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Aphorismen von Jules Renard und de La Rochefoucauld, kommentiert

Verfasst: 07.04.2016, 17:25
von Quoth
Jules Renard hat geschrieben:Um zu arbeiten, warte ich, bis mein Thema an mir arbeitet. (1900)

Oft verschwende ich Stunden damit, einen Text erzwingen zu wollen, der mir trotz aller Anstrengung nicht gelingt. Dann aber fließt er mir plötzlich wie von alleine zu. Dabei kann es zu inhaltlichen Verschiebungen kommen, die ich in der Phase des absichtlichen Schreibens nie vorgenommen hätte, auf die ich auch gar nicht gekommen wäre. Mit dem Begriff "Inspiration" kann ich nicht viel anfangen. Aber Renards Formel leuchtet mir unmittelbar ein: Das Thema muss anfangen, an mir zu arbeiten. Diese Verselbständigung dessen, was man gestalten will, ist vielleicht das Schönste an der ganzen Schreiberei.



Zitiert nach Jules Renard: Das Leben wird überschätzt. Aus den Tagebüchern ausgewählt und übersetzt von Henning Ritter. Matthes & Seitz, Berlin 2015 und nach Jules Renard: Ideen in Tinte getaucht, Tagebuchaufzeichnungen, übersetzt und ausgewählt von Hanns Grössel, Winkler, München 1986

Verfasst: 12.08.2018, 18:35
von birke
mucki, weil er sie nackt am schönsten findet? so verstehe ich das. :)

Verfasst: 12.08.2018, 18:39
von Mucki
Frau in großer Toilette, also ganz nackt.

Aber da steht doch dieses "also". Das würde dem doch widersprechen?

Verfasst: 12.08.2018, 19:04
von Pjotr
Ist eine große Toilette nicht ein großer Waschraum?

Verfasst: 12.08.2018, 19:07
von Mucki
*g* Pjotr, du hast offensichtlich "Frühstück bei Tiffany" nicht gesehen. :DD:

Verfasst: 12.08.2018, 19:23
von Zefira
Da fällt mir ein, wie Désirée, eine Seidenhändlerstochter und Königin von Schweden, den Brokatstoff für ihr Krönungskleid kaufen ging.
Der Inhaber des Stoffgeschäfts, den sie aus ihren Mädchenjahren kannte, knickte ein vor Demut, und sie erklärte:
"Es ist für eine Abendtoilette, die ich bei Tag tragen muss."

"Désirée" von Annemarie Selinko. Ist weit über vierzig Jahre her, dass ich es gelesen habe, aber die Heldinnen der Jugend leben ewig.

Verfasst: 12.08.2018, 19:29
von birke
ohhh, zefira, dieses buch habe ich damals auch verschlungen! da hast du bei mir eine schublade geöffnet, danke!

mucki, das "also" stört meine Interpretation eigentlich nicht...?

:)

Verfasst: 13.08.2018, 12:11
von Quoth
Dass Nacktheit das schönste Kleid ist für Frauen wie Männer, darf man in Frage stellen nach einem Besuch des Nacktbadestrands. Sie ist vielleicht das ehrlichste Kleid - denn Textilien dienen ja auch immer der Verhüllung oder Bändigung des Unschönen ... Gut erinnere ich mich noch an die Werbung für den vorn 30 cm breiten Herrengürtel Apoll, der den Bierbauch unsichtbar zu machen versprach!
Jules Renard hat geschrieben: In der Tasse spiegelt der Kaffee nur meine düsteren schwarzen Gedanken wider. (1901)

Umstandskrämer! Warum tut er sich nicht Milch dazu?

Verfasst: 13.08.2018, 12:32
von birke
Quoth hat geschrieben:Dass Nacktheit das schönste Kleid ist für Frauen wie Männer, darf man in Frage stellen nach einem Besuch des Nacktbadestrands.
haha, ja, allerdings ...

Quoth hat geschrieben:
Jules Renard hat geschrieben: In der Tasse spiegelt der Kaffee nur meine düsteren schwarzen Gedanken wider. (1901)

Umstandskrämer! Warum tut er sich nicht Milch dazu?


manchmal denke ich, jules renard und ich sind so eine art seelenverwandte, lach!
vor ein paar jahren hab ich dieses geschrieben, sorry, aber das muss ich jetzt hier einstellen, es passt zu gut!


die tasse kaffee
ein spiegel
geschäumte gedanken
auf dunkler geduld
tiefer im schwarz
nistet die liebe


.

Verfasst: 13.08.2018, 13:01
von Mucki
Quoth hat geschrieben:Dass Nacktheit das schönste Kleid ist für Frauen wie Männer, darf man in Frage stellen nach einem Besuch des Nacktbadestrands.

*lach* Das habe ich gerade erst erlebt. Ich war in Urlaub am Meer und joggte (bekleidet) jeden Tag am Strand bis hin zur FKK-Zone. Auweia! Aber, was ich cool fand, war die Tatsache, dass die Nackedeis mir mit stoischer Gelassenheit begegneten. Am köstlichsten war ein älterer Herr, der nackt mit vollem Bierbauch stolz daherschritt, jedoch eine Brille trug. :pff:
Quoth hat geschrieben: Jules Renard hat geschrieben:
In der Tasse spiegelt der Kaffee nur meine düsteren schwarzen Gedanken wider. (1901)


Umstandskrämer! Warum tut er sich nicht Milch dazu?

Vielleicht hatte er eine Laktoseintoleranz? ;):

Sehr schön, dein Gedicht, Diana.

Verfasst: 13.08.2018, 13:05
von Zefira
Die Nackten sind meistens ältere Leute. Ich bin ihnen auch in diesem Jahr begegnet, am Ostseestrand. Sie sind stolz und unbefangen. Weit mehr als ich Bekleidete.

Verfasst: 13.08.2018, 14:06
von Mucki
Hab ich auch so beobachtet. Sie schauten mir offen in die Augen, während ich öfter den Blick senkte.

Jules Renard hat geschrieben:
In der Tasse spiegelt der Kaffee nur meine düsteren schwarzen Gedanken wider. (1901)

Vllt. möchte Renard damit ausdrücken, wie er nach Klarheit, nach Worten sucht. Der schwarze Kaffee spiegelt quasi seine düstere Suche danach wider.

Verfasst: 13.08.2018, 16:37
von Pjotr
Ja sind wir schon durch mit der Toilette?

Also ich denke dabei immer noch an solche Bilder, also an den Akt des Waschens und Pflegens:

https://www.google.com/search?q=gem%C3% ... s&tbm=isch


Sie schauten mir offen in die Augen, während ich öfter den Blick senkte.

Gesenkt bis wohin?


Zum Thema FKK: Ich denke, es liegt in der Natur des Exhibitionismus, stolz und unbefangen zu sein. Das ist kein Ort für Introvertierte. Ich geh da auch nie hin.

Verfasst: 13.08.2018, 17:44
von Mucki
Pjotr, deine Bilder entsprechen dem Satz: Frau bei der Toilette

Pjotr hat geschrieben:Gesenkt bis wohin?

:icon_redface2: :mrgreen:

Verfasst: 13.08.2018, 20:59
von Pjotr
Aha. Bedeutet "toilette" so etwas wie "herrichten"?

Bei der Toilette sein: Waschen, pflegen, Geschmück herrichten?

In der Toilette sein: Gewaschen sein, gepflegt sein, geschmückt sein?

Wenn Renard nachschiebt: "... also nackt", ist das als Pointe gemeint in Bezug auf eine mögliche Bedeutungsverwechslung?
"Also nicht in großem Schmuck (Toilette), wie Sie, liebe Leser jetzt meinen könnten, sondern beim großen Waschen (Toilette)"?
Und hinterher vielleicht sogar doppeldeutig, also Schmuck als Entblößung betrachtend?