie aber zuvor auch schon, nur nicht so treffend formuliert, ist die einzige Antwort scheinbar die Einsamkeit, weil alle möglichen Männer als ungenügend abgetan werden. Sehr gut!

Sigmund:
Hallo kücken,
so gefällt es mir auch. Gute Arbeit.

Helmut:
Hallihallo,
ja wirklich gut, noch besser als die vorherigen Versionen! Ich kann mich 2 nur anschließen, so ist alles drin!
Wirklich toll gemacht, das werde ich mir gleich mal abspeichern.
LG

Yorick

Beitragvon Yorick » 24.02.2010, 15:04

Natürlich ist das Spaß! Menno!

aram
Beiträge: 4475
Registriert: 06.06.2006

Beitragvon aram » 24.02.2010, 16:56

na ja - man klammert sich halt an jeden strohhalm, nachdem es in der tradition regelmäßiger forumsdramen gerade so ruhig ist.

(verzeihung)

liebe grüße!



p.s.-)


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