Münchner Szenen oder Weißwurst vor Zwölf

Rubrik für Theaterstücke, Szenen, Sketche, Dialoge, Hörspiele, Drehbücher und andere dramatisch angelegte Texte
Sam

Beitragvon Sam » 10.03.2009, 18:30

Münchner Szenen

oder

Weißwurst vor Zwölf


(Konzeptive Arbeitsgrundlage. Gespielt und/oder gelesen. Das Bühnenbild kann, muss aber nicht den Schauplätzen entsprechen. Es reicht auch ein Stuhl. Denkbar ebenso eine leere Bühne, auf der die Stellplätze der einzelnen Gebäude/Orte mit Kreide aufgezeichnet sind, falls ein solcher Nachahmungseffekt dem Regisseur angemessen erscheint. Die Reihenfolge der Sequenzen sollte unbedingt eingehalten werden. Mundartliche Abweichungen vom Originaltext [soweit nicht vorgegeben], sind regionalen Aufführungsgegebenheiten anzupassen. Eine szenische Ausarbeitung der erzählenden Passagen ist weder unerwünscht noch erforderlich und sollte eine angemessene Schnittmenge aus Inhalt und Interpretationsbereitschaft des Regisseurs darstellen. Der Bub und der Depp haben vorwiegend erzählerische Funktion. Bei der Auswahl der Schauspieler ist also gerade bei diesen Figuren auf Flexibilität und künstlerische Intuition zu achten. Die Straßenszenen unterliegen völlig der freien Gestaltung. Eine personelle Zuordnung ist nicht vorgesehen.)




[align=justify]Erste Straßenszene[/align]
- Wieso schlagen Sie Ihren Hund?
- Weil ich keine Kinder habe.


1. Ausflugsziele

Bub
Depp
Ausländische Touristin
Studenten


„Dann schauen Sie sich das mal an!“

„Im Gegensatz zu dem von Hamburg oder Bremen, ist das Münchner Rathaus ein aschgrauer gotischer Firlefanz, dessen Hauptattraktion sich zu bestimmten Uhrzeiten drehende Holzfiguren sind. Vor dem Gebäude befindet sich der Marienplatz. Ein von Fresshöhlen und Kaufhäusern umsäumtes Areal. In der Sommersaison sind dort einzelne Stände von Reisegesellschaften aufgebaut, die Besichtungstouren anbieten. Gutaussehende Studenten preisen, freundlich lächelnd und mit Schildern in englischer Sprache bewehrt, Ausflugsziele an.
Eine amerikanische Touristin steuert auf einen der Studenten zu, der ein Schild mit der Aufschrift: >Third Reich Tours< in der linken Hand hält.
‚What do you offer?’ fragt die Dame.
Der junge Mann blickt kurz auf sein Schild, als müsse er sich selber erst einmal vergewissern und sagt dann:
‚Well, a great Tour. You will see everthing in connection with the Third Reich. Concentration Camp and so.’
Die Dame überlegt einen Moment und schaut dann zu einem anderen Stand, an dem eine blonde Frau >Hitler Tours< anbietet.
Dorthin zeigend meint sie dann:
‚I think, I will ask over there. Seems they`ve got a bit more to show’”


Zweite Straßenszene
- Biss, die neue Biss!
- Gehns lieber oarbeidn und mochens wos Gescheits.


2. Schutt

Bub
Depp
Passant
Schulkinder


„So einfach ist das nicht!

In den Morgenstunden gehört der Luitpoldpark den Joggern und den Hunden.“
„Dazwischen Berufstätige, auf ihrem Weg zur U-Bahnstation am Scheidplatz.“
„Einer von ihnen...“
„Ein Mann, Mitte Vierzig und alleinstehend.“
„Von einer Laune ergriffen biegt er heute kurz vor dem Schulgebäude ab und geht den Hügel hinauf, der sich am Ostrand des Parks befindet. Oben angekommen, entdeckt er ein Schild, welches darauf hinweist, dass jener Hügel aus den Trümmern der durch Bombenangriffe zerstörten Häuser aufgeschüttet wurde. Die Toten, so wird extra betont, seien auf den städtischen Friedhöfen begraben. Ein eigenartiges Gefühl überkommt den Mann. Er spürt Geschichte unter seinen Füßen.“
„Geschichte, die mittlerweile von einer Menge Gras überwachsen ist!“
„Geschichte, auf der Bänke aufgestellt wurden und von der aus man eine wunderbare Aussicht auf die Stadt hat. Eine kleine Rodelbahn führt sogar den Berg hinunter, nebst einer Skipiste.“
„Der Mann denkt:
‚Wenn man von Nichts wüsste, dann wüsste man von Nichts. Der Ort selbst gibt nichts mehr her von dem, was ihn eigentlich ausmacht. Er braucht Hinweisschilder, um seine wahre Identität zu bewahren. Und überhaupt, warum hat man die Toten nicht zwischen den Trümmern gelassen? Dann hätte niemand hieraus einen städtischen Wintersportort gemacht. Ein Gedenkort, das wäre daraus geworden, ein Friedhof, nicht nur für die Verstorbenen, sondern auch für das, was sie einst umgab und ausgemacht hat. Ihre Häuser und Wohnungen, ihre Einrichtung. Vielleicht lag neben einem der Toten eine Scherbe seiner Lieblingstasse, neben einem Kind der Rest seiner Puppe, neben einem alten Mann der Stiel seiner Pfeife, das Lieblingsbuch oder gar der ein oder andere Brief. Und - man hat von den Toten das entfernt, was sie umgebracht hat. Jene Steine, die sie erschlagen; jene Splitter, die sie zerfetzt; den Rauch, der ihnen das Atmen unmöglich gemacht hat und nun als Ruß an den Steinen klebt. Es wurde separiert, um die Individualität der Toten zu bewahren, auf Kosten dessen, was Teil ihrer sichtbaren Individualität und Ursache ihres Todes gewesen ist. Man hat es zusammengeworfen, in den kollektiven Schutt. Geschichte ist die Summe von Einzelschicksalen, die in fassbare Größen zusammengekehrt werden. So wie der Schutt zusammengekehrt wurde. Zusammengekehrt und aufgeschichtet’“
„Auf das Gras drüber wachse!“
„Und damit dies auch ja geschieht, hat man fein säuberlich die Toten herausgesammelt.“
„Die hätten ansonsten jegliches Grasdrüberwachsen verhindert.“
„ ‚Aber ist das nicht der Sinn von Gedenkorten, dass das Vergessen verhindert werden soll? Warum dann diese Halbherzigkeit? Würden die Toten noch hier liegen, dann wäre das Gefühl, dem ich mich jetzt so hingebe, nicht eines aus mir heraus, sondern würde direkt von diesem Ort ausströmen. Nicht nur in mich, sondern in alle, die ihren Fuß darauf setzen. Aber die Separation verhindert dies.’“
„Auf einer der Bankgruppen, an der Südseite des Hügels, lungern einige Schüler herum, die offensichtlich den Unterricht schwänzen. Der Mann beobachtet die Gruppe eine Zeit, in Gedanken immer noch bei den Toten. Offensichtlich gibt es einen Streit zwischen zwei der Jugendlichen. Es sind Schreie zu hören, die unschwer als Drohungen verstanden werden können. Dann zieht einer ein Messer aus der Hosentasche. In diesem Moment beschließt der Mann einzuschreiten. Er geht auf die jungen Leute zu und sagt das Falsche. Wenige Augenblicke später hat er ein Messer im Bauch und verblutet an Ort und Stelle. Seine letzten Gedanken sind wie die Mehrheit der letzten Gedanken: Unbekannt. Ob er darüber nachdenkt, dass es aufgrund seiner kurz vor seinem Tode angestellten Überlegungen konsequent wäre, sich zu wünschen, man möge ihn dort, wo er gerade stirbt auch beerdigen? Kaum anzunehmen. Möglich aber ist, dass er schon jetzt, kurz vor seinem Tod, spürt....“
„...wie das Gras über ihn zu wachsen beginnt.“


Dritte Straßenszene
- Möchten Sie den Wachtturm lesen?
- Scherts Euch zum Teufel, kommunistisches Faschistenpack muselmanisches, Jessesmariaundjosef!


3. Der Flaneur

Flaneur
Eine Straße
Berühmte Schauspieler und Sportler
Einfaches Volk


„Susanne von Bordosy, Wolfgang Viereck und Gudrun Landgrebe. Alle innerhalb einer Viertelstunde. Die Landgrebe schaut ja mittlerweile wirklich so aus, als wäre sie mal flambiert worden. Der Maximilianstraße sieht man an, dass auf ihr nie demonstriert wird. Die ist politisch wieder richtig jungfräulich. Die Nazis sind ja schon lange weg. Und wie gut die Maximilianstraße alles Politische von sich heruntergewaschen hat, herunterlaufen hat lassen sozusagen, von den teuren Schuhen der vielen A,B und C-Promis und den Schaulustigen, die ihnen hinterherstiefeln. Das macht die Maximilianstraße so schön, das Fehlen des Politischen. Das hat sonst keine Straße hier geschafft. Die Leopoldstraße am wenigsten, selbst die Brienner nicht. Als hätte die Maximilianstraße als einzige gemerkt, dass Geld nicht politisch ist. Da ist der Luca Toni, da vorne, siehst du ihn? Cafe Roma, wo sonst. Ich versteh gar nicht, warum die da noch hingehen. Werden doch laufend angestarrt, von den bettelarmen Flaneuren, die von der Theatinerstraße oder den Platzerlgassen hier hereinschwappen. Den Muff vom Hofbräuhaus an Leib und Seele. Aber auch das passt zur Maximilianstraße, dass sie sich so belaufen lässt, von Allen und Jedem. Das gehört dazu zum Unpolitischsein. Es perlt an ihr ab. Die Fußsohlen, die ihr schaden könnten, die laufen schon lange woanders.“


4. Ordensbrüder

Bub
Depp
Politiker
Verbrecher


„Lesen Sie Zeitung?!“

„Am 11.01.2008 bekam der frischgebackene, und ja mittlerweile wieder zurückgetretene, bayerische Ministerpräsident Kurt Beckstein in Abwesenheit (wegen dringender Freistaatstermine) den Karl Valentin Preis überreicht. Folgende Aussage Becksteins bewog die Jury zu ihrer Entscheidung:
>In der Politik ist das Schöne, dass alles möglich ist, aber auch das Gegenteil.<
Denkt man an die Wahlkampagne von Becksteins CSU-Kollegen Josef Schmidt, der bei der Wahl zum Münchner Oberbürgermeister gegen den dunkelroten und allseits beliebten Christian Ude antrat, so kommt man zu dem Schluss, bei der CSU hieße es eher: >In der Politik ist das Schöne, dass alles erlaubt ist.....< Den Zusatz >oder auch nicht< vergaß man kurzerhand und stellte Wahlplakate auf, die Fotos von jenem unglücksseligen Vorfall in der U-Bahn zeigten, bei dem zwei Jugendliche einen alten Mann verprügelten, weil dieser die beiden an das im U-Bahnbereich geltende Rauchverbot erinnert hatte. Über die Fotos in großen Lettern gedruckt das Versprechen, für Sicherheit zu sorgen.
Man fühlt sich unweigerlich an einen Satz des jungen Musil erinnert: >Wir treiben Politik, weil wir nichts wissen.<
Pechschwarze Gemüter jedenfalls mag diese Art der Wahlwerbung angesprochen haben, die Münchner Allgemeinheit dagegen zeigte sich verwundert bis empört. Da nützte auch Schmidts 3er-BMW-Reihenhausgrinsen nichts. Viel weniger noch, dass er seine Frau kurz vor der Wahl noch mit auf die Plakate zerrte. Dabei hatte der Mann nur die Wahrheit aufgezeigt und Bürgersorgen aufrecht geschultert. Eigenwerbung darf man damit allerdings nicht machen, und so blieb der schale Beigeschmack selbst treuesten Wählern bis zum Urnengang. Was beweißt, ein Bild sagt nicht immer mehr, als tausend Worte. Denn die plakatierte Gewalttat war beileibe kein Einzelfall:“
„Am 29. Dezember 2007 überfielen drei Jugendliche ein älteres Ehepaar im englischen Garten. Einer der Täter konnte identifiziert und festgenommen werden. Es handelt sich um den in Frankfurt geborenen Hakan Üllic, der zu diesem Zeitpunkt immer noch im Untersuchungsgefängnis München Stadelheim einsitzt und dort auf seine Abschiebung nach Hessen wartet.“



Vierte Straßenszene
- Entschuldigen, aber wie komme ich zur Oktoberfestwiese?
- Gehens dahin, wo´s nach Pisse und gebrannten Mandeln stinkt.
- Die ganze Stadt stinkt nach Pisse und gebrannten Mandeln!


5. Die böse Gegenwart

Bub
Depp
Dachauer
Hundebesitzer
Zwei farbige Mädchen


„Passen Sie auf, wenn sie aus dem KZ wieder herauskommen. Es werden Umfragen gemacht, die Sie dazu zwingen könnten, sich über das Gesehene Gedanken zu machen!“
„Die Stadt Dachau ist weltweit immer noch bekannter, als die südlich von ihr gelegene bayerische Landeshauptstadt. Obwohl man seit Jahre alles Mögliche unternimmt, sich ein Image aufzubauen, indem die jüngerer deutsche Vergangenheit nur noch ein Teil, aber nicht mehr die Hauptsache ist. Dennoch musste ein Bürger der Stadt erleben, als er in den Vereinigten Staaten mit einer Kreditkarte der Dachauer Sparkasse bezahlte, wie der Kassierer ihn verwundert anschaute und sagte: ‚Ich wusste nicht, dass die im KZ auch eine Bank haben.’
Aber auch wenn die Geschichte länger lebendig ist, als es so manchem lieb sein mag, verhindert ihre ständige Präsenz in Form von fremdenverkehrstauglicher Gedenkstättenkultur ein allzu tiefschürfendes Nachdenken. Die tägliche Berührung gestattet paradoxerweise keine Berührungspunkte mehr.
So kann man über Jahre hinweg in Dachau wohnen, ja sogar dort aufgewachsen sein und womöglich regelmäßig an den grauen Mauern des ehemaligen Konzentrationslagers vorbeifahren, ohne sich der Dinge, die sich dahinter einst abgespielt haben, wirklich bewusst zu sein. In einer komfortablen und von Wohlstand und Prosperität bestimmten Gegenwart, hat es eine unangenehme Vergangenheit schwer ihren Platz zu behaupten. Aber selbst ein solch gut gebautes Heute hat Löcher. Zu klein vielleicht für das Gestern, doch groß genug, um andere Tragödien zuzulassen. Tragödien, die hineinsickern aus einer Welt, die ebenso abstrakt wahrgenommen wird – nicht durch Gedenkstätten, sondern durch die Medien. Erst die direkte Beobachtung vermag diese Barriere zu durchbrechen (das große Problem der Vergangenheit, da man sie nie direkt beobachten kann, und alle Zeugnisse, die sie hinterlässt, mittelbar sind).“
„So geschehen, bei einem Mann, der sich gerade auf dem Rückweg von der Dachauer Hundeschule befand, im Rucksack ca. 10 kg frisches Kopffleisch für seinen Labrador. Der Weg führte ihn an der Rückseite des Hotels Aurora vorbei. Dort konnte er sehen, wie zwei junge farbige Mädchen sich Fleischreste aus den Essensabfällen heraussammelten, sie sorgfältig in einen Plastikkorb legten und dann wegtrugen.“


6. Widerstand

Vorbestrafter
Unbekanntes Mädchen
Alte Nazisau


„Meine Vorstrafe habe ich der Tatsache zu verdanken, dass ich einen alten Mann geschlagen habe. Niedergeschlagen hieß es sogar in der Urteilsbegründung, obwohl es in Wahrheit nur eine Ohrfeige war. Und jener Mann, beinahe neunzig Jahre alt, ging an Krücken. So hat ihn meine, eigentlich symbolisch gemeinte, Geste der Verachtung niedergestreckt und mir ein Jahr auf Bewährung eingebracht. Hätte ich das vorher gewusst, wäre es wirklich ein Schlag gewesen, nicht nur eine Backpfeife, die mir wie ein handfestes Ausspucken vorkam. Denn Spucken war ja nur etwas Gleichwertiges, hatte der Alte doch auf jene Gedenktafel gespuckt, die sich zwischen dem Gasteig und dem GEMA-Gebäude befindet und an Georg Elser erinnert. Ein richtiger Schlag, das wäre eine passende Antwort gewesen. Eine Antwort, die voll und ganz meinen Empfindungen entsprochen hätte und mich und die für mich daraus erwachsenden Konsequenzen völlig außer Acht gelassen hätte. Doch in dieser Erwiderung meinerseits – mein Spucken mit der Handfläche auf sein tatsächliches Spucken – lag neben der Empörung auch die Angst um mich selbst. Man schlägt keine alten Menschen. Ich muss daran gedacht haben, denn das Erste, was ich tat, nachdem der alte Mann zu Boden gefallen und seine Frau hysterisch zu schreien begann, war mich umzusehen. Zunächst aber schien der Platz leer, außer einer jungen Frau, die nur wenige Schritte von mir entfernt stand und die Hand vor den Mund hielt. Ich sah, wie sie den Kopf schüttelte und nahm an, dass sie alles beobachtete hatte und ihr offensichtliches Unverständnis nicht meiner Tat, sondern der des Alten galt. Für einen Moment trafen sich unsere Blicke. Es war sowohl Einverständnis wie Schrecken in der Art, wie sich mich ansah. Im ersten Moment fühlte ich mich erleichtert, weil ich meinte einen Zeugen zu haben, jemanden, der die Richtigkeit meiner Handlungsweise bestätigen könnte. Doch sobald sich von über all her Menschen näherten, sich dem am Boden liegenden Alten annahmen und seine immer noch wimmernde Frau zu beruhigen suchten, drehte sich die junge Frau um und ging weg. Irgendjemand hielt mich dann fest und kurz darauf kam auch schon die Polizei.
Der Prozess dauerte nur einen Tag. Der alte Mann beteuerte, er habe lediglich niesen müssen. Und ich wäre wüst schimpfend auf ihn zugekommen und hätte ihn ohne Vorwarnung geschlagen. Ich dagegen beharrte auf meiner Version, der Alte hätte mit voller Absicht auf die Gedenktafel, und damit auf Elser selbst gespuckt. Da es außer der Frau des Alten keine Zeugen gab, schenkte der Richter mir keinen Glauben und ich wurde verurteilt. Die junge Frau habe ich nicht erwähnt. Warum auch? Ich habe keine Ahnung, ob sie wirklich alles beobachtet und meine Reaktion wirklich verstanden hatte. Vielleicht fehlte ihr der Mut oder sie war nicht so dumm wie ich. Was hilft es, darüber nachzudenken? Ja, ich hoffe, sie war einfach nur feige. Dafür hätte ich, und vielleicht auch Elser, das meiste Verständnis.
Wirklich schlimm ist nur, dass keine dieser verdammten bayerischen Zeitungen mich um ein Interview gebeten hat.“


7. Der Depp fragt...

Depp

„Wie sagte der Dichter? Die Zeit frisst.......“



8. Die Sprache der Toten

Bub
Depp
Noch ein Depp
Studenten, Passanten und Anwohner
Ein Friedhof


„Die letzte Beisetzung auf dem Alten Nordfriedhof in Schwabing fand 1939 statt, obwohl es die Jahre danach noch reichlich zu Beerdigen gab.
Sieben Jahrzehnte sind aber lange genug, um diesem Ort heute jedwede Andächtigkeit abzusprechen und Pietätlosigkeiten wie Joggen und halbnackt auf der Wieseherumlungern zu tolerieren. So richtig tot ist man selbst auf einem Friedhof erst, wenn kein Nachschub mehr kommt und keine Hinterbliebenen die Gräber mit ihren Trauermienen umstellen. Dann kann aus einem Friedhof ein Freizeitpark werden. Zumal viele der Grabsteine kaum mehr zu entziffern sind und selbst die Enkelgeneration allerhöchstens noch in dem vom Zivi geschobenen Rollstuhl den verblichenen Vorgeborenen einen Besuch abstatten könnte. Also spricht nichts dagegen, seinen knackigen Studentenarsch in der Münchner Sonne da bräunen zu lassen, wo ein dreiviertel Jahrhundert zuvor noch ehrliche und unehrliche Tränen vergossen wurden.“
„Dennoch wurde der Friedhof im Jahr 2006 für einige Tage gesperrt. Wegen der etwas makaber klingenden Tatsache, dass man dort, am Morgen des 24. Dezember, eine Leiche fand. Oberhalb der Grasnarben ist das selbst auf Münchner Friedhöfen etwas Außergewöhnliches. Man identifizierte den Toten sehr schnell als jene Person, die sich schon seit mehreren Wochen täglich auf dem Friedhof aufgehalten hatte, oftmals stundenlang vor einem der Grabsteine kniend. Die befragten Anwohner und Passanten äußerten die Vermutung, der Mann habe versucht, die Inschriften auf den Steinen zu entziffern. Damit hatten sie nicht unrecht, auch wenn die Geschichte dahinter weit weniger banal ist und dem Friedhof für einige Tage wieder zu dem werden ließ, was er früher war: ein Ort, angesiedelt irgendwo zwischen Tod und Leben, zwischen Realität und Traum, Wissen und Hoffen.“
„F. hatte den Friedhof vier Wochen vor seinem Tod das erste Mal besucht und sogleich fiel sein Blick auf einen Grabstein, der den Namen seiner jüngsten Tochter trug. Die Übereinstimmung betraf zwar nur den Vornamen, aber so von der Vielfalt vergangenen und vergessenen Lebens beeindruckt, sah F. darin ein Zeichen. War seine Tochter doch erst vor kurzem verstorben und zwar am gleichen Tag und dem gleichen Monat wie ihre Namensbase, nur exakt hundert Jahre später. Und sofort ergriff die Idee von ihm Besitz, auf einem der Grabsteine auch seinen Namen zu finden und damit verbunden, den Hinweis auf das Datum seines zukünftigen Ablebens.
Zunächst besah er sich alle Grabsteine, deren Inschriften noch gut lesbar waren. Danach wandte er sich denjenigen zu, die sich nur mit Hilfe von Pauspapier, Lupe und den städtischen Personenregistern auskünftig machen ließen. Am Ende kannte er jedes Grab ganz genau und wusste, wer wann wo beerdigt wurde; nicht selten auch, aus welchem Grund. Nur eines der Gräber entzog sich ihm, behielt sein verwittertes Geheimnis für sich, schien gar nicht zu existieren, außer in Form eines nahezu glatten Steines. Dieser musste es sein, dessen war sich F. sicher. Also setzte er sich davor und wartete darauf, dass der Stein zu ihm sprach oder ihm auf irgendeine andere, wundersame Weise mitgeteilt würde, welchen Namen er einst getragen hatte. Darüber vergaß er in besagter Nacht die Zeit, nahm weder Dunkelheit noch Kälte war und fiel kurz vor Mitternacht in einen tiefen Schlaf, aus dem er aufgrund der starken Unterkühlung seines Körpers nicht mehr aufwachte.“


Fünfte Straßenszene
- Eh Oma, haste mal `nen Euro?
- Ha, an Euro woits. Früher woars a Magl, jetzat an ganzen Euro. Und wos woits morng?
- Auf dein Grab pissen, Alte. Auf dein Grab pissen.



9. Der Parlant

Parlant

„Wir leben in einer Zeit, in der das Individuum mit allen Mittel seine Individualität bekämpft, weil es sie als Ursache seiner Einsamkeit ausgemacht hat. Es will deshalb rauschhaft in der Masse untergehen, um den Wegfall familiärer und sozialer Beziehungsgeflechte zu kompensieren und niemanden um Hilfe bitten zu müssen. Der Schulterschluss ist automatisiert, es werden keine Bewerbungen geschrieben. Nur Hände und Blicke verbleiben als Unterscheidungsmerkmal, die aber sind verdeckt und bis zur Unkenntlichkeit entstellt. Ab und an erhebt sich aus der Masse eine Welle, die an irgendeinem Rand bricht und sich ins Land ausspült. Das Homogene bleibt davon unberührt, atmet weiter auf niedrigster Frequenz, immer den Blick auf sich selbst gerichtet. Die letzte Phase der Urbanität, die ihren Gipfel in der Auflösung aller abgrenzenden Begriffe hat und sich letztlich dem gegenübersehen wird, was heute noch lapidar als Klimawandel bezeichnet wird, in Wirklichkeit aber nichts Schlimmeres ist, als die Zerstörung des Kollektivs.“


10. Der Bub ruft aus...

Bub

„Wie sagte der Dichter? Die Zeit frisst das Leben. Oh Schmerz! Oh welch Schmerz!“


11. Das Ende einer Reise oder Der Bub erzählt einen abschließenden Witz

Bub
Ärzte & Krankenschwestern
Ein Krankenhaus
Eine Bierflasche
Witzelsperger


„Witzlsperger kam gerade aus dem Supermarkt, seinen Rucksack vollgepackt mit einem Dutzend Flaschen Augustiner Bier, als ihn ein Porsche Cayenne rücklings erfasste. Einige von Witzlspergers Knochen zersplitterten, nebst elf Bierflaschen. Die zwölfte jedoch bohrte sich, kraft des Aufpralls, direkt in seinen Rücken.
Im Klinikum Großhadern kannte man so was. Ein spezielles Operationsteam stand bereit, um den mittlerweile narkotisierten Witzlsperger die nötige Behandlung zukommen zu lassen. Zunächst wurde das Rückgrat freigelegt. Oberarzt, Anästhesist, Assistenten und OP-Schwestern sahen auf einen Blick, dass es in diesem Fall nicht gut stand um den Patienten. Zu sehr hatte sich der Flaschenkopf zwischen den Wirbeln verklemmt. Ohne Zweifel würden hier bleibende Schäden entstehen. Der Oberarzt ließ einen ernsten Blick von einem Mitglied seines Teams zum anderen wandern, der von jedem mit einem kurzen Nicken erwidert wurde. Dann packte er die Flasche und zog mit aller Kraft daran. Die löste sich mit lautem Zischen, glitt dabei dem Oberarzt aus den Händen, wurde aber von Oberschwester Adelheid geschickt aufgefangen, wobei sie geistesgegenwärtig den linken Ziegefinger auf die Flaschenöffnung drückte. Noch während die Flasche durch die Luft glitt, lief Schwester Ines aus dem OP und kam mit einigen Pappbechern zurück, in die Schwester Agathe unter dem Applaus des gesamten OP Teams das gerettete Bier gleichmäßig verteilte.
Witzlsperger sah derweil schöne Lichter am Ende irgendeines Tunnels.“

scarlett

Beitragvon scarlett » 11.03.2009, 21:56

hallo Sam,

dein Text lässt mich ziemlich ratlos zurück ...

Ich habe ein massives Problem mit den vielen Anführungszeichen, kann die Aussagen nicht zuordnen. Somit ist mir nicht klar, was als Dialog, direkte Rede gedacht ist, was als narrativer Einschub.

Die Klischees, mit denen du München versiehst, stören mich auch etwas, aber na ja ... so kann man die Stadt auch sehen, keine Frage.

Die dialektalen Einschübe erkenne ich nicht als typisch münchnerische wieder, aber das mag nichts bedeuten, bin ja selber auch nur ne Zugroaste, wenn auch schon seit fast dreißig Jahren hier lebend.

Alles in allem - ein mir eher unzugänglicher Text. Aber ich werde es weiterhin mit ihm versuchen ...

Nix für ungut und LG,

sca

Sam

Beitragvon Sam » 12.03.2009, 15:35

Hallo Scarlett,

vielen Dank, dass du es mit dem Text versucht hast, und ja vielleicht noch weiter versuchst!

Ja, er ist von der Gestaltung unzugänglich, Zuordnungen werden dem Leser überlassen, er ist gespickt mit Klischees und Überzeichnungen, auch was die im (vermeintlichen) Dialekt gesprochenen Passagen angeht.

Dass dies alles so gewollt ist, kannst du dir bestimmt denken.

Jedenfalls hat mich deine Rückmeldung sehr gefreut!

Liebe Grüße

Sam

Yorick

Beitragvon Yorick » 20.03.2009, 23:46

>> Dass dies alles so gewollt ist, kannst du dir bestimmt denken.

Yepp. Würde ich dich nicht ein wenig kennen, ich wäre nach Hinterlassung eines selbstherrlichen Kommentars bald wieder hinausgeschlüpft aus diesem Ordner. Na, vielleicht passiert das ja auch gerade, hoffe nicht.

Es fiel mir schwer, dran zu bleiben. Ich habe auch nicht alle Szenen geschafft. Es scheint viel drin zu stecken in den Texten, in der Gesamtkomposition, besonders mit dem Vortext.

>> falls ein solcher Nachahmungseffekt dem Regisseur angemessen erscheint.

Das hat mir gefallen, sehr schön.
Und so könnte es u.U. kein Zufall sein, dass dieser Text und der Film ähnlich mühselig zu konsumieren sind. Nein, kein Zufall, natürlich nicht. Ist der ganze Text doch wie mit Kreide auf den Boden gemalt. Die gesprochenen Texte in diesem Text wirken auf mich genau so wie die Umrisse auf der Bühne. Das sind keine Theatertexte, aber sie stehen nun mal dort oben.
Real/Abstrakt in Form und Inhalt. Aber eben auch sperrig, irgendwie anstregend, wiedersprüchlich. Aussteigen leicht gemacht, ist zumindest mir so ergangen.

So, nun noch etwas sehr subjektives, gewonnen aus einem Jahr München-Erfahrung als Norddeutscher (und deshalb natürlich stark eingefärbt).
Da ist so ein selbstgefälliger Ton drin, etwas herablassendes, fast desinteressiertes, eine latent aggressive Bodenständigkeit (besonders in "Der Flaneur") - so wie ich München und die Menschen dort kennengelernt habe. Nein, wahrgenommen habe, als importierter Fischkopp. Das hat mir in dem Text sehr gefallen.

Viele Grüße,
Yorick

ps:
Da stand ich verlassen auf dem Münchener Hauptbahnhof herum, als mich ein mit Lederhose und Gemsbarthut angetaner älterer Herr Ansprach: Wosn sacrn hams wolper nua hus mei? (o.ä.)
Freundlich antwortete ich: "Ich verstehe sie leider nicht." Worauf der ältere Herr mich ungehalten anraunzte: "Woas? Verstehst mi net? Ah, kein Deitscher, en Ausländer." und ging ab.

Sam

Beitragvon Sam » 25.03.2009, 16:41

Hallo Yorick,

dank dir herzlich für deinen Kommentar!

Es freut mich natürlich, dass du drangeblieben bist am Text, auch wenn es nicht unbedingt ein Vergnügen war und das Aussteigen leichter fiel, als das Weiterlesen.

Du erwähnst einen sehr interessanten Aspekt:
Ist der ganze Text doch wie mit Kreide auf den Boden gemalt.


Das trifft den Kern, was die Komposition betrifft. Das "auf den Boden malen" ist ja eindimensional. Eine zweite und dritte Dimension muss vom Leser hinzugefügt werden. Dass du dieser Assoziation in Verbindung mit den Eingangsbemerkungen und dem Text soweit gefolgt bist, zeigt mir jedenfalls, es ist möglich einen Einstieg zu finden.

Auf eine andere Bemerkung von dir möchte ich auch nur kurz eingehen:

Da ist so ein selbstgefälliger Ton drin, etwas herablassendes, fast desinteressiertes, eine latent aggressive Bodenständigkeit (besonders in "Der Flaneur") - so wie ich München und die Menschen dort kennengelernt habe. Nein, wahrgenommen habe, als importierter Fischkopp. Das hat mir in dem Text sehr gefallen.


Ich bilde mir nicht ein, ein umfassendes Bild von dem Eindruck, den diese Stadt in Menschen hinterlässt gegeben zu haben. Aber eben einen Eindruck. Und der ist ja sehr zwiespältig. München kenne ich seit meiner Geburt und habe dort mehrere Jahre gewohnt. Durch meine Arbeit im Aussendienst in verschiedenen Sparten hat es mich in jeden Teil der Stadt verschlagen und ich bin in dieser Zeit einer Menge Menschen begegnet. Und dazu noch das Thema Geschichte, vor allem jüngere und jüngste deutsche Geschichte. Mit acht Jahren habe ich das erste Mal das KZ in Dachau besucht. All das ergibt eine Gemenge von Eindrücken und Erfahrungen, die dargestellt werden möchten. Nach etwas mehr als einem Jahr Arbeit an diesem Text, scheint er mir, so wie er nun ist, in eine Form gebracht, in der Eindruck und Ausdruck für mich die größtmögliche Übereinstimmung erzielen.

Nochmals vielen Dank und herzliche Grüße

Sam

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 26.03.2009, 20:55

Lieber Sam,

ich finde das - entschuldige das dumme Wort - großartig.
Zugegeben, auch ich hatte fast immer Schwierigkeiten zuzuordnen, wer da überhaupt spricht, aber fast seit dem Anfang habe ich das unmittelbar positiv (also als Konzept und als Dynamik) nehmen können. Man irrt in den Passagen umher, wie in den Dialekten, obwohl es eine Großstadt ist. Und dass das alles Absicht Klischee und Überzeichnung ist, merkt man spätestens mit den immer anwesenden Bayernpuppentheaterfiguren "Depp" und "Bub". Die Staffage/Requisite wird dadurch lebendig, dass nicht versucht wird, sie zu verlebendigen.

was mich zudem wundert und damit beeindruckt, ist, dass du es sogar schafft die historische Vergangenheit (ohne ginge es wohl auch nicht) mit einzubauen und ich trotzdem keine Gegenwehr in mir spüre, da bin ich nämlich extrem empfindlich - meist steige ich da aus, es gibt so wenig, was das wirklich fassen kann, sodass man selbst noch erfasst wird. Und der text hier macht das sehr geschickt, er tut so, als erzählte er nur verkopft darüber, und so merkt man gar nicht, dass er durch die geschickte analoge Konzeption zur gegenwartsszenerie und anderem das ganze doch an einen heranträgt.

Die Regieanweisungen zu Beginn sind das Tüpfelchen auf dem Würstchen, an sich, weil sie so scharfsinnig unf fein sind, und dann noch einmal, weil sie das KonzePt (ich bin Theaterstück und bin es eben doch nicht) super sichern.

Kleinigkeiten


Möchten Sie den Wachtturm lesen?


dunkle, unsichere Erinnerung: Sind das nicht die, die niemanden auf der Straße ansprechen dürfen? Also dürfte die Frage nicht als wörtliche Rede gestellt werden?


er musste es sein, dessen war sich F. sicher. Also setzte er sich davor und wartete darauf, dass der Stein zu ihm sprach oder ihm auf irgendeine andere, wundersame Weise mitgeteilt würde, welchen Namen er einst getragen hatte. Darüber vergaß er in besagter Nacht die Zeit, nahm weder Dunkelheit noch Kälte war und fiel kurz vor Mitternacht in einen tiefen Schlaf, aus dem er aufgrund der starken Unterkühlung seines Körpers nicht mehr aufwachte.“


die Episode ist genial, das Ende finde ich aber unglaubwürdig. ich wäre dafür, dass er sich erschießt, auch das ist eher Theater als glaubwürdig, aber bewusst und absichtlich wirkend - dein Ende klingt für mich nicht beabsichtigt stilisiert.

Die Unterüberschrift "Böse Gegenwart" finde ich nicht gut, da sie etwas mit der Gesamtidee des Textes kollidiert, die ja auch irgendwie die Münchner Gegenwart meint.


Der Titel "Weißwurst vor 12" ist mir ein zu plattes Wortspiel - gefällt mir nicht.

Ansonsten: Große Klasse...geeignet für die Bühne...oder eben gerade nicht (so wie ja auch z.B. Dogville aus eben dem Umstand, dass es kein Theaterstück ist, seine Spannung gewinnt.)

ich finde der Text liest sich wie eine manirierte Selbstkritik von etwas Maniriertem. Und das ist wieder ehrlich, denn wie sollte es anders sein können? Es ist dunkel, unangenehm, vergangenheitsgegenwärtig, ein übles Gemisch und dadurch für mich lebendig, oder lebendig geschilderte Unlebendigkeit. Und das finde ich gut.
dass der text damit nicht sagen will, dass das alles ist, spürt man trotzdem, finde ich. Er ist zwar böse, aber trotzdem meine ich es zu spüren.

Ob es Zufall ist, dass ich auch Norddeutsche bin? (...)

Mich erinnert das auf ganz andere Weise an Max' Vergewisserung .-)

liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

Sam

Beitragvon Sam » 01.04.2009, 16:56

Hallo Lisa,

entschuldige bitte, dass ich jetzt erst antworte!

Es freut mich natürlich unheimlich, dass du diesem Text so viel abgewinnen kannst und dass dir Komposition derart einleuchtet. Ich hatte gehofft, es möge vielleicht den einen oder anderen Leser geben, dem sich der Text, nicht nur in seinem Aufbau, sondern auch in seiner (verzeih, wenn das jetzt ein wenig selbstherrlich klingt) Vielschichtigkeit vermittelt. Gerade auch, was die historische Komponente des Textes betrifft. Es gibt ja Geschichte einmal als nachzulesendes oder anzusehendes Faktum, auf der anderern Seite aber den ganz subjektiven Eindruck, den diese "Fakten" (die ja oftmals auch nur Interpretationen sind) in einem hinterlassen. Es entsteht eine Gemisch, und als Ausdruck dieses Gemisches dient hier der Aufbau des Textes.

Zu deinen Anmerkungen:

dunkle, unsichere Erinnerung: Sind das nicht die, die niemanden auf der Straße ansprechen dürfen?

Sie dürfen schon, und ich wurde selber schon des öfterern angesprochen. Viele aber ziehen es für, nur dazustehen und den Wachtturm in der Hand zu halten.
Ähnlich ist es ja mit den BISS Verkäufern. Die BISS ist eine Obdachlosenzeitschrift, die auch von solchen auf der Straße und in den U-Bahnhöfen verkauft wird. Manche stehen einfach nur da und halten die Zeitschrift hoch. Andere sind recht aktiv und sprechen die Passanten an.

die Episode ist genial, das Ende finde ich aber unglaubwürdig. ich wäre dafür, dass er sich erschießt, auch das ist eher Theater als glaubwürdig, aber bewusst und absichtlich wirkend - dein Ende klingt für mich nicht beabsichtigt stilisiert.

Das betrifft die Szene auf dem Friedhof. Eine aktive Handlung, wie z.B. das Erschießen würde implizieren, dass der Mann irgendwie hinter das Geheimnis des Grabsteines gekommen wäre, und ihn dieses so erschreckt hätte. Es wäre eine Art Bestätigung für seine Ahnung und brächte in die Episode einen mystischen Touch, den ich aber nicht haben wollte. Gut, man hätte ihn des Nachts ausrauben und ermorden lassen können. Das Erfrieren ist für mich insofern passend, weil es zu dem Friedhof an sich passt, der ja auch in gewisser Hinsicht "erforen" ist, da er kein Ort der Trauer mehr ist, sondern nur noch ein Park. Auch passt es zu dem Baudelairezitat, wonach die Zeit das Leben frisst. In diesem Fall die zu lange Zeit, die dieser Mann in der Kälte war, oder übertragen sich seiner fixen Idee hingegeben hat.

Die Unterüberschrift "Böse Gegenwart" finde ich nicht gut, da sie etwas mit der Gesamtidee des Textes kollidiert, die ja auch irgendwie die Münchner Gegenwart meint.

Dem kann ich nichts entgegensetzen. Vielleicht ist es so. Ich habe den Titel gewählt, weil es in dieser Passage einmal um die Gegenart der Vergangenheit geht (in Form der Gedenkstätte), aber auch der "wirklichen" Gegenwart, die ebenfalss beunruhigende Dinge bereithält. Das "böse" im Titel ist ironisch gemeint, insofern, als dass die Gegenwart einen nicht in Ruhe lässt, einen zwingt, sich Gedanken darüber zu machen. Das wird ja Eingangs durch den Hinweis auf die Umfragen angedeutet.

Der Titel "Weißwurst vor 12" ist mir ein zu plattes Wortspiel - gefällt mir nicht.

Der Text arbeitet viel mit Klischees, wie du ja schon bemerkt hast. Nun, weißwurst vor Zwölf ist eigentlich kein Wortspiel, sondern eine Anspielung auf jene Sitte oder Tradition, die besagt, eine echte Weißwurscht darf das Zwölfuhrleuten nicht hören. Das kommt aus der Zeit, als es noch keine Kühlanlagen in den Metzgereien gab und die Wurst, wenn sie dann gemacht war, zügig verzehrt werden musste. Das ist ja heute nicht mehr so, aber die Tradition hält sich trotzdem und in vielen Münchner Wirthäusern bekommt man nach zwölf Uhr keine Weißwurst mehr serviert.



Mich erinnert das auf ganz andere Weise an Max' Vergewisserung .-)

Ja, da musste ich auch dran denken, als ich den Text einstellte. Was den beiden Texten gemein ist, betrifft ihren Aufbau, der die nötige Distanz zum Stoff bewirkt. Ist man zu nah an etwas dran, ist der Blick unscharf. Das ändert sich, wenn der Abstand größer wird.


Also nochmals herzlichen Dank für deine Beschäftigung mit dem Text!

Liebe Grüße

Sam

jondoy
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Beitragvon jondoy » 14.06.2009, 23:24

Hallo Sam,

den Text hatte ich schon mal angelesen, ihn dann aber zurückgestellt, weil mir zu viel drin stand.
Aufgefallen ist er mir wegen seiner Form und seines Stils.
Hab mir vorgenommen, ihn zu einem späteren Zeitpunkt zu lesen. Das kann bei mir ziemlich zeitverschoben sein.
Jetzt hab ich ihn mir ganz durchgelesen.

Ich will nicht viel zum Inhalt sagen, da müsste ich den Text schon öfters lesen, um in seine Formen und Feinheiten einzusteigen.
Ich sag das deswegen, weil er mich von seinem Ansatz her an Filme von Herbert Schild erinnert, deren Sinn bzw. UnSinn ich erst nach mehrmaligen Sehen beginnen konnte zu verstehen.

Der Text wirkt auf mich wie nicht gedrehte Drehbuchszenen aus solchen Filmen. Den Szenen fehlt nur die Langsamkeit.
Ich kenn weder Dogvilles noch Max`s "Vergewisserung", ob diese Vergleiche in meinen Augen passen würden, vermag ich für mich nicht zu beantworten.

Dieser "Innenansichtsreiseführer" über das benannte Quadratkilometermonster gefällt mir jedenfalls besser als gedruckte "ReiseFührer", welche die Vorhänge über das Innenleben in den jeweiligen Stadtteilvillageköpfen penetrant zugezogen halten.

Ich hätte ihn (den Text) mir fast noch ein wenig "härter" vorstellen können, von der Konsequenz seiner Aussagen her hättest du den Balanceregler zur Allgemeintauglichkeit hin ruhig etwas weiter nach links schieben dürfen (also leiser, damit es die Leute weniger verstehen).

Aber das ist nur meine Meinung.
Ich kenn München nicht.

Nebenbei, weil im Text u.a. auch Elser und das KZ Dachau erwähnt wird, ich habe mich heute zufällig mit meinem Vater über den Inhalt eines Protokolls als 35. Nachtrag zu einer (Film)-Biografie über Elser ausgetauscht, in dem es nicht nur um das KZ in Dachau und Elser geht, aufgrund "lebensumständlich" kommunistisch-katholischer Querverbindungen in diesem Umfeld führt es inhaltlich bis in die Haftanstalten des RAF-Umfeldes beim damaligen Hungerstreikprozess.
Hat jetzt nicht wirklich mit diesem Text zu tun. Deine Ansätze, wie du dich in deinem Text diesen Themen zuwendest, sind für mich vergleichbar quer.

Was ein Parlant ist bzw. was das Wort bedeutet, könntest du mir noch erklären. Dann würde ich es wissen wollen.

Eine Anmerkung noch am Schluss.
Ich würde es nicht "Zwei farbige Mädchen" nennen.
Ich würde es "Zwei schwarze deutsche Mädchen" nennen.

Gruß,
Stefan

Sam

Beitragvon Sam » 18.06.2009, 17:30

Hallo Stefan,

vielen Dank für deinen Kommentar! Dass es länger gedauert hat, ist nicht schlimm. Ich brauche oftmals auch sehr lange, um mir einen Text in Ruhe vorzunehmen.

Herbert Schild sagt mir jetzt nichts, da muss ich mal ein bisschen googeln.

Innenansichtsreiseführer finde ich ein gutes Wort. Das kommt vielem schon sehr nahe, was ich mir bei dem Text gedacht habe.

Deine Anregung, den Text "härter", aber "leiser" zu gestalten, verstehe ich glaube ich nicht. Meinst du verklausulierter? Wenn ja, dann wäre das aber weit an meiner eigentlichen Intention vorbei. Der Regler wird (wenn ich dich richtig verstehe) nicht unbedingt durch das Beschrieben nach links verrückt, sondern durch die Art der Komposition.

Ein Parlant? Das ist die Substantivierung von parlieren, also herumreden, schwätzen, quatschen.

Eine Anmerkung noch am Schluss.
Ich würde es nicht "Zwei farbige Mädchen" nennen.
Ich würde es "Zwei schwarze deutsche Mädchen" nennen.


Interessanter Vorschlag. Warum würdest du das so machen?

Nochmals vielen Dank!

Liebe Grüße

Sam

jondoy
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Beitragvon jondoy » 21.06.2009, 23:11

Hallo Sam!

deinen Kommentar möchte ich heute in der Weise beantworten, dass ich zuerst einmal ein wenig „drumherum“ schreibe, also abseits von Text und Kommentar deinerseits.

Das mag langweilen, aber ich will doch etwas genauer drauf antworten.

Als Fallbeispiel nehm ich jetzt Paris her. Anstelle von München.

Was weiss ich schon über Paris?

Eine Frau, die in einer Satellitenstadt von Paris wohnt, in der sie gelegentlich auch Autos anzünden, hat mir neulich folgendes über das Leben in Paris erzählt...
Frankreich ist eine Fassadengesellschaft. Menschen zwischen 18 und 25 Jahren erhalten keinerlei Hilfe vom Staat. Sie erscheinen nicht in der Arbeitslosenstatistik.
Es gibt dort eine Art „Kastengesellschaft“. Wenn sich jemand um eine Stelle bewirbt, und seine Adresse stammt aus einem bestimmten Stadtteil, wird seine Bewerbung überhaupt nicht berücksichtigt, sondern sofort aussortiert, nicht mal gelesen.
In Paris leben 35 außerfranzösische Nationalitäten, daneben noch viele illegal Eingewanderte. Jede/r Bürgermeister/in eines Pariser Stadtbezirks achtet nur auf seine Statistik. Damit der betreffende Stadtbezirk seinen guten Ruf behält. Und damit bessersituierte Bürger.
Sie selbst geht öfters mit aufs (im Deutschen nennt man diese Behörde Einwohnermeldeamt), um dort zu helfen, illegal in ihrem Stadtbezirk ansässige Personen anzumelden. Die städtischen Behörden dort wollen das gar nicht, wollen nicht, dass diese Personen angemeldet werden, weil die dann auf einmal in der Statistik ihres Bezirks erscheinen, die sollen lieber illegal bleiben.
85 % der Frauen arbeiten dort. Weil sie müssen. Die Miete ist mindestens 3 x so hoch wie in Deutschland. Rund ein Fünftel der Kinder in Paris sind unterernährt, nicht schlecht ernährt, auch weil die Eltern bzw. die alleinerziehenden Mütter das angebotene Essen in der Schule nicht bezahlen können. Für diese Kinder gibt es oft keine erwachsenen Augen, die sich am Werden (Wachsen) des Kindes erfreuen. Diese Kinder werden von ihren leiblichen Erziehungsberechtigten aus bestimmten Lebensumfeldgründen oft gar nicht wahrgenommen, weil die das nicht in ihren Alltag hineinorganisieren können.
Viele Kinder in ihrem Bezirk sehen die Mutter fast überhaupt nie. Erwachsene aus dem nachbarschaftlichen Umfeld übernehmen oft diese Aufgabe. Die sagen einem solchen Kind oft als einzige, beispielsweise, diese Hausaufgabe hast du gut gelöst.
Wenn hier in Paris jemand den in Deutschland bekannten Begriff „Frauenarbeit“ in den Mund nimmt, erzeugt das in Frankreich bei Männern und Frauen nur Kulleraugen. Dass Männer und Frauen etwas getrennt machen, gibt es so gut wie nicht in Frankreich. Diese Trennung „Frauen- und Männerarbeit“ gibt es hier nicht, von absoluten Ausnahmen abgesehen.

....


Das sind für mich echte Innenansichten einer Stadt.
Die kannte ich bisher nicht.
Das versteh ich unter Innenansichten.
Das interessiert mich.
Nicht das, was in gängigen Büchern über Paris steht.

Und diesem Anspruch, den ich als Leser stelle, stellt sich der Autor dieses Textes meiner Empfindung nach zumindest selbst.
Nur hier München.

Jetzt wechsel ich zur Sprachform deines Textes über.

Es ist ja nur ein relativ kurzer Text, für mich sind es eingefangene Innenansichtsimpressionen dieser Stadt in leicht verfremdeter Sprache und bewusst verkleideter Form, warum das unter Humor/Satire steht, vermag ich nicht zu sagen, da hab ich mir kürzlich erst meine Finger verbrannt, bin da mittlerweile vorsichtig geworden...

Jetzt komm ich auf den Namen zurück, den du da googeln wolltest,
der Name selbst tut überhaupt nichts zur Sache.
Es geht mir um das Prinzip, dass ich mit Hilfe der Augen von Menschen und mit Hilfe des Umgangs mit diesem Namen gelernt habe.

Nicht flüchtig, der Begriff, den Max mal in einem ganz anderen Zusammenhang kreiert hat, trifft das, was ich jetzt sagen will, gar nicht schlecht.
Eine persönliche Erfahrung von mir ist, wenn ich etwas wirklich wissen will und wirklich etwas erfahren will, dann brauch ich das Kleine.
Die intensive Beschäftigung mit diesem Kleinen, diesem kleinen Ausschnitt.
Wenn dieser kleine Ausschnitt für Himmel stehen würde, könnte Wikipedia am anderen Ende durchaus als Hölle bei mir durchgehen.
Dieses immer wieder lesen oder immer wieder sehen erzeugt in mir eine Art von Verinnerlichung. Ich entdecke dann, wenn das Gelesene bzw. Gesehene mehr ist, darin immer wieder Neues.
Ich könnte dies auch in „Textsongs“ übersetzen...
Wenn ich mir einen guten Textsong immer wieder anhöre, und er wirklich was zu sagen, hat, kann es mir passieren, dass ich selbst nach zwanzig Mal hören auf einmal noch neue, bis dahin nicht gehörte Worte darin höre....

Deine Aufteilung des Textes in Abschnitte, die für sich allein stehen, ist eine Form von Sprache, der ich (in diesem Zusammenhang) schon öfters begegnet bin....

Ich wollte davon erzählen, von diesem - nicht beliebig.

So, und jetzt muss ich an der Stelle meinen Gedankengang abbrechen, weil ich nicht in der Lage wäre, den Rest in Worten auszudrücken..

So, und nun komm ich zur nächsten Schwierigkeit:

Du schreibst:
"Deine Anregung, den Text \"härter\", aber \"leiser\" zu gestalten, verstehe ich glaube ich nicht. Meinst du verklausulierter? Wenn ja, dann wäre das aber weit an meiner eigentlichen Intention vorbei. Der Regler wird (wenn ich dich richtig verstehe) nicht unbedingt durch das Beschrieben nach links verrückt, sondern durch die Art der Komposition."

Also Sam, ich bin erstaunt, wie gut du mich da verstanden hast.
Das merke ich einerseits daran, dass du ziemlich gut verstanden hast, was ich gesagt habe, und andererseits daran, dass ich jetzt auch merke, dass ich deine eigentliche Intention nicht ganz verstanden habe.

Ich kann dir nur beschreiben, wie i c h das gemeint habe.

Dieser Text fordert raus, er ist nicht ganz leicht zu lesen, obgleich die Sprache einfach scheint.
Ja, sag ich mal so daher.
Er ist keine leichte Kost, obwohl sie so leicht daherkommt...

Was ich jetzt schreib, dass wird mir eigentlich erst jetzt in diesem Moment klar, darauf zu antworten, zwingt mich, darüber nachzudenken....

Eine andere Methode (die ich eigentlich in meinem letzten Kommentar damit beschreiben wollte), hab ich einmal kennengelernt.
Teilweise ging es da auch um München. Nur anderer Ort. Andere Zeit.
Auch eine Werksarbeit mit dem Stilmittel solcher „Ausschnitte“.
Der Verfasser dieses Werkes hat in diesen Ausschnitten die Sprache der Protagonisten (das hätten auch deine sein können) verlangsamt und wiederholt, er hat den Leser gezwungen, die Zeit abzudrehen.
Es gab für den nur zwei Möglichkeiten. Entweder sofort abschalten oder sich auf dieses andere Zeitgefühl einlassen.
Dann hat er die Szenen ins Wirtshaus verlagert. Oder in die städtische Bedürftnisanstalt. Oder in eine Wiese hinter dem Müllplatz.
Die Sprache war immer leise, oft sich wiederholend, als wenn ein Depp gesprochen hätte, und dazwischengestreut eine Lebensweisheit oder die Sprache der Revoluzzer....

Es ist gewesen eine Art von Verkausulierung, ohne das man das hätte beim oberflächlichen "Sehen" aus der Sprache heraus zu erkennen vermögen, die Sprache kam „idiotisch“ daher, die meisten haben nur Idiotie daraus gehört, aber in Wirklichkeit war es sehr geistreich.
Nein, auch nicht immer, das war auch noch gemeiner gemacht, es wechselte, teilweise war es echt „idiotisch“ und teilweise wieder „ganz fein "narrenweise“ oder offenklug und zwischendrin sogar oft shr „poesievoll“, weil da einfach die Geschwindigkeit raus war...

Es war "allgemeinverständlich" schwer zu verstehen, nicht weil der Text kompliziert war (er erzählte alles in reiner Alltagssprache, nicht in einer großkopferten „Bildungssprache“), sondern weil der Text so täuschend
„langsam“ daherkam....

Jetzt bin ich schon wieder in einem Punkt, an dem ich nicht mehr weiterschreiben kann.
Irgendwie das wollte ich mit meinem Satz im letzten Kommentar ausdrücken.

Die Überschrift „Parlant“ über dem anschließenden Text, der dann da darunter folgt. Es wäre für mich sehr spannend, zu wissen, was du damit aussagen wolltest. Ich hatte nicht mit einer solchen Überschrift (jetzt wo ich sie verstehe) über diesen Text gerechnet. Das dreht möglicherweise alles um, was ich bisher darüber gedacht habe.
Ich nehm mir jetzt aber nicht die Zeit, mich damit zu beschäftigen, für mich steckt eine Frage dahinter..

Du frägst mich am Schluss noch:
Interessanter Vorschlag. Warum würdest du das so machen?

Auch darauf versuch ich dir noch eine gescheite (im Sinne von ernsthafte) Antwort zu geben, obgleich ich schon sehr müde bin...

Für mich hat es zwei Gründe.
Einer davon war narzisstisch. Ich wollte meine Einstellung dazu in Worten wiedergeben...

....aber es hat auch einen "tieferen" Hintergrund, der allerdings wohl viel zu weit von der Intension des Textes entfernt liegt...also wohl ne Art klassische Themaverfehlung...

Kennst du den großen afrikanischen Grabenbruch, das Rift Valley?
Auf der einen Seite dieses großen Grabens sitzen sie weissen Deutschen und auf der anderen Seite die schwarzen Deutschen..
Durch Menschen mit oder ohne Rassismuserfahrungen zieht sich ein unsichtbarer Graben.
Ein Verständnis-, ein Kommunikationsgraben...
Ich würde jetzt sogar noch dazudichten.
Auf der einen Seite sitzt der Autor bzw. die Autorin eines Textes und auf der anderen Seite der oder die Leser/in
und oft auch umgekehrt....
Er ist nicht an allen Stellen so breit wie der geologische Grabenbruch. An manchen Stellen ist er sehr viel schmaler,
so schmal sogar, dass man die Person auf der anderen Seite sehen und mit ihr sprechen kann.
Hier im Blauen Forum ist beispielsweise ein solcher Ort.
Wir können einander lesen und miteinander sprechen, und manche sogar einander sehen.
Doch die schmalste Stelle ist jeweils gerade breit genug, das sie ein Hinüberspringen unmöglich macht.
(Gewisse Ausnahmen bestätigen die Regel : - )).
Und so läuft ein jeder auf seiner Seite, die Welt von jener Seite aus mit dieser Perspektive in einem bestimmten Licht betrachtend.
Wir können Kontakt aufnehmen, uns einander zuwinken, einander kennenlernen, miteinander reden. Doch all das geschieht stets unter einem unberechenbaren Vorbehalt, weil nie sicher ist, wenn der Graben breiter wird. So breit, dass die andere Person nur noch als Punkt am Horizont wahrzunehmen ist.
Kommt nicht ganz von mir.

So, jetzt kannst du davon halten, was du willst.

Jetzt les ich schon wieder dieses Danke. Danke : - ).

Und sorry, das der Kommentar so am Text vorbeigeraten ist, ihn fast völlig aus den Augen lässt.

Liebe Grüße,
Stefan

...ja, Weisswürste vor Zwölf mag nicht jeder : - ))


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