Alles Theater - Monolog für einen gescheiterten Politiker

Rubrik für Theaterstücke, Szenen, Sketche, Dialoge, Hörspiele, Drehbücher und andere dramatisch angelegte Texte
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Cicero
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Beitragvon Cicero » 10.12.2011, 11:19

Alles Theater - Monolog für einen gescheiterten Politiker

Kaum hatte ich mit der Faust auf den Tisch geschlagen, altrömische Dekadenz verurteilt, schon sagte man mir ein Schicksal wie Julius Cäsar voraus. Ein Sturm der Entrüstung erhob sich, kein zartes Frühlingserwachen erfasste die Republik. Die Kleinbürgerhochzeit am Ende der Koalitionsverhandlungen wich langsam eines langen Tages Reise in die Nacht der Erkenntnis, dass ich der Diener zweier Herren war, die Hokuspokus mit mir spielten. Jetzt habe ich manchmal das Gefühl, man lässt mich draußen vor der Tür, mir bleibt ein Blick zurück im Zorn auf Mutter Courage. Vielleicht sehe ich aber auch Gespenster, nur die Ratten, die vor Sonnenuntergang das Schiff der FDP verlassen, sehen in mir nicht mehr den Entertainer. Hört denn keiner mein Trommeln in der Nacht? Es sind die Leiden des jungen W., wenn ich Gegenwind spüre, weil ich eben nicht Politik mache wie es euch gefällt. Schäuble, der Geizige, öffnet um´s Verrecken nicht die Kassette mit den Steuererleichterungen. In Nibelungentreue rollt er der Kanzlerin hinterher, nach dem Motto: Viel Lärm um nichts. Die drei Schwestern der CDU, Aigner, Schröder und Schavan sind auch nur Angies Zofen in der Komödie der Irrungen deutscher Innenpolitik. Was war das für ein toller Tag im September 2009, wir fühlten uns wie die Riesen vom Berge. Es waren glückliche Tage, fast noch ein Sommernachtstraum. Heute fühle ich mich wie in einem Belagerungszustand der deutschen Kleinstädter, wir von der FDP sind einsame Menschen geworden. Jedermann kann erkennen, die Stützen der Gesellschaft sieht der Wähler in uns nicht mehr. Ein Haus in Montevideo soll uns Nachtasyl sein, von dort aus werden wir dem Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny, alias Berlin, zusehen. Als geschlossene Gesellschaft werden wir dort unsere schmutzigen Hände vom Verdacht der Korruption reinigen. Soll die Physikerin im Kanzleramt mit ihren Nashörnern weiterhin großes Welttheater machen, wir sitzen im fröhlichen Weinberg und denken an das berühmte Zitat aus dem Götz von Berlichingen. Ende gut, alles gut, kann man da nur sagen. Probleme macht nur der zerbrochene Krug vom Brüderle, jetzt müssen wir den Wein in Bernarda Albas Haus gleich aus den Flaschen trinken.
Die Sprache sei die Wünschelrute, die gedankliche Quellen findet. (Karl Kraus)

Quoth
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Beitragvon Quoth » 10.12.2011, 16:58

Amüsant - aber auch ein bisschen angestrengt, oder? Am besten gefällt mir der "Blick zurück im Zorn auf Mutter Courage" - die ihn notgedrungen ja auch fallen lassen musste.
Gruß
Quoth
Barbarus hic ego sum, quia non intellegor ulli.

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Cicero
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Beitragvon Cicero » 10.12.2011, 17:45

Hallo Quoth,

ein bisschen angestrengt, da hast Du wohl Recht. Aber immer noch besser als "bauchgelandet" mit meinem ersten Text im Salon. Da ist wohl der alte "Theatergaul" in mir ein wenig durchgegangen.

Gruß
Cicero
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Mucki
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Beitragvon Mucki » 10.12.2011, 20:32

:welcome: im Blauen Salon, Cicero!

Ich wünsche dir eine gute Zeit hier!
Dein wortkräftiger und markanter Monolog, das ist er, ja, macht es mir, als Leser, ein bisschen schwer, ihn flüssig zu lesen durch die vielen fett formatierten Worte. Sie lenken mich arg ab und zwingen mich quasi zur Betonung, obwohl man all diese Worte gar nicht laut betont lesen kann, da sie zu dicht aufeinander folgen.
Das Fettgedruckte hätte ich rausgelassen und auf des Lesers Kenntnis vertraut, dass er sehr wohl sieht, welche "Wortspielchen" du hier trefflich betreibst.

Bin gespannt auf mehr von dir.

Saludos
Gabriella

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Cicero
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Beitragvon Cicero » 10.12.2011, 21:19

Hallo Gabriella,

herzlichen Dank für Dein Welcome! Wie heißt es so schön? Nachher ist man immer schlauer. Eigentlich wollte ich nur den wenigen Lesern auf die Sprünge helfen, die vielleicht in der Theaterwelt nicht so ganz zu Hause sind. Aber Du hast Recht, die Titel springen einfach zu dick aus dem Text heraus.

Im Salon würde ich gerne Texte vorstellen, die ich rund um das Theater geschrieben habe. Viele Jahre lang habe ich immer nur reproduziert, jetzt ist es Zeit selbst zu schreiben.

Faustpremiere -
in Auerbachs Keller fließt
der Apfelsaft

Adventsgruß
Cicero
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Gerda

Beitragvon Gerda » 11.12.2011, 07:26

Herzlich willkommen im blauen Salon, Cicero! :-)

Dein Einstandstext liest sich recht amüsant.
Allein, mich stören ebenso die fett gesetzten Worte,
derer zu viel, denn insgesamt, macht dieser Text 'was her.
Enthält er auch so manche Plattitüde, bin ich auf mehr,
aus deiner Tastatur doch sehr gespannt. ;-)

Liebe Grüße
Gerda

Übrigens, es fällt mir gerade ein, haben wir im Salon etwas Ähnliches einmal mit Buch- und/oder Filmtiteln probiert, etwa 2006 oder 2007, irgendwo in den Untiefen des Salons, wird es solche Texte geben ;-)

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Cicero
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Beitragvon Cicero » 11.12.2011, 14:11

Hallo Gerda,

herzlichen Dank für Deine Willkommensgrüße. :-)

Kritik ist angekommen, Text wird bearbeitet.

Übrigens:

Manch ganzes Leben ist eine einzige Plattitüde! :-)

Liebe Grüße
Cicero
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Mucki
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Beitragvon Mucki » 11.12.2011, 16:36

Ich war neugierig, da ich diesen thread nicht kannte, Gerda. Das war noch vor meiner Zeit hier im Blauen Salon.
Hier ist er:

viewtopic.php?p=5355#p5355

Gerda

Beitragvon Gerda » 11.12.2011, 23:03

Dankeschön, liebe Gabi. :-)
Es hat mir richtig Spaß gemacht, dass alles mal wieder zu lesen ...
Gerade zur Entspannung, nach einem anstrengenden, wenngleich auch schönen Adventssonntag.

Liebe Grüße
Gerda

Gerda

Beitragvon Gerda » 11.12.2011, 23:08

Cicero hat geschrieben:Übrigens:
Manch ganzes Leben ist eine einzige Plattitüde! :-)


Ja, schon, Cicero, aber nimm beispielsweise mich, die darüber nicht unbedingt etwas lesen wollte ;-)
Ich gehe auch nicht in ein gutes Lokal zum Essen und nehme ein Gericht, was ichmir selbst gut zubereiten kann.
Verstehst du?

Liebe Grüße
Gerda


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