Prosalog

Hier ist Raum für gemeinsame unkommentierte Textfolgen
Nifl
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Beitragvon Nifl » 23.07.2007, 18:09

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Foto A.P. Sandor et moi


Prosafluss - Geheime Nachrichten - Flüsterpost - Prosapool - ungebunden - verbunden - Prosadialog - Prosakette - Prosa rhei - ungebunden - verbunden - Prosa - Blitzlichter - Prosalog - Wort zu Wort Beatmung - Prosafolge - ungebunden - verbunden


Hier handelt es sich um einen Faden, in dem ihr euch prosaisch zurücklehnen könnt. Lasst euren Gedanken freien Lauf. Erzählt von euren Träumen, eurem Ärger, euren Problemen, euren Sehnsüchten, euren Beobachtungen, euren Wünschen, euren Phantasien, euren Ideen, eurem Kummer, eurer Wut, eurem Tag, euren Spinnereien … "Die Wahrheit" spielt dabei selbstverständlich keine Rolle.
Fühlt euch frei.

Lasst euch von bereits verfassten Texten inspirieren, greift das Thema auf, oder schreibt einfach "frei Schnauze"… alles ist erlaubt.

Ich bin gespannt!




Kleingedrucktes:

Damit eure Kostbarkeiten behütet bleiben, müssen folgende Regeln beachtet werden:

Bitte keine Kommentare
Keine direkten Antworten (zB. Gratulationen, Beileidsbekundungen, Nachfragen etc.)
Keine Diskussionen
Kein Smalltalk oder Talk überhaupt

Geht immer davon aus, dass alle Texte Fiktion sind.



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"Das bin ich. Ich bin Polygonum Polymorphum" (Wolfgang Oehme)

Mucki
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Beitragvon Mucki » 20.11.2010, 14:42


Immer wieder

Es gab Reisen, die ich immer wieder antrat. Reisen, die immer das gleiche Ziel hatten. Reisen, deren Ziel ich nie erreichte.
Warum ich dieses Ziel nie erreichte, fragte ich mich immer wieder. Warum ich diese Reisen immer wieder antrat, wusste ich damals nicht.
Heute weiß ich es und trete diese Reise nur noch einmal an, ohne das Ziel zu kennen.

jondoy
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Beitragvon jondoy » 29.11.2010, 15:13

Unterwegs zu den Enden der Freiheit


Verspielte Kinder, deine roten Haarsträhnen.
Auf dem Segelboot, auf dem du den Herbstwind genießt,
malen sie dir lustige Farbstriche ins Gesicht.
Regentage später findet dein innerer Kompass
körbeweise Esspilze im Wald,
du verschenkst sie, mit leisem Lächeln, wie Blumen.


Neue Haare verbergen ein neues Leben.
Keine Zeit kann uns jetzt noch bremsen, dachten wir,
wo doch alles seine Zeit hat,
und, wo ich bin, da gehör ich hin,
auch wenn andre andrer Meinung sind.
Ich bin dann mal - unten,
für uns war´s ein ironischer Witz.


Wolltest den Schnee wieder sehen,
und ihn noch gar nicht gehen,
haben sie mir erzählt,
den Weg ans Ende des Odems,
und musstest es doch zulassen,
heimzukommen.

Xanthippe
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Beitragvon Xanthippe » 02.12.2010, 09:58

(Vom Ende der Freiheit - Heimkehr)

Wie kannst du das behaupten?
Wie kannst du vom Ende der Freiheit sprechen, wenn niemand weiß, wo sie beginnt?
Ich stelle mir die Freiheit so vor:
Ein Kreis
Eine Wolke, die ständig ihre Gestalt ändert
Ein Greis, der mit der Inbrunst von Kindern spielt

Jetzt schweigst du.
Jetzt sprichst du von Reisen.
Davon wie das Licht die Landschaft ändert
und letztendlich den Glauben daran.

Zu Verschenken haben wir schon lange nichts mehr
Körbeweise Entbehrungen
Unerfüllte Erwartungen, die wir nicht loslassen konnten
zu spät bemerkten,
allein sie hielten uns fest

So geht Reisen
So geht Hoffnung.
So gibt man auf.

So kehrt man heim.

Mucki
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Beitragvon Mucki » 04.12.2010, 01:23

Ewiges Fliegen

Du sagst mir jeden Morgen, wenn wir uns sehen, ich solle mich in den Flieger setzen und zu dir kommen. Jeden Morgen. Obwohl du weißt, dass ich nicht kann. Du kennst die Gründe gut. Warum schweigst du nicht, redest mir die Sehnsucht nach Heimat fort. Hörst mir nicht zu, setzt mir zu und nährst meine Träume, in denen ich jede Nacht fliege, fliege und fliege.

jondoy
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Beitragvon jondoy » 09.12.2010, 11:10

Ich stelle mir die innere Freiheit so vor:
Vor mir ein Schild, auf dem steht: "Zur Freiheit".
Ich nehme mir die Freiheit, es links liegen zu lassen.

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eva
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Beitragvon eva » 10.12.2010, 17:02

Er erzählte mir jetzt zum dritten Mal von seiner missglückten Affäre mit einer beruflichen Artgenossin. Stellt sich vorab die Frage, sind nun aller guten Dinge drei oder handelt es sich schlicht um einen Anflug demenzieller Oberflächlichkeit? Möglicherweise geht es ja auch nur um die Tatsache, dass in diesem Job Empathie unser täglich Brot ist. Dann liegt der Schluss nahe, dass diese Gabe Affären nicht gerade begünstigt. Was ich mit Herzblut unterschreiben würde, weil Einfühlung pragmatischen Befühlungsaustausch ziemlich anstrengend macht. Wobei ich gegen eine Affäre spontan nichts einzuwenden hätte, weil mich das Wort schon fasziniert. Als es noch aufzuregender war, flüsterte man es noch „Affaire“ und das verhieß, dass irgendjemand mit irgendetwas Tabubrüchigem zu tun hatte. Heute affährt es sich leichter und das gefährliche Flair ist erloschen. Er trifft seine verflossene Affäre nun gelegentlich noch bei Aldl oder Linny zwischen supergünstigen Eiskratzern und Marzipanschweinchen im Sonderangebot, man grüßt sich höflich, mit einem Hauch Unbehagen vielleicht, und sucht zwischen den Schachteln das Weite. Deshalb begegne ich meiner Affäre, die wohl eher die Halbwertzeit eines Affektes hätte, am Besten in Osnabrück. Oder in Bochum. Beide Orte hätten den großen Vorteil, dass ich so gut wie nie hinkomme. Deshalb finden alle meine Affairen dort leider ohne mich statt.
Jetzter wird's nicht. D. Wittrock

Mucki
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Beitragvon Mucki » 12.12.2010, 17:48

Wie Filme beeinflussen können

Neulich sah ich einen Film. Ich weiß gar nicht mehr, ob er mir gefiel oder nicht. Auch die Handlung hab ich vergessen. Der Hauptdarsteller residierte in einem Grandhotel, Ritz oder so. Er saß im Restaurant mit einer jungen Frau, Blind Date, Affaire, keine Ahnung. Er rief den Roomservice an und sagte: "Schlagen Sie bitte mein Bett auf."
Diesen Wunsch fand ich so dekadent und albern, dass es das Einzige war, was mir im Gedächtnis blieb, zumal ich mich fast verschluckte vor Lachen, als er dies sagte.

Ich habe ein großes King-Size-Bett nur für mich allein. Es hat zwei übergroße Matrazen übereinander und drei Überdecken, die oberste aus schwarzem und caramelfarbenen Nerzfell mit exakt 12 Kissen, sorgfältig arrangiert. Farblich zur Überdecke, versteht sich.
Und jede Nacht wünsche ich mir ein Telefon, um ein Zimmermädchen anzurufen und ihr zu sagen:
"Schlagen Sie bitte mein Bett auf."

Peter

Beitragvon Peter » 13.12.2010, 21:21

Heißer Rum

Sein Erzählen geht in der Vergangenheit, als ob sie eine Gegenwart wäre. Er weiß noch alle Namen; es scheint mir, er könnte noch von jedem Tag das Wetter sagen. Ich höre ihm zu und sehe dabei die Unordnung auf dem Tisch an. Während in seinen Worten eine Hand geht, die noch alles vorfindet, sucht er auf dem Tisch den Löffel, der zwischen einem der Gegenstände verschwand. Ein paar braune Äpfel liegen auf dem Tisch, ein Schachbrett mit zerstreuten Figuren, ein Radio ist darüber hingestellt, eine Bohrmaschine liegt dabei, ein alter Schraubenzieher, teils sind die Dinge schon verstaubt. Vor mehr als einem halben Jahr ist er in die Wohnung eingezogen. In der Ecke steht noch immer ein Umzugskarton. Und er erzählt von der Vergangenheit, manchmal begreife ich nicht, ob es gestern war, was er erzählt, oder wirklich vor diesen dreißig Jahren, die er nur ab und zu und erst auf Nachfrage erwähnt, als wären sie unter allen Details das am wenigsten bedeutende.
Aus dem Radio spielen Hits aus den Achtzigern. Zu jeder halben Stunde wird Werbung geschaltet. Obwohl ich alle Geschichten schon kenne, lausche ich doch zumindest auf den Hintergrund seines Erzählens. Denn dort geht alles lebendiger vor, als es ein jedes in seiner Wohnung ist. Die Gegenstände stehen auf einem schweren, runden Tisch, der den Großteil der Küche einnimmt. Im Spülbecken stapelt sich das schmutzige Geschirr. Das Fenster, das auf die Straße zeigt, ist rabenschwarz. Ich sehe meine Spiegelung darin, und ich höre auf seine Worte, die von Sommern sprechen, Ausflügen, von Schicksalen, von Anekdoten, von Besitz und Arbeit; und dafür, dass er erzählen darf, scheint er dankbar, es rettet ihn für diesen Abend. Er achtet darauf, dass mein Glas nicht leer bleibt, er steht besorgt auf, richtet das Wasser, gießt es nach, gibt mehr Rum in mein Glas als in seines. Und da er trinkt, scheint es, trinkt er über seine Sätze hinweg; er trinkt von dem heißen Rum über seine Worte hinweg; er sieht über den heißen Rum in seine Gegenwart; lehnt sich zurück, lehnt sich vor, steht auf zwischen den Worten und erzählt von seiner Gegenwart.

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Eule
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Beitragvon Eule » 14.12.2010, 09:37

Gegenwärtig ginge es ihm gut. Es sei soweit alles im Lot, er hätte einen Minijob als Wochenendaushilfe in einer Fabrikhalle, wo er Frachtgut bereitstellte. Den Rest bekommt er über Hartz4. Keine größeren Schulden, keine besonderen Krankheiten oder Bekanntschaften. Sicher, man wird älter, es läuft nicht mehr so rund wie früher, neue Anschaffungen könnte er nicht machen, aber gemach, gemach, seine tägliche Teezeremonie könnte er sich immer noch leisten, der hielte sich lange und man könnte eine Kannenportion den ganzen Tag lang immer wieder aufgießen, in Ausnahmefällen sogar mehrere Tage lang. Ernähren würde er sich von Dosenfutter und Billgbrot vom Supermarkt gegenüber und ab und zu gäbe es etwas Schokolade zum Nachtisch.
Ein Klang zum Sprachspiel.

Mucki
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Beitragvon Mucki » 27.12.2010, 16:12

Schokolade macht glücklich, sagt man. Schokolade macht rund, weiß man. Nun, ich liebte Schokolade über alles, vor allem mit Marzipan oder Krokant. Zum Nachtisch? Nee, immer wieder so zwischendurch. Und immer wieder wurde ich runder, damals, als ich noch glücklich werden wollte, durch Schokolade. Klar wurde ich nicht glücklich, sondern so richtig rund.
Heute vertrage ich keine Schokolade mehr. Zum Glück? Na ja ... aber rund bin ich nimmer.

Gerda

Beitragvon Gerda » 04.01.2011, 22:43

Ahnungslos betrat sie mit ihm das Entrée des Café Sprüngli. Erst schnupperte sie, dann atmete sie tief ein. Der Duft war himmlisch. Sie war hin und weg, Kaffee hin, Kuchen her. So intensiv und betörend hatte sie Schokolade noch nie wahrgenommen.
Magst du Schokolade, fragte er beiläufig.
Ja doch, ich liebe sie.
Ich möchte dir gern etwas schenken.
Oh ... sie war überrascht, ließ es nicht anmerken und begann die Auslagen in den Regalen genauer zu betrachten. Er suchte, so schien es ihr, etwas ganz Bestimmtes.
Sie vertrieb sie sich die Zeit mit Schauen und staunte, was sich hier ihrem Auge und ihrer Nase darbot. Überwältigend die Köstlichkeiten, ob Trüffel, Pralinees oder Luxemburgerlis, was für eine Auswahl. Sie war im Confiseriehimmel gelandet, anders konnte es gar nicht sein. Die Preise waren allerdings auch überirdisch. Seufz.
Dann bemerkte sie, dass er mit einem quadratisch verpackten Karton von der Kasse auf sie zukam. Er überreichte ihr das Päckchen, bat sie, es nicht gleich zu öffnen und führte sie nun die Treppe herauf ins Café. Sie hatte einen Zipfel vom Glück. Jetzt und hier. Jedenfalls meinte sie genau das zu spüren.

Wenige Tage später, sie saß im Zug auf dem Weg zurück in die Alltäglichkeit, packte sie aus. Der braune Karton, der zum Vorschein kam fühlte sich an, als sei er mit Leinen überzogen und trug in Gold die Aufschrift:
CRU SAUVAGE
Truffes de Cacao Sauvage Limitées.

Nobel und edel las sich das.
Es dämmerte ihr langsam aber sicher und bestätigte sich, nachdem sie zu Hause dank Internet die Aufschrift dechiffriert hatte: Er spielte in einer anderen Liga.

Mucki
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Beitragvon Mucki » 17.01.2011, 16:37


Manchmal ist Ahnungslosigkeit ein Segen.
Rückwärts gesehen, erweist sich Ahnungslosigkeit als der größte Fluch.

Gerda

Beitragvon Gerda » 26.01.2011, 20:31

Gutgläubig oder Naiv?

Gestern, teilte der Chef ihr mit, dass ihr Arbeitsvertrag nicht verlängert wird.
An der Leistung läge es nicht. Er erzählte etwas von Umstrukturierung et cetera pp.
Es war nicht abzusehen, dass ihr Zweijahresvertrag nicht verlängert werden würde, hatte man ihr doch ganz anderes versichert ... Durfte sie aus dem Gleichgewicht geraten? Verdammt, es kratzte am Selbstwertgefühl und das Wasser schoss ihr in letzter Zeit ohnehin schnell in die Augen.
Die schönen, verheißungsvollen Worte klangen in ihren Ohren besonders heftig nach: "Neue Stelle geschaffen, wir arbeiten sie hier nicht ein, damit sie nach 2 Jahren wieder gehen und blabla ...“.

Aber so ist das nun mal, die Vorteile ihrer Anstellung als ältere Arbeitnehmerin, das heißt den Zuschuss (50%!) zum Gehalt, den hatte man gern mitgenommen, insofern war sie für die AWO eine billige Arbeitskraft ... völlig unerheblich, dass sie sich ein Bein ausgerissen hatte ...

… und dennoch ist da eine Stimme die beschwichtigt, an das Gute, das Uneigennützige im Menschen weiterhin zu glauben, auch im Kapitalismus. Gegen diese sich die andere Stimme, die laut gegen die Ungerechtigkeit protestieren möchte, nicht wirklich durchsetzen kann, weil die Kraft fehlt. Warum sind „Lohnabhängige“ bloß eine so geduldige Herde?

Wieder in die Bewerbungstretmühle zu müssen …
Sie war es müde.
Zuletzt geändert von Gerda am 26.01.2011, 20:43, insgesamt 1-mal geändert.

Xanthippe
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Beitragvon Xanthippe » 07.02.2011, 08:39

Wie man wird was man ist oder bleibt was man nie werden wollte

Ein Mühlrad und einer der es bewegt. So lange aufeinander eingespielt, aufeinander bezogen, aneinander bewegt, bis das Unterscheidungsvermögen verloren geht.

Ich bin so müde, sagte sie.
Und die Mutter antwortete: Was soll ich denn sagen?
(Warum antwortete? Es war doch keine Frage.)
Dass es dir leid tut.
Dass es eine Schande ist, wie unsere Gesellschaft mit der Jugend umgeht.
Dass du trotz allem an mich glaubst.
Etwas in der Art.

(Dabei war es ja keine Frage. Eine Aussage, die alles aus sagt, d.h., die nichts sagt, weil es nichts zu sagen gibt.)
Und jetzt?
Klingelt vielleicht das Telefon?
Bringt der Postbote ein Einschreiben?
Steht das Schicksal in der Tür und sucht nach einer Frage, die zu beantworten sich lohnt?

Was riecht denn hier so hoffnungslos, fragt die Nachbarin.
Aber diesmal antwortet niemand.

Vielleicht sind es die Fragen, die den Leerlauf zum Stillstand bringen.


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