nach längerem überlegen, muss ich zugeben, dass ich mein „traktat gegen poetische einengung“ nicht als allgemeingültiges schriftstück und schon gar nicht als trotzbrüller aufsetzen kann. dafür ist mir das thema zu wichtig. erstmals, hätte ich damit den freiheitskern verfehlt, und selbst eine einengung vorgeschrieben (wo ich mich so gegen sie wehre!)und selbst wenn diese einengung darin bestünde mehr freiheit anzufordern. und zweitens----hätte ich mich zu weit von dem wesen der poetik entfernt, welches ein persönliches ist. ein persönliches erleben, ausdrücken und weitergeben des poetischen moments.
worüber ich schreiben kann, ist der unterschiedliche zugang zur poesie, bzw. vielmehr mein zugang zur poesie. mein zugang zur poesie will freiheit und breite. will schwanken, suchen, summen, schwätzen oder schweigen, wühlen, graben, sich unnötig aufhalten, stolpern, fallen, geschwindigkeiten ändern…will keine vorgegebenen rahmen haben außer dem eigenen empfinden, und will es sich nicht vorwerfen lassen müssen. oder wenn---nicht übertrieben ehrfürchtig darauf hören. es liegt wahrscheinlich schon auch ein bisschen am poetischen erbe das jeder mit sich bringt.
ich komme zurück auf „mehr freiheit anzufordern“ und warum das für mich das normalste auf der welt ist, und für einen anderen womöglich eine nötigung darstellt. in der dritten klasse der grundschule lernten wir (in einem anderen land) die aufteilung der poesie, die für die hiesigen grade nicht gilt.
der satz war: poesie teilt man auf in lyrische und epische.
jetzt fragt man sich womöglich was epische poesie ist. epische poesie ist poesie die gesungen werden kann, eine bestimmte rhitmik hat und begleitet wird, meistens mit saiteninstrumenten. am balkan sehr historisch verwurzelt. die völker deren schriftkultur in einfachen schichten sehr lange nicht besonders entwickelt war, entwickelten mündliche überlieferungen, über ihre kriege, ihre helden, aber auch über ihre romeos und julias, tragödien und komödien, und sangen das in 8-silben, 10-silben, 12-silben, opulent und lange. alles war drinne was das leben ausmachte und es war leicht zu merken, gar für jeden schlichten herdentreiber, da es gesungen war. damit bin ich großgeworden, dass das ohr mit-dichtet, vielleicht sogar als erstes dichtet. nichtmal zählen musste ich 8-oder 12 silben, das war so fest in der melodie verankert dass die aussage „wusste“ wo sie aufhören muss, gar für den der nicht zählen kann. es war im blut. es war „pjesma“---was gleichzeitig ein lied und ein gedicht bedeutet. Ich denke dass sogar die griechen mit ihrer lyra ähnliche erfahrung hatten, wie die slaven, und deshalb es lyrik nannten.
wäre ich in japan großgeworden, wäre womöglich das haiku meine art des denkens. auch verwurzelt. ich weiß es nicht. eine art zart zu verweben, anzudeuten, deutung zu vervielfältigen. dezent, nachdenkpausenreich, anscheinend leer dennoch hallend. Aber ich denke nicht in haiku, und wenn ich es vesuche, ist das meistens eine spielerei in mich „anders“ erleben, und nicht ein wirklicher versuch den poetischen moment zu fangen. Ich kastriere mir meinen üppigen poetischen moment doch nicht zum haiku! Wie auch wahrscheinlich ein japaner nicht nachvollziehen kann wieso ich mich so gern in so viel sprache so ausführlich baden mag. was mir meine freiheit ist, wäre ihm eine nötigung---und umgekehrt. Ich bin in geschwätziger tradition großgeworden, und wenn bei mir kaffee riecht, dann riecht es nicht nur dezent und man muss es sich denken, sondern es wird gar verschwenderisch und schamlos mit metaphern, flügelwörten, adjektiven und restlichem geschnörksel und ornamentik zu munde getragen, und dann wird gar die tasse beschrieben, wie dünn die wände der tasse sein sollten damit der kaffee am besten schmeckt, wie die hand aussieht die die tasse trägt, mit wem der genuss geteilt wird, und es wird sich so lange in der „epischen breite“ gewälzt, bis ich mir sicher bin dass der leser hineingezogen ist und unmissverständlich das fühlt was ich fühle. oder eben, wenn japaner
, ihm der kaffee aus der nase läuft und der um gnade bittend wegrennt.
ich plädiere hier nicht für die einzige richtigkeit einer der zugänge, das ist geschmackssache, vielerlei determiniert. aber wofür ich nicht nur plädiere, sondern wofür ich stehe und nie müde werde es zu verteidigen, ist das recht und die legitimität auf einen eigenen poetischen ausdruck---und auf die offenheit für die „seelenwanderungen“. es gäbe keine übersetzungen, hätte man den geist einer anderen sprache in eine neue nicht übertragen können. haikus auf deutsch, haben ihre berechtigung. aber auch geschwätziges hat auf deutsch ihre berechtigung, warum nicht? ist der deutschen seele das optimieren, kürzen, strammen, DICHTEN näher als träumen? denke ich nicht, wenn ich die „alten“ lese. aber, wenn ich die „neuen“ lese, manchmal, überfällt mich die bange. man gönnt sich ja gar nicht mehr. nicht mal ein atribütchen. ein freches metapferchen. ein flügelwort. nur eine geregelte ernsthaftigkeit.
ich habe angst von streng geordneten schubladen, wo DICHT an DICHT nur zweckmäßiges passt, wie in der schule.
wo singen dann die träume? wo dehnen sich rücksichtslos und lustvoll die poetischen momente?
in manch einem gedicht schon, auch hier. deshalb bleibe ich. um hin und wieder jubeln zu können, wenn eine louisa, eine flora eine xanthype oder allerleirauh…(oder die anderen jetzt unbenannten), etwas „vorsingen“…wo ich merke: das klingt mir nahe. da dichte ich nicht mit. da träum ich mit.
lg, pjesma
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