Aphorismen von Jules Renard und de La Rochefoucauld, kommentiert

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Quoth
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Beitragvon Quoth » 07.04.2016, 17:25

Jules Renard hat geschrieben:Um zu arbeiten, warte ich, bis mein Thema an mir arbeitet. (1900)

Oft verschwende ich Stunden damit, einen Text erzwingen zu wollen, der mir trotz aller Anstrengung nicht gelingt. Dann aber fließt er mir plötzlich wie von alleine zu. Dabei kann es zu inhaltlichen Verschiebungen kommen, die ich in der Phase des absichtlichen Schreibens nie vorgenommen hätte, auf die ich auch gar nicht gekommen wäre. Mit dem Begriff "Inspiration" kann ich nicht viel anfangen. Aber Renards Formel leuchtet mir unmittelbar ein: Das Thema muss anfangen, an mir zu arbeiten. Diese Verselbständigung dessen, was man gestalten will, ist vielleicht das Schönste an der ganzen Schreiberei.



Zitiert nach Jules Renard: Das Leben wird überschätzt. Aus den Tagebüchern ausgewählt und übersetzt von Henning Ritter. Matthes & Seitz, Berlin 2015 und nach Jules Renard: Ideen in Tinte getaucht, Tagebuchaufzeichnungen, übersetzt und ausgewählt von Hanns Grössel, Winkler, München 1986
Zuletzt geändert von Quoth am 11.06.2019, 17:10, insgesamt 2-mal geändert.
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birke
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Beitragvon birke » 13.08.2018, 21:08

das glaub ich nicht, "in großer toilette", heißt feierlich, festlich gekleidet - dann: "also nackt" - heißt für mich: nackt ist sie am schönsten... :)
tu etwas mond an das, was du schreibst. (jules renard)

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Pjotr
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Beitragvon Pjotr » 13.08.2018, 21:24

Wann wurde eigentlich das Wort "sexy" erfunden, und wurde das jemals in Frankreich benutzt? Gibt es ein entsprechendes französisches Wort? In der Schule hatte ich nur zwei Jahre Französisch, war darin sehr schlecht, und bis zur französischen Erotik sind wir erst gar nicht gekommen.

Ich frage, weil ... bedeutet "nackt" bei den Franzosen auch so etwas wie "sexy"? Also ich kann manche elegante Damen schon sexy finden, zugleich kann ich manche komplett Nackten nicht unbedingt sexy finden. Es kommt letztendlich auf die Haltung an. Die Haltung machts. Und darin liegt zuletzt auch die Eleganz. Elegante Kleidung erscheint erst dann elegant, wenn sie elegant getragen wird. Die Frage ist also: Erotisiert elegante Kleidung auf die selbe Weise wie Nacktheit?

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Beitragvon birke » 13.08.2018, 22:11

ja, absolut, das denke ich!
die haltung machts, die ausstrahlung.
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Beitragvon Zefira » 13.08.2018, 22:18

Für mich ist das Wort "sexy" beschränkt auf Mädchen unter zwanzig im bauchfreien Top, die, wie es so schön heißt, ein Selfie mit Duckface machen. Oder Poledance mit bestimmten, seit Jahrzehnten festgelegten Körperhaltungen ... Brust und Po raus, Augendeckel auf halbmast, Zungenspitze hervorschauend ...
Also gerade nicht erotisch ... meinem Verständnis nach, sondern lediglich eine Schablone zitierend.

(Ich habe eben, um sicherzustellen, dass ich das Wort richtig gebrauche, "duckface" nachgeschlagen. Es handelt sich laut Wiki um einen selbstironischen Versuch, sexy auszusehen.)

Wann wurde eigentlich das Wort "sexy" erfunden, und wurde das jemals in Frankreich benutzt?


In Jacques Tatis Film "Mon oncle" gibt es eine Szene, in der ein Mann seiner Frau vorschlägt, ins "Sexy" zu gehen. Es handelt sich um ein Lokal; für den Namen gibts sicher Gründe. :engele:
Sie möchte aber lieber in ein Lokal mit romantischer Musik.
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Beitragvon birke » 13.08.2018, 22:24

"sexy" ist meinem verständnis nach etwas offensiver, direkter als erotisch, welches für mich mehr unterschwellig ist..
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Beitragvon Pjotr » 13.08.2018, 22:29

Ja, ich wollte gerade auch hinzufügen: "Sexy" könnte man im Deutschen übersetzen als "aufreizend" oder "erregend" (dann ebenso im Französischen). Aber es ist halt doch nicht dasselbe; "sexy" hat so einen kommerziellen Unterton, nicht unbedingt radikal-billig oder -industriell, aber schon in die Richtung. Ich glaube, ab sofort werde ich das Wort nicht mehr verwenden. "Erregend" ist schöner.

"Du spieltest Cello-oo ... und ich fand dich so errege-eend" (Lindi)



"Frau in großer Toilette. Also erregend."

"Frau mit Cello. Also nackt."

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Beitragvon Zefira » 13.08.2018, 22:40

Das Cello hat in der Tat so ein Gschmäckle, weil die Spielerin es zwischen die Knie nimmt. Ich kann mich an einen Film mit Jack Nicholson erinnern, in dem er einer Frau, die ziemlich verhuscht und verschüchtert erschien, ihr Cello mit recht eindeutiger Geste zwischen die Beine schob.
Ich habe eine CD von L'Arpeggiata mit sehr schönen Fotos im Booklet; auf einem davon sieht man die Beine einer Cellistin, dazwischen das Instrument, und sie trägt hinreißende Overknee-Stiefel mit recht spitzen Absätzen ... hmhm, das ist schon ein seeehr spezielles Foto, ich glaube, ich leg mir die CD gleich nochmal auf.
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Beitragvon Pjotr » 13.08.2018, 23:22

Overknee-Stiefel finde ich schön, aber nicht am Cello, das wirkt etwas bemüht, gekünstelt erotisch, oder nicht? Eigentlich finde ich das weibliche Cellospielen an sich erotisch, der sinnliche Umgang mit dem Klang, die Haltung, die Hingabe, das Umarmen. Es reicht mir, wenn die Dame dabei elegant gekleidet ist, also in großer Toilette, oder wie man das nennt.

Ähnliche Beinspreizungen erscheinen auch beim Motorradfahren, oder beim Reiten (Pferde). Da passen Stiefel besser, für meinen Geschmack, also thematisch. Da geht es um Kraft und Dominanz. Auch schön.

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Beitragvon birke » 13.08.2018, 23:51

Pjotr hat geschrieben:Overknee-Stiefel finde ich schön, aber nicht am Cello, das wirkt etwas bemüht, gekünstelt erotisch, oder nicht?.

ja, finde ich auch.

ich habe das bild einer cellistin im kopf, in einem weißen kleid und barfuß, das fand ich schön (ist das vllt das lindenberg-cover??)
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Beitragvon Pjotr » 13.08.2018, 23:58

Aber es kommt natürlich auch auf den Kontext an. Wenn in der Darbietung beispielsweise eine gewisse theatralische Ironie drinsteckt, sind Übertreibungen wiederum notwendig. Kate Bush im Babooshka-Kriegerinnen-Look funktioniert zum Beispiel auch. Kann sein, dass das bei L'Arpeggiata da auch so war da. Kann man das Bild im Netz sehen?

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Beitragvon Zefira » 14.08.2018, 00:07

Es gibt eine Geschichte von Carson McCullers, in der der erotische Aspekt des Cellospielens ad absurdum geführt wird.
Bei Googlebooks kann man sie im Original nachlesen: Poldi.

"Nobody has such a time with stockings as cellists. (...) A pair of stockings twice every month I have to buy!"
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Beitragvon Pjotr » 14.08.2018, 00:18

Interessant.

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Beitragvon Zefira » 14.08.2018, 00:30

Ist dieser Kommentar ironisch gemeint oder findest du das tatsächlich interessant?
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Beitragvon Pjotr » 14.08.2018, 01:09

Tatsächlich interessant. Zumindest die Ausschnitte, die ich las.

Wie findest Du das?


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